Das Bourne Komplott - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3

Das Bourne Komplott
20.06.2008, Paul Kautz

Test: Das Bourne Komplott

Warum ist der neue James Bond anders als alle anderen? Nicht nur, weil er über Kräne hopst und einen Scheißdreck darauf gibt, ob sein Martini geschüttelt oder gerührt ist. Sondern auch, weil er nicht mit Laseruhren, Raketenflügelautos oder BH-Aufknöpf-Krawatten hantiert, sondern erdiger ist. Roher, rotziger, aufsmauliger. Der neue Bond ist endlich das, was Jason Bourne in der Welt des Robert Ludlum schon seit 1980 ist. Macht das Bourne nun im Umkehrschluss zum besseren Bond?

Die drei Streifen rücken nicht nur die tragische Figur des Attentäters mit Gedächtnisverlust in den Mittelpunkt, sondern liefern auch die besten Prügeleien, die man im westlichen Kino für Geld bekommt: Hart, dreckig, unfair, schnell. Und die kriegt ihr auch im Spiel - fast jeder Gegner, mit Ausnahme von auf Häuserdächern

Gestatten: Jason Bournes Faust. Das Kampfsystem ist sehr simpel, aber dennoch sehr wirkungsvoll.
stehenden Scharfschützen oder Hubschrauberpiloten, lässt sich im Nahkampf die Fresse verbiegen. Im Stakkato landen da Fäuste in Gesicht oder Magengrube und Handkanten am Kinn. Das Beste daran: Das Ganze funktioniert nur mit zwei Tasten. Einfacher Schlag und schwerer Schlag, mehr braucht es nicht für ein Brachial-Gewitter, gegen das die nächste K1-Runde wie das Glücksbärchiland wirkt. Natürlich hat diese Vereinfachung auch den Nachteil, dass dadurch nicht viele Kombinationen möglich sind; genau genommen sind es nur acht. Aber: Da sind ja noch die Takedowns.

Bourne. Jason Bourne.

Hachja, die Takedowns. Von diesen Knockout-Manövern gibt es mehr als 300, eines brachialer als das andere: Da fliegt der Feind die Treppe runter, landet mit dem Gesicht im Kühlschrank, auf dem Tisch, auf dem Geländer oder im Kopierer, gelegentlich findet ein Feuerlöscher oder ein gut gezielter Ellbogen seinen Weg in feindliche Zähne. Ich könnte seitenweise Beispiele für Umgebungs-Takedowns geben, denn prinzipiell ist jedes Objekt im Spiel für einen Takedown zu gebrauchen. Mit erfolgreichen Prügeleien baut ihr Adrenalin in drei Stufen auf, ein flotter Druck auf die B- bzw. Kreis-Taste löst den Takedown aus, der dann automatisch abgespielt wird. Und zwar so wunderbar brachial, dass ich beim Spielen von Bourne genauso gegackert und Luft durch die Zähne gezogen habe wie beim Schauen von »Ong-Bak«.

Das Schöne ist, dass es von diesen Takedowns so viele für viele Situationen gibt: Im Nahkampf, schleichend, sprintend und natürlich auch ballernd ist es immer nur eine Frage des Adrenalins, ob ihr einen auslösen könnt oder nicht. Die Königsdisziplin besteht darin, alle drei Adrenalin-Balken für den Moment aufzubewahren, wenn ihr von mehreren Gegnern umringt seid. Es ist einfach eine Pracht mitanzusehen, wie der virtuelle Jason Bourne alle drei nacheinander in dramatischer Zeitlupe

Drei Mann auf einem Haufen? Kein Problem für Jason Bourne: Genug Adrenalin und solide Knöpfchendrück-Reflexe vorausgesetzt liegen alle drei wenigen Sekunden später reglos am Boden.
flüssiger ausschaltet, als der uneheliche Sohn von Jackie Chan, Jet Li und Tony Jaa. Und das Schönste daran: Ihr habt Einfluss auf Erfolg oder Nichterfolg. Denn gerade die »höherwertigen« Takedowns basieren darauf, dass ihr im richtigen Moment die richtige (eingeblendete) Taste drückt. Diese Art von Reaktionstests finden sich hier überall; in Zwischensequenzen, in Bossfights, beim Sprung über einen Zaun - in der berühmten Farmszene findet sich gar ein ganzer Missionsabschnitt, in dem ihr nur schnell die richtige Taste drücken müsst. Klingt öde? Ist es ganz und gar nicht: Die Tests passen immer hervorragend zur Szene, sind nicht übermäßig anspruchsvoll und können bequem wiederholt werden - das automatische Speichersystem legt aller paar Minuten einen Checkpunkt an. Bekommt ihr ein paar Mal zu oft aufs Maul, färbt sich der Bildschirm rot und röter, bis Jason schließlich wie vom Blitz gefällt am Boden liegt und das Programm den letzten Checkpunkt anbietet. Um das zu vermeiden, empfiehlt es sich, mal einen Moment innezuhalten, um die Lebensenergie wieder aufzufrischen - das bewährte Call of Duty-Heilungssystem macht's möglich. Zusätzlich gibt's noch einen trivialen Bonusgrund: Die Ladezeiten sind ziemlich lang.          

