Alone in the Dark (2008) - Test, Action-Adventure, 360, Wii, PSP, PlayStation3, PlayStation2, PC
Die deutschen Kommentare gehören zu den Tiefpunkten dieses Alone in the Dark. Weitere Videos findet ihr hier!Klassiker sorgen für wohlige Erinnerungen. Und wenn man Alone in the Dark sagt, dann freut sich das Spielerherz. 1992 legte Infogrames damit den Grundstein für ein ganzes Genre: Für viele gilt das Abenteuer als Urvater des Survival-Horror. Viele Designer haben sich nicht nur vom Stil, sondern auch gezielt von einzelnen Schockelementen inspirieren lassen - man denke an die Zombiehunde, die 1996 in Resident Evil so schauerlich durch die Fenster brechen. Und auch das verstörende Silent Hill setzt 1999 auf PlayStation die Tradition des französischen Klassikers fort.
Es war einmal
Und das Team der Eden Studios schien sie im Vorfeld mit einem überraschend großen Repertoire an Spielelementen weiterführen zu können: Der Central Park als offene Horrorwelt, das Feuer als authentische Kraft, dazu physikalische Rätsel- & Kletterelemente, packende Fahrsequenzen, Knopfdruck-Reaktionstests, Minispiele, intelligente Item-Interaktion und ein cooles Waffenmenü. In Sachen Vielfalt, Ideenreichtum und Nachahmung kann man dem Spiel zunächst keinen Vorwurf machen.
Schlechter Einstieg
Reden ist Silber...
Der Einstieg ist in Sachen Regie eine einzige Katastrophe. Was machen die Eden Studios falsch? Sie wollen gleich zu Beginn ein Erdbeben an Faszination und Schockmomenten auslösen, was ja theoretisch klasse sein kann. Aber hier geht es voll in die Hose - sie schütten ihre Effekte eimerweise statt gut dosiert aus, es fehlt einfach der Spannungsbogen: Da reißen die Böden auf, da bricht Feuer aus, Monster fressen sich durch Wände und man fühlt sich seltsam unbeteiligt. Horror, wo bist du? Irgendwie wollen Akustik und Technik nicht so zusammen tanzen, wie sie es in einigen Trailern suggeriert haben; auf gar keinen Fall so, dass ich mitgerissen werde. Selbst das mittlerweile acht Jahre alte "Code Veronica", das erste in Echtzeit berechnete Resident Evil, hatte nicht nur deutlich bessere Kamerafahrten, sondern auch eine lebendigere Figureneinbindung in den Filmen.
...Schweigen ist Gold
Bin ich hier in einem Horrorspiel für Erwachsene oder bei einem lustigen Zombie-Autoscooter mit grenzdebilen Zicken? Leider fühlt es sich an wie Letzteres. Dermaßen deplatzierte Kommentare begleiten euch bis ins Finale. Und das reißt einen immer wieder raus. Das ist schlechte Regie. Wo andere Spiele wie Silent Hill auch akustisch subtil Grusel aufbauen, indem sie ihre verstörenden Klänge gezielt einsetzen, wird man hier gleich von einem übereifrigen Orchester überrollt - das musiziert ja gut, aber überaus schlecht dosiert: Ein Tusch folgt auf den anderen, ein Chor überbietet den anderen. Auch musikalisch übertreibt man es dermaßen, dass das Ohr schon nach wenigen Stunden abstumpft. Zu viele Köche verderben den Brei, zu viele Effekte verderben das Spiel.
Katastrophale Lokalisierung
Ich habe selten so etwas Schlechtes gehört; nur Unreal Tournament 3 kommt in deutscher Sprache in etwa da heran. Hallo Atari? Hat das denn keiner gemerkt? Hat denn niemand Regie geführt bei den Tonaufnahmen? Das, was Chauvinist Edward und seine zickige Lady Sarah da sprechen, würde noch nicht mal Uwe Boll absegnen. Denn damit wird alles andere erreicht, als eine Beziehung zwischen den beiden oder gar eine Identifikation bei mir aufzubauen. Obwohl sie sich erst wenige Stunden kennen, quatschen sie so primitives und deplatziertes Zeug, als wären sie ein altes Ehepaar kurz vor der Scheidung.
Deplatzierte Dialoge
Wie gesagt: Ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal eine so grausame weibliche Nebenrolle in Kombination mit so grausamen Sprüchen erlebt habe, die sowohl den Helden als auch die ganze Stimmung mit in den Keller reißen. Die Abneigung geht sogar so weit, dass man Sarah gar nicht mehr retten will. Irgendwann wird sie dann endlich von flatternden Monstern entführt und kreischt: "Edward! Shit, sie kommen näher!" Und ich denke mir: "Sarah! Super, sie werden dich endlich fressen!" Spätestens an dieser Stelle hat das Spiel für mich versagt.
