Die Siedler DS - Test, Taktik & Strategie, NDS

Die Siedler DS
22.07.2007, Jörg Luibl

Test: Die Siedler DS

Kann man einen Klassiker der Spielegeschichte aus der großen Welt des PCs in die kleine des Nintendo-Handhelds bringen? Eigentlich schon: Age of Empires DS oder Anno 1701 DS haben das bewiesen. Aber was ist mit dem Aufbauspiel schlechthin? Was haben die Siedler im Miniformat drauf? Abstürze, Ruckler, Frust...

Holz hacken, Straßen ziehen, Grenzen erweitern, zurücklehnen - das Team von Blue Byte beschwört für Nintendos DS den Geist des besten alten Teils: Die Siedler II. Wenn man den Doppelbildschirm aufklappt wird man in die 90er Jahre

Wie in alten Zeiten: Auf einer grünen Wiese das eigene Reich aufbauen!
zurückversetzt, als das Wuseln gerade begeistern lernte: Grüne Wiesen, graue Felsspitzen, sanfte Hügel, hoppelnde Hasen und ein fröhliches Yipeeee beim Goldfund. Auf den ersten Blick erfüllt dieses Spiel alle Veteranenwünsche. Aber der trügt: Das, was mich in den beiden ersten Stunden der Vorschau begeisterte, ist spätestens dann verflogen, wenn sich nach fünf Stunden die Abstürze melden: Bild friert ein, nichts geht mehr. Das darf nicht sein! Und ich könnte mir für meine erste Einschätzung in den Allerwertesten beißen: Entspannt euch und freut euch: Die Siedler kommen!

Ein unverfälschter Klassiker?

Die Missionen wurden 1:1 von anno dazumal übernommen: In der römischen Kampagne geht es über zehn Kapitel zunächst um friedliches, danach kriegerisches Expandieren. Ihr lernt euer Reich zu erweitern, Erze abzubauen und Feinde zurückzuschlagen - wenn es zum Kampf kommt, hauen sich zwei Legionärssprites so lange den Gladius auf den Helm, bis einer fällt. Das läuft alles automatisch, Feldherren können zur Sicherheit auf Wachturm, Festung und Katapulte zurückgreifen. Neben der römischen Kampagne wartet noch eine Welteroberung von Süditalien aus auf euch, bei der euch die Alpen eine knackige Schar an Feinden servieren. Aber spätestens hier, wenn die Karte große Ausmaße annimmt, vermisst man eine Schnellsprungtaste zu Konflikt- oder Fundorten. Warum gibt es die nicht ohne den Umweg über die Schriftrolle?  Wer keine Lust auf Kampf hat, darf im freien Spiel die vier  KI-Gegner ausschalten und sich alleine ausbreiten. Nur eines vermisst man schmerzlich: Duelle gegen andere DS-Spieler.

Ich habe mich zu früh gefreut. Es ist so ungeheuer ärgerlich, dass man technisch dermaßen geschlampt hat - wie aus dem Nichts tauchen die Abstürze auf! Dabei war das Potenzial für einen Hit durchaus gegeben.

Die Steuerung funktioniert beim Aufbau gut, das Straßennetz lässt sich sogar bequemer anlegen als in Anno DS, auch wenn die Abfrage des Stylusklicks hier etwas träge wirkt - man hat immer das Gefühl einer Zeitverzögerung. Wie im Original schickt ihr Holzfäller, Fischer und Förster hinaus, die hier zwar als winzige Sprites hacken, angeln und pflanzen, aber dennoch ihren Charme versprühen. Mit dem Stift markiert man Wege von Fahne zu Fahne, zeigt sich mögliche Bauplätze an, bedenkt die angezeigten Höhenunterschiede, tippt auf die gewünschte Stelle und der Grundstein wird gelegt. Sobald eine Verbindung zum Lager besteht, bringen die Siedler die Rohstoffe an Ort und Stelle. Haben sie mal nichts zu tun, gibts einen Snack oder Seilspringen.