Der 30 Millionen Dollar-Mann

All das findet seinen Höhepunkt in den regelmäßig auftauchenden Bossfights: Nicht jeden dieser Killerschränke kennt man aus dem ersten Film, aber jeder ist eine Herausforderung. Denn diese harten Typen überstehen locker mehrere Takedowns, was für herrlich lange und aufregende Kloppereien sorgt. Und da sie nicht nur einstecken wie Muhammad Ali,

Gerade in den Bossfights gewinnen die Umgebungs-Takedowns enorm an Bedeutung: Hier lernt ein Obermotz gerade den Inhalt eines Waschbeckens näher kennen.
sondern auch ebenso hart austeilen, müsst ihr spätestens hier nicht nur den Angriff, sondern auch die Verteidigung beherrschen: Haltet ihr die A-Taste (bzw. X auf der PS3) gedrückt, gehen die Schläge der Gegner ins Leere. Aus dieser sicheren Situation heraus lassen sich ganz wunderbar Gegenangriffe starten, bei denen allerdings das Timing stimmen muss. Ganz besonders die unblockbaren Attacken, für die ihr die Angriffstasten länger gedrückt halten müsst, zeigen bei den Bossen ordentlich Wirkung - aber während der »Aufladephase« ist Jason angreifbar. Außerdem gewinnen an dieser Stelle die Umgebungs-Takedowns erheblich an Bedeutung: Filmkenner erinnern sich bestimmt an den Kuli in der Pariser Wohnung oder an das Buch, das Jason zur Argumentationverstärkung einsetzt. Beide Gegenstände finden sich auch im Spiel und können, müssen aber nicht, benutzt werden. Idealerweise wartet man mit dem Einsatz auf den richtigen Zeitpunkt: Wenn z.B. der Attentäter in Bournes Pariser Wohnung ein Messer zückt, scheint das der richtige Moment zu sein, ihm den Kuli in die Hand zu rammen - wollen doch mal sehen, ob ihm danach noch nach Jason-Geschnetzeltem ist...

Das Bourne Komplott (ab 29,95€ bei kaufen) trägt deswegen einen nicht den Filmen entliehenen Namen, weil es keine Filmumsetzung ist: Es beginnt vor dem ersten Streifen, und springt in diesem herum, allerdings ohne Anspruch auf Vollständigkeit - wer den Film nicht kennt, dürfte Schwierigkeiten haben der Story zu folgen, zumal sie von der Filmvariante abweicht. Was die Sache auch für Nicht-Cineasten interessant macht ist, dass die Hälfte der Missionen in Bournes

Das Spiel folgt grob dem ersten Film, spielt aber auch sehr oft in Bournes Vergangenheit: Hier müsst ihr z.B. am Zürcher Flughafen einen Verbrecherboss stellen, den ihr u.a. durch eine fahrende U-Bahn jagt.
Vergangenheit spielt - bevor er sein Gedächtnis verlor, also noch als eiskalter Attentäter agierte. Diese Aufträge werden als Flashbacks inszeniert, die aktiviert werden, sobald sich Jason in einer Rendersequenz an etwas erinnert: Ein Griff zum Personalausweis - Flashback. Eine vertraute Waffe in der Hand - Flashback. Ein kritischer Blick in den Spiegel - ihr ahnt es. Diese Aufträge erzählen mehr über das Wesen Jason Bournes und seines Arbeitgebers Treadstone. Außerdem legt ihr persönlich Hand an die Mission, die direkt zum Einstieg des ersten Films führte: Das missglückte Attentat auf Wambosi. Andere Aufträge in der Vergangenheit umfassen die Verfolgung eines Verbrecherbosses am Zürcher Flughafen (inkl. flüssigem Übergang zu einer Hetzjagd in der U-Bahn und einem Fallschirmsprung aus einem startenden Flugzeug) sowie einen Pariser Waffendeal, den ihr auf bewährte Weise platzen lasst. Begleitet wird all die Action von einem ganz fabelhaften Soundtrack aus dem Synthesizer von Altmeister Paul Oakenfold, dessen treibende Beats gerade den Infights eine ganz hervorragende Bonus-Rasanz verleihen. Und wo wir gerade beim Thema Audio sind: Die Sprachausgabe ist wirklich super - speziell die englische, die ihr mittels der Systemsprache einstellen könnt. Aber auch die deutsche Variante macht ihren Job gut, und bietet interessanterweise die Synchronstimme von Matt Damon, auch wenn ihm der Spiel-Bourne nicht mal ansatzweise ähnlich sieht.

