Agon: The Mysterious Codex - Test, Adventure, PC

Agon: The Mysterious Codex
04.11.2007, Jan Wöbbeking

Test: Agon: The Mysterious Codex

Lust auf eine Zeit- oder Weltreise? Mit Agon könnt ihr beides haben. Das Point&Click-Adventure im Stil von Myst versetzt euch ins London des frühen 20. Jahrhunderts, ins verschneite Lappland und in den Dschungel von Madagaskar. Ein paar Monate nach der Veröffentlichung in den USA bringt Publisher Kalypso die ersten drei Episoden jetzt auch nach Deutschland.

Verdunkelt die Fenster, legt ein paar Holzscheite in den Kamin und macht es euch vor dem Bildschirm gemütlich. Die einzigen erlaubten Lichtquellen sind das fahl-blaue Leuchten der LCD-Kristalle und das flackernde Kaminfeuer. Agon spielt man im Dunkeln - idealerweise in einer abgeschiedenen Berghütte, fernab von jeder Zivilisation. Ihr habt weder einen muckeligen Kamin noch einen Zweitwohnsitz in den Alpen? 

Professor Samuel Hunt in Aktion: Die Figuren in den seltenen Render-Sequenzen bewegen sich ein wenig unnatürlich.
Macht nichts, das klassische Adventure bringt das gemütliche Lange-Winterabend-Knobel-Ambiente auch so zu euch nach Hause.

Es knistert..

Es geht hundert Jahre in die Vergangenheit zurück. Ihr schlüpft in die Rolle des britischen Professors Samuel Hunt, der versucht, das Geheimnis um ein paar eigenartige Exponate und ein dazugehöriges Schriftstück zu lüften. Eine neu eingetroffene schwarze Statue mit einer mysteriösen Inschrift lagert im Keller des Museums. Doch Agon wäre kein Adventure, wenn ihr einfach so hinunter spazieren könntet, um das Objekt zu inspizieren. Der Nachtwächter hat etwas dagegen, dass ihr dort ohne Genehmigung zu später Stunde herumstromert. Also ist euer erstes Ziel, den Wachmann zu überlisten und in den Räumen der anderen Professoren nach Schlüsseln und Hinweisen zu suchen.

Wie in der Myst-Reihe klickt ihr euch Bild für Bild durch das spärlich beleuchtete Gemäuer. Die still stehenden Kulissen, die ihr aus der Ego-Perspektive betrachtet, sorgen für eine gemütliche Knobel-Atmosphäre. Haltet ihr die linke Maustaste gedrückt, könnt ihr den Blick um 360 Grad sowie nach oben und unten schweifen lassen. 

Die letzte der drei beiliegenden Episoden führt euch in den dichten Dschungel von Madagaskar.
Von dieser Funktion solltet ihr häufig Gebrauch machen, damit euch wichtige Gegenstände nicht entgehen. Leider werden diese Objekte nur dann vom Cursor erkannt, wenn ihr den Mausknopf loslasst und das Bild still steht. Dieser Umstand macht das Absuchen der Umgebung häufig zu einer unnötig mühsamen Prozedur. Ihr seid ständig damit beschäftigt, erst einmal die Kamera auszurichten und danach den Cursor über das Bild wandern zu lassen.

Stille Bilder sind tief.

Habt ihr den erste Teil des Rätsels um den mysteriösen Kodex gelöst, führen euch Episode 2 und 3 ins verschneite Lappland und in den schwülen Dschungel von Madagaskar. Zwischendurch gibt es immer wieder Texte in Runenschrift, Morsezeichen und andere Kommunikationsformen zu übersetzen. Legt euch also vor Spielbeginn am besten einen Stift und ein Blatt Papier neben den Rechner. Je weiter ihr im Spiel voranschreitet, desto stimmungsvoller werden die Szenarien. In der schneebedeckten Einöde könnt ihr förmlich spüren, wie euch der eisige Wind um die Nase weht. Auch in der winzigen Baracke des versoffenen Bahnhofsvorstehers stieg mir sofort das vom professionell gesprochenen Hauptcharakter erwähnte Gemisch aus aus Alkoholfahne, Schweißgeruch und verkohltem Holz in die Nase. Eigentlich sollte euch der Bahnangestellte zu eurem abgelegenen Zielort bringen - aber dank seiner Schnapsvorräte ist er auf seinem Bett in einen komatösen Dauerstreik getreten.              

Nachdem ich auf der Suche nach Hinweisen ein paar persönliche Briefe von ihm gelesen hatte, konnte ich der armen Seele aber nicht wirklich böse sein. Dank seines politischen Ungehorsams konnte der intelligente und technisch versierte Mann kein Ingenieur werden und ist nun froh darüber, wenigstens eine Arbeitsstelle als Bahnangestellter in dem gottverlassenen Nest gefunden zu haben. »Das Schicksal eines jeden Menschen ist ein wahrer Roman«, brummt der Professor, nachdem er den Brief zurück auf die Kommode gelegt hat.

