Super Paper Mario - Test, Plattformer, Wii

Super Paper Mario
25.09.2007, Mathias Oertel

Test: Super Paper Mario

Abgesehen von den sporadischen Multiplattform-Vergleichstiteln blieb Wii bei mir in den letzten Wochen und Monaten stumm – zu stumm. Doch ein Spiel hat dafür gesorgt, dass der Wii nicht nur wieder in Betrieb ist, sondern temporär sogar der Xbox 360 den Rang als meistgespielte Konsole bei mir zu Hause abgelaufen hat: Super Paper Mario (ab 64,98€ bei kaufen)! Reicht die Euphorie vielleicht sogar bis zum Award?

Dass der rotbemützte Nintendo-Klempner immer wieder für eine Überraschung gut ist, zeigen nicht nur die Sportspiele, in denen er und seine Freunde sich zu Höchstleistungen anspornen. Auch als Rollenspiel-Hauptdarsteller kann Mario seit SNES-Zeiten (Squaresofts Super Mario RPG) überzeugen. Der Durchbruch in dieser Hinsicht kam allerdings mit den Paper Mario-Spielen, die sowohl auf N64 als auch mit der GameCube-Fortsetzung "Die Legende vom Äonentor" nicht nur spielerisch, sondern vor allem mit dem Grafikstil punkten konnten. Die dreidimensionalen Welten, in der zweidimensionale "Papier-

Zweidimensional und unheimlich niedlich: Das Design von Super Paper Mario für manche vielleicht gewöhnungsbedürftig...
Figuren" schön animiert rundenbasierte Kämpfe ausfechten, zählen für mich bis heute zu den unterhaltsamsten und stilistisch interessantesten Titeln. Um so überraschender war für mich, dass sich das Team von Intelligent Systems für die Wii-Inkarnation etwas von diesen Wurzeln entfernt.

Abziehbild-Helden

Wer bei Super Paper Mario ein Abenteuer wie auf den Vorgängerkonsolen erwartet, sollte das Spiel vielleicht im Regal stehen lassen. Oder auch nicht. Denn wie nahezu alles, was die Begriffe Mario und Super im Namen vereint und sich um Hüpfereien dreht, liefert auch der Scherenschnitt-Rohrverleger enorm unterhaltsame Kost ab.

Das ist ja "Super" 

Denn bei der Jagd auf Graf Knickwitz und seine Schergen verlässt der Wii´sche Papierklempner die Rollenspiel-Pfade und wendet sich dem zu, was er am besten kann: Hüpfen und Laufen!

Worum geht´s? Wie immer muss Mario Prinzessin Peach aus der Patsche helfen. Doch dieses Mal ist es nicht nur die zartrosa gekleidete Thronfolgerin, die in der Klemme steckt. Auch Bowser und Bruder Luigi wurden von dem bösen Graf Knickwitz entführt, der auf der Suche nach dem Chaosherz ist, um die Welten dieses Universums zu zerstören. Und eine Hochzeit von Peach und Bowser (!) ist ein probates Mittel, um für Chaos zu sorgen.

Ein herzliches Willkommen dem neuen Bösewicht im Mario-Universum: Graf Knickwitz, der Meister der Dunkelheit, im Englischen passend Lord Bleck genannt...
Zurück in die Vergangenheit

Auftritt Mario: Der sprunggewaltige Latzhosenträger muss in sieben Welten die "Reinen Herzen" suchen, um Klickwitz und seinen Helfern entgegen treten zu können.

Und schon ist man mittendrin im derzeit sprunggewaltigsten und cleversten Abenteuer alter Schule, das Wii derzeit zu bieten hat.

Allerdings muss man sich erst einmal an den nach wie vor einzigartigen Grafikstil der Paper Mario-Serie gewöhnen, der zwar beim einem Jump&Run wie die Faust aufs Auge passt, aber dennoch leicht antiquiert wirkt und auch ohne große Abstriche auf dem DS möglich wäre.

Versteht mich nicht falsch: Ich bin hellauf begeistert von den minimalistisch, aber überzeugend animierten 2D-Figuren, die vor einer ebenso zweidimensionalen Kulisse herumhüpfen, Gespräche führen usw. Dennoch muss man sich vor Augen führen, dass auch Wii mehr zu bieten hat, was nicht nur der 3D-Cousin Super Mario Galaxy im Dezember, sondern auch Samus Wii-Auftritt im Oktober zeigen dürften.