Das Bourne Dilemma

Das Rennen durch Paris sieht nett aus - mehr aber auch nicht. Dankbarerweise ist es nur ein Level.
Freunde von abwechslungsreichem Missionsdesign dürften hier kaum glücklich werden, sind die Aufträge doch größtenteils nach ähnlichem Muster aufgebaut: Ihr kämpft euch zu einem Ziel vor, übersteht ein (meist großzügiges) Zeitlimit und verbiegt die Nase eines Bosses - im nächsten Level dann das gleiche Spiel von vorn. Klingt einfallslos, ist es aber nicht, denn locker eingestreute Herausforderungen halten den Puls oben: Mal müsst ihr einen mitteldicken Panzer ausschalten, mal dem Fadenkreuz einen konkurrierenden Assassinen ausweichen. Und dann gibt es natürlich noch die Fahrmission, die bereits in der Vorschau mit hochgezogener Augenbraue angesprochen wurde: Am Steuer von Maries Mini (übrigens das neue Modell, nicht das im Film verwendete Original) hetzt ihr durch Teile von Paris, auf der Flucht vor der Polizei und durch alles hindurch, was nicht aus Stein ist. Okay, die Zerlegbarkeit der Umgebung ist wirklich spaßig, aber das ist auch das einzig Positive an diesem dankbarerweise sehr kurzen Level. Das Vehikel steuert sich, als bestünden die Räder aus Seifenblasen, Marie gibt immergleiche Kommentare ab, während ihr einen Checkpunkt nach dem anderen abhakt - was nicht mal nötig wäre, denn die Strecke ist trotz aller Abkürzungsmöglichkeiten linearer als ein Lineal.      

 Das gilt übrigens für das gesamte Spiel, das euch den einzig möglichen Weg von A nach B aufzwingt. Und zwar so entschieden, dass ihr nicht mal 

Neben dem Nahkampf beherrscht Jason Bourne auch die Waffenanwendung - leider steuern sich Pistole, Schrotgewehr und Co. etwas schwammig.
springen oder klettern dürft, wenn es nicht vorgesehen ist. Bisschen bizarr, einen Spitzensportler wie Jason Bourne an einer kniehohen Kante verzweifeln zu sehen.

Interessanterweise überlassen euch die Entwickler die Entscheidung, wie groß der Teil des Spiels sein soll, den ihr prügelnd verbringt: Ihr müsst nur nahe genug an einen Gegner rankommen, dann wird automatisch in den Nahkampf geschaltet. Falls ihr darauf, aus welchem Grund auch immer, keine Lust haben solltet, steht es euch auch frei, mit Pistole, MG, Schrotgewehr oder Maschinenpistole für Ruhe im Karton zu sorgen. Ihr könnt maximal zwei Knarren gleichzeitig mit euch herumtragen, eine kleine und eine große, außerdem ist die maximale Menge der gleichzeitig die Taschenverstopfenden Munition sehr begrenzt - Jason Bourne ist nun mal kein Space Marine. Aber das ist auch gut so, denn auch der Waffeneinsatz ist nicht optimal gelöst: Die Kamera steht der Action oft im Weg, die Zielsteuerung fühlt sich schwammig an. Immerhin könnt ihr einen großen Teil der Objekte als Deckung nutzen bzw. zerballern - gerade im Falle explodierender Dinge wie Autos oder Propasgastanks sehr befriedigend. Außerdem lassen sich so Gegner vorzüglich aus der Reserve locken, die sonst ihr Heil in der ständigen Deckung suchen. In solchen Momenten gewinnt der »Bourne-Instinkt« an Bedeutung: Per Druck auf Y (sprich: Dreieck-Taste)

Ihr könnt einen Großteil der Umgebung als Deckung nutzen - die Gegner allerdings auch.
wird die Umgebung ausgegraut, nur wichtige Dinge (Gegner, Munitionsnachschub, Boni) leuchten für kurze Zeit wie überdimensionierte Glühwürmchen. Auf dem einfachsten Schwierigkeitsgrad könnt ihr den Instinkt aktivieren, so oft ihr wollt, auf den kniffligeren Varianten kostet der Einsatz wertvolles Adrenalin.

