Everybody's Golf 2 - Test, Sport, PSP

Everybody's Golf 2
10.06.2008, Benjamin Schmädig

Test: Everybody's Golf 2

Sagt mal, Clap Hanz: Müffelt euer Nachfolger zu meinem geliebten Golfspiel etwa nach billiger Abzocke? Gerade mal die Hälfte der Kurse und Charaktere ist neu, am Spielprinzip ändert sich nichts und die Neuerungen des davor erschienen PS3-Erstlings ignoriert ihr komplett. Lohnt es sich da wirklich, schon wieder etliche Stunden in den Punkte- und Klamotten-Sammelwahn zu stecken?

Tatsächlich fühlt sich Clap Hanz' zweiter PSP-Ableger schon beim ersten Einschalten vertraut an: Ihr wählt einen von zunächst nur zwei Charakteren, sucht euch eins von drei Turnieren aus und schon steht ihr am Tee. Ein Druck auf die X-Taste startet euren Schlag, der zweite bestimmt seine Kraft, der dritte die Präzision. Everybody's Golf 2 (ab 21,11€ bei kaufen) setzt dabei auf den bekannten Mechanismus, anstatt das erst kurz zuvor auf PS3 eingeführte Prinzip weiterzudenken. Das weicht zwar nur unwesentlich von seinem Vorgänger ab - gerade deshalb hätte ich mich allerdings

Einer der neuen Plätze: In Everybody's Golf 2 schlagt ihr u.a. mitten im Großstadtdschungel ab.
gefreut, wenn es Clap Hanz auch auf dem Handheld eingeführt hätte.

Drei Klicks statt echtem Schwung

Egal, ob neu oder alt: Verpatzt ihr beim dritten Tastendruck das Timing, driftet der Ball ab. Vermasselt ihr den Schlag so richtig, trifft ihn euer jugendliches Alter Ego nicht einmal richtig - das wird allerdings selbst Einsteigern nicht passieren. Der Toleranzbereich der knuffigen Anime-Golfer ist schließlich groß genug, um katastrophale Fehler zu verhindern. Besitzen eure Figuren ausreichend Erfahrung, können sie außerdem eine zu hohe oder zu niedrige Schlagweite kurz vor dem eigentlichen Schlag noch korrigieren. Spätere Charaktere erfordern selbstverständlich genaueres Timing, sind dafür aber echte Asse, wenn es um ihre Werte für Distanz, Präzision und Drall geht. Zu diesem Zeitpunkt habt ihr die Steuerung allerdings längst verinnerlicht und experimentiert mit verschiedenen Schlägern, Bällen und Klamotten, um die Fähigkeiten weiter aufzuwerten.

Richtig: Everybody's Golf hat trotz der nachvollziehbaren Flugbahnen nicht viel mit einer Simulation gemein. Tiger Woods' True Swing gibt es ebenso wenig wie reale Golfkurse oder Meisterschaften, in denen ihr eure Kontrahenten in Spielen auf 18 Löchern besiegen müsst. Stattdessen nehmt ihr an neun Löcher dauernden Turnieren teil, sackt im Anschluss Erfahrungspunkte für den gewählten Charakter ein und wählt ein oder zwei Accessoires - je nachdem, wie schlecht oder gut ihr gespielt habt. Der Schwierigkeitsgrad könnte im Laufe der Karriere allerdings schneller anziehen; dass euch ein Turnier oder Duell vor eine echte Herausforderung stellt, passiert zu selten.

Spaßige Kurzweil statt realem Ausdauerkampf

Dafür ist die Karriere bedeutend abwechslungsreicher als zuletzt. Zum einen entscheidet ihr

Clap Hanz ist bestimmt nicht für realistische Golfsimulationen bekannt - trotzdem bleibt die Flugbahn meist nachvollziehbar.
vor jedem Wettbewerb, ob ihr im Anschluss eure globalen (nicht die der einzelnen Charaktere) Fähigkeiten für Drall, Distanz oder Distanz verbessern wollt. Zum anderen wählt das Spiel einen anderen Platz aus, falls ihr das Turnier wider Erwarten wiederholen müsst. Anders als bisher müsst ihr euch daher nicht vor einem bestimmten Kurs fürchten. Nicht zuletzt findet jede Herausforderung auch wieder unter anderen Bedingungen statt: Mitunter werden Schüsse in den Bunker oder ins hohe Gras neben dem Fairway (das Rough) z.B. doppelt gewertet. Wer hier nicht aufpasst, schaufelt schnell ein paar Punkte zuviel aufs Konto und verliert den Anschluss an die Spitze. Habt ihr ausreichend Siege in den Wettbewerben einer Klasse auf dem Konto, fordert ihr schließlich den aktuellen Champion zum Duell. Falls ihr sie oder ihn besiegt, steigt ihr eine Klasse auf und fügt die geschlagene Figur eurer Golfer-Riege hinzu. Acht weitere Charaktere rekrutiert ihr auf diese Weise.

