World in Conflict - Test, Taktik & Strategie, 360, PC, PlayStation3
Panorama des Krieges
Und obwohl ganze Landstriche mit Mann und Maus in Rauch aufgehen, kann man sich kaum an Schutt und Asche satt sehen. Man will den nächsten Einsatz fliegen, die nächste Bombe zünden, das nächste Gebäude sprengen. Schon der Einstieg in den schrecklichen Krieg wird fantastisch inszeniert: Man fliegt erhaben wie ein Adler mit der Kamera aus den Wolken gen Schlachtfeld, stürzt dann direkt auf seine Landezone zu - und kaum hat man die Kontrolle über seine Truppe am Boden,
geht`s knallhart und unheimlich schnell zur Sache.Ihr müsst keine Basis bauen, braucht keine Rohstoffe sammeln, sondern könnt sofort mit Panzern, Hubschraubern, Jets und Marines loslegen, die neben einer defensiven auch eine offensive Fähigkeit besitzen - Rauchwolken zur Tarnung, Mörser für Streuattacken, tödliche Zielraketen oder Panzer brechende Munition. Neben dieser Einheitentaktik im Kleinen ist auch strategische Weitsicht im Großen gefragt, denn ihr müsst gezielt Punkte im Gelände erobern. Nur, wer sensible, teilweise über drei Punkte verknüpfte Gebiete hält, kann sie automatisch zu Stellungen ausbauen und mehr Unterstützung per Lufttransport anfordern.
Die Basis war gestern
All das ist seit Ground Control 2 (GC2) zwar nichts Neues, aber in seiner modernen Aufführung ein verdammt ansehnlicher und überaus explosiver Truppentanz. Und auch ohne Tutorial kann man dank freier Kamera, Lassomethode und typischer Gruppenbildung sofort mitmachen. Schön ist, dass sich unterschiedliche Einheiten in einem Pulk trotzdem in einer
Geschwindigkeit bewegen - so kann man die Truppe besser beisammen halten und schützen. Wer es schneller mag, kann einzelne ausscheren lassen oder bei den Fußtruppen den Sprintknopf aktivieren. In Sachen Formationen gibt es zwar nur Linie und Viereck bzw. Kolonne und Quadrat, aber diese beiden reichen im Kampfalltag aus. Wer sich durch enge Straßen wälzt, sollte lieber Letztere wählen. Trotz der Rasanz und kleiner Wegfindungszicken sind die Gefechte auch noch komfortabel zu bedienen - gerade deshalb macht dieses Spiel sehr schnell einen Heidenspaß.All das hat sich bereits in unseren Ersteindrücken und der Vorschau abgezeichnet. Aber bevor wir weiter von Bombenteppichen im Abendrot, gnadenloser Action im Multiplayer, Stahlteilen in der Luft oder packenden Schlachten in der Kampagne schwärmen, müssen wir die Euphorie ein wenig bremsen. Ja, World in Conflict ist ein sehr gutes Spiel. Aber ist es auch eine Klasse für sich? Geht es wichtige neue Wege in Sachen Geländetaktik? Ist es mehr als eine geil anzusehende Detonations- und Explosionsorgie? Ist es mehr als ein Ground in Conflict 3 ohne Aliens?
Der Iwan in Seattle
Um das klar zu stellen: Die Ideologie spielt zwar keine Rolle für die Bewertung, denn auch ein antirussisches, antibritisches oder antidemokratisches Spiel kann ja Spaß machen - schließlich geht es um eine fiktive Welt. Aber auch wenn die Ideologie darin theoretisch egal ist, müssen Dramaturgie und innere Logik immer noch überzeugen. Leider stempelt die Kampagne die Russen von Anfang an als "hinterlistige" Feinde ab, als den schrecklichen "Iwan", den Kinderschreck und natürlich als Kriegsverbrecher,
der keine Gefangenen macht. Sätze wie "Legen sie diese roten Mistkerle um!" oder "Wir haben eine Verabredung mit eurem Onkel Stalin!" hören sich eher nach 1953 als nach 1989 an. Okay, es ist Krieg, da wimmelt es vor Hurensöhnen und Drecksäcken, da wird schon mal eine Schublade tiefer gepöbelt.Aber hätte man das Feindbild nicht subtiler aufbauen können? Nicht mit Wattebäuschen der Zurückhaltung, aber vielleicht mit etwas mehr Überraschung und Entsetzen als Polemik auf der amerikanischen Seite? Hätte man die Motivation der Russen nicht über einen Frontwechsel erklären können? An keiner Stelle wird wirklich klar, warum die Sowjets überhaupt in Seattle stehen. Da ist überall nur Angst vor irgendeinem Iwan. Und wenn man schon einen Weltkrieg thematisiert: Warum kommen die anderen Mächte nicht mal vor? Warum wird die geopolitische Lage nicht besser dargestellt? Warum geht es nicht wenigstens um Gas, Erdöl, Uran oder Ähnliches? Da war mehr drin!
