Der unglaubliche Hulk - Das offizielle Videospiel - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3, PlayStation2, NDS, Wii, PC

Der unglaubliche Hulk - Das offizielle Videospiel
20.06.2008, Mathias Oertel

Test: Der unglaubliche Hulk - Das offizielle Videospiel

Sega, Marvel und Filmumsetzungen für die aktuelle Konsolengeneration... Da war doch was? Richtig: Iron Man, vor gut vier Wochen ins Rennen um die Fangunst gestartet, zeigte sich auf der 360 nicht so durchschlagend, wie es sich für einen Helden seines Ranges gehört. Und ebenso schnell, wie der Eiserne im Kino vom Unglaublichen Hulk abgelöst wird, unternimmt Sega einen zweiten Anlauf, um zu beweisen, dass man mit Lizenzen umgehen kann.

Werfen wir einen Blick zurück: Vor gut vier Wochen hat sich Sega mit Iron Man das erste Mal seit langer Zeit auf Lizenz-Terrain begeben. Das 360-Ergebnis: Ambitionierte, aber letztlich durchwachsene Unterhaltung und eher magere 55 % in der 4P-Wertung. "Das können wir besser!" dachte sich Sega und schiebt pünktlich zum Release des Zelluloidwerkes den Unglaublichen Hulk nach.

Neues Spiel, neues Glück

Die Aufgabe, den grünen Griesgram zum Leben zu erwecken, fiel dabei dem Team von Edge of Reality zu. Ein kleiner Blick

In der zerstörbaren Umgebung ist Hulk nicht nur auf seine Fäuste als Waffe angewiesen.
in deren Portfolio offenbart, dass man für Activision bereits mit Shark Tale und Over the Hedge Lizenzerfahrung gesammelt hat und auch Superhelden kennt: Edge of Reality hat seinerzeit Spider-Man für das N64 entwickelt. Nun gut, es ist kein Qualitätsstammbaum, wie ihn sich Treyarch mit den letzten Umsetzungen der Spider-Man-Filme gesammelt hat, doch Anlass zur Hoffnung gibt es trotzdem.

Zumal sich das Team deutlich angeschaut hat, was den Erfolg von anderen Superhelden-Versoftungen ausgemacht hat.  Neben dem bereits aufgeführten Spider-Man (SM) orientiert man sich vor allem am von Radical Entertainment für Vivendi entwickelten Hulk - Ultimate Destruction (HUD).

Spider-Man 4 Ultimate Destruction 2

Dementsprechend fährt man im neuen Hulk mit Manhattan (wie in SM) eine offene Welt auf, die in anderer Form auch in HUD zum Einsatz kam. Gefüllt mit zahlreichen kleinen Minispielen, zahlreichen Story-Strängen, die ihr nach eigenem Gutdünken verfolgen könnt, vielen Kleinigkeiten zum Entdecken sowie einer ansprechenden Vertikalität (kennt man alles aus SM), könnte man fast schon den Eindruck bekommen, dass man hier die Spider-Man-Engine lizenziert hätte...

Natürlich nicht ungeschoren: Mit jeder zerstörten Fassade, mit jedem weggeworfenen Auto, ja selbst mit einem platt gewalzten Baum wird die Risikostufe erhöht. Erreicht sie bestimmte Grenzwerte, wird das Militär mit immer stärkeren

Die Zwischensequenzen orientieren sich an den Filmen, sind aber vergleichsweise niedrig aufgelöst.
Einheiten auf den Plan gerufen, um euch aus dem Verkehr zu ziehen. Abhilfe schafft hier nur entweder die Flucht per U-Bahn-Schacht in ein anderes Stadtviertel oder der Versuch, euch aus der Sichtweite der Soldaten zu begeben und zu warten, bis die Risikostufe wieder ein passables Niveau erreicht.

Wenn nicht das enorme Zerstörungspotenzial wäre, das man aus HUD kennt: Nahezu alles, inklusiver pompöser Wolkenkratzer, kann zerlegt und teilweise als Waffe recycelt werden.

Das Problem: Diese zehn Stunden sind mit meist am unteren Rand des Schwierigkeitsspektrums schrammenden Missionen vom Schema F gefüllt. In nahezu jedem Strang, den ihr verfolgt, geht es entweder um die Zerstörung von Gegnern oder um den Schutz bestimmter Ziele. Gelegentlich kommt noch ein Zeitlimit dazu, aber das ist es dann auch meist.

