Boogie - Test, Musik & Party, NDS, PlayStation2, Wii

Boogie
06.09.2007, Paul Kautz

Test: Boogie

Das Genre der Rhythmusspiele ist nicht gerade arm an Teilnehmern, auch die Gesangsfront ist u.a. mit den SingStars dieser Welt gut besetzt - aber eine Mischung aus beiden? Das ist neu. Boogie (ab 3,90€ bei kaufen) wagt diesen Schritt als erstes von EA eigens für Wii entwickeltes Spiel. Das ist zwar lobenswert, aber leider stolpert es über die Hürde der überambitionierten Kompromisse.

Es gibt immer zwei Möglichkeiten, ein Wii-Spiel zu spielen: So wie die Entwickler es wollen (und über das ganze Gesicht grinsende Models auf Screenshots oder in Videos vorführen) oder faul von der Couch aus, nur die minimalen Bewegungen machend. Auch die SingStar-Spiele ließen sich immer »austricksen«, indem man nicht sang, sondern nur die Noten summte. Ist beides einfach, aber stinklangweilig. Boogie vereint nun beide Problemfelder unter einem Mantel, der das »Cheaten« viel zu einfach macht, indem er Aufgaben stellt, die selbst für einen untrainierten Affen nicht zu schwer wären. Da wäre zum einen das Tanzen: In der Theorie schwingt ihr die Wiimote im Takt von links nach rechts 

Das Figurendesign ist angemessen bekloppt, die Inszenierung im Allgemeinen sehr gelungen. Wenn nur das Spiel selber nicht so langweilig wäre...
bzw. von oben nach unten - Spieler ohne Tango im Blut bekommen nicht nur eine Taktanzeige auf der rechten Bildschirmseite, zusätzlich klackert der Lautsprecher der Fernbedienung wie ein Metronom vor sich her. Stimmt der Rhythmus, gibt's nicht nur einen Batzen Punkte, zusätzlich füllt sich ein Boost-Meter: Ist der kurz vorm Platzen, drückt ihr auf die B-Taste, fuchtelt schnell die angezeigten Richtungsangaben und erfreut euch an einem in die Höhe rasenden Punktekonto. Klingt einfach, ist es aber nur teilweise: Zum einen ist es schrecklich leicht, aus dem Takt zu geraten, die Abfrage der Wiimote ist nicht präzise genug, schräge Bewegungen korrekt zu erfassen. Zum anderen ist das B-Taste-Bonusspiel reine Glückssache: Selbst bei chirurgisch korrekt ausgeführten Bewegungen gibt es immer wieder eine negative Rückmeldung, was auf Dauer minimal frustrierend ist.

Wie taktlos!

»Minimal« deshalb, weil es im Grunde keine Rolle spielt, was man macht, denn Punkte gibt's immer! Ob man jetzt versucht möglichst präzise Bewegungen auszuführen, oder die Wiimote einfach an der Schlaufe packt und durch den Raum rotiert, macht kaum einen Unterschied. Die Punktevorgaben im Story-Modus sind so lächerlich einfach, dass kaum einer Probleme haben sollte, sie nicht beim ersten Mal haushoch zu überbieten. Denn neben den Bewegungen per Wiimote könnt ihr noch den Nunchuck nutzen, um eure Figur durch den Raum zu bewegen und ihrerseits erneut viele Punkte bringende Posen einnehmen zu lassen - ihr könnt, müsst aber nicht, denn das gesamte Spiel lässt sich auch mit der Wiimote kontrollieren.