Die Handlung wird mit etwas zu viel Pathos und dem Versuch gewürzt, eine Weltuntergangsstimmung à la Independence Day zu verbreiten. Manchmal kommt tatsächlich ein Gefühl davon auf, als etwa die Amerikaner den ersten taktischen Atomschlag auf ihrem Gebiet einsetzen, die Russen plötzlich New York attackieren oder man aus Europa in die verstrahlte Heimat zurückkehrt, aber irgendwie gelingt es der Regie
nicht, das Entsetzen besser als auf B-Movie-Niveau abzubilden.Vielleicht liegt es daran, dass die reinen Bildeinblendungen von Kindern, Frauen, Unschuldigen oder Schwiegervätern mit ihren kleinen Telefonaten und Storyhäppchen viel zu aufgesetzt wirken und den Stil der Zwischensequenzen unnötig durchbrechen. Spätestens als der gemalte US-Präsident im Pyjama auftritt, wirkt diese Art der Präsentation antiquiert - hier fehlen einfach bessere Zwischensequenzen. Von kinoreifer Story kann zwar keine Rede sein, aber nichtsdestotrotz behandelt WiC wenigstens eine unverbrauchte geopolitische Thematik. Wird sie gut und differenziert behandelt? Nein. Muss das in einem Echtzeitstrategiespiel gemacht werden? Nein. Aber es hätte auch nicht geschadet. Es ist auch nicht alles schlecht: In der Kampagne trieft es vor Soldatenslang, und das passt hervorragend, es gibt den Good und den Bad Guy, was das Klischee verlangt. Und die Regie schafft es, den besten Prügelknaben der Videospielgeschichte aufzubauen: Es geht doch nichts über Panzeroffizier Bannon, der von der ersten Minute an auf den Deckel kriegt. Und zwar so derbe und regelmäßig, dass man fast schon vorher lachen muss. In diesen Situationen macht die Kampagne jedenfalls weitaus mehr Spaß, als während des patriotischen Heimatfrontgesülzes mit Tränendrüsendressing.
Statik & Dynamik
Massive Entertainment erzählt vielleicht nicht die beste Story, aber dafür eine erschreckende und entfacht dabei ein Panorama des Krieges, das seinesgleichen sucht. Dazu trägt auch der unheimlich stimmungsvolle Funkkontakt zwischen Stab und Truppe bei, der immer wieder neue Hiobsbotschaften, Sarkasmus oder kleine Zickereien zwischen den Offizieren überträgt. Und im Gegensatz zur Statik in der Story gibt es im Feld Dynamik pur. Die Missionen wurden sehr gut designt, sind angenehm logisch aufgebaut und lassen dennoch sehr viel Spannung und Panik aufkommen: Was mit einfachen Schutz- und Befreiungsaktionen beginnt, steigert sich zu verzweifelten Stellungskriegen an sensiblen Brückenköpfen, Sprengungen in letzter Sekunde oder der Säuberung ganzer Städte. Leider sind die Zielvorgaben manchmal etwas zu strikt, so dass man kaum die Möglichkeit hat, sich militärisch breit zu machen oder andere Lösungen zu suchen. Dafür wird man aber in einem turbulenten Einsatzwechsel von Amerika nach Europa, nach Russland und nach Amerika zurück katapultiert. Freut euch auf eine militärische Tour de Force, die euch Stück für Stück die Beherrschung aller Waffengattungen und Systeme abverlangt. Und hier zeigen die Schweden auch in der Kampagne eine Klasse, die nur selten erreicht wird.