Gescheiterte Existenzen

An Laufe des Abenteuers müsst ihr die Wächter der geheimen Brettspiele besiegen. Im Optionsmenü lässt sich übrigens der Schwierigkeitsgrad niedriger einstellen.
Die Entwickler scheinen sich diesen Satz zu Herzen genommen zu haben, denn in den relativ kleinen Szenarien und im Menü zwischen den Episoden haben sie viele Briefe platziert, welche die Story vertiefen. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch auf die Rätsel konzentrieren und lediglich die wichtigsten Infos aus den Schriftstücken herauspicken. Doch die ganze Geschichte erfahrt ihr nur, wenn ihr in den liebevoll gestalteten Büchern und handgeschriebenen Briefen herumstöbert. Die sind zwar nicht sonderlich unterhaltsam geschrieben, wirken aber durch ihren »gewöhnlichen« Schreibstil umso authentischer und verleihen den Charakteren mehr Tiefe. Außerdem ist die Geschichte, die sie erzählen, allein schon spannend genug. Nach einigen Spielstunden wurde ich richtig in die Handlung hineingesogen und wollte unbedingt wissen, wie es weitergeht.

Leider wurden die deutschen Übersetzungen der Briefe nicht in Schreibschrift verfasst wie die Originale. Stattdessen wird ein kleines Fenster mit dem deutschen Text eingeblendet, wenn ihr den Mauszeiger über das Dokument bewegt. Außerdem ist die weiß eingeblendete Schrift auf dem hellen Papierhintergrund nicht gerade augenfreundlich zu lesen.

Nicht gerade stilvoll

Zurück zum Bahnhofsvorsteher: Da nur alle zwei Tage ein Zug vorbeikommt, hat er sich die letzten Jahre über offenbar die Zeit vertrieben, indem er möglichst viele Sicherheitskonstruktionen entworfen hat. Ich wisst sicherlich, wer die ganzen Anlagen außer Kraft setzen darf. Leider sind manche dieser Rätsel extrem knifflig, ihr solltet also einen Menge Geduld mitbringen. Es kommt ziemlich häufig vor, dass ihr die Umgebung aus allen möglichen Winkeln betrachten müsst, um ja keinen Gegenstand zu verpassen. Kleines Beispiel gefällig? Wenn ihr euch die Lösung des Rätsels nicht vorweg nehmen lassen wollt, überspringt einfach den nächsten Absatz und lest im Fazit weiter.

Eine harte Nuss: Das Bahnhäuschen im eisigen Lappland.
Um die Tür zum kleinen Schuppen an der Rückseite der Baracke zu öffnen sind folgende Schritte nötig: Auch wenn ihr schon mehrmals vergeblich versucht habt, den Bahnhofsvorsteher aufzuwecken, müsst ihr ein weiteres mal an ihn herantreten, damit das Bild in eine andere Nah-Ansicht schaltet. Dann entdeckt ihr den winzigen Schlüssel, der aus einer seiner Taschen herausragt. Mit diesem öffnet ihr die Tür zur Kommode und schaut euch die Konstruktionspläne des eigens vom Vorsteher und seinem Sohn entworfenen Schloss-Systems an. Habt ihr herausgefunden, dass der Teller an der Wand ein Element davon ist und das kleine Rädchen an der Hauswand das zweite, müsst ihr die Pläne richtig deuten und die zwei Elemente wie vorgesehen um mehrere Drehungen in eine Richtung bewegen. Dann ist immerhin schon einmal das Schlüsselloch zur Kammer freigelegt. Doch der passende Schlüssel ist gut versteckt: Er ist der Stab der Glocke, die ihr schon mehrmals geläutet habt. Um den Glockenstiel zu lösen müsst ihr aus einer speziellen Perspektive von schräg unten in Richtung Glocke schauen, denn nur dann könnt ihr den Stift herausziehen.           

Wer soll darauf kommen?

Fazit

Agon ist wie ein gutes Buch für lange Winterabende. Die erste Episode fängt etwas zäh an, aber sobald ich in Lappland ankam und ein wenig in den vielen Briefen und Büchern herumgestöbert hatte, hat mich die Geschichte richtig in ihren Bann gezogen. Euch erwarten erfreulich viele, teils knackige Rätsel. Leider sorgt die nicht immer optimale Steuerung dafür, dass ich wichtige Details oft erst nach mehrfachem Durchsuchen der gleichen Szenarien gefunden habe. Außerdem müsst ihr auf komfortablen Hilfsmittel verzichten, wie man sie aus Titeln wie Geheimakte Tunguska kennt. Es gibt kein Notizbuch, keine Hilfe-Funktion und so gut wie keine alternativen Lösungswege. Wenn ihr ein antikes Schriftstück übersetzen müsst, solltet ihr euch entweder den Originaltext oder die Übersetzungstabelle auf einem Blatt Papier notieren, denn beides gleichzeitig wird nicht auf dem Bildschirm angezeigt. Doch trotz all dieser Widrigkeiten hat mir die Reise in die Vergangenheit Spaß gemacht. Das liegt nicht zuletzt daran, dass mich der subtile Charme voll und ganz in diese ruhige, mystische Welt abtauchen ließ. Ich freue mich jedenfalls auf die vierte Episode.

Pro

  • entspannend ruhiger Spielablauf
  • atmosphärische, verlassene Szenarien
  • viele harte Kopfnüsse und Übersetzungs-Rätsel
  • dezente Sound-Untermalung unterstützt die mystische Stimmung

Kontra

  • - einige Gegenstände könnt ihr nur von einer speziellen Perspektive aus aufheben- manche arg knifflige Rätsel sorgen für Frust- Kein Tagebuch für Notizen- kaum alternative Lösungswege

Wertung

PC

Stimmungsvolles aber etwas unkomfortables Adventure im Stil der Myst-Reihe.