Naruto: Rise of a Ninja - Test, Action-Adventure, 360

Naruto: Rise of a Ninja
08.11.2007, Mathias Oertel

Test: Naruto: Rise of a Ninja

Glaubt man den Zahlen amerikanischer Marktforscher ist die Anime-Serie Naruto das heißeste Ereignis seit der Erfindung des Chili-Hot Dogs – zumindest aber enorm erfolgreich. Das kann man von den bisher veröffentlichten Spielen, meist halbgare Prügler, zwar auch sagen, doch die Qualität ließ eher zu wünschen übrig. Das soll sich mit Naruto – Rise of a Ninja ändern. Der 360-exklusive Auftritt des Kampf-Zöglings möchte mit einer Mischung aus Action-Adventure und brachialer Handkanten-Unterhaltung punkten.

Ich habe es in der Vorschau schon erwähnt und ich kann es hier noch einmal bestätigen: Naruto hat mich als Anime-Serie bislang ebenso wenig gereizt wie DragonBall Z, Avatar oder ähnlicher prügelbasierter Zeichentrick. Das mag daran liegen, dass meine Töchter doch eher auf Power Rangers, Turtles oder Barbie abfahren. Vielleicht auch daran, dass ich etwas zu alt für derartige Unterhaltung scheine. Wie dem auch sei: Seit den Ubidays in Paris, als ich einen ersten Blick auf das im Kultstudio Montreal entwickelte Naruto - Rise of a Ninja werfen konnte, zieht mich der Titel in seinen Bann. Doch jetzt muss der vorlaute Ninja-Lehrling beweisen, dass Faszination und Hoffnung meinerseits berechtigt sind.

Geläutert, Teil 1

Doch nicht nur mir muss der Blondschopf mit seinen an Schnurrhaare erinnernden Gesichtszeichnungen, die nicht von ungefähr kommen, beweisen, dass er das Vertrauen wert ist: Sein gesamtes Heimatdorf steht dem notorisch faulen und vorlauten Ninja-Schüler skeptisch und ablehnend gegenüber. Zum einen ist dies durch sein Verhalten begründet, zum anderen durch die Tatsache, dass in ihm ein neunschwänziger Fuchsdämon eingesperrt wurde. Es liegt an euch, die Gunst der Bevölkerung für Naruto zu gewinnen und ihm den Weg zu ebnen, zum Hokage zu werden, dem obersten Ninja des Dorfes.

Rise of the Ninja ist eine gelungene Lizenzumsetzung, die nicht nur von der ausgezeichneten Kulisse lebt! Geläutert, Teil 2

Und schon ist man mittendrin in einem lupenreinen Action-Adventure, das mit nahezu allen Versatzstücken gefüllt ist, die man so oder leicht anders schon in zig anderen Spielen gesehen hat. Im Dorf Konohagakure kann man nicht nur Hol- und Bring-Aufträge von den Passanten bekommen, die euch in die umliegenden Wälder, Küstenregionen usw. entführen. Es warten auch Kontrollpunkt-Rennen, Versteckspiele oder zahlreiche Münzen, die ihr gegen das Naruto´sche Äquivalent eines Gesundheitspacks einlösen könnt.

Selbstredend kann man sich in dem Dorf auch nach oben bewegen und sich über Dächer springend die Zeit vertreiben, wobei es zahlreiche Bereiche bzw. Aufgaben gibt, die man erst nach Erlernen bestimmter Fähigkeiten erreichen oder lösen kann. Meist handelt es sich dabei um die so genannten Jutsus, die über Erfahrungspunkte erlernt und aufgewertet werden können.

Für diese Sondermanöver, die in der Serie über Handbewegungen initiiert werden und die in jeweils drei Stufen verfügbar sind, hat sich das Team etwas Besonderes einfallen lassen: Im Zusammenspiel mit einer Schultertaste müsst ihr die Sticks den Vorgaben entsprechend bewegen und dann den Trigger loslassen, um die Ausführung des Jutsus zu starten.

Bewegungstalent

Diese haben innerhalb und außerhalb der Kämpfe unterschiedliche Funktionen: Während der "Schattendoppelgänger" im zivilen Einsatz genutzt wird, um den Weg blockierende Felsen oder Metalltore zu zerschlagen, wird bei einer Auseinandersetzung ein kleines Mini-Spiel ausgelöst, das bei Erfolg eine verheerende Attacke auf den Gegner einprasseln lasst. Ebenfalls eine gute Idee: Die Tastenkombination, die ihr als Quicktime Reaction nachspielen müsst, gebt ihr selber vor.

