NBA Live 08 - Test, Sport, 360, PSP, PC, PlayStation2, PlayStation3, Wii

NBA Live 08
04.10.2007, Jörg Luibl

Test: NBA Live 08

Letztes Jahr präsentierte NBA Live 07 schwachen Basketball - Wertung: 58%. Vor allem auf der Xbox 360 enttäuschte die Korbjagd aus Kanada auf ganzer Linie: Ruckler, abgehackte Animationen, Klonpublikum, zu viele Automatismen, Probleme mit der Kollisionsabfrage. Hat Electronic Arts aus den Fehlern gelernt? Kann man dieses Jahr vielleicht sogar eine Alternative zu NBA 2K8 anbieten?



Wo bleibt der Flow?

Auf den ersten Blick ein klasse Basketballspiel, leider will der Funke trotz einiger Highlights in Sachen Präsentation und Kulisse nicht überspringen. (360)Ich liebe Basketball. Sowohl am Fernseher als auch auf dem Platz. Und natürlich virtuell: Was hatte ich letztes Jahr einen Spaß mit NBA 2K7! Aber hier funkt es einfach nicht. Selbst dann nicht, wenn ich mit Nowitzki und den Mavericks um Punkte kämpfe. Dabei macht der erste Blick noch genau so neugierig wie die ersten Körbe. Der deutsche Superstar kann spezielle Bewegungen abrufen, die seinen Stärken entsprechen: Hält man den Wurfknopf und den linken Analogstick in eine Richtung, setzt Dirk z.B. zu unnachahmlichen Fadeaway-Jumpshots an, die von tosendem Beifall begleitet das Netz küssen.

Hört sich gut an? Ja. Das Publikum geht enthusiastisch mit, beklatscht und feiert jeden Punkt der Heimmannschaft. Sieht gut aus? Ja. Die Fans wirken dieses Jahr auch in der Stadionperspektive wesentlich besser, obwohl es in manchen Zeitlupen noch hässliche Pixelbesucher zu sehen gibt, Trainer feuern ihr Team von der Bank mit Gesten an und so manches Gesicht erreicht fotorealistische Qualität - auf dem PC muss man allerdings einige Abstriche machen und die PS2 kann einfach nicht mehr mithalten. Ansonsten läuft es endlich sauber bis 1080p hinauf, auf der PS3 allerdings mit etwas mehr Kanten und etwas weniger flüssig. Obwohl Electronic Arts ein deutlich besseres Spiel als letztes Jahr serviert, was angesichts der technischen Katastrophe von NBA Live 07 allerdings eher eine Pflichterfüllung als eine Meisterleistung war, kann dieser Sport einfach noch nicht so faszinieren wie er sollte. Und man weiß nie genau, ob man jetzt eine Simulation oder Spaßbasketball spielt - irgendwie ist das Servierte weder Fisch noch Fleisch.

Auf der einen Seite positioniert sich die Defense recht gut, kann man gerade Dreierschützen sehr gut blocken und muss freie Spieler für erfolgreiche Würfe suchen. Auf der anderen Seite kann man unmögliche Alley-Oops verwandeln, da die Defensive nicht effektiv genug Pässe abfängt und alles andere als intuitiv blocken kann: Nowitzki steht mit dem Rücken vor (!) Shaq, bekommt den hohen Ball Richtung Korb, springt und dunkt in bester Zirkusmanier trotz des Riesen ein. Das sind unrealistische Szenen, die an den Arcade-Basketball der Anfangszeit erinnern. Und sie sind umso ärgerlicher, wenn zwei Minuten später selbst einfache Korbleger von Bryant nicht reingehen. Egal ob man gegen die KI oder Freunde spielt - es kommt einfach keine Begeisterung, kein Flow auf, es bleibt bei einem unterm Strich gerade mal befriedigendem Erlebnis.

Erstmals könnt ihr in der offiziellen FIBA-WM auch mit Nationalteams antreten - hier das deutsche Team um Superstar Nowitzki. Wer will, kann es so auch gegen die Lakers versuchen...
Woran liegt das? Nicht an den Kleinigkeiten, die jedes Sportspiel irgendwo zwicken: Da wären die viel zu schnell schwitzenden Profis - nach zehn Sekunden perlt der Schweiß. Okay, notiert. Da sind trotz der insgesamt guten Ballphysik die sporadischen Fehler in der Kollisionsabfrage, wenn Hände durch Körper ragen; man kann die Zeitlupen nicht weit genug zurückspulen; die Kamera zeigt manchmal die Polygonrücken der Trainer anstatt die Bank. Okay, notiert. Außerdem wären die Gesichter, die mit ihren Boxernasen wie weichgeklopft aussehen und die Wiedererkennung mit Nash, Hill & Co zunächst schwierig machen. Okay, das wiegt schon schwerer. Aber hey, dafür könnt ihr dieses Jahr auch erstmals die Weltmeisterschaft mit allen Nationalteams spielen...