Leveldesign & Tarnung
Schade ist allerdings, dass man seine Infanterie nicht auch in Mulden, hinter Mauern, Ruinen oder Hügeln gezielt in Deckung schicken, selber Gräben ziehen oder die Jungs in Boote packen kann. Das wäre eine klasse Ergänzung zum bekannten taktischen Repertoire im Gelände gewesen und hätte auch Umgehungen ermöglicht: In einer Mission muss ich Brücken
einnehmen, kann den Feind aber nicht mit einer kleinen Flussüberquerung überraschen. Schön ist, dass Amphibienfahrzeuge durchaus zum Einsatz kommen, schade ist, dass auf hoher See bzw. in Häfen nichts passiert - es gibt keine Marine. Trotzdem gibt es genug Abwechslung: Während man Welle um Welle russischer Panzer abwehren muss, öffnet sich vielleicht irgendwo eine zweite Front oder der General verlangt mal eben zwischendurch die Ausschaltung einer Artillerie. Während man gerade ein Atom-U-Boot am Auslaufen gehindert hat, droht irgendwo ein zweites in See zu stechen. Man kann sich nie sicher sein, man kämpft immer gegen eine Übermacht und hat wirklich das Gefühl, ganz tief in der Misere zu sitzen.Und damit man da wieder herauskommt, sollte man tunlichst Gebrauch von taktischen Schlägen machen: WiC bietet euch eine Vielzahl an zerstörerischen Jokern, die eine Schlacht zu euren Gunsten entscheiden können. Ihr könnt auf Knopfdruck eine kleine Kampfjetstaffel anfordern, die feindliche Hubschrauber in null Komma nichts vernichtet; ihr könnt Fallschirmjäger hinter den Linien landen lassen; ihr könnt mit Napalm ganze Wälder samt versteckter Infanterie verbrennen; ihr könnt mit der Artillerie ganze Städte befeuern oder einzelne Panzer attackieren. Und wenn ihr ganz geduldig und gemein seid, dann spart ihr all diese Punkte für einen kleinen taktischen Atomschlag auf - der ist teuer, aber unheimlich effektiv.
Taktische Atomschläge
Manche Missionen verlangen ein regelrechtes Stakkato an Artillerie-Schlägen, man muss das Gelände quasi zerpflügen, um eine Welle russischer Angreifer nach der anderen aufzuhalten. In diesen Missionen kracht und scheppert es so intensiv, dass man fast seinen Monitor festhält. Man könnte monieren, dass man hier über einfache Klicks zum Sieg kommt, denn die Hinweise auf das, was man tun muss, sind teilweise überdeutlich. Allerdings ist man angesichts der Hektik durchaus froh, wenn man auch mal über simples Knöpfchen drücken eine Schlacht entscheidet.
Die große Stahlwelle
Man wird in Frankreich fast überrollt von russischen Panzern. Aber wer die Tipps des Generals sowie den Nachschub gut nutzt, der sollte sich auch hier durchsetzen können. Sehr schade ist allerdings der ständige Materialverlust sowie das Fehlen eines Veteranensystems. Zwar gewinnen eure Einheiten im Feld Erfahrung, aber ihr könnt diese nicht manuell in die nächste Mission mitnehmen. Dadurch, dass man quasi im Sekundentakt Verluste hinnehmen muss, kann man kaum Identifikationspunkte mit seiner Truppe aufbauen, damit man z.B. möglichst viele durchbringt. Hätte man da nicht wenigstens eine kleine Auswahl an Kerneinheiten anbieten können?
Lohnt die Defensive?
Obwohl es keinen Basisbau gibt, kann man in WiC Strukturen schaffen: Je länger man an einem Ort dominiert, desto besser wird er verteidigt. Allerdings hat auch das Anlegen von Verteidigungsanlagen seine Tücken für Feldherren, die effektiv verteidigen wollen: Es ist zwar komfortabel, dass schon beim Besetzen der Punkte automatisch Anlagen errichtet werden, aber ich habe keinen Einfluss darauf, ob zuerst ein MG-Nest, eine Luftabwehr oder eine Panzerabwehr gebaut wird. Das ist gerade im Multiplayer schade, denn ich entscheide mich ja vor dem Spiel für eine Waffengattung - also für den Panzertyp, den Luftmeister, den Unterstützer oder den Bodentruppengott. Da wäre es klasse, wenn ich z.B. als Freund exzessiver
Panzerattacken gleichzeitig bestimmen könnte, dass bei meinen Basen zuerst die Luftabwehr gebaut wird - denn mein Hauptfeind heißt Kampfhubschrauber. Hier hätte man mehr Varianten zur Verzahnung von Taktiken anbieten müssen.Leider zeigt die KI in der Kampagne einige stumpfsinnige Routinen: Sie schickt an bestimmten Stellen immer wieder Verstärkung über feste Routen, ohne auf Hinterhalte zu reagieren. Man kann also einen einzigen Trupp mit Panzerfäusten geschickt positionieren, um einen Stahlkoloss nach dem anderen zu zerstören. Das ist einige Male in Ordnung, aber irgendwann sollte die KI so klug sein, einen Entsatz zu schicken. Das Blöde ist, dass herannahende Infanterie auch einfach vorbeiläuft und sich abschießen lässt. So lebendig das Szenario ansonsten im Zoom wirkt, so entlarvend ist er hier. Im Frankreich-Feldzug kann man so gar einen neuralgischen Kommandopunkt halten, ohne in Gefahr zu geraten. Immerhin kann man im Skirmish Entwarnung geben: Hier verhalten sich die feindlichen Truppen ihrem Auftrag gemäß intelligenter.
