Every Extend Extra Extreme - Test, Arcade-Action, 360

Every Extend Extra Extreme
24.10.2007, Benjamin Schmädig

Test: Every Extend Extra Extreme

Ein paar Dutzend weiße Symbole, stilisierte Blütenblätter, schweben über den Bildschirm. Drei Sekunden hält der Schild meines Zielkreuzes; so lange sammele ich Extras, dann lasse ich die Markierung explodieren. Die Blütenblätter zerbersten im Rhythmus der Musik, reißen etliche Formationen mit sich und plötzlich pulsiert im Hintergrund eine vom Neonlicht durchflutete Disko-Beleuchtung - wer Every Extend Extra Extreme spielt, verliert sich im exzessiven Rausch von Klang und Farbe. Ein Süchtigmacher?

In einer Klischee-getränkten Welt hätte Tetsuya Mizuguchi auf einer Parkbank sitzen müssen, als ihm irgendwo zwischen Kindgeschrei und Hundehaufen die Idee zu Every Extend durch den Kopf schoss. In der realen Welt spielte es sich so ab: Ein japanischer Hobby-Programmierer namens Omega werkelt anno 2004 an Routinen für sein neues Spiel und findet das nur zum Testen eingebaute Auslösen von aufeinander folgenden Explosionsketten "witzig". Omega entwickelt ein Spiel darum, Mizuguchi findet die Idee klasse, dessen Q Entertainment kauft die Lizenz und veröffentlicht sie im Kern unverändert unter dem Namen Every Extend Extra für PSP: als witzige Rhythmus-Ballerei, die dem Klassiker Rez allerdings nicht das Wasser reichen kann (4Players-Test: 74%).

Die Zielmarkierung taucht wieder auf. Von jetzt ab habt ihr drei Sekunden, um die farbigen Symbole einzusammeln
Seitdem sind nicht einmal zwölf Monde ins Land gezogen, und schon präsentiert Q den Nachschlag: Every Extend Extra Extreme, kurz und ganz offiziell E4 genannt.

Mizuguchi und das Klischee

Diesmal haben sich die Entwickler allerdings Gedanken gemacht und vorsichtig, aber effektiv am Konzept geschraubt. Zum einen segnet ihr nämlich nicht mehr das Zeitliche, solange ihr ausreichend Symbole auflest, welche die verbleibende Zeit verlängern und zum anderen weichen wenige, die Kulisse beeinflussenden Klänge einem überwältigenden Effektfeuerwerk. Selbst nur latenten Foto-Epileptikern droht dabei Gefahr: Spätestens, wenn ihr mehr als 1000 Explosionsketten aneinander reiht, kreiseln und glänzen geschätzte drei Millionen Lichtpunkte über den Bildschirm. Was besonders dann zu rauschhaften Zuständen führt, wenn der elektronische Soundtrack gerade einen Höhepunkt erreicht. Das sind die Momente, in denen ich E4 liebe!

"Speed, das Videospiel!"

Schließlich ist es mit der Neon-Dröhnung längst nicht getan: Durch das Aufsammeln der richtigen Symbole, erhöht man nicht nur den Multiplikator oder verlängert die Dauer des Schutzschildes sowie die verbleibende Spielzeit (mit nur wenig Geschick bis in die Unendlichkeit) - man beschleunigt auch die Musik bis zu einer festgelegten Obergrenze. Im Klartext heißt das: Adrenalintritte en masse dank akustisch-visuellem Überkill. E4 ist das spielerische Pendant zu Jan de Bonts "Speed" - eine rasende Tour de Force, der man nicht entkommen kann. Die einen sogar selbst aufs Gas treten lässt. Denn verschwindet die reale Umwelt einmal im Gewirr aus strahlendem Neonmeer, will man das Leuchten am Leben und den nach explodierten Ketten tickenden Punktezähler am Rollen 

Der frisch veröffentlichte Trailer macht euch E4 schmackhaft.
halten. Zehntausend Punkte pro Sekunde? Zu langsam. Hunderttausend pro Sekunde? Zu langsam! Eine Million pro Sekunde? Immer noch zu langsam! Und dafür braucht man Multiplikatoren.

Die gibt es einmal in der Form der erwähnten Extras (schon wird's knifflig: sammelt ihr diese, mehr Zeit oder mehr Tempo?) und in Form von Beat Boni. Letztere erhaltet ihr immer dann, wenn ihr in dem Moment das Raumschiff in die Luft jagt, in dem die Musik einen Beat spielt. Klingt einfach? Dann habt ihr noch nicht versucht, den richtigen Moment zu erwischen, kurz nachdem ihr 'nur noch dieses eine Symbol' aufgelesen habt. 'Nur noch eine halbe Sekunde, dann ist es soweit!' Denkste - denn schon ist der Schild runter, das Schiff von einer Formation getroffen und die Anzahl "BPM" wieder auf dem Anfangswert. Sämtliche Multiplikatoren sind futsch, der Rausch ist Geschichte, ihr wollt mehr, ihr fangt von vorne an. Ihr seid süchtig!           

Der schnelle Rausch

Jedenfalls vorübergehend. Denn E4 ist eine extreme Kurzzeitdroge, ein Ecstasy, das nach einer halben Stunde nicht mehr zieht. Denn es besitzt gleich eine ganze Leiste voller Haken, an denen es sich den quietschbunten 80er-Jahre-Diskomantel aufschlitzt. Es erlaubt sich z.B. den riesigen Fauxpax, seinen Spielern weder ein Ziel zu geben noch selbige vor eine Herausforderung zu stellen. Nach wenigen Minuten haben nämlich selbst unbedarfte Fingerakrobaten den Bogen gut genug raus, um Musik und Multiplikatoren so lange am Laufen zu halten, dass an "Game Over" nicht zu denken ist. Kein Witz: Ich habe jedes Endlosspiel irgendwann abgebrochen, weil mir a) langweilig wurde, b) die Zeit vor einem Termin davonlief oder c) die ganze Angelegenheit sinnlos erschien. Das einzige Ziel sind diverse Achievements. Und

Bunt, Neon, E4: Das Feuerwerk aus strahlenden Farben hat eine hypnotische Wirkung.
die sind bekanntlich keine Spiel-immanente Belohnung, sondern Zuckerstücke für Gamerscore-Lemminge.

Klar: Es gibt eine Variante mit Zeitlimit, in der die Punktejagd theoretisch lange motiviert. Nur gibt es gerade mal vier Levels einschließlich unterschiedlicher Gegnerwellen, Soundtracks und Hintergründe - die sich allesamt so vorsichtig untereinander abheben, dass lediglich die verschiedenen Zeitbegrenzungen meine Wahl bestimmen. Auf Dauer ist das selbst Geometry Wars-Minimalisten zu wenig. Die müssen sich immerhin des Bildschirmtodes erwehren. Wer seine Fähigkeiten auf die Probe stellen will, darf seine Rekorde immerhin mit denen anderer Xbox Liver vergleichen oder sich mit selbigen im Duell messen. In Anbetracht der Tatsache, dass ihr eurem Gegner nie Auge in Auge gegenüber steht, ist der Begriff "Duell" allerdings weit hergeholt: Beide Kontrahenten agieren auf einem separaten Spielfeld, und wer die meisten Punkte macht, gewinnt. Trotzdem ist die Mehrspieler-Hatz spannend, weil sie euch, ob mit oder ohne Zeitbegrenzung, vor ein klares Ziel stellt!

Für Minimalisten zu wenig

Wenn sich alles um Musik dreht, längst unabdingbar: Ihr dürft auch zu euren eigenen Songs in die Neon-Disko abtauchen! Dafür müsst ihr die gewünschten Tracks einmal vorspielen; anschließend bringt ihr E4 noch die Anzahl der Beats pro Minute, also BPM, bei, was entweder die automatische Erkennung oder euer manuelles Anzählen übernimmt. Schade nur, dass beides nicht problemlos funktioniert. Auf dem automatischen Weg kommt das Spiel nur mit Titeln klar, die sich zumindest

Und noch einmal Bilder aus dem Spiel. Meist bekommt ihr stets das Gleiche zu Gesicht. 
über weite Strecken durch ein klares Bass Drum definieren. Trotzdem müsst ihr auch hier danach die Geschwindigkeit korrigieren.

Eine Anmerkung für Elektro-Allergiker: Rock funktioniert noch unter Einschränkungen, andere Stilrichtungen wie Jazz oder Klassik eignen sich denkbar schlecht für das akustische Spektakel. Ich habe es versucht und genau so schnell wieder gelassen - schon allein deshalb, weil sich die in anderen Genres häufiger eingesetzten Tempo- oder Rhythmuswechsel nicht in E4 integrieren lassen. Schade; wäre es nicht möglich gewesen, Punkte festzulegen, an denen sich die ohnehin am besten manuell bestimmten Takt und Tempo ändern? Warum am besten manuell? Weil das Programm den Rhythmus oft so legt, dass die Ketten im darauf folgenden Spiel minimal versetzt hinter den Beats explodieren, was befremdlich wirkt und den Spaß am "Musik-Machen" schmälert. Letztendlich erzielt aber trotzdem jeder, der passende Songs wählt und geduldig bastelt, richtig gute Ergebnisse.

Guter Beat-o-Mat gesucht

Bedauerlich finde ich es nur, dass man seine Stücke nur in einem speziellen Modus einbinden darf - in dem man die Musik nicht beschleunigen kann. Wieso? Unter dem Hinweis, dass geliebte Werke dermaßen spielerisch torpediert vielleicht absurd klingen, hätte ich mir die Gaudi liebend gern gegönnt! Zumal das letzte Häkchen unter dem Punkt "Abwechslung" ein witziges, aber unglaublich belangloses Ballerspiel ist, bei dem ihr euch mit einem Raumschiff (diesmal sieht es auch so aus) durch einfallende Gegnerwellen schießt. Das sieht erstens verdammt unspektakulär aus und ist über weite Strecken dermaßen einfach, dass ich meine Motivation auch hier nicht wiederfand.       

Fazit

Every Extend Extra Extreme ist eine Berg- und Talfahrt - über Erhebungen von der Größe des Mount Everest und einer Länge von wenigen Metern. Denn so lange die treibenden Beats, Explosionsketten und das eigenhändige Beschleunigen der Musik den stärksten Neonrausch seit Erfindung des bunten Diskolichts erzeugen, ist das nie enden wollende Spektakel ein genialer Zeitvertreib! Zumal man die Droge um eigene Musik verstärken und sich im Online-Duell messen kann. Doch irgendwann wird das leicht zu beherrschende Endlosspiel zur monotonen Fallgrube, und man will nur noch raus. Denn schon nach einer Stunde gibt es nichts Neues mehr zu sehen. Die Variante Ballerspiel spielt sich lasch und uninspiriert, das Einbinden eigener Tracks ist relativ aufwändig und die eigentlich packende Punktehatz unter Zeitdruck ist dank der nur vier sich gleichenden Levels ebenfalls kein Allheilmittel. Unterm Strich steht eine akustische und visuelle Brillanz, die von geschickten spielerischen Finessen getrieben wird - wegen ihrer Kürze aber nur in sehr kleinen Bissen genießbar ist.

Pro

  • in kurzen Schüben unglaublich motivierendes „Musik-Machen“
  • packende Jagd nach Multiplikatoren...
  • Einbinden eigener Titel
  • gelungene elektronische Musikauswahl
  • Mehrspieler-Duelle und Online-Ranglisten

Kontra

  • kaum Abwechslung im Spielgeschehen
  • keine echte Herausforderung- ... was nicht problemlos funktioniert

Wertung

360

Sehr fesselndes audio-visuelles Spektakel, dessen Faszination schnell abklingt.