Portal - Test, Logik & Kreativität, 360, PC, PlayStation3

Portal
15.10.2007, Marcel Kleffmann

Test: Portal

Was steckt eigentlich hinter Portal und was hat es in der Orange Box neben Half-Life 2 Episode 2 und Team Fortress 2 zu suchen? Hat Valve Software bloß die "Gravity Gun" durch eine "Portal-Knarre" ersetzt und darum Mini-Rätsel gebaut? Diese Fragen zum Ego-Shooter-Puzzlegame beantwortet der Test direkt aus der Androidenhölle...

Erinnerungslos wacht ihr in einem sterilen Raum auf, werdet von einer freundlichen Computerstimme als Testkandidat bei "Aperture Science" begrüßt und dürft alsbald die erste Versuchskammer betreten. Dort wird euch beigebracht, dass ihr mit der "Mobilen Portal"-Kanone ein blaues "Wurmloch"

Hinweis-Tafeln warnen vor den Gefahren in den Kammern.
erzeugen könnt. Alle Gegenstände oder Personen, die das blaue Portal durchschreiten, kommen anschließend ohne Zeitverlust aus dem gelben Portal heraus und umgekehrt; letzteres ist in den ersten Kammern fest positioniert, um den Einstieg zu erleichtern. Erst mehrere Räume später wird euch der Umgang mit dem gelben Wurmloch beigebracht und fortan gewinnen die Knobeleien an Intensität. Um ein Portal zu erschaffen, schießt ihr einfach mit der Maus (links = blaues Portal | rechts = gelbes Portal) auf Wände, den Boden oder schiefe Ebenen - natürlich gibt es auch Flächen an denen keine Übergänge erzeugt werden können.

Willkommen "Subjekt Name"

19 Versuchsräume gilt es zu absolvieren, von denen die ersten 15 nach rund 30 Minuten hinter euch liegen: Mal muss man Portale unter Kisten erzeugen, um sie auf Schalter fallen zu lassen oder Energiekugeln umlenken, dass sie in Kollektoren fliegen. Die letzten vier Testareale verlangen hingegen mehr Konzentration, Koordination und Gehirnschmalz, was durchaus eine Stunde in Anspruch nehmen kann. Hier treten erstmalig die nettesten Selbstschussanlagen der Welt auf (Zitat nachdem man das Gerät umgestoßen hat: "Ich hasse Dich nicht!") und selbstverständlich kann man die automatisierten Schusswaffen mit Portalen umfallen lassen oder man schickt Kisten um sie unschädlich zu machen, etc. Doch egal wie schwer die Rätsel auf dem ersten Blick sind, nach ein bisschen Erkundungszeit und gezielter Beobachtung liegt die Lösung meist auf der Hand, kleine Hinweise an den Wänden/Decken helfen oder man sieht klassischerweise den Wald vor lauter Bäumen nicht. Manchmal hilft jedoch nur Übung und Geschick, um beispielsweise große Entfernungen mit der Portalschleuder zu überwinden: Wenn ein Objekt mit hoher Beschleunigung in das Portal fällt, kommt es auf der anderen Seite mit ebenso rasanter Geschwindigkeit wieder heraus und wenn man im Flug kurz vor der Landung noch ein Portal setzt, erhöht man Sprunghöhe und die Geschwindigkeit.

"Das ist ein Test"

An den dunklen Flächen lassen sich keine Portale erzeugen.
Nach dem Abschluss des 19. Tests sollte es euch zu Ehren einen Kuchen und eine Feier geben, stattdessen wartet "eine Todesfalle", die es zu umgehen gilt. Anschließend schaut ihr euch in der Anlage von Aperture Science um und werft einen Blick hinter die sterile Oberfläche, die wie eine typische Half-Life 2 Industrieanlage aussieht - inklusive Texturen-Recycling. Fortan setzt ihr die Portalkanone ein, um Säureflüssigkeiten bzw. Ventilatoren zu umgehen oder gigantischen Metall-Stampfern auszuweichen, wobei wiederum Geschick, Koordination und Timing gefragt sind, neben der obligatorisch im Kopf ablaufenden Analyse der Umgebung zum Ausweg. Alles was man vorher in den Testräumen gelernt hat, darf man anwenden und hohe Katapultsprünge von schrägen Plattformen vollführen, Flugkörper umlenken, Selbstschussanlagen umstoßen oder schicht und ergreifend im Sprung Portale setzen, bevor es nach knapp drei Stunden zum großen, fast schon epischen Bosskampf kommt.

"Gleich gibt's Kuchen!"