* 30 Berufe, 6 SoldatentypenSchön ist, dass ihr auf alle Statistiken zugreifen könnt: Welche Werkzeuge sind im Lager? Welche Produkte fehlen dem Schmied? Man kann sich richtig in seine Aufbauwelt reinwühlen und Produktionsprozesse nachvollziehen. Aber der Weg dahin ist nicht immer ein leichter. Ich kenne die Siedler seit den ersten Tagen am PC. Daher habe ich keine Probleme, mich durch die Menüs mit all den bekannten Symbolen von Holz und Stein über Schinken und Bier zu wühlen - ich erkenne sie wieder. Aber selbst ich brauchte im Vergleich zu anderen Titeln auf dem DS sehr lange, um mich wirklich zurechtzufinden. Zwar kann man sich sehr schön jede bunte Statistik über einen Druck auf die Schultertaste von oben nach unten ziehen oder umgekehrt, aber wenn man gezielt Informationen sucht, kann man sich schon mal überfordert fühlen: Zu viele Daten, zu wenig Struktur, zu wenig Komfort. Und ganz übel ist, dass man beim Wegklicken von Menüs auch mal schwarzgrüne Bildschirme ohne Infos sieht.

Kein Herz für Einsteiger?

Fakten zu Die Siedler II:

* 2 Kampagnen

* 4 Völker (Römer, Wikinger, Nubier, Asiaten)

* 7 Kontinente

Auch Schiffe sind dabei: Ihr könnt sie mit Rohstoffen vollpacken und neue Kontinente besiedeln.
Einerseits ist diese Komplexität natürlich gut, denn sie zeigt, dass das Spiel nicht für eine neue Zielgruppe beschnitten wurde - und das freut mich als Veteran der Serie. Bis auf Kleinigkeiten wie einige fehlende Gebäudeanzeigen ist fast alles enthalten, was das Spiel auszeichnete. Aber es ist unverständlich, dass Ubisoft gerade auf dem Nintendo DS, wo man viele neue Spieler gewinnen kann, kein Tutorial für Einsteiger anbietet. In der ersten Kampagne fängt zwar alles klein an, aber auch hier geht es dann plötzlich Schlag auf Schlag mit neuen Gebäuden und Mechanismen. Anno 1701 DS hatte einen wesentlich angenehmeren, weil schrittweisen und besser erklärten Einstieg. Ein Herz für Einsteiger hat Ubisoft ebenso wenig wie eines für Linkshänder: Die müssen umständlich umgreifen und finden keine Steuerungsanpassung im Menü.

Natürlich kann man nicht an die Vielfalt der PC-Vorbilder anknüpfen, was Animationen oder Details angeht. Aber die Kulisse durchaus ansehnlich - von hoppelnden Hasen bis hin zum bewegten Meer oder den im Wind wankenden Bäumen. Und man kann sogar eine Verfolgerkamera aktivieren, dann sieht man, wie der Bäcker kaut oder die Axt ins Holz jagt. Nichts Großartiges, aber durchaus idyllisch. Man hat zwei Zoomstufen, um sich das bunte Treiben aus nächster Nähe anzuschauen oder aus der Ferne. Gerade Letztere ist hilfreich, denn die Welt nimmt sehr schnell mehrere Bildschirme füllende Ausmaße an. Sehr ärgerlich ist, dass die Kamera beim Wechsel der Stufe immer auf das Haupthaus zurückgesetzt wird - sprich: Ihr beobachtet etwas im Norden eures Landes, wollt da etwas bauen, wechselt die Zoomstufe und werdet wieder ins Zentrum katapultiert.