Erdnüsse & Freiwürfe

Neu, aber fragwürdig ist auch das Hotspot-System. Auf Knopfdruck wird das Spielfeld während eures Angriffs in Farben getaucht und zeigt euch dann die Bereiche an, wo euer Profi besonders gut trifft: Alle roten Felder gehören dazu. Das kann

Neu sind Dribblings über den rechten Analogstick: Einmal nach rechts tippen und schon gibt es ein Manöver in diese Richtung.
für Einsteiger sinnvoll sein, aber erstens garantiert ein Wurf von einem Hotspot natürlich keinen Treffer und zweitens sind die Farben so stark, dass sie einfach die Sicht behindern und stören. Wer will schon grelles Gelb, Grün und Rot statt spiegelndes Parkett sehen? Zumal man als Verteidiger einfach alles mit ansehen muss.

Auch die Freiwürfe gehören in diese Reihe kleiner Schwachpunkte: Obwohl EA hier quasi das System von NBA 2K7 kopiert, das das Vor- und Zurückziehen des rechten Analogsticks als Simulation der Wurfbewegung nutzt, wurde es nicht gut umgesetzt. Es sieht unnatürlich aus, wenn erfolgreiche Würfe in einer bizarren flachen Kurve im Korb landen. Außerdem reicht ein schnelles Hin und Her des Sticks für sichere Punkte. Aber das sind alles Peanuts, die auch die Konkurrenz plagen. Entscheidender dafür, dass keine Euphorie aufkommen will, sind andere Faktoren: Das fehlende Timing bei Würfen, die nervenden Automatismen, die ärgerlichen Fehlpfiffe der Schiris.

        

Spektakuläre Dunks gehören natürlich auch dazu. Jeder Superstar kann auf ein individuelles Wurf- und Sprungrepertoire zurückgreifen.
Dieses Gefühl, den Spieler und den Ball wirklich zu kontrollieren, vermisst man nicht nur bei den Freiwürfen, sondern auch bei den Würfen aus dem Feld. Schon ein Druck auf den Wurfknopf reicht und die Profis setzen schnell, viel zu schnell zum Wurf an. Die Phase zwischen erstem Button-Kontakt und dem Abwurf ist einfach zu kurz. Gerade bei Dreiern fühlt sich das nicht authentisch an, denn man vermisst die wichtige Zeitspanne, um den Ball z.B. auf dem höchsten Sprungpunkt des Spielers loszulassen. Hier geht alles ruckzuck, denn statt Timing reicht ein Knopfdruck. Natürlich werden im Hintergrund die Werte der Spieler inklusive Wurfort berechnet, so dass je nach Situation ganz unterschiedliche Erfolgsquoten herauskommen, aber man will wenigstens die Illusion haben, es selbst noch beeinflussen zu können!

Ohne Gefühl & Timing

Auch die lobenswerten Dribblings, die jetzt intuitiv über einen schnellen Druck des rechten Analogstick ausgeführt werden, können zum einen oder anderen stupiden Automatismus führen: Man will links an einem Spieler vorbei und der eigene Profi rennt zu weit und damit ins Aus. Man will eigentlich erst ein paar Meter nach links, aber plötzlich zieht der Profi mit seinem gescripteten Laufweg in eine andere Richtung. Und die angekündigten Kombinationen für extravagante Dribblings sind zwar zu beobachten, aber man kann ihre Wirkung und die Laufwege einfach nicht gut genug einschätzen.

Richtig ärgerlich sind zudem die Pfiffe der Schiris. Vor allem die Offensiv-Fouls sind oftmals nicht nachvollziehbar und manchmal reicht schon die Aktivierung der neuen automatischen Deckung über die linke Schultertaste, um ein Defensiv-Foul zu bekommen. So komfortabel das System ist: Warum reicht ein einfaches Mitlaufen schon aus, um ein Foul zu begehen? Selbst wenn ich hier nicht die Steal- oder Block-Taste betätige wird gepfiffen!  Normalerweise regen wir uns in Tests nur selten über Schiris auf, aber diese Pfiffe reißen einen immer wieder aus dem Spiel und lassen sich selbst in den Zeitlupen nicht erklären.

Wenn die Kamera nah heran geht, sieht das Spiel fast fotorealistisch aus. Allerdings geht es auf dem Platz noch zu abgehackt und steif zur Sache - die Animationen könnten flüssiger sein.
Machen Dunks und Blocks Spaß? Jein, denn einerseits sieht man viele neue Bewegungen und vor allem in den Zeitlupen sehen Korb, Netz und Ball fast fotorealistisch aus. Aber es fehlt das Krachen unter dem Korb, das Klatschen beim Kontakt und diese letzte lebendige Flüssigkeit in den Bewegungen - manches sieht trotz Motion Capturing & 1080p noch zu abgehackt aus. Man freut sich, wenn man mit Nowitzki und einer seiner Körperdrehungen stopfen kann, aber es wirkt bei vielen weniger bekannten Profis manchmal nicht überzeugend, nicht individuell genug aus. Dabei macht gerade das Aufposten in der Zone jetzt mehr Laune, da man hier endlich direkter antäuschen, den Verteidiger wegschieben oder aggressiv zum Korb ziehen kann.

