Ikaruga - Test, Shooter, 360, PlayStation4, GameCube, PC, Switch, Dreamcast
Es gibt Spieler und Spieler. Die einen freuen sich über joggende Gehirne, über Quicksaves und dass sie ein paar Stunden lang wunderbar unterhalten wurden, danach machen sie sich einen leichten Salat und schauen DSDS. Die anderen, die nicht nur kursiv geschrieben werden, sondern auch so reden, sind die, für die nur ein ausschlaggebender Faktor in einem Spiel existiert: Die Verbissenheit. Ist das Game gemein zu mir? Werde ich es anfangs hassen? Wird es mit jedem Spielen besser? Werde ich mit jedem Spielen besser? Lacht mir der Highscore anfangs dreckig ins Gesicht?
Der Aufschrei der Vernunft
Wie viel Erklärung braucht ein Vertikalshooter? Ein Satz sollte reichen: Ihr fliegt mit eurem Schiff von unten nach oben und ballert alles nieder. Grundsätzlich funktioniert Ikaruga nach diesem Prinzip, fügt aber einen unerwarteten Batzen Taktik hinzu. Denn das Geniale an diesem Spiel ist, dass schneller Tod und zusätzliche Kraft nur einen Knopfdruck voneinander entfernt sind: Euer Schiff, eure Waffen, alle Gegner und deren Geschosse haben genau zwei Färbungen - hell und dunkel, klar unterscheidbar. Ihr könnt die »Polarität« eures Fliegers jederzeit wechseln, was einem weitaus höheren Zweck als der Befriedigung eitler Schiffskommandanten dient. Denn ein weißes Schiff absorbiert weißes Feindfeuer, ein schwarz gefärbtes macht das gleiche
mit dem entsprechenden Antagonisten. Je mehr davon absorbiert wird, desto schneller laden sich die »Smartbombs« auf, die besonders bei den Bosskämpfen eine große Hilfe sind. Aber natürlich folgt ein großes Aber: So einfach ist das natürlich nicht. Denn erstens feuern die Widersacher munter durcheinander, man kann sich also nicht blind auf eine Farbe verlassen. Außerdem macht die entgegengesetzte Farbe doppelt so viel Schaden. Sprich: Weißes Feuer erledigt schwarze Feinde schneller als dunkles, und umgekehrt - was natürlich für mehr Punkte sorgt. Ständiges Taktieren und Polaritätswechseln gehört also zu den Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Ikaruga-Piloten, was das ohnehin schon teuflisch schwere und hektische Spiel nicht eben einfacher macht. Dieses Spielprinzip war schon bei der Ikaruga-Erstveröffentlichung auf dem Dreamcast und in Spielhallen nicht neu, Treasure nutzte es bereits im recht ähnlich Saturn-Shooter Silhouette Mirage. Aber hier wurde es zur Perfektion getrieben.Von Jägern und Sammlern
Denn der ständige Polaritätswechsel dient nicht nur eurem Überleben, sondern ist auch unerlässlich für gigantische Highscores. Klar könnt ihr einfach blind feuernd und hin- und her-wechselnd durch die Levels brausen. Aber dann werdet ihr euch wundern, warum ihr nie über ein bestimmtes Levelrating hinaus kommt. Denn die dicken Punkte, und damit auch die Wertungs-Sternchen, gibt es nur, wenn ihr Kettenkombos nutzt: Die gibt es, wenn ihr alle Gegner einer Angriffsformation erledigt. Und dann noch mal. Und dann noch mal. Je mehr dieser Ketten ihr am Stück bildet, desto mehr Punkte gibt es, was schlussendlich direkte Auswirkung auf das Rating hat. Es gibt keine Power-Ups oder aufsammelbare Extrawaffen - what you start with is what you get. Die Jagd nach dem perfekten Score ist die einzige Motivation,
die euch durch Ikaruga treibt. Und falls ihr wissen wollt, wie der auszusehen hat, könnt ihr euch die Replays der weltbesten Spieler runterladen und den Profis bei der Arbeit zu sehen. Natürlich könnt ihr auch eigene aufnehmen - falls ihr Grund zum Angeben haben solltet.Auch Spieler sind nicht gern allein, weswegen Ikaruga netterweise einen Zwei-Spieler-Modus bietet - lokal, per System Link und via Xbox Live. Wenn ihr mit einem Freund auf demselben Kontinent spielt, dann bietet letzteres keinerlei Grund zur Klage: Gemeinsam ist der Kampf gegen die gegnerische Übermacht und die brachialen Bosse etwas einfacher, auch wenn man etwas Zeit zum Einspielen braucht, in der man sich immer wieder mal gegenseitig in den Weg fliegt. Über den Globus verteilt gibt es immer wieder mal spürbare Lags, die natürlich gerade bei dieser Art Spiel den Unterschied zwischen Triumph und von einem Game Over begleiteter Rauchwolke ausmachen können.