Richtig gelesen, in Portal trefft ihr am Ende auf einen Bossgegner und zwar den Computer mit der freundlichen Stimme, der euren Weg nicht nur mit hilfreichen Informationen ebnete, sondern manchmal wunderbar bizarre Dinge

"Die am häufigsten auftretenden Symptome bei Enrichment Center Tests sind Aberglaube, Sprechen mit leblosen Gegenständen und Halluzinationen. Das Enrichment Center erinnert daran, dass der gewichtete Begleiterkubus nie drohen wird sie zu erstechen und gar nicht sprechen kann."
verlauten lässt wie "Die Androidenhölle existiert  wirklich!", euch Kuchen sowie eine Party nach Testraum 19 verspricht und meint "Wir haben nur versucht sie zu töten, um es intensiver zu machen" oder "Es besteht keine Gefahr, außer vaporisiert zu werden". Bemerkenswert ist wiederum ein Testraum, in dem euch die Stimme alle fünf Sekunden eintrichtert, dass das Rätsel gar nicht lösbar sei und es Aperture Science sehr leid tut für diesen offenbar sinnlosen Raum und auch der "gewichtete Begleiterkubus" (eine Kiste mit Herz) bleibt sicher im Gedächtnis kleben, da man seinen Freund (die Kiste) später in einer Intelligenznotverbrennungsanlage entsorgen darf - scharf als Sterbehilfe bezeichnet.

Bosskampf?

Selbst nachdem ihr die Testräume verlassen habt, meldet sich der Stimme an Terminals zu Wort und stachelt euch an weiterzumachen, bevor es zum Endkampf kommt, der mit solch klasse Sprüchen (sogar in der deutschen Version) versehen ist, dass man ihn gleich wiederholen möchte. Diese Computerstimme schafft es fast alleine, unterstützt von minimalen Effekten sowie selten eingesetzter Musik, eine intensive Soundkulisse zu erschaffen, ganz ohne Akustikoverkill, lediglich mit stilvoll eingesetzten teils wahnwitzigen Sprüchen wie "Sollten sie vor Durst ohnmächtig werden, kippen sie ruhig um, ein Intubationsmitarbeiter wird sie dann mit Magenmittel und Adrenalin wiederbeleben". Einmalig!

Um über diese Barriere zu kommen, müsst ihr einen doppelten Portalsprung machen.

Habt ihr Portal nach drei bis vier Stunden durch, folgt erstens ein grandioser Abspann und zweitens werden sechs "fortgeschrittene Rätsel" freigeschaltet, die aus alten Testräumen mit gesteigertem Schwierigkeitsgrad bestehen, z.B. Säure anstatt normalem Boden, weniger Liftplattformen, etc. Zusätzlich gibt es sechs weitere Herausforderungen in denen ihr mit möglichst wenigen Portalen, wenig Schritten oder in einer vorgegebenen Zeit zum Ziel kommen müsst. Spätestens hier muss man die "Grauen Zellen" anstrengen und sich clevere Wege einfallen lassen, was einerseits Frustpotenzial bietet und andererseits erstaunlich befreiend ist, wenn man es geschafft hat, schließlich kann man so Errungenschaften bekommen (wie Marmorkuchen). Insbesondere Fragen à la "Wie zur Hölle soll ich das ganze Level mit nur zwei Portalen schaffen" schwirren im Kopf herum und motivieren weiterzuknobeln.

Ist da sonst nichts mehr?

Fazit

Ja, Portal ist zu kurz, keine Frage! Nach dem furiosen Abschluss möchte ich gerne mehr Rätsel lösen, aber leider fällt nach drei bis vier Stunden (ohne Bonus-Rätsel) der Vorhang. Echt schade, trotzdem fühlte ich mich in der Zeit wunderbar an den Monitor gebunden. Die einmalige Mischung aus durchweg logischen Portal-Rätseln fordert neben Koordination, Geschick und Timing viel Gehirnschmalz in der dritten Dimension. Manche Aufgaben sind zwar schnell durchschaut, doch dafür entschädigt euer Gegenspieler, die freundliche und irgendwie schizoide Computerstimme, die stellenweise absolut bizarre Sprüche von sich gibt. Und wer kämpft nicht gerne für ein Stück Kuchen? Selbst, dass bei der Grafikkulisse nur zwei Sets verwendet werden, fällt dank der einwandfreien Rätsel und der klasse Soundkulisse kaum ins Gewicht. Ich kann Portal jedenfalls nur weiterempfehlen, da es trotz der Kürze ein einmaliges Spielerlebnis ist!

Pro

  • cleveres, durchdachtes Spielprinzip
  • logische Puzzles (Koordination, Geschick, Timing, Denkaufgaben)
  • klasse Soundkulisse, angeführt von der abgedrehten Computerstimme mit stellenweise wahnwitzen Sprüchen; klasse Humor
  • fortgeschrittene Herausforderungen sind vorhanden
  • kleine Anekdoten an Half-Life
  • grandioser Endkampf und herrlicher Abspann
  • Errungenschaften
  • netteste Selbstschussanlagen aller Zeiten
  • User-Levels können erstellt werden
  • versteckte Anspielungen auf Half-Life 2
  • Entwickler-Kommentare

Kontra

  • viel zu kurz
  • nur zwei Textursets
  • nicht alle Rätsel sind fordernd
  • Frustpotenzial bei fortgeschrittenen Herausforderungen

Wertung

PC

Großartiger, innovativer und witziger Ego-Rätsel-Shooter, der leider zu kurz ist.