Kommt ihr auf diese Weise schließlich am Ende eurer Laufbahn an, dürft ihr diesmal übrigens weiterhin Turniere oder Duelle bestreiten. Separate Schlagspiele gab's natürlich auch im ersten Everybody's Golf, aber die gelegentlichen Duelle fehlten. Es ist einfach beschwingter, im Turnierstil abzuschlagen, anstatt wieder und wieder trockene Schlagspiele abzuarbeiten. Zumal  ihr noch lange über die Karriere hinaus Klamotten und Accessoires findet, mit denen ihr die Werte eurer Figuren aufpäppeln könnt. Sucht ihnen dazu einfach aus mehreren hundert Teilen eure Lieblingsstücke für Kopf und Körper sowie Sonnenbrille, Spielzeugauto oder Haustier aus, und schon verbessern sich ihre Fertigkeiten minimal.   

Zähe Umkleidekabine

Mehrere hundert Teile - ein El Dorado für Sammler! Für Sammler mit viel Sitzfleisch, wohl gemerkt. Denn das Spiel schafft es nicht, die Teile beim Aufrufen des "Kleiderschranks" in den Speicher zu laden. Die Folge sind zwar sehr kurze, der schieren Anzahl wegen aber nervtötende Ladeunterbrechungen. Hinzu kommt die fantastische Idee, dass z.B. ein bestimmtes Kopfteil nur in Verbindung mit einem bestimmten Mantel den Wert für die Schlagdistanz steigert. Kombiniert ihr es mit einem anderen Kleidungsstück, passiert im schlimmsten Fall gar nichts. Das daraus folgende Herumprobieren bedeutet nicht nur noch mehr Ladepausen, ich würde vor allem gerne vorher sehen, ob und wie bestimmte Teile miteinander harmonieren. So ist das Ausrüsten der extrem zahlreichen Extras zwar ein witziger Zeitvertreib - mit mehr Liebe zum Detail hätte er allerdings großartig sein können!

Aber es geht nicht nur um Jacken, Rucksäcke und Badelatschen: Auf den insgesamt zwölf Kursen hat Clap Hanz nämlich nicht nur eine Tonne Extras abgeladen - auch Bonus-Charaktere verstecken sich abseits des Fairways. Und

Ob als Panda, Weihnachtsmann oder Baum verkleidet: Die meisten Kostüme werten die Fähigkeiten eures Charakters auf.
das sind immerhin keine Unbekannten, es handelt sich um die Golfer des Vorgängers, die Veteranen quasi. Vielleicht liegt es an ihrer Erfahrung (nein, ihre Werte sind den Golfern des Nachfolgers nicht haushoch überlegen), dass sie erst eine bestimmte Leistung, z.B. einen Eagle, verlangen, bevor sie eurem Kader beitreten. Stattliche 20 drollige Figuren stehen insgesamt irgendwann zur Verfügung; es lohnt sich also, die Golfplätze sehr genau nach einem kurzen Blinken abzusuchen, dass auf etwas Verstecktes hindeutet...

 Such' mich!

Die Kurse verdienen ohnehin eure Aufmerksamkeit, denn Clap Hanz erweckt wie gewohnt wunderschöne, idyllische Kulissen zum Leben. Von Japan über Europa bis Amerika erstrecken sich die zwölf Schauplätze, von denen sechs brandneu, die anderen sechs aus dem Vorgänger bekannt sind. Letztere lassen die Entwickler fast unangetastet; größte Änderung sind die vorsichtig aufgepeppten Musikstücke. Der größte Unterschied zwischen bekannten und hinzugekommenen Kursen sind die zahlreichen Abkürzungen: Wer sich auch neben dem Fairway umsieht, findet etliche Holzstege oder Pflasterstraßen, auf denen im realen Leben nie ein Golfball rollen sollte. Wenn ihr es richtig anstellt, gelangt ihr über solche Wege früher aufs Grün und verringert damit euren Punktestand. Das ist ein dritter Grund, genauer hinzusehen und erinnert an das aktuelle Konsolengolf auf PS3, in dem der schnellste Weg ebenfalls oft genug abseits der Fairways liegt.