Der globale Wahnsinn
Dem kleinen Entwicklerteam zum Trotz war Ikaruga schon immer einer der schöneren Arcade-Shooter - und ansehnlicher als die 360-Version hat das Spiel noch nie ausgesehen! Okay, man sollte nicht gerade ein Vogelperspektiven-Gears of War erwarten, aber das Gezeigte ist ein Hort der Freude für Pixelfreunde: Die detaillierten 3D-Hintergründe sausen flüssig und flott an den Schiffen vorbei, die Effekte gleißen und krachen, die Steuerung geht zu jeder Zeit präzise von der Hand. Allerdings sind Besitzer großer Breitbildfernseher leicht benachteiligt: Da Ikaruga ein Vertikalshooter ist, ist er höher als breit. Das bedeutet, dass in 16:9 gerade mal ein Drittel des verfügbaren Platzes vom Spiel eingenommen wird, der Rest kommt einem überbreiten Wallpaper zugute. Immerhin könnt ihr das Bild nochmal um ein knappes Drittel strecken, was gut aussieht - durch die ausschließliche Nutzung abstrakter Objekte werden hier keine hässlichen Breitmaulfrösche erzeugt. Habt ihr einen drehbaren Fernseher oder Monitor, könnt ihr euch das Hickhack ganz sparen und das Game einfach um 90° kippen - das Ikaruga-Optimum!
Fazit
Wenn auf dem Bildschirm mehr Geschosspixel als alles andere zu sehen sind, dann hat man es mit einem klassischen Japano-Shooter zu tun, der den Spieler gerne mal auf eine Tour in die »Bullet Hell« mitnimmt - und Ikaruga ist ein ganz wunderbarer Reiseveranstalter: Es ist wirklich, wirklich schwer; so schwer, dass Spieler, die schon mit Omega Five ihre Schwierigkeiten hatten, hier besser die Finger davon lassen. Ja, es wirkt anfangs unfair, und ja, es erfordert dauernde Wiederholung der wenigen Levels, bis man den Aufbau, die Angriffsmuster der Gegner sowie -ganz wichtig- die richtigen Stellen für den Polaritätswechsel im Blut hat. Aber genau das ist die Faszination Ikaruga, die Fans dazu bringt, für die Dreamcast-Version unverschämte Preise zu zahlen. In sich ist die 360-Version eine perfekte Umsetzung: Sie bietet all die Vorteile des Originals und erweitert sie noch. Das macht sie zu einem Pflichtkauf für alle Arcade-Spartaner, die kein Problem mit Frustwochen und ständigen Wiederholungen haben.
Pro
- <P>
- blitzgenaue Steuerung
- perfekte Oldschool-Action
- cleveres Polaritäts-Prinzip
- gute Präsentation
- Online-Koop möglich
- verblüffend tiefgründiges Spielprinzip</P>
Kontra
- teuflisch schwer
- gelegentliche Lags im Online-Modus