Verschenkte Potenziale
Ganz oben auf der Liste der Pluspunkte steht das Feuer. Es breitet sich teilweise authentisch aus, es kann per Feuerlöscher eingedämmt werden und ihr könnt es auch gezielt einsetzen, um Wege frei zu machen - einfach einen Stuhl entflammen und diesen vor einen blockierenden Balken halten, schon fängt er Feuer und löst sich auf! Es gibt auch kleine Rätseleinlagen und Minispiele, wenn man Autos knackt oder einen Stromkreis schließen muss: Mal muss man die passenden Drähte zusammen führen, mal muss man Hebel bedienen oder unter Berücksichtigung der Physik Kabel aus dem Wasser entfernen. Gerade, wenn man gleichzeitig verfolgt wird, kommt hier endlich mal Hektik auf.
Feuer & Physik
Das Knifflige scheint zu sein, dass die Zombies nur durch Feuer endgültig das Zeitliche segnen. Aber da man zig Gegenstände in Flammen setzen kann, um sie als Fackelwaffe zu nutzen, und da man dank direkter Zielfixierung jedes Monster sofort im Blick hat, ist das irgendwann ein Kinderspiel: Einfach verfolgen und einmal zuschlagen, schon löst sich das Grauen in schwarze Luft auf. Selbst die größten Unholde lassen sich auf diese Art und Weise schnell, viel zu schnell erledigen. Und obwohl sie lobenswerter Weise Blut riechen und auf eure Verletzungen reagieren, zeigen sie teilweise seltsame Totalaussetzer: Da stehe ich zwei Meter vor einem Zombie und er bleibt so lange auf dem Fleck stehen, bis ich ihn in aller Ruhe verbrannt habe! Das, was die Entwickler vorher mit den Fratzen in Zwischensequenzen an Furcht aufbauen wollen, verpufft hier ebenso schnell. Bedrohungsgefühl? Fehlanzeige.
Räuchert sie aus!
Aber davon gibt es viel zu wenige Variationen, und in den wenigen Situationen kann man sich aufgrund des großen Arsenals an Schuss- und Nahkampfwaffen immer schnell befreien. Man muss den Eden Studios dennoch zugestehen, dass sie den nächtlichen Park wirklich gut inszenieren. Und die Nester, die auf der Karte angezeigt werden, haben es in sich: Ihr erkennt auf der Karte, wo sich die Horte des Bösen befinden und könnt diese ausräuchern.
Der Boden des Verderbens
Zwischendurch seid ihr auch immer wieder mit Autos unterwegs. Man kann wie in Grand Theft Auto IV diverse Fahrzeuge klauen, indem man die Scheiben einschlägt, dann kann man sich reinsetzen, sogar fließend die Plätze tauschen, das Handschuhfach durchwühlen, hupen, Licht anmachen und im Ernstfall sogar durch die Heckscheibe fliehen. Nur sehen die Autos hier erstens deutlich schlechter aus als in GTA, zweitens fahren sie sich zwei Welten lahmer und drittens arten die pompös inszenierten Fluchtfahrten oft in Trial&Error aus, wo ein kleiner Fehler schon das Aus bedeutet. Für mich waren diese Szenen manchmal bereichernd, wenn einen etwa die Mutantenfledermäuse samt Wagen in die Luft heben oder Zombies auf die Motorhaube springen, manchmal aber auch frustrierend.
Kreatives & Nerviges
Wer sich beim Klettern oder Kämpfen überfordert fühlt, darf sich auf eine Premiere freuen und mit interaktiver Hilfe ins Finale humpeln: Man kann mit der "innovativen" DVD-Funktion tatsächlich an jeder Stelle des Spiels zu jeder Stelle des Spiels vorspulen - allerdings nur auf 360 und PC. Sprich: Ihr verzweifelt an den Trial&Error-Fahrsequenzen? Kein Problem: Kurz ins Menü und ein paar Szenen später weiter machen. Wer ganze Kapitel überspringt, bekommt à la Lost oder 24 noch mal eine knackige filmische Zusammenfassung dessen, was bisher geschah. Die Entwickler wollten damit sicher gehen, dass jeder, der das Spiel kauft, auch das Finale erleben kann. Das ist ein toller Service, denn so kann man nicht nur die kniffligen, sondern auch all die frustrierenden und schlecht designten Stellen des Spiels, ja sogar das Gequatsche von Sarah einfach überspringen. Nur auf Wii und PS2 schaut man in die Röhre: Hier gibt es keine DVD-Funktionen, dafür sind alle Kapitel und Untermissionen sofort frei wählbar - das ist doch auch was.
Update der PC-Version: Die Rechenknecht-Variante ist im Wesentlichen identisch zur 360, wirkt hinsichtlich der Kulisse aber nicht nur dank der zahlreichen Einstellmöglichkeiten etwas runder und ansehnlicher. Die Steuerung per Maus und Tastatur ist allerdings gehörig daneben gegangen. Zu sensibel (trotz Konfigurationsmöglichkeit) sowie in der Grundkonfiguration unglücklich belegt, empfehlen wir allen, das 360-Pad für den PC zu benutzen, das problemlos erkannt wird.
