Pangya! - Golf with Style - Test, Sport, Wii
Aufgemerkt, Freunde der Sportgymnastik: Man recke den Allerwertesten ein Stück nach hinten, beuge sich bei geradem Rücken leicht vor, nehme die Remote in beide Hände und richte sie auf den imaginären Ball am Abschlagpunkt. Seid ihr konzentriert? Okay, dann schwingt die Remote in einem Bogen nach hinten und beobachtet, wie sich die Energieleiste parallel zu eurer Ausholbewegung füllt. Erreicht sie das obere Ende, drückt ihr den A-Knopf und schwingt die Arme möglichst gerade wieder nach unten Richtung Ball und hört im Optimalfall ein heiteres: PANGYA!
Eine Frage der Haltung
Magisch? Ja. Pangya ist trotz seiner ausgefeilten Spielmechanik keine bierernste Simulation, sondern eine Art Fantasy-Golf mit einem Hang zu Artefakten und Skurrilem. Da wird schon mal mit dem Baseballschläger vom Tee abgezogen, da schwebt eine Hexe als Caddy über den Kurs oder man nutzt die arkanen Kräfte einer Tinktur, um seinen Schlägen die nötige Kraft zu verleihen. Selbst Tränke zur schnellen Vergangenheitsbewältigung sollen im Umlauf sein, die hässliche Schläge der Marke Triple-Bogey vergessen machen...
Fantasy-Golf
Hört sich alles bunt und witzig an, ist es auch. Und gerade Fans japanischer Kulleraugen oder bizarrer Wesen wie Papiertüten-Caddys werden sich in dieser kinderfreundlichen Welt mit ihren urlaubsnahen Samba-Rhythmen wohl fühlen. Die Sonne lacht, die Beats summen. Allerdings nur auf den ersten Blick. Denn auf den zweiten Blick offenbaren sich nicht nur technische, sondern auch spielerische Schwächen, die die karibische Heiterkeit ganz plötzlich in bewölkte Unzufriedenheit verwandeln können. Pangya Golf kommt locker, leicht und mit sehr viel Arcade-Flair daher, aber verbirgt knallharte Mechaniken unter seiner bunten Kulisse, die frustrieren können.
In Schwung kommen
Allerdings ist es hier so, dass man schnell das Gefühl bekommt, auch ohne echten Schwung zum Ziel zu kommen: Man hält den Arm einfach nach rechts oben, bis die Energieleiste gefüllt ist, wartet etwas ab, korrigiert nach oben oder unten, drückt dann den A-Knopf für den Rückschwung und zieht nach unten durch. Vielleicht fehlt hier einfach die Pflicht zu einer fließenden Bewegung von Ausholen und Abschlagen? Wer keine Lust auf rhythmische Sportgymnastik hat, kann übrigens bei Bedarf auch eine konservative Klickmethode aktivieren - dann wird wie in alten Zeiten statisch gegolft.
Der Schwung ist verbesserungswürdig, aber nicht die große Schwäche von Pangya. Die steckt nämlich im Einlochsystem: Obwohl die kinderfreundliche Kulisse auch eine Leichtigkeit suggeriert, werden junge Neugolfer spätestens hier genau so frustriert wie geduldigere Veteranen. Anstatt ein wirklich anschauliches Gitternetzsystem für das Putten zu servieren, das mir das abschüssige oder erhöhte Gelände vor der Fahne in all seinen gewölbten Facetten zeigt, markieren hier Punkte in jedem Quadrat des Gitternetzes die Art des Geländes. Sprich: Ein Punkt in der linken Hälfte beudetet, dass es hier links abfällt; ein Punkt unten zeigt, dass es ansteigt.
Frusterlebnis Einlochen
Gerade beim Putten wird man zu Beginn sehr viele Punkte verschenken, zumal die Schwungabfrage auf der kurzen Distanz sehr zittrig sein kann. Wenn man ein paar Zentimeter vor dem Loch liegt, sollte ein Golfspiel daraus kein Vabanquespiel mehr machen! Man kann sich daran gewöhnen, man gewinnt an Erfahrung und die Motivation fällt nicht ganz in den Keller, weil auch die Gegner in der Kampagne viele Fehler machen. Ja, richtig gehört, es gibt sogar eine Story rund um einen namenlosen Helden und einen mystischen Phönixball, die euch über Insel-, Eis-, Wüsten-, Piraten- und Maschinenkursen mit vielen skurrilen Kontrahenten bekannt macht.
Rollenspiel? Nein, nein...