Neben dem Tanzen spielt auch das Singen eine Rolle in Boogie, allerdings keine so große, wie die Packung verspricht. Der liegt ein leichtgewichtiges Logitech-Mikro bei, das an einen freien USB-Port der Wii gestöpselt wird (und bei Bedarf auch am PC verwendet werden kann). Theoretisch könnt ihr damit die gut 35, größtenteils gut gecoverten Songs von »U can't touch this« (MC Hammer) über »I'm a slave 4 U« (Britney Spears) bis »One more time« (Daft Punk) trällern. »Theoretisch« gleich aus zwei Gründen: Erstens dürft ihr ganz auf die Gesangsparts verzichten, zweitens ist Singen, oder gar das tatsächliche Wiedergeben der vorgegebenen Texte, nicht mal ansatzweise nötig. Wie 

Nach einer gelungenen Performance könnt ihr euer eigenes »Musikvideo« schneiden und mit Effekten versehen.
bereits erwähnt, gab es schon in SingStar die Möglichkeit, durch harmonisches Summen die Mikros auszutricksen. So weit müsst ihr in Boogie gar nicht gehen, denn die Abfrage ist derart tolerant, dass es völlig ausreicht, das Mikro in eine steife Brise oder in Richtung eines lauter gedrehten Fernsehers zu halten, um auf der Gewinnerstrecke zu landen. Ja, man kann sich natürlich auch Mühe geben, zumal die Entwickler auch ein interessantes »Voice Assist«-Feature eingebaut haben: Trifft man beim Karaoke den richtigen Ton, erschallt als Anhaltspunkt die Original-Gesangsspur, die man allerdings per Schieberegler in der Lautstärke variieren kann, so dass man im Idealfall allein im Duett singt. Aber auch hier ist nervend, dass es nicht den geringsten Unterschied macht, ob man sich anstrengt oder nicht.

U can't swing this!

Neben dem Story-Modus, der fünf Figuren durch jeweils fünf simple Tanz- und Singspiele bugsiert, begleitet von lieblos präsentierten Dialogen, gibt es natürlich auch Spielvarianten für zwei Wiimote-Schwinger - die zumindest kurzfristig ganz unterhaltsam sind, schließlich können hier fiese Items benutzt werden. Jeder Spieler darf seine Figur dezent personalisieren, diverse Klamotten, Hautfarben und Frisuren stehen zur Auswahl; weiteres wird in der Story freigespielt.

Der Grafikstil ist sehr einzigartig: Die Comicfiguren sind abgefahren designt und witzig animiert, die Levels könnten auch aus einem guten Cartoon stammen, nette Glitzer- und Leuchteffekte verzieren die Tanzaction. Netterweise dürft ihr auch nach einer gelungenen Performance ein Replay-Video nach allen Regeln der Kunst mit Effekten verzieren - fliegende Herzen hier, Disco-Kugeln da, Verzerreffekte dort. Alles sehr hübsch und schnieke, leider kann man diese Meisterwerke nicht per WiFi verschicken.    

Fazit

Das Positive vorweg: Ich mag die Idee einer Verknüpfung von Reaktions- und Singspiel. Und die grafische Umsetzung von Boogie ist göttlich; die witzigen Levels, die possierlichen Figuren, der schnittige Comic-Style - alles sehr, sehr cool! Wenn nur das Spiel nicht so rotzöde wäre: Auf dem Papier klingt das Wiimote- und Nunchuck-Geschwinge lässig, in der Realität tritt der überraschende Schlaf schon nach wenigen Minuten ein, falls nicht vorher ein Krampf den rechten Arm ereilt. Und vom Gesangspart, den ich problemlos gewinnen kann, wenn ich einen Fön vors Mikro halte, will ich gar nicht erst anfangen. All das ergibt unterm Strich ein Spiel, das ungefähr so herausfordernd ist wie eine Nase im Gesicht zu haben. Die Ideen sind gut, die Umsetzung ist es nicht - Potenzial für einen viel besseren Nachfolger ist im Überfluss vorhanden!

Pro

  • abgefahrener Grafikstil
  • einfache Bedienung
  • gute Musikauswahl, größtenteils gut gecovert
  • spaßig im Mehrspielermodus

Kontra

  • lächerlich einfach
  • sehr kurz
  • stupides Tanzen
  • nutzloser Karaoke-Modus
  • lahmer Story-Modus
  • wenig Wiederspielwert für Solisten

Wertung

Wii

Schöne Ideen, tolle Präsentation - aber das eigentliche Spiel kommt erheblich zu kurz!