Fazit
Wie kann man so einen Einstieg durchwinken? Wie kann man solche Sprachaufnahmen abnehmen? Und wie kann man solche Dialoge schreiben? Ich habe mich auf das große Comeback eines Klassikers gefreut und wurde herbe enttäuscht. Erst kürzlich habe ich mit Metal Gear Solid 4 erlebt, was grandiose Regie an Faszination entfachen kann - man fiebert mit, man taucht ab und versinkt in einer glaubwürdigen Spielwelt. Jetzt zeigen die Eden Studios, was grausame Regie an Frustration auslösen kann - man bleibt emotional kalt, man wird immer wieder durch stupide Sprüche rausgerissen und flucht über all das, was sonst noch die Atmosphäre vernichtet - Trial&Error-Fahrten, KI-Aussetzer und eine Musik, die mir ohne auf die Spannungskurve zu achten einen Tusch nach dem anderen serviert. Das Tragische daran ist, dass dieses Alone in the Dark ja durchaus einige kreative Ideen und Spielmechaniken bietet: Ich mag die Kombinationsvielfalt, die kleinen Rätseleinlagen, das aktive Kampfsystem und den sinnvollen Einsatz von Physik und Feuer. All das sorgt dafür, dass man zwischendurch Spaß im apokalyptischen New York haben kann! Aber für alles Gute liefert dieses Spiel dann wieder etwas Schlechtes: Die Steuerung ist insbesondere, aber nicht nur auf Wii fummelig, die Kamerafahrten amateurhaft und böse Clippingfehler stören eine Kulisse, die in ihren besten Momenten vernebelt gruselig, in ihren schlechtesten wie ein bewegtes Wachsfigurenkabinett wirkt. Am Ende bietet dieses Abenteuer zu viel Beliebiges, zu wenig Dramatisches: Man klettert, man löscht, man ballert, man rast, aber das Herz klopft nicht. Aus der versprochenen Wiedergeburt von Alone in the Dark ist trotz guter Ansätze und einiger kreativer Ideen letztlich eine Totgeburt geworden. Denn statt spannendem Survival-Horror gibt es einen undefinierbaren Action-Race-Kletter-Kuchen mit viel zu vielen, teilweise schlecht dosierten Zutaten. Hoffentlich war das der letzte Auftritt des Edward "Ich-erschieß-dich-persönlich" Carnby.
Update vom 17. Dezember 2008:
Sorry für den späten Nachtest, aber das Weihnachtsgeschäft hat uns überrollt. Und Alone in the Dark birgt auch in der "erweiterten" Variante auf PlayStation 3 keine nennenswerten Überraschungen - sprich: Die Spielerfahrung gleicht der auf Xbox 360 und enttäuscht damit alle, die auf packenden Survival-Horror gewartet haben. Trotzdem hat sich die Spielmechanik etwas verbessert: Die Kamera ist weiter weg positioniert und erlaubt über den Einsatz des rechten Analogsticks endlich eine freie Rundumsicht, während der Blickwinkel auf der Xbox 360 noch an die Schulter gebunden und damit eingeschränkt war. Sind die zickigen Perspektiven damit komplett verschwunden? Nein, manchmal wechselt die Ansicht in die altbekannte Enge; es gibt nur weniger störende Momente. Außerdem lässt sich der Held zu Fuß als auch in den Vehikeln vom Auto bis zum Motorboot besser steuern, weil sich Letztere etwas schwerer anfühlen. Man kann zudem leichter durch das Inventar navigieren und es gibt eine neue Actionszene auf Schienen. Aber all das kann die großen Schwächen in der Dramaturgie nicht aus der Welt schaffen - dazu hätte man nicht Steuerung und Benutzeroberfläche verfeinern, sondern die ganze Regie ändern müssen. Unterm Strich gewinnt die PlayStation 3 mit den Fortschritten jedoch knapp das plattforminterne Rennen um ein Prozentpünktchen. Wer echten Weihnachtshorror sucht, sollte sich allerdings Dead Space kaufen oder in irgendeiner Glühweinzone mit der ganzen Familie shoppen gehen.
Pro
- aktives Kampfsystem
- kleine Rätseleinlagen
- relativ offene Spielwelt
- authentischer Feuereinsatz
- stimmungsvoller Central Park
- gut inszenierte Fahrsequenzen
- nette Geschicklichkeitseinlagen(Drähte kurzschließen, Wiederbelebung)
- Interaktion mit Gegenständen
- gute Nebel- & Feuereffekte (PS3, 360, PC)
- freie Rundumsicht (PS3)
Kontra
- Story? Amnesie mal wieder...
- Nervenkitzel, wo bist du?- schwache Regie & Kameraführung
- unsympathischer Held
- schlechteste weibliche Nebendarstellerin der Spielegeschichte
- teilweise nervige Trial&Error-Passagen
- zu einfaches Monster-Verbrennen- unpassende deutsche Sprecher
- viele unterirdische Dialoge
- zu überzogene Musikeinsätze mit inflationären Chören und Fanfaren
- fehleranfällige Gestenerkennung (Wii)
- nervöse Waffen
- & Perspektivwechsel
- einige böse Clippingfehler
- KI-Aussetzer (Monster steht plötzlich dumm rum)
- unzureichende Maus-/Tastatur-Steuerung (PC)