Es gibt Feenwesen und Waldriesen, Ex-Cops und Kampfjetpiloten, Hexen und Delfine. Allerdings kann der witzige Golf-Soap-Ansatz nicht wirklich begeistern. Es ist sehr schön, dass alle Charaktere ihre eigenen Stärken und Schwächen auf dem Platz zeigen, wie etwas besonders weite oder besonders präzise Schläge, aber spätestens in den Zwischensequenzen, wenn die Story über Dialoge vorangetrieben werden soll, will man das unfreiwillig komische Gequatsche à la "Ich habe eine wunderschöne Blondine gesehen. Und ich wusste instinktiv, dass das meine nächste Gegnerin sein würde." schnell überstehen - leider kann man es nicht wegklicken oder überspringen und muss durch. Auch das Geheule und pathetische Zusammenbrechen von Verlierern dürfte nur gestählten Japanfreunden gefallen.
Konsequent ins Wasser?
Trotzdem gibt es einige interessante Aspekte, die Pangya durchaus reizvoll machen: Wind und Regen beeinflussen die Flug- bzw. Rollbahnen, ein "Tomahawk"-Schlag lässt den Ball nach einem Steilflug wie einen Stein nach unten fallen und ein "Kobra"-Schlag lässt euch unter dem Wind ganz flach herjagen - ihr könnt Schläge sogar kombinieren. Die Plätze sind zwar kantig und texturarm, aber sehr fantasievoll gestaltet und euer Charakter steigt Stück für Stück auf, gewinnt an Fähigkeiten, Geld und Ausrüstung. Als Anfänger steht man noch mit T-Shirt und Schlappen auf dem Platz, später kann man mit Lederjacke, Kappe und Jeans protzen oder seine magische Ausrüstung vom präzisen Leuchtball bis hin zum Superschläger nutzen.
Gerade die Spezialeigenschaften der Gegenstände haben es in sich, denn sie bieten euch herrliche Boni oder für den Gegner fiese Mali. Ein "Armreif des Glücks" erleichtert euch erfolgreiche Pangya-Schläge; mit dem "Graffiti-Stift" könnt ihr eurem
Kontrahenten mal eben schnell den Bildschirm bepinseln - und das während des Schlages! Und mit dem "Abzeichen des Hurrikans" sorgt ihr bei euch für eine Flaute, während es gegenüber richtig stürmt.Kein Partyhit
Trotzdem hat es Pangya bei uns nicht zum Partyspiel geschafft. Es gibt neben der Kampagne nur einen Minispielmodus, indem ihr Ballons treffen müsst - warum hier jeder Teilnehmer eine Remote braucht und diese nicht wie im Versusmodus weitergereicht werden kann, verstehe ich nicht. Es gibt ansonsten freies Training auf allen Plätzen den oben erwähnten Modus für bis zu vier Personen gegeneinander, wobei auch Bots hinzugeschaltet werden können. Leider war es uns hier nicht möglich, direkt an einem Wii mit zwei unterschiedlichen Charakteren anzutreten - beide mussten mit der zuerst erstellten Figur starten.
Fazit
Mal abgesehen davon, dass dieses Pangya Golf auf dem kostenlosen (!) PC-Spiel Albatross 18 basiert und jetzt ohne große Änderungen zum unverschämten Vollpreis erscheint, hat es mich trotz seines heiteren Charmes, zig freispielbarer Objekte und fantasievoller Kurse ein wenig enttäuscht - und das, obwohl es den aktiven Schwung nutzt und damit den Weg verfolgt, den Wii Sports vorgegeben hat. Aber man tut es nicht konsequent genug, denn obwohl die Remote den Schläger simuliert, fehlt das Gefühl, wirklich auf dem Platz zu stehen: Aushol- und Abschlagbewegung hätten noch präziser in einem Fluss abgerufen werden müssen. Und wer hat sich nur dieses Putt-System ausgedacht? Die kunterbunte Kulisse mag Kinder und Familie zunächst anziehen, aber spätestens das frustrierende Einlochen wird sie wieder abschrecken. Ja, es gibt tolle Spezialschläge. Ja, es gibt viele putzige Figuren, viel Samba, etwas Rollenspielflair und Shopping ohne Ende, aber der sportliche Kern bleibt hinter den Erwartungen an ein bewegungssensitives Erlebnis zurück. Unterm Strich ist nur eines wichtig: Auf'm Platz. Und genau da zeigt Pangya einige Schwächen, die aus einem scheinbar leichtfüßigen schnell ein frustrierendes Erlebnis machen können. Übrigens, Nintendo: Albatross 18 kann man auf dem PC auch online spielen...
Pro
- aktives Schwungsystem…
- umfangreiche Kampagne
- putzige Figuren
- viele Spezialeigenschaften
- heitere Samba-Rhythmen
- fantasievolle Plätze
- heitere Samba-Rhythmen
- Schwung- oder Klicksystem
- komplexes Schlagsystem
Kontra
- …aber kein konsequentes- frustrierendes Putt-System
- langweilige Kampagne
- sehr fragwürdige KI-Schläge
- Ballon-Minispiel zwingt mehrere Remotes auf
- basiert auf kostenlosem PC-Spiel Albatross 18