Holz hacken, Brot backen

Leider kommt es beim Ausrichten der Karte zu Rucklern. Man bewegt sich nicht sanft durch die Welt, sondern immer leicht versetzt, wenn man das Digipad zum Scrollen nutzt. Technisch ist das Spiel leider nicht so edel, wie der Name vermuten lässt - die Ladezeiten sind länger als bei vergleichbaren Titeln und es gibt nur einen Speicherplatz. Auch die Präsentation ist eher durchwachsen, denn statt Berater auftreten zu lassen wie in Anno DS, werden hier nur braune Tafeln mit neuen Aufgaben serviert. Außerdem vermisst man wenigstens an Schlüsselpositionen die Sprachausgabe - ihr scrollt euch lediglich durch Texte. Aber über all diesen kleinen Mängeln schweben die unverzeihlichen Abstürze, die auf einem Handheld einfach nicht sein dürfen: Man baut sein Reich auf und plötzlich friert der Bildschirm ein! Hinzu kommt, dass es im Gegensatz zur Vorschaufassung, wo es drei Spiecherplätze gab, in der finalen Fassung nur noch einen gibt. Die Folge 1: Da nur alle 30 Minuten automatisch gespeichert wird, kann man nach einem Absturz alles wieder von vorne aufbauen. Die Folge 2: Man kann sich nicht parallel an die Kampagne der Römer UND ein freies Spiel wagen. Das alles ist nicht nur schade, sondern einfach enttäuschend. Dieser Klassiker hat mehr verdient als so eine mangelhafte Umsetzung, denn im Ansatz steckte Hitpotenzial.     

Fazit

Ich habe die Siedler damals verschlungen. Und weil BlueByte sich für die Premiere im Miniformat den besten Teil, nämlich den zweiten, als Vorlage ausgesucht hat, klingelten bei mir sehr schnell die Nostalgieglocken im Takt mit den alten Aufbautönen. Die ersten beiden Stunden verflogen im Nu, denn man fühlt sich mit seinem kleinen DS tatsächlich zurückversetzt in die große Pionierzeit des Wuselns. Auch, wenn es schon hier kleine Dämpfer gab: Kein Tutorial für Einsteiger, die Menüs sind verschachtelt angelegt und man vermisst neben den mageren Textfenstern Beraterfiguren oder wenigstens ab und zu Sprachausgabe. Außerdem muss man beim Scrollen mit Rucklern leben und inkonsequente Kartensprünge beim Zoomwechsel hinnehmen. Aber nach fünf Stunden gab es zwei große Dämpfer, die uns in der Vorschaufassung nicht einmal begegneten und auf dem DS unentschuldbar sind - erstens: Abstürze! Das Bild friert plötzlich ein und nichts geht mehr. Wenn man davon zwei oder drei (!) in einer halben Stunde hat, ist man nur noch frustriert. Und: Soetwas habe ich auf dem DS noch nie erlebt. Selbst, wenn dieser PC-Klassiker hinsichtlich der Spieltiefe wirklich gut umgesetzt wurde. Hinzu kommt die Tatsache, dass es nur einen (!) Speicherplatz gibt - man kann keine Kampagne und ein freies Spiel parallel machen! Was soll das denn? Ich mochte dieses Spiel auf dem PC. Und hier hat der Anfang richtig Spaß gemacht. Aber neben mehr Lebendigkeit, Einsteigerfreundlichkeit und Komfort hätte diesem Revival vor allem eines gut getan: EINE GEWISSENHAFTE QUALITÄTSSICHERUNG! Es darf doch nicht wahr sein, dass dermaßen schwerwiegende Bugs jetzt schon Hadhelds erobern! Anno 1701 DS oder Age of Empires DS haben den Weg vom Rechner zum DS hervorragend zurückgelegt. Diese Siedler müssen aufgrund mangelhafter Technik schon auf halber Strecke aufgeben - ich würde meine Fassung beim Händler reklamieren.

Pro

  • + sehr viel Spieltiefe
  • gute Steuerung+ Flair des Originals+ freies Spiel & Missionen

Kontra

  • regelmäßige Abstürze
  • kein gutes Tutorial
  • keine Linkshänderunterstützung
  • keine Multiplayer-Duelle
  • Kartenscrollen ruckelt
  • verschachtelte Menüs
  • nerviges Springen zum Hauptquartier
  • nur ein Speicherplatz
  • keine Schnellsprünge

Wertung

NDS

Diese Siedler müssen aufgrund mangelhafter Technik schon auf halber Strecke aufgeben - Finger weg vom Kauf!