Allerdings sind vor allem bei den Prügelsequenzen drei Sachen beim Jutsu-Einsatz zu beachten: Die Ausführung kostet Zeit, weswegen ihr euer Gegenüber mit einer Kombo entweder auf den Boden der Tatsachen und noch besser sehr weit von euch weg prügeln solltet, bevor ihr loslegt.

Auch das "Sexy Jutsu", das Naruto bei Gelingen kurzzeitig in eine durchaus ansehnliche junge Dame verwandelt, die liebeskranken Dorfbewohnern von ihrem Kummer befreit, hat im Kampf eine andere Funktion und verwirrt den Feind.

Die Kämpfe bieten zwar nicht so viele Möglichkeiten wie pure Prügler à la Virtua Fighter 5, sind aber klasse in Szene gesetzt und einfach zu bedienen...
Da man auch durch den Einsatz von Wurfsternen etc. die Konzentration und damit die Ausführung des Jutsus stören kann, ist ebenfalls Vorsicht geboten.

Und zu guter Letzt braucht ihr neben einem ausreichenden Zeitfenster Timing beim Auffüllen der Jutsu-Anzeige. Natürlich ist ein bis zum Maximum gefülltes Jutsu deutlich effektiver als eines auf Stufe 1. Lasst ihr allerdings zu früh oder zu spät los und brecht dadurch Narutos Konzentration ist nicht nur die Zeit verschwendet, sondern euer Held für einen kleinen Moment extrem angreifbar.

Wir haben bei den Jutsu-Erklärungen den Kampf kurz erwähnt. Denn natürlich kommt ein Titel mit Naruto-Lizenz nicht ohne Auseinandersetzungen aus. Bei euren Aufträgen außerhalb des Dorfes begegnen euch immer wieder verschiedene Feinde, angefangen von Kleingangstern, Bandenbossen bis hin zu ausgewachsenen Ninjas und natürlich dem einen oder anderen Obermotz.

Im "Zivileinsatz" hingegen sorgt ein vergeigtes Jutsu für einen witzigen Effekt, so etwa, wenn statt einer blonden Schönheit ein pickelgesichtiges Pummelchen erscheint.

Prügler inklusive

Dabei habt ihr allerdings nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit, dem Kampf aus dem Weg zu gehen: Ihr geht (oder lauft) eures Weges, auf einmal steht ein Gegner vor euch und der Kampf wird initiiert.

      

Dieser wird im Gegensatz zur üblichen Schulterkamera übrigens wie bei Virtua Fighter & Co. in Seitenansicht gezeigt. Mit einer Minimalknopfbelegung (zwei Tasten für Schläge und Tritte, eine für Block sowie eine für Würfe) scheint zwar nicht all zu viel möglich. Doch in der Praxis lässt dieses System eine ausreichende Anzahl an Kombos zu, die natürlich erst im Zusammenspiel mit den Jutsus ihren Reiz ausspielen.

Da zusätzlich noch im Laufe der Zeit eine Wut-Anzeige gefüllt wird, die man nutzen kann, um sich kurzzeitig unbesiegbar sowie deutlich stärker zu machen, hat man auch kurz vor dem KO die Möglichkeit, dem Kampf eine dramatische und entscheidende Wendung zu geben.

Auch Narutos Heimatdorf hat den Sprung in die dritte Dimension beeindruckend überstanden.
Natürlich wird in den Prügelsequenzen nicht das Spielerlebnis eines Virtua Fighter oder Tekken erreicht oder gar an der Kombovielfalt dieser Titel gekratzt. Doch eingebettet in ein Action-Adventure passen die Prügeleien optimal und bieten den richtigen Kompromiss zwischen Anspruch und Leichtigkeit.

Doch Vorsicht: Spätere Gegner in der Kampagne nutzen ebenfalls zunehmend Jutsus und den Wut-Modus, so dass man immer wieder auf der Hut sein muss und auch das ein oder andere Mal die Lichter ausgehen.

Der Prügelanteil in Naruto RoaN reißt alleine nicht vom Hocker, das Action-Adventure für sich allein würde ebenfalls keine Bäume ausreißen. Als Duett hingegen funktioniert das Prinzip - aber auch nur, weil die Kulisse einen großen Teil dazu beiträgt. Die dreidimensionale Nachbildung der Gemeinde Konohagakure samt der arbeitenden oder herumlaufenden und vielleicht sogar faulenzenden Bevölkerung ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden. Auch die Außenareale faszinieren trotz relativer Linearität mit vielen kleinen Hinguckern: Gräser wiegen sich nicht nur im Wind, sondern auch, wenn unser Held auf dem Weg zu seinem nächsten Auftrag durch sie hindurchläuft.