Bourne to be wild

360- und PS3-Fassung gleichen sich im Großen und Ganzen wie eine Beretta der anderen: Optisch nehmen sie sich nichts, die PS3-Variante ruckelt gelegentlich ein bisschen mehr, aber nie so, dass es den Spielfluss stören würde. Allerdings muss auch hier wieder lange installiert werden; danach bietet die PS3-Festplatte knapp fünf GB weniger Platz, die Ladezeiten sind trotzdem nicht kürzer als auf der 360. Hier wie da ist das Abenteuer nach etwa sieben bis acht Stunden vorbei, danach warten nur höhere Schwierigkeitsgrade sowie die Herausforderung, in den Levels versteckte Pässe zu finden, die Boni wie wiederholbare Bossfights oder Artworks freischalten. Ein Mehrspielermodus ist leider vergebene Hoffnung, was schade ist - Klopp-Duelle wären bestimmt ganz nett gewesen.

Die Takedowns sind nicht nur herrlich rasant, sondern auch herrlich brachial inszeniert - und es gibt davon mehr als 300!
In Sachen Technik sind vor allem die Animationen zwei weit aufgerissene Augen wert: Die Kampfbewegungen sind flüssig, realistisch und abwechslungsreich, die ständig die Perspektive wechselnde Kamera verleiht den Fights eine herrliche Rasanz. Die glaubwürdig aufgebauten Levels sehen gut, aber nicht spektakulär aus; wenn ihr mit den Umgebungen in Stranglehold zufrieden wart, dann werdet ihr das auch hier sein - beide Spiele verfolgen einen ähnlichen künstlerischen Ansatz, hier wie da ist ein Großteil zerstörbar. Und die Renderfilme sind zumindest in einer Hinsicht wirklich bemerkenswert: Sie stellen essentielle Szenen des Films ganz fantastisch nach! Doch an anderer Stelle vermisst man die Liebe zum Detail - die Figuren wirken gerade hier leb- und emotionslos. Darüber hinaus ist es eigentlich ein Unding, im Jahre Fünf nach Enter The Matrix immer noch Reifen zu sehen, deren Kanten man an zwei Händen abzählen kann. Auch die in Nahkämpfen gelegentlich in bizarren Winkeln schwirrende Kamera hätte mit mehr Sorgfalt vermieden werden können: Mal zeigt sie die Kombattanten aus der Vogelperspektive, mal gar nicht - wenn sie etwa zu nahe an einer Wand zu Sache gehen.

      

Fazit

Ich zocke Das Bourne Komplott, Ben kommt in den Spieleraum, schaut mir eine Minute lang zu und meint: »Kein Wunder, dass du das magst - sieht ja wie Tekken aus.« Tja. Recht hat der Mann! Die herrlich dreckigen Fights gehen wunderbar locker von der Hand und werden trotz der wenigen Kombos einfach nicht langweilig - und die brachialen Takedowns sind einfach geil, richtig, richtig geil! Ganz besonders jene, in denen ich mal eben drei Mann auf einmal außer Gefecht setze. Die Inszenierung dieser Kloppereien ist aufgrund der perfekten Kameraarbeit und des makellosen Motion Capturings einzigartig und enorm befriedigend. Genau wie in den Filmen. Generell kann man die Entwickler für ihr sehr gutes Cineasten-Auge beglückwünschen, gerade die perfekt in die Echtzeit-Cutscenes eingebundenen Reaktionstests wirken nie aufgesetzt oder nervend, sondern steigern die Spannung. Alles in allem also das perfekte Actionspiel? Leider nicht: Denn so großartig die Nahkämpfe sind, so öde spielen sich im Vergleich dazu die Waffen-Abschnitte. Die Knarren-Steuerung ist wabbelig, die Kameraführung oftmals nicht optimal - spektakulär wird's erst mit der Nutzung der Stranglehold-ähnlichen Shooting-Takedowns. Und von dem öden Fahrlevel durch Paris will ich gar nicht erst anfangen, den fand ich schon bei der ersten Vorführung völlig fehl am Platze - gut, dass es nur den einen gibt. Etwas mehr Konzentration auf das Wesentliche hätte ein sehr gutes Spiel zur Folge gehabt; so bleibt nur ein gutes, das allerdings die Essenz des ersten Films hervorragend einfängt.

Pro

  • rasante Nahkämpfe
  • brachiale Takedowns
  • aufregende Bossfights
  • tolle Kameraarbeit
  • exzellente Animationen
  • gute Einbindung in den ersten Film
  • großartiger Soundtrack
  • faires Checkpunkt-System
  • gut ausgewogener Schwierigkeitsgrad

Kontra

  • gelegentliche Kameraprobleme
  • fummelige Waffengefechte
  • öde Fahrsequenz
  • strikt lineares Leveldesign
  • auf Dauer abwechslungsarme Missionen

Wertung

360

PlayStation3

Ein wunderbar brachial-rasantes Kloppfest - das an Faszination verliert, sobald die Fäuste nicht mehr benutzt werden.