Andererseits ist Super Paper Mario wieder einmal der Beweis dafür, dass ein Spiel nicht der absolute Hingucker sein muss, um zu begeistern. Und wenn man sich an den Minimalismus gewöhnt hat und dann die Augen nach einem kurzen Durchatmen in einer der sieben abwechslungsreichen Welten öffnet, fallen einem immer wieder kleine Details auf.

    

Die Pixelwelt z.B., die mit all ihren kleinen Retro-Anspielungen sowie harten Farbübergängen einen unverkennbaren, aber dennoch liebenswerten Stil hat. Oder der überlebensgroße Mario, der wie in New Super Mario Bros. DS durch den Abschnitt stampft und alles platt walzt. Nur mit dem Unterschied, dass hier nicht der papierne Schnurrbart-Träger  zu einem Godzilla-Klempner wird, sondern seine pixelierte NES-Variante - einfach nur wunderschön!!

In der zweidimensionalen Ansicht scheint es keinen Ausweg zu geben...
Vier Freunde müsst ihr sein

Und in den Punkten Spielmechanik, Leveldesign sowie Charakterzeichnung baut Intelligent Systems auf allen Stärken auf, die man mit einem Mario-Hüpfer assoziiert. 

Die Steuerung über die wie bei Excite Truck quergelegte Remote geht bereits nach dem ersten Hüpfer in Fleisch und Blut über und man kann sich fortan auf das Spielgeschehen konzentrieren, das neben Standard-Springerei und den Auseinandersetzungen mit zahlreichen bekannten und einigen unbekannten Gegnern auch einige Überraschungen parat hat.

Sie alle haben verschiedene Eigenschaften, die vom durchdachten Leveldesign immer wieder von euch abverlangt werden. Peach z.B. kann mit ihrem Sonnenschirm große Abgründe überschweben, Bowser hat einen durchdringenden Flammenangriff und Luigi ist der vertikal sprunggewaltigste des ungleichen Quartetts.

So seid ihr nicht nur mit Mario unterwegs, sondern könnt später auch die Kontrolle über Peach, Luigi und sogar Erzfeind Bowser übernehmen, der an eurer Seite kämpft, da es sonst keine Welt mehr für ihn gibt, über die er herrschen könnte.

Die interessanteste Fähigkeit jedoch bleibt Mario vorbehalten: Er kann auf Knopfdruck die Dimension wechseln. Klingt kompliziert und hat auch weitreichende Konsequenzen, ist aber letztlich einfach zu erklären. Anstatt die normale zweidimensionale Ansicht zu bieten, wird die Kamera um 90 Grad gedreht sowie leicht angehoben und schon seid ihr in der dritten Dimension, die eine vollkommen neue Sicht auf die Dinge bietet - eine Idee, die in ähnlicher Form auch schon bei Segas Crush eingesetzt wurde und die auch bei Sonys Echochrome eine übergeordnete Rolle spielen wird.

Eine Reihe aus Steinen, die in 2D eine wunderbare Plattform bietet, um in höher gelegene Gefilde zu hüpfen, kann in 3D räumlich versetzt liegen. Oder der Pappmaché-Busch, der in 2D den Hintergrund bildet, in der dritten Dimension aber in der

In der dritten Dimension ist die Gefahr quasi nicht-existent... Nur ein Beispiel für den intelligenten Rätseleinsatz in Super Paper Mario
Mitte des Raumes steht und eine der berüchtigten Röhren verdeckt hat, in die man abtauchen kann.

Dimensions-Wirrwarr

Gewürzt werden die Abstecher in die dritte Dimension zum einen durch eine Zeitbegrenzung: Eine Leiste zählt unerbittlich runter. Sollte sie leer sein, wird euch ein Lebenspunkt abgezogen, bevor sie sich wieder füllt. Und zum anderen gibt es auch Gegner, die nur in der dritten Dimension erkennbar sind und nur darauf warten, sich auf auch stürzen zu können.