Daher kommt es auch nicht überraschend, dass man den Prügel-Part mit einem Dutzend Kämpfer auch als separates Zwei-Spieler-Vergnügen genießen kann. Online sogar mit einem interessant aufgebauten Laddersystem.

Besser als die Serie

Der behutsam den Spagat zwischen Comic-Shading und realistischen Texturen (wie z.B. beim überzeugenden Wasser) bewältigende Grafikstil tut sein Übriges und zieht einen sofort in den Bann. Die Figuren haben den Sprung aus der Anime-Zweidimensionalität in die 3D-Welt der 360 ebenfalls hervorragend überstanden. Fast möchte man sich wünschen, dass diese Engine für die TV-Serie genutzt wird, um diese zu veredeln. Besonders deutlich wird dies, wenn einer der zahlreichen Einspieler aus dem Original kommt, um die Story dramatisch voranzutreiben.

Mit den so genannten Jutsus könnt ihr dem Gegner in den Kämpfen gewaltig zusetzen.
Auch die Kämpfe werden durch die Kulisse und Effekte adäquat in Szene gesetzt: Saubere Animationen, schöne Verzerr-Effekte und Farbspielereien bei gelungenen Kombos und die nur im Ausnahmefall langweilig werdenden Quicktime-Einspielungen werten die Prügelsequenzen ebenso auf wie das an sich nur Standardkost bietende Action-Adventure.

Doch auch, wenn der Unterschied zwischen Filmsequenzen und Engine-Szenen sowie dem Spiel an sich sehr deutlich ist, wird eine rundherum gelungene Nutzung der Lizenz präsentiert.

Doch auch die Hochglanz-Kulisse kann gewisse Unzulänglichkeiten nicht verschleiern. Trotz beständiger Erweiterung bekannter Abschnitte durch Wege, die erst durch neue Fähigkeiten geöffnet werden, zieht man für seine Missionen sehr häufig durch die gleichen Levels.

Knapp am Ziel vorbei

Da diese Missionen zudem auch meist nach Schema F ablaufen, findet bei Spielesessions jenseits von ca. ein bis eineinhalb Stunden ein gewisser Sättigungsprozess statt. Mit "Hole dies", "Bringe das" oder "Versuche herauszufinden, was es mit wiederum jenen auf sich hat", während man immer wieder mit Hindernissen in der Natur wie Fallen etc. und natürlich den zu bekämpfenden Feinden zu tun hat, gewinnt man keinen Innovationspreis.

Der in späteren Aufgaben wartende Schwierigkeitsgrad einiger Kämpfe hingegen wird durch ein ausgefeiltes "Fortsetzungs-System" wettgemacht. An bestimmten Schlüsselstellen bekommt ihr einen "Erinnerungsclip" unterschiedlicher Länge, von denen ihr insgesamt vier mit euch tragen könnt. Werdet ihr im Kampf besiegt, könnt ihr einen dieser Clips auswählen und könnt durch Powerdrücken der A-Taste eure Lebens- und Jutsu-Energie wieder auffüllen und weiter kämpfen.

Da man diese Erinnerungsclips beim Ninja-Meister gegen bare Münze wieder aufladen kann, hat man ein sehr beruhigendes Sicherheitssystem gegen nahenden Frust gefunden. Wenn jetzt auch noch das Missionsdesign zumindest hin und wieder ähnlich innovative Ansätze bieten und damit für Abwechslung sorgen würde, wäre der Aufstieg des Ninjazöglings, der sich von der Geschichte sehr stark an die erste Staffel der Anime-Serie anlehnt und parallel dazu verläuft, ein Rundum-Glücklich-Paket geworden...   

Fazit

Obwohl uns bereits die Vorschau-Version mit Kulisse und grundsätzlichen Spielmechaniken überzeugen konnte, blieben einige Fragen offen. Darunter auch, ob Missionsdesign und Grafikstil auch nach der faszinierenden Anfangsphase überzeugen können. Und genau hier offenbart der technisch herausragende Titel, der das bisher beste und kompletteste Abenteuer der Naruto-Franchise darstellt, seine Schwächen. Die Aufgaben variieren später kaum und auch die Kulisse kann später keine herausragenden Akzente mehr setzen, da ein Sättigungsprozess einsetzt. Selbst der als Teil des Action-Adventures wunderbar eingepasste Kampfmodus bietet auf lange Sicht nicht die erhoffte Motivