Supreme Ruler 2020 - Test, Taktik & Strategie, PC

Supreme Ruler 2020
25.06.2008, Bodo Naser

Test: Supreme Ruler 2020

Das ideale Strategiespiel wäre wohl eine Simulation der Geschichte aller Nationen, bei der man zu jeder Epoche einsteigen könnte. Alle wichtigen Bereiche von Produktion über Forschung bis zur Diplomatie müsste man leiten können, wenn man das möchte. Und die Kämpfe sollten wie bei Total War ebenso taktisch wie beeindruckend sein. Kommt das von Paradox Interactive auf Deutsch veröffentlichte Supreme Ruler 2020 (ab 13,95€ bei kaufen) an dieses Ideal heran?

Natürlich ist das ideale Spiel nur ein frommer Wunschtraum. Meist hapert es bei einem Bereich der Verwaltung, der stiefmütterlich behandelt wird, die Schlachten sind öde oder die Präsentation ist schlicht indiskutabel. Bei Supreme Ruler

Qual der Wahl: Welches Land hätten sie denn gern? Antigua oder Alberta? Auch Regionen oder Bundesländer sind spielbar.
 2020 sind zwar fast alle Regionen der Welt spielbar, von Antigua über Norditalien bis hin nach Washington, aber nicht in der Vergangenheit, sondern nur in der nahen Zukunft. Es ist also eine komplexe geopolitische Simulation der kommenden Jahre, bei der ihr per Schieberegler und Mausklick Wirtschaft, Forschung, Finanzen, Außenpolitik und Militär bestimmt. Besonderes Augenmerk liegt dabei neben dem Rohstoffmanagement und der Erforschung neuer Technologien auch beim Ausbau der Armee.

Realitätsnahe Simulation

Großen Wert legen die Macher auf Realismus, weshalb so gut wie alle derzeitigen Waffensysteme wie der Leopard 2 A6 ebenso vorkommen wie aktuelle Technologien der Gentechnik oder altbekannte Krisenherde wie der Nahe Osten. Wer etwa einen Problemfall wie Syrien nimmt, wird schnell merken, wo der Schuh drückt. Die Produktion liegt danieder und Konflikte mit Israel, Türkei oder Iran sind beinahe unausweichlich. Ganz andere Probleme plagen hingegen den virtuellen Gouverneur von Alberta, der seine Bevölkerung mit Sprit versorgen muss, die Finanzen sanieren soll und ganz nebenbei noch wiedergewählt werden will. Die Bandbreite des Spiels ist groß. Damit ihr nicht zu sehr ins Schwitzen kommt, gibt es verschiedene Geschwindigkeiten für das in Echtzeit ablaufende Spiel sowie eine Pause, während der ihr in aller Ruhe planen könnt.

Obwohl sich die USA inzwischen aus dem Irak zurückgezogen haben, hat sich die Welt im Jahr 2020 nicht grundsätzlich geändert. Der Globus hängt immer noch am Öltropf, jedoch sind große Länder wie die USA, China oder Russland in

Die USA haben sich getrennt. Jetzt wurstelt jeder Bundesstaat für sich und beäugt seine Konkurrrenten argwöhnisch. Wird es eine Wiedervereinigung geben? Wenn "ja" mit friedlichen Mitteln? 
regionale Bundessaaten zerfallen. Italien besteht etwa aus Mailand, Rom, Neapel und Sizilien; auch Deutschland setzt sich aus drei Regionen zusammen. Realistisch ist das eher nicht, aber der Vorteil liegt darin, dass die Einzelstaaten nicht so übermächtig wie Großmächte sind. Auch wenn ihre technische Überlegenheit bestehen bleibt, sind die Konflikte so ausgeglichener - etwa wenn Bayern und Österreich Krieg führen. Ihr könnt aber auch ganze Länder spielen, wobei es Kampagnen und Szenarien gibt. In einem Szenario müsst ihr etwa mit Polen einen Angriff von Deutschland überleben, während ihr in der Kampagne allgemein euer Land der Wahl nach vorne bringen müsst.

Regieren für Profis

Der Einstieg gestaltet sich leider beschwerlich, da Supreme Ruler 2020 trotz seiner Tutorials und des umfangreichen Handbuchs kein leicht zugängliches Spiel ist. Es erschlägt einen fast mit seiner Komplexität und Detailfülle, zudem wurde manches nicht übersetzt, obwohl es auf Deutsch erschien. Allerdings besteht immer die Möglichkeit, einzelne Bereiche der KI zu überlassen, die dann etwa das Militär für euch organisiert, während ihr euch um Wirtschaft und Finanzen kümmert. Das funktioniert gut, so dass ihr sogar das Kriegführen getrost in die Hände der Minister legen könnt. Dennoch lohnt es sich, sich schrittweise zu nähern, wobei ihr nach und nach einen immer besseren Einblick bekommt. Es ist also ein Strategiespiel für Leute, die sich vielleicht ein wenig mit Politik auskennen, sich festbeißen und auch an Civilization, Europa Universalis oder Hearts of Iron nicht verzweifelt sind.

Verkürzt gesagt könnt ihr drei Konstellationen spielen: Ein reiches Land der westlichen Welt wie etwa Süddeutschland, ein Schwellenland wie Bulgarien, das auf dem Sprung ist, oder ein bitterarmes Land wie Afghanistan. Wählt ihr ein reiches Land, sind die Probleme stets ähnlich, denn ihr müsst insbesondere die Ölimporte in den Griff bekommen, da die schnell eine

In Norditalien habt ihr wenig Probleme: Die Region ist modern, reich und hat viele Möglichkeiten. Aber ein paar Hausnummern weiter im Süden sieht es anders aus.
Belastung für die Bilanz werden. Dazu könnt ihr Handelsverträge mit Produzenten wie Arabien abschließen oder alternative Energien fördern. Zusätzlich wollt ihr natürlich eure Spitzenposition nicht verlieren, weshalb ihr neue Schlüsseltechnologien erforscht, denn eine einzige Erfindung kann eure Nation nach vorne bringen.

Reich oder arm

Die mittelreichen Länder haben ähnliche Probleme, sind aber meist noch mitten im Umwälzungsprozess etwa von der militärisch dominierten Wirtschaft zur zivilen Marktwirtschaft. Zusätzlich müsst ihr an Ansehen gewinnen und Investoren ins Land locken. Habt ihr wertvolle Rohstoffe, könnt ihr immerhin Technologien wie das Wassersparen einkaufen, die euch einen Vorteil bringen. Die Umweltverschmutzung spielt dabei aber kaum eine Rolle, da ihr ohne Probleme eine Uranmine in den Schwarzwald klatschen könnt.

In einem armen Land fehlt es schlicht an allem. Die Infrastruktur ist nur rudimentär vorhanden, so dass ihr Straßen und Schienen erst bauen müsst. Das dauert wie alle anderen Bauten recht lange, weshalb ihr schon mal trotz Beschleunigungsfunktion auf die Fertigstellung warten müsst. Das Prokopfeinkommen ist sehr gering, was sich nur ganz allmählich steigern lässt. Zudem will mit einem Land der Dritten Welt keiner handeln, da es bis auf landwirtschaftliche Produkte oder ein paar Rohstoffe wenig zu bieten hat. So ist es auch fast unmöglich, die Wirtschaft in Schwung zu bringen. Ein einziges kleineres Kraftwerk wird für ein Land wie Albanien fast zum Großprojekt, bei dem die anstrengten Finanzen meist in die Knie gehen. Wie wollt ihr das finanzieren: Sparen, die Steuern erhöhen oder weiter verschulden?

                       

Richtig spannend ist das freilich alles nur für Buchalternaturen, auch wenn es bisweilen Spaß macht, sein Land friedlich auf Vordermann zu bringen. Das Salz in der Suppe ist aber wiederum der Krieg, den man allerdings mit

Bei Supreme Ruler lasst ihr lieber kämpfen, da die KI das hektische Kleinklein übernimmt. Ihr kümmert euch selbst um grobe Strategie, Nachschub und Verhandlungen. 
Rücksicht auf die Vereinigten Nationen nicht selbst vom Zaun brechen sollt, da sonst Sanktionen drohen. Wer ein Land wie Syrien, Nordkorea oder Israel nimmt, hat allerdings schneller eine Kriegserklärung im Briefkasten, als er "Kolalateralschaden" sagen kann. Die Armee ist grob in Infanterie, Panzer, Flugzeuge und Schiffe eingeteilt, die je nach Technologiestufe des Landes mit aktueller bis veralteter Technik ausgestattet sind. In Armenhäusern wie Angola kann es sein, dass ein altmodischer russischer T-55 das höchster der Gefühle in Sachen Panzertechnik ist.

Kiegsvorbereitungen

Wenn ihr das erste Mal angegriffen werdet, solltet ihr der KI die Verteidigung überlassen, die das recht gut hinbekommt. Ihr kümmert euch um die Kriegwirtschaft, schickt Reserven an die Front und nehmt notfalls Friedensverhandlungen auf. Ansonsten schaut ihr, was der Computergeneral so treibt und helft notfalls aus, da ihr wie überall stets das Kommando übernehmen könnt. Beim Angriff auf feindliches Gebiet kann es zu Verwirrung kommen, auch wenn der Feind noch nicht zu sehen ist. Ein Blitzsieg ist ohnehin nicht zu erwarten, da die Städte meist mit Garnisonen gut gesichert sind. Dass ihr einzelnen Einheiten wie einem Jagdbomber Befehle erteilt, ist selten notwendig, wenn ihr grob eure Kriegziele eingestellt habt, wozu auch der Einsatzgrad der Luftwaffe gehört. Es ist viel zu umständlich, einzelne Einheiten zu kommandieren, da sie im Gewusel der Schlacht kaum zu erkennen sind.

Eigentlich solltet ihr kriegerische Auseinandersetzungen wenn möglich aus dem Weg gehen, da sie den Staat gefährden, auch wenn ihr eine Diktatur habt, viel Geld verschlingen und die Infrastruktur beschädigen. Diplomatie ist da viel billiger,

Da Krieg nur die letzte Option sein sollte, kommt der Diplomatie eine wichtige Rolle zu. Ihr könnt allerhand Abkommen schließen aber auch Waren tauschen.  
bringt euch auch Ansehen, Geld und neue Freunde. Ein Verteidigungsbündnis mit Saudi Arabien, einigen Golfstaaten und Ägypten kann euch ebenso vor einem israelischen Angriff bewahren wie Hochrüstung. Allerdings lässt sich nicht jeder Feind abschrecken, aber immerhin helfen euch dann die UN oder Verbündete mit Hilfslieferungen. Das ist insbesondere der Fall, wenn euch arabische Staaten gegen die "Ungläubigen" helfen. Es gibt umfangreiche diplomatische Möglichkeiten vom Freihandel über den Austausch von Technologien und Waren bis zum Raketenschild.

Verhandeln und Erfinden

Es gibt noch eine andere Möglichkeit, wie ihr euch Feinde vom Hals schaffen könnt: Indem ihr rasch neue Kriegstechnik einführt, die ihr zuvor langwierig erforscht habt. Ein neuer Flieger dauert freilich länger als "nur" neue Panzerabwehrraketen. Neben Militärtechnik gibt es auch noch Fortschritte auf dem Gebiet des Transports, der Medizin, Wissenschaft und Gesellschaft zu erforschen. Manche der Erfindungen braucht ihr als Voraussetzung für neue, einige verbessern einen Bereich wie Bildung, Verbrauch oder Umweltschutz auch direkt. Jede Erfindung bringt euch Ansehen, da bei wichtigen Projekten wie der Entschlüssel des Genoms die Augen der Weltöffentlichkeit auf euch ruhen. Allerdings kosten solche Prestigeprojekte auch jede Menge Geld, weshalb ihr euch aufs Wesentliche konzentrieren solltet.

Klar dass ein Spiel von einem kleinen Entwickler wie Battle Goat nicht mehr den Anforderung entspricht, die man gemeinhin an ein Strategiespiel stellen würde. Sprich: Die Bedienung ist komplizierter als es sein sollte und die nüchterne Grafik nicht

Trotz Nasa-Bilder, die der Karte zugrunde liegen, wird Übersicht nicht gerade groß geschrieben. Vieles ist gar nicht leichtzu finden.   
der Rede wert. Dies wird bei den Schlachten überdeutlich, die wenig Pulverdampf aufsteigen lassen. Die Einheiten wie etwa der Schützenpanzer BTR 60 sehen zwar so aus wie ihr reales Vorbild, aber sie bewegen sich nicht realistisch und die Größenunterschiede stimmen auch nicht. Es gibt kaum mal Explosionen zu bestaunen, da die auf Zweckdienlichkeit getrimmte Engine das nicht hergibt. Das merkt man auch, wenn man mal ganz runter zoomt, wo alles recht kahl aussieht. Die Topografie stimmt dank Nasa-Bildern aber doch zumindest grob mit der des Landes überein, auch wenn sie sehr grob ist.

Unübersichtliche Zweckoptik

Die Komplexität des Spiels schlägt sich leider in der komplizierten Bedienung nieder, die vielfach überfrachtet ist. Im Grunde gibt es für jeden Minister einen Teilbereich im Menü, der noch in etliche Unterbereiche unterteilt ist. Wer soll da noch durchblicken? Manches ist hier nur mit Glück zu finden, auch weil oft nicht logisch ist, warum es nun hier zu finden ist. So sind die wichtigen Befehle an die KI bei Operation versteckt, wo eigentlich Spione losgeschickt werden. Zudem geht das Hin- und Herschalten zwischen den Bereichen oft nicht so leicht, wie es sollte. Einige der Schaltflächen sind auch zu klein geraten, etwa wenn ihr euch die verschiedenen Steuern anschaut. In Sachen Transparenz besteht also Nachholbedarf.

           

Fazit

Supreme Ruler 2020 ist ein Geheimtipp mit Einschränkungen. Das hyperkomplexe Strategiespiel bietet auf der einen Seite eine fordernde Machtsimulation sowie eine Vielzahl an Start- und Entwicklungsmöglichkeiten - wer es komplex mag, liegt richtig. Es hat auf der anderen Seite allerdings seine klaren Defizite, was Bedienung, Übersicht und Präsentation angeht, die all zu große Euphorie nicht zulassen - wer es komplex und ansehnlich mag, liegt falsch. Trotzdem motiviert die Spielmechanik: Ihr könnt den Präsidenten einer westlichen Demokratie ebenso mimen wie einen afrikanischen Diktator. Die Bandbreite der modernen Probleme ist ebenso weit gefächert, von der Ölknappheit bis zu feindlichen Nachbarn. Gerade die ungewöhnliche Aufteilung in Kleinsaaten wie Westdeutschland bietet ausgeglichene Partien, da alle in etwa gleich stark sind. Zudem sind moderne Elemente eingeflossen wie aktuelle Kriegstechnik, moderne Medizin oder Satellitenüberwachung. Ihr könnt euch um den Bau neuer Fabriken ebenso kümmern wie um Finanzen oder das Militär. Möchtet ihr einen Teilbereich nicht übernehmen, macht das die KI für euch,. Das empfiehlt sich insbesondere im Krieg, bei dem ihr neben der Grundstrategie auch Rahmenbedingungen wie Einsatz von Reserven, Diplomatie und Wirtschaft kontrolliert. In die Kämpfe einzugreifen ist möglich, empfiehlt sich aber nur bedingt, da die wenig beindruckenden Schlachten trotz Pausenfunktion zu hektisch ablaufen. Das größte Manko ist aber die Unzugänglichkeit, da selbst ich als Fan des Genres angesichts der vielen, leider schlecht erklärten Optionen manchmal entnervt das Handtuch werfen wollte. Selbst nach tagelangem Spielen kommt man sich oft noch wie ein blutiger Anfänger vor, da man manche Bereiche immer noch nicht durchschaut hat. Das liegt nicht an der angenehmen Komplexität, sondern zu einem Gutteil an den überfrachteten Menüs, Karten und Statistiken, die es an Anschaulichkeit vermissen lassen. Wer sich gerne festbeißt und durchwühlt, sollte sich dennoch als virtueller Staatenlenker versuchen, auch wenn es auf Dauer nicht so bei der Stange hält wie Hearts of Iron 2.  

Pro

  • Simulation der nahen Zukunft
  • alle Regionen der Welt spielbar
  • viele Möglichkeiten
  • realistische Probleme
  • ausgeglichene Partien
  • KI übernimmt Teilbereiche

Kontra

  • Einstieg gar nicht einfach
  • Bau von Gebäuden dauert
  • verwirrende Schlachten

Wertung

PC

Komplexer Geheimtipp für alle Hobby-Staatschefs, der aber keinesfalls leicht zu haben ist.