Die Schläge über eine Abkürzung sind zudem eine wundervolle Ergänzung zu den Tricks und Kniffen, die eure digitalen Golfer ohnehin auf dem Kasten haben. Klar: Links- und Rechtskurven sieht man auch auf dem realen Golfplatz, ebenso andrehte Bälle, die nach einem Schuss aufs Grün glatt zurückrollen. Aber Everybody's Golf 2 nutzt seine ausgezeichneten physikalischen Grundlagen, um die Flugbahnen ein Stück deutlicher um die Kurven zu ziehen. Es macht Bälle möglich, die an

Endlich kommt Clap Hanz auch auf dem Handheld im Online-Zeitalter an.
die Stange prallen, davor liegen bleiben - und anschließend noch mehrmals gegen die Stange und in alle Richtungen zurück rasen, bevor sie vor einem Feuerschweif im Loch verschwinden. So macht Golfen Laune! Schade nur, dass gerade ein so flottes Sportspiel nur ein einziges Minispiel bietet: Tiger Woods kennt neben dem Schlagen schnöder Chip-Ins mehr Möglichkeiten, sich die Zeit zu vertreiben...

Chip-In mit Feuerschweif

Mehr Laune macht's natürlich mit bis zu 16 Leuten aus aller Welt - wieder etwas, das dem Vorgänger noch fehlte. Geht einfach online, sucht ein offenes Duell oder Turnier und schon steht ihr am WiFi-Tee. Das Gute: Ihr schlagt nicht hintereinander ab - das Warten würde zu viele Nerven Kosten. Stattdessen arbeiten sich alle Golfer gleichzeitig zum Loch vor; ihr seht lediglich deren Bälle, während sie in Echtzeit über den Fairway brausen. Das Onlinespiel lohnt sich also selbst für Neulinge. Denn dort lernen sie schnell wichtige Abkürzungen, die dem ungeübten Auge verborgen blieben.  

Fazit

Sammeln, sammeln, sammeln! Das Motto galt schon für den ersten PSP-Ableger von Sonys Golf-Serie, und der Nachfolger baut es konsequent aus. So macht es nicht nur unheimlich viel Laune, kleine Päckchen oder neue Charaktere abseits des Fairways zu entdecken - das Suchen ist sinnvoll, weil die Fundstücke auch die Fähigkeiten der knuddeligen Anime-Golfer aufpeppen. Gerade die neue Schar der Online-Spieler wird jeden kosmetischen und spielerischen Vorteil wertschätzen. Nein, im Grunde hat sich nicht viel getan im kurzweiligen Golf-Paradies: Die Ballphysik ist noch immer hervorragend, die Trickschläge witzig überzeichnet und die Musik entspannend bis spritzig. Dass ihr euch zwischen den Duellen und Turnieren in gerade mal einem Minispiel austoben dürft, ist allerdings schade und sechs neue Kurse klingt zunächst minimalistisch. Mehr Plätze waren allerdings auch dem erstklassigen Vorgänger nicht vergönnt. Weil Everybody's Golf 2 die Fairways beider Versionen vereint, stehen euch diesmal sogar doppelt so viele zur Verfügung. Das gleiche gilt für die insgesamt 20 liebevoll animierten Charaktere. Vielleicht hätten die Entwickler noch die vorsichtig modifizierte Schlagtechnik ihres PS3-Golfs übernehmen können, damit sich die aktuelle PSP-Version frischer anfühlt. Andererseits ist diese dank ihres enormen Umfangs dem schwachbrüstigen Konsolen-Bruder ohnehin überlegen!

Pro

  • hervorragende Ballphysik
  • schnell erlerntes Prinzip - mit zahlreichen Finessen
  • doppelt so viele Charaktere und Kurse
  • umfangreiches Onlinespiel (Duelle und Turniere für 16 Spieler)
  • massig Klamotten und Accessoires werten Fähigkeiten auf
  • etliche Schläger, Bälle und Fertigkeiten zum Freispielen
  • abwechslungsreichere Karriere als zuletzt

Kontra

  • kaum echte Änderungen zum Vorgänger
  • ein mageres Minispiel
  • bisherige Schlagphysik statt aktueller PS3-Version
  • umständliches Zusammenstellen der Accessoires

Wertung

PSP

Nicht so einfallsreich wie sein Vorgänger - trotzdem fast perfekte Kurzweil!