Unspektakuläres Spiel

Aber als Verteidiger hat man weniger Spaß, denn es fehlen aktive Möglichkeiten, Dunkmonster wie Shaq zu stoppen oder zu irritieren. Man kann die Hände hoch nehmen, sich zum Block hinstellen oder zum Steal ansetzen - das war's. Gerade in der Defense hilft zwar die neue Möglichkeit, dass bei einem Druck auf die Schultertaste automatisch ein Verteidiger zum Gegner läuft und sogar automatisch zum nächst stehenden Verteidiger gewechselt wird, aber auch dieser Komfort raubt mir als Spieler die wichtige individuelle Vorgehensweise. Schade ist auch, dass trotz dieses Automatismus viele lange und schlechte Pässe des Gegners noch bei ihrem Ziel landen, obwohl man in den Passweg rennt und rumfuchtelt. Und wenn man nach einem Rebound selbst schnell den vordersten Spieler anspielen will, kommt es ab und zu noch zu lahmen Querpässen. Mit etwas Übung jagen die Bälle dann zwar direkter in die Spitze, aber ich hätte mir einen einfachen Doppeldruck für das Anspielen des vordersten Spielers gewünscht.

      

Fazit

Es geht aufwärts, es macht wieder für ein Match zwischendurch Laune, aber das reicht nicht! Dieser Basketball kann trotz der Fortschritte gegenüber der Katastrophe des Vorjahres nicht begeistern. Es gibt wie immer einige Highlights in der Präsentation, das Publikum geht lautstark mit, der Umfang stimmt mit Online-, WM- sowie Dynasty-Modus und manche Dunks sehen klasse aus. Aber unterm Strich wird spielerisch gerade mal ein befriedigendes Niveau erreicht. Und man weiß nie genau, ob man jetzt eine Simulation oder Spaßbasketball spielt - irgendwie ist NBA Live 07 weder Fisch noch Fleisch. Es fehlt einfach der Flow, das Krachen, die Faszination. Es fehlt das Gefühl, die Spieler wirklich präzise steuern und den Ball mit Timing und Auge wirklich optimal werfen zu können - hier reicht ein Knopfdruck! Immerhin stehen die neuen Dribblings, das taktische Aufposten und einige coole Superstar-Bewegungen auf der Habenseite. Die Offensive hat eindeutig an Qualität gewonnen, tendiert fast schon wieder Richtung Arcadeleichtigkeit. Aber man vermisst die Kontrolle in der Defensive und das Geschehen auf dem Platz wirkt phasenweise immer noch zu abgehackt. Auch die Freiwürfe lassen Natürlichkeit vermissen und hinzu kommen Schiedsrichterentscheidungen, die einfach nicht nachvollziehbar sind. Und bei allem Respekt vor diesem unterm Strich befriedigenden Weg, der vielleicht mit NBA Live 09 mal zum sehr guten Ziel führen könnte: Warum soll ich mir dieses durchschnittliche Spiel kaufen, wenn die Konkurrenz selbst mit dem alten NBA 2K7 nicht eine, nicht zwei, sondern drei Klassen besseren Basketball serviert? Bald kommt übrigens NBA 2K8...

Pro

  • tolle Atmosphäre
  • sehr effektive Offensive
  • gutes Aufpost-System
  • ansehnliche Fans aus der Distanz
  • elegante Dribblings über den Stick
  • erstmals mit WM & Nationalteams
  • einige coole Superstar-Moves
  • komfortable autom. Defensive
  • fotorealistische Profis in Zeitlupen 
  • All-Star Weekend & Dynastie
  • Trainer fiebern aktiv mit
  • diverse Online-Modi
  • unterstützt 1080p (360, PS3)

Kontra

  • kein Timing für Würfe notwendig- seltsam animierte Freiwürfe
  • nicht nachvollziehbare Pfiffe(vor allem bei Offensiv-Fouls)
  • Defensive nicht wirkungsvoll genug- noch zu viele Automatismen
  • unrealistisch einfache Alley-Oops
  • noch zu viele abgehackte Animationen
  • böse Grafikfehler in Wiederholungen
  • unbefriedigende Freiwürfe

Wertung

360

Gut für ein Spiel zwischendurch, aber auf lange Sicht fehlen Natürlichkeit & Faszination.

PC

Die PC-Variante kann grafisch nicht mit den großen Konsolen mithalten.

PlayStation2

Auf Sonys alter Kiste noch ganz solider Sport - allerdings sind keine Fortschritte erkennbar.

PlayStation3

Bis auf ein paar Kanten mehr identisch mit der 360-Variante.