In dieser Ansicht ist allerdings ein vernünftiges Springen und vor allem Treffen der Gegner ungleich schwerer als in 2D. Zwar zeigt euch ein Schatten immer eure perspektivische Position an, doch da die "Papier"-Gegner bis auf wenige Ausnahmen genauso flach sind wie ihr, ist es schwer die Entfernung und damit nötige punktgenaue Landung abzuschätzen. Dafür allerdings sorgt das Entwickler-Team mit vielen versteckten Elementen und Pfaden, die ihr nur in der dritten Dimension sehen und begehen könnt immer wieder für Motivation und Notwendigkeit zu "flippen".

Trotzdem kann es trotz vieler Hinweise im Spiel passieren, dass man in einer scheinbaren Sackgasse landet. Und spätestens hier kommen die so genannten Pixl ins Spiel: Kleine magische Wesen (vergleichbar mit Navi in Ocarina of Time), die euch begleiten und deren Spezialfähigkeiten ihr nutzen könnt. Allerdings habt ihr anfänglich nur Zugriff auf Tippi, die ihrem Namen entsprechend Tipps zu relevanten (und ggf. versteckten) Gegenständen geben kann, wenn ihr die Remote wie eine Taschenlampe auf den Bildschirm richtet.

Pixl-Helfer

Später hinzu kommende Pixel können z.B. als Bombe eingesetzt werden, als stachelbesetzter Angriffsschild, um Gegenstände zu greifen und zu werfen oder auch, um nur bestimmte Gebiete in der zweiten Dimension zu drehen, um dahinter liegende Gegenstände etc. zum Vorschein zu bringen.

  

Mit all diesen Pixl-/Spieler-Kombinationen sowie dem Flippen in die dritte Dimension ist haufenweise Rätselpotenzial vorhanden, das geschickt und intelligent ausgenutzt wird, um die Sprungeinlagen und die zwar grundsätzlich interessanten, aber letztlich wenig fordernden Bosskämpfe aufzulockern und mit Abwechslung anzureichern.

Und spätestens im Weltall-Abschnitt, in dem Mario samt Anhängern zum Raumschiff in einem Vertikal-Shooter umfunktioniert wird, werden sämtliche Genregrenzen gebrochen und man staunt nur noch ob der teils wahnsinnigen Fantasie, die die Entwicklung angetrieben haben muss...

Und urplötzlich wird aus dem Jump&Run kurzzeitig ein Space-Shooter!
Zu kindisch?

Es steckt unheimlich viel in Super Paper Mario: Neben der Suche nach den reinen Herzen als Hauptaufgabe, finden sich in der immer größer werden Spielwelt (Flipstadt, später auch Flopstadt), die als Ausgangspunkt für die Welten dient, auch zahlreiche Nebenquests. Da man auf diese Aufgaben auch nach dem erfolgreichen Ende zurückgreifen kann und auch die bereits besuchten Abschnitte jederzeit wieder betreten werden können, um auch das letzte Geheimnis aufzuspüren, ist Langzeitmotivation gesichert. Und so ganz kommt Intelligent Systems nicht von den Rollenspiel-Wurzeln der Serie los: Mit Gegenständen, die von ablebigen Gegnern fallengelassen oder in Shops gekauft werden können und vor allem dem Aufstieg der Fähigkeiten beim Erreichen bestimmter Punktzahlen finden sich rudimentäre Rollenspiel-Ansätze, die zwar eher Alibi-Funktion haben, aber letztlich gut genutzt werden, um die Balance in späteren Bereichen zu gewährleisten.

Selbst kleinere Mankos, von denen die unspektakuläre Akustik eines der größten darstellt, können die insgesamt kontinuierlich hohe Motivation nicht ernsthaft in Gefahr bringen. Dass es wie bei den anderen Paper Marios keine wirklich als solche zu bezeichnende Sprachausgabe gibt, stört mich nicht einmal. Aber obwohl man immer wieder Versatzstücke bekannter Melodien und längst lieb gewonnene Soundeffekte zu hören bekommt, springt der Funke nicht über. Zu unspektakulär und einen Tick zu "retro". Passend ja - begeisternd nein! Leider...

