Sword of the New World - Test, Rollenspiel, PC

Sword of the New World
20.07.2007, Sebastian

Test: Sword of the New World

Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht ein neues "einzigartiges" und "herausragendes" Online-Rollenspiel auf den Markt kommt. Diesen Monat ist es "Sword of the New World: Granado Espada" (SotnW) von imcGAMES, die Macher von Ragnarok Online. Mit welchen Besonderheiten und Reizen uns das Spiel unterhalten will und ob sich ein tieferer Blick lohnt, haben wir getestet.

Nicht ganz Fantasy - so könnte man das Szenario in etwa beschreiben, in welches uns SotnW entführen will. Zwar sind Land und Orte frei erfunden, doch lehnen sich Stil von Kleidung und Bauwerken eindeutig an die Zeit der großen Eroberer und Entdecker im 16. und 17.  Jahrhundert an. Die Städte glänzen mit prächtigen Palästen, breiten Prachtalleen  und beschaulichen Gassen. Leider verfliegt der erste schöne Eindruck bald, denn aus der Nähe entpuppen sich fast alle Details als teilweise unschöne platte Texturen. Sehr bedauerlich ist, dass die Entwickler zwar sich im Wind wiegende Bäume geschaffen haben, aber Wachen, Händler und NPCs stehen wie eingefroren an ihren Plätzen.

Fast eine Stadt aus dem 17. Jahrhundert - leider bleibt sie auch so unbelebt wie dieses Bild.


Barock trifft Fantasy

Positiv fallen die Spielerfiguren aus, deren fantasievolle Kleider sich zumindest beim Laufen bewegen. Allerdings muss man ehrlich sagen, dass die Hormone bei der Gestaltung der "Bekleidung" der Damenwelt den Entwicklern etwas den Kopf verdreht haben. Selbst für Spiele aus Fernost sind die Dekolletees rekordverdächtig tief. Da wären wir auch schon bei einem weiteren typischen Merkmal asiatischer MMOs: eingeschränkte Charakterwahl. Diesmal gibt es erst gar keine Auswahl für Gesicht, Körpergröße oder Haarfarbe: es wird nur die Kleidung gewählt, von denen es etwa acht Stück pro Klasse gibt.

Dem barocken Szenario stehen Feuerbälle, Heilsprüche und Maschinengewehr-Musketen als Vertreter typischer Fantasy gegenüber. Die anfänglich verfügbaren Klassen - später können weitere erworben oder gefunden werden - sind der Kämpfer, der Musketier, der Magier, der Elementarist und der Kundschafter sind ebenfalls Klassiker. Eine Abweichung vom Genretypischen gibt es: die Aufgaben des Heilers übernimmt der Kundschafter. So weit bewegt sich SotnW also im Rahmen dessen was für Online-Rollenspiele üblich ist.

Etwas Besonderes bietet das Spiel schon: die Familie und drei gleichzeitig spielbare Charaktere.

Blut ist dicker als Wasser: Familienstreitigkeiten gibt es bei SotnW nicht - angesichts der Handartillerie ein Glück.
 Vor der Erstellung des ersten Alter-Egos legt man den Namen der Familie fest. Jede später erstellte Spielfigur wird den Familiennamen dann tragen und zum Ruhm dieser beitragen. Ist die Familie gegründet, dürfen zu Beginn vier Charaktere angelegt werden - später erweitert sich das Quartier und die Zahl steigt. Bis zu drei Mitglieder dürfen dann in einem Team zusammen auf Abenteuerreise.

Familientreffen

Dies ist auch schon der größte Unterschied zur Konkurrenz: Man läuft nicht alleine durch die Welt, sondern gewöhnlich zu dritt - man kann zwar auch solo sein Glück versuchen, aber gemeinsam ist es bedeutend angenehmer. Jederzeit kann man alle Fähigkeiten aller Figuren bedienen und jede Figur einzeln steuern. Die zwei gerade nicht aktiv gesteuerten Figuren laufen einem immer brav hinterher, sammeln auf Befehl Gegenstände ein und verhalten sich je nach eingestellter Kampfhaltung - die meist von der verwendeten Waffe abhängig ist - relativ clever.

           

Allerdings scheinen sie immer recht kampfwütig zu sein, denn sobald ein Gegner auch nur seine Nase in Richtung Gruppe dreht, wird er auch schon angegriffen.