Häuserkampf & Unterschiede
Multiplayer-Meister
Man wird online von einer komfortablen Lobby begrüßt und kann sich zig Ranglisten anzeigen lassen. Die Massengefechte mit bis zu 16 Mann auf einer Karte spielen sich zwar unheimlich intensiv, aber Einsteiger oder Feldherren ohne taktische Koordination über ein Headset versinken hier schon nach wenigen Minuten im Bombenhagel. Hier haben Clans, Kumpeltruppen oder Leute mit aktiver Kommunikation klar die Nase vor - und auch Headset & Co werden von WiC vorbildlich unterstützt. Aber Massive hat auch für Gelegenheitstaktiker das passende Angebot. Für den Einstieg empfehlen sich die Modi 1-gegen-1 sowie 2-gegen-2, die auch knackige Gefechte im kleinen Rahmen erlauben. Und das zahlt sich aus: Gerade hier kann man dank eines Punktepolsters und der fehlenden Beschränkung auf eine Waffengattung (Boden, Luft, Infanterie, Unterstützung) von Beginn an experimentieren, eher Erfolgserlebnisse sammeln und das Taktiken mit gemischten Verbänden ausprobieren, ohne auf die Abstimmung mit der Gruppe angewiesen zu sein.
Fazit
Prächtig. Gnadenlos. Zerstörerisch. World in Conflict zelebriert den totalen Krieg in einer martialischen Schönheit, die derzeit keine Konkurrenz kennt: Von der kleinen Granate bis zum großen Atompilz, von der zischelnden Rakete bis zum qualmenden Bombenteppich. Noch nie wurde der konventionelle Krieg so brachial, so unheimlich actionreich inszeniert. Und weil die Schweden auf den Basisbau pfeifen und sich dafür auf das bewährte Dreigestirn aus Schlachtfeldaction, Waffentaktik und Gebietsstrategie. konzentrieren, macht das Spiel sehr schnell sehr viel Spaß: Die Steuerung ist intuitiv, das Punktesystem ist motivierend und der Funkverkehr sorgt ständig für D-Day-Stimmung. Wer gewinnen will, muss wie ein Raubtier zuschlagen, das Terrain und die Unterstützung stets im Auge behalten. Ich habe Ground Control 2 geliebt. Und World in Conflict ist sein Nachfolger im Geiste. Die Aliens sind weg, dafür gibt es jetzt Russen. Dass die Kampagne zu plump mit dem Russen-Feindbild umgeht, ihr Pathos zu dick aufträgt und über statische Malereien dramaturgische Stilbrüche setzt, dämpft allerdings die Freude über das unverbrauchte geopolitische Szenario - da war mehr drin! Und wenn man genau hinschaut, vermisst man die wichtigen Fortschritte gegenüber dem Vorgänger: Warum hat man den Häuserkampf nicht besser inszeniert? Warum können die Bodentruppen nur im Wald Deckung suchen? Warum kann man erfahrene Einheiten nicht übernehmen? Und so unheimlich packend die Schlachten auch im Multiplayer sind, der mit seiner Lobby und seinem Optionskomfort vorbildliche Zeichen setzt, so ernüchternd ist nach ein paar Dutzend Kriegen die Erkenntnis, dass sich die beiden Parteien einfach zu ähnlich spielen. Trotzdem weckt dieses Spiel immer wieder die alten Sandkasteninstinkte der Zerstörung. Wer es konventionell krachen lassen will, kommt nicht um dieses Schmuckstück herum!
Pro
- hervorragende Kulisse
- actionreich, schnell & gnadenlos+ spannendes Missionsdesign
- packender Funkverkehr
- vier Waffengattungen bilden taktische Schwerpunkte+ idyllische Panoramablicke
- effektive Deckung im Wald
- Feldtatktik & Geländestrategie
- defensive & offensive Fähigkeiten
- erstklassige Multiplayermodi
- brachiale Unterstützungswaffen
- wunderbare Licht- & Raucheffekte
- Chat/Text-Unterstützung
- verschiedene Trefferzonen
Kontra
- schwacher Häuserkampf
- nur zwei, sehr ähnliche Parteien- Story wird von Pathos erdrückt, verschenkt geopolitisches Potenzial
- defensive Manöver gehen unter (Spezialfähigkeiten fast sinnlos; kein Einfluss auf Stellungsausbau)
- keine Deckung im Gelände abseits vom Wald (Senken, Mauern, Ruinen)