Nein, das ist kein Grafikfehler. Dies ist Super-Bowser im Retro-Look - einfach nur kultig und nur ein kleines Mosaik-Steinchen im faszinierenden Design von SPM!
Und auch mit der Lokalisierung werde ich nicht warm - bzw. habe es erst beim zweiten (naja, beim dritten) Anlauf und vor allem erst im späteren Spielverlauf geschafft. Wobei dies ein Punkt ist, der bei vielen hauseigenen Nintendo-Titeln greift: Bei den Texten hat man zu sehr die Gruppe der vor- und frühpubertären Gamer im Kopf und verfälscht zu häufig durch vollkommen unnötige Verniedlichungen und kindliche Sprache die Inhalte und vor allem den zweifellos vorhandenen Humor, der sich in der englischen Sprachversion auch für Erwachsene wunderbar erschließt.

Dass im Deutschen aus dem bösen Lord Bleck (effektives Metapher-Spielchen mit der drohenden Finsternis) Graf Knickwitz wird (auch wenn der scheinbar gar nichts mehr mit dem Wortbild zu tun hat), kann ich zähneknirschend hinnehmen. Doch dass die Dramatik und vor allem die später auftauchende Tragik des Lord Bleck in der deutschen Variante mit dem aufgezwungen kindlichen Humor fast an den Rand der Lächerlichkeit geführt wird, ist gar nicht nötig.

Glücklicherweise und mir vollkommen unerklärlich wird die Übersetzung im Laufe des Spieles besser - wodurch der unnötig nervige Text-Einstieg noch merkwürdiger wirkt.

Dennoch würden wir allen des Englischen mächtigen empfehlen, die entsprechende Einstellung am Wii zu treffen, um die Figuren und ihre Dramatik voll erfassen zu können.  

Fazit

Super Paper Mario macht es selbst hartgesottenen Jump&Run-Hassern schwer, es nicht zu mögen. Angefangen vom zuckersüßen und trotz 2D/3D-Mix wunderschönen und mit vielen kleinen minimalistischen Details versehenen Design über die gute Steuerung bis hin zu den fordernden Rätseln versprüht die Papierhüpferei gute Laune pur. Der immer wieder nötige Wechsel der Spielfiguren, gepaart mit den helfenden Eigenschaften der Pixl ist ein Garant für Abwechslung und gleichzeitig die Rückversicherung von Nintendo, dass nicht nur gutes Auge und Koordination, sondern auch Fantasie gefordert sind. Und dennoch scheitern Mario, Bowser & Co. an der Platin-Hürde. Der Schwierigkeitsgrad z.B. ist etwas zu weit unten angesetzt, um jenseits eines vorpubertären Alters fordern zu können, so angenehm retro-angehaucht die Kulisse ist, so unangenehm stößt die Nostalgie bei der Akustik auf. Zudem plagt man sich in der 3D-Ansicht mit perspektivischen Kameraproblemen, wenn es um zielsichere Kampfsprünge geht. Und vielleicht sollte es sich Nintendo mal überlegen, die Lokalisierung nicht immer so sehr auf Kinderaugen zu münzen. Die englische Variante ist zwar auch auf niedlich getrimmt, ist aber durch den immer noch vorhandenen düsteren Ansatz besser und damit insgesamt stimmiger. Doch all die kleinen Mängel können an einem nichts ändern: Mit Super Paper Mario feiert ein mit Nintendo groß gewordenes Genre eine würdige Rückkehr auf Wii. Eine bessere Einstimmung auf den komplett dreidimensionalen Ausflug des Super-Klempners im Dezember kann ich mir derzeit nicht vorstellen...

Pro

  • zuckersüßes Design
  • vier spielbare Figuren
  • intelligente Rätsel
  • Pixl als Helfer mit verschiedenen Eigenschaften
  • abwechslungreiche Welten
  • viel zu entdecken
  • enorm unterhaltsames Jump&Run
  • abwechslungsreiche Bosskämpfe

Kontra

  • Kameraprobleme in der 3D-Ansicht
  • Kulisse eigentlich auch auf DS möglich...
  • Lokalisierung mit Haken und Ösen- nur selten herausfordernd

Wertung

Wii

Unterhaltsames Jump & Run-Vergnügen mit haufenweise verrückten Ideen und intelligenten Rätseln!

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