Brav laufen die Begleiter hinter einem her - zum Glück gibt es in der Stadt keine angreifbaren Gegner.
Zwar gibt es eine "Position halten" Funktion, diese jedoch wird automatisch aufgehoben wenn sich der aktiv gesteuerte Charakter nur einen Schritt bewegt, was unfreiwillige Metzelorgien zur Folge hat. Drei Charaktere zu steuern klingt erst einmal nach Stress, ist aber wesentlich entspannter als man meinen könnte. Auch bei den Massen an Gegnern und deren unheimlich schnellen Wiederauftauchen kommt man mit ein wenig Übung schon zurecht. Die Auswahl der Gegner und Monster reicht quer durch die gesamte Flora und Fauna der Fantasy. Allerdings wüsste ich gerne, wer den Entwicklern beigebracht hat, Krokodile würden wie Hasen auf zwei Beinen durch die Gegend hüpfen - leider fast der einzige Lacher im Spiel.

Leider triff auch ein absoluter Negativpunkt auf SotnW zu: Grind, denn stundenlanges, stupides und sinnfreies Klopfen von Monstern für Erfahrung ist mehr oder weniger der einzige Sinn im Spiel. Die Aufgaben sind sehr unkreativ und beschränken sich überwiegend darauf, große Mengen von Gegner zu töten - teilweise in einer extra Instanz und unter Zeitdruck. Am Ende ist es also egal, ob man alleine oder mit drei Charakteren vor sich hingrindet, Abwechslung und Spaß auf dem Weg zu Stufe 100 sehen anders aus.

Geteilter Grind ist halber Grind?

Zwar bringt das Töten von Monstern weniger Erfahrungspunkte als das Einlösen der Erfahrungspunktekarten - gibt es meist als Belohnung für erledigte Aufgaben - aber dafür gibt es jede Menge Gegner. An manchen Stellen reicht es, die Charaktere zwischen zwei Punkten im "Assault Mode" hin und herlaufen zu lassen.

Monster verhauen im Akkord ohne Sinn und Verstand - Grind pur zu dritt.
Alles was dazwischen liegt, wird niedergemäht und gibt Erfahrungspunkte. Da die Figuren mehr oder weniger alleine kämpfen kann man sich darauf konzentrieren hin und wieder einen Heilspruch anzubringen oder die Gegenstände einzusammeln, die von toten Gegnern zurückgelassen werden.

Was war ich erfreut, schöne Musik zum Einstieg von SotnW zu hören: sehr passend und sehr stimmig zum Barocken Ensamble. Doch der akustische Höhenflug erlebte leider ein jähes Ende und zwar genau in dem Moment, in dem man den ersten Schritt macht. Ein so stupides "Tock Tock Tock" der Schritte ist wirklich nicht mehr zeitgemäß. Als dann ohne Vorwarnung statt der Klänge eines Orchesters ein - noch dazu schlechter - Technobeat aus den Lautsprechern tönte, war der gute Eindruck vom Anfang leider völlig zerstört. Wie kann man nur so brachial gegen eine liebevoll erzeugte Atmosphäre vorgehen?        

Mozart trifft Techno

Fazit

Eigentlich ist Sword of the New World ein 08/15-Einheits-Asiagrinder – man muss es leider so direkt sagen. Wäre da nicht die Idee mit der Familie und den drei steuerbaren Charakteren, dann wäre gar nichts an dem Spiel besonders. Die Grafik ist gut und schön, so lange man nicht zu nahe an Gebäude oder Marktkarren kommt und man sich nicht an extremen Weichzeichnungseffekten stört. Aber die Vertonung ist – abgesehen von der Eingangsmusik – eine einzige Katastrophe. Am Ende bleibt, trotz der interessanten Idee, doch nur wieder ein Durchschnitts-Online-Rollenspiel aus Fernost über, wie sie in steigender Zahl nach Europa drücken. Etwas Positives sei aber noch vermerkt, denn das Abenteuer ist sehr gut lokalisiert. Aber was bringt das, angesichts des öden Spielablaufs?

Pro

  • <P>einfache Steuerungneue Idee der Familie</P>

Kontra

  • <P>öder Grindlieblose AufgabenSound im Spiel ist grauenvollbegrenzte Charakterauswahl</P>

Wertung

PC

Trotz der Familien-Idee doch nur ein 08/15 Asia-Grind-MMO