Missionen ohne Risiko

Diese Mechanik ist allerdings nur im "Erforschungsmodus" im Einsatz. Befindet ihr euch auf einer Mission, ist die Risikostufe vernachlässigbar.

Mit den verschiedenen Story-Strängen, deren teils mehrstufige Aufgaben natürlich im Mittelpunkt von Hulk stehen und die über die ganze Stadt verteilt sind, ist man gut zehn Stunden beschäftigt.

Natürlich gibt es auch die obligatorischen Bosskämpfe. Doch auch die präsentieren sich hinsichtlich der Anforderung als wohlgesonnen, da man meist immer wieder gute Möglichkeiten bekommt, seine Spezialfähigkeiten einzusetzen, allen voran die Heilung.

      

Beim Upgrade-System geht Edge of Reality einen gut tarierten und auf Belohnungen für inhaltliche Meilensteine basierten Weg, die beinahe an ein "Learning-by-Doing" erinnern. So wird sicher gestellt, dass Hulk nur dann neue Fähigkeiten bekommt, wenn die bis dahin freigeschalteten Eigenschaften erlernt und verinnerlicht sind. Unter dem Strich kommt dabei ein enormes Kombo- und Spezialfähigkeitenarsenal heraus, das zusammen mit Möglichkeit, seine Umgebung als Waffe zu verwenden, für Unterhaltung sorgt, die gefährlich nahe an die letzten Spider-Man-Abenteuer heran rückt. So kann Hulk z.B.

Effektreiche Kämpfe, zerstörbare Umgebungen: Hulk lässt es krachen.
Autos nicht nur aufnehmen und diese als Schlaggegenstand verwenden, sondern sie auch zu maßgeschneiderten "Metall-Handschuhen" für sich verarbeiten, mit denen man natürlich mehr Schaden anrichtet. Später lassen sich sogar Panzer in der einen oder anderen Form zweckentfremden.

Hulk hat allerdings nicht nur ein Problem mit seiner unzügelbaren Wut, die im Spiel durch Zerstörung angefeuert wird und letztlich die Energie für monströse Attacken liefert. Bei all den guten Ideen, die Edge of Reality eingebaut hat, wenngleich die meisten davon ursprünglich auf anderen Bäumen wuchsen, saß dem Team offensichtlich der Zeitdruck im Nacken. Der Titel musste unbedingt zum Filmstart fertig werden. Das Ergebnis: Die Technik schafft es nicht über die gesamte Zeit, die unterhaltsamen Spielmechaniken adäquat anzutreiben.

Technische Unzulänglichkeiten

Auch die immer wieder kehrenden Klonarmeen, die Jagd auf euch den grünen Giganten machen, stören mich weniger. Selbst die nur selten zufrieden stellende Physik-Einbindung kann ich einigermaßen verkraften - obwohl dieser Punkt natürlich (wie alle anderen auch) die B-Note drückt. Auch die niedrig aufgelösten CG-Videos, die die ohnehin kaum interessante Story voran treiben sollen, nehme ich hin - immerhin sind die deutschen Synchronsprecher gut ausgewählt, während im englischen Original sogar die entsprechenden Schauspieler ins Studio gezerrt wurden und dementsprechend gut arbeiten.

Über kleine Kameraprobleme und im einen oder anderen Krisenmoment etwas ungenau reagierende Steuerung will ich mich gar nicht übermäßig aufregen. Denn letztlich gerät man durch diese Mankos nur höchst selten in unfaire Situationen.

Wo mir allerdings der Superhelden-Geduldsfaden reißt, sind die offensichtlichen Schwächen der Engine. Wenn mir ein Spiel schon eine offene Welt anbietet, dann sorgt doch bitte schön auch dafür, dass mich diese Welt in ihren Bann zieht.

Und zwar nicht nur durch die Möglichkeit, Lampen, Autos, Fassaden und ganze Straßenzüge zu zerlegen. Sondern auch in Momenten der Ruhe, wenn ich einfach nur auf dem Weg zu meinem nächsten Missionsziel bin oder wenn ich mir die Zeit nehme, nach Geheimnissen und Nebenaufgaben zu suchen.

Dann will ich keine aufploppenden Texturen an Gebäuden, die geschätzte 25 bis 30 Meter von mir entfernt sind. Ich will auch keine plötzlich rein fadenden Gebäudeteile wie Balkone, Fahnenstangen, oder Notleitern. Und auch auf gut fünf bis zehn

Natürlich hat der grüne Gigant auch vor größeren Kontrahenten keine Angst...
Meter vor mir auftauchende Passanten kann ich ebenfalls verzichten. Dass das Hulksche Manhatten dementsprechend keine berauschende Fernsicht ermöglicht, brauche ich an dieser Stelle wohl nicht mehr erwähnen...

Dabei hat der Grafikmotor letztlich doch einiges zu bieten: Das Gegnerdesign kann sich sehen lassen, Hulk verfügt über viele geschmeidige Bewegungsabläufe und ist ansehnlich texturiert. Die pompösen Explosionen und Zerstörungseffekte lassen mich die angesprochenen technischen Probleme auch immer wieder fast vergessen. Aber eben nur "fast".

So bleibt "nur" die Gewissheit, dass Edge of Reality hinsichtlich Spielmechnaniken wenn schon nicht alles richtig, aber wenigstens absolut nichts falsch gemacht hat und die Engine mit zusätzlicher Arbeit genug Potenzial zeigt, um in einer eventuellen Fortsetzung bzw. einem anderen Open World-Titel ihre Stärken ausspielen zu können.    

Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was die Engine-Programmierer mit einem nicht so rigorosen Zeitplan im Rücken auf die Beine stellen könnten.

Dann nämlich hätte Bruce Banner mit seinem Alter Ego absolut in Wertungsbereiche vordringen können, die bislang nur der Superheldenelite vorbehalten waren.

Fazit

Die grundsätzliche Entscheidung, den grünen Riesen in seinem neuen Auftritt irgendwo zwischen den Erfolgselementen der Spider-Man-Titel von Treyarch einerseits und dem Konzept von Hulk - Ultimate Destruction anzusiedeln, ist gut und geht auf: Hulk kann nahezu alles zerstören, was ihm vor die Fäuste kommt und es gibt im offenen Manhattan einiges zu entdecken. Das Upgrade-System wirkt ausbalanciert und die Bosskämpfe machen Spaß, so dass ich den eher am unteren Skalenrand angesiedelten Schwierigkeitsgrad verschmerzen kann. Bis hierhin ist Hulk eine richtig gute Lizenzumsetzung und war eigentlich auf dem Weg, sich auf eine Stufe mit Peter Parker zu stellen. Doch mit der schwachen Story, die im Gegensatz zum in dieser Hinsicht nur unmerklich besseren Spider-Man 3 keinerlei humoristischen Aspekte zeigt (die übrigens auch ein Markenzeichen von Hulk - Ultimate Destruction waren), beginnt der Putz zu bröckeln. So solide sich der gewaltige grüne Riese sich hinsichtlich Spielmechanik zeigt, so sehr hinkt er technisch hinterher. Dass der Titel offensichtlich zum Filmstart fertig werden musste, merkt man der Engine zu häufig an. Grundsätzlich zu einigem fähig - was sich auch im enormen Zerstörungspotenzial samt eindrucksvoller Explosionen äußert – bleiben im Detail eher die Probleme im Gedächtnis haften. Dazu gehört der nur selten gelungene Physikeinsatz, aufploppende Texturen, die im Vergleich zu Spider-Man geringe Sichtweite, Clipping-Fehler, Kameraprobleme usw. Ich bin überzeugt, dass das lizenzerfahrene Team von Edge of Reality mit mehr Zeit zum Feintuning das visuelle Potenzial stärker hätte ausschöpfen können. So bleibt bedauerlicherweise ein schaler und vor allem gehetzter Geschmack zurück. Das ist schade, denn obwohl der Hulk sich deutlich interessanter präsentiert als z.B. Iron Man, wäre hier noch viel mehr drin gewesen...

Pro

  • enormes Zerstörungspotenzial
  • offene Spielwelt
  • balanciertes Upgradesystem
  • passable deutsche Lokalisierung
  • übersichtliche Karte
  • viel zu entdecken
  • interessante Bosskämpfe
  • viele Kombos und Spezialfähigkeiten
  • Umgebung kann als Waffe benutzt werden

Kontra

  • schwach erzählte Story
  • kaum fordernd
  • niedrig aufgelöste CG-Filme
  • Texturploppen, Polygon-Fade-Ins
  • vergleichsweise geringe Sichtweite
  • zweifelhafter Physikeinsatz
  • Clipping-Fehler
  • Kameraprobleme

Wertung

360

Kurzweilige Kämpfe und ein enormes Zerstörungs-Potenzial auf der einen, eine schwächelnde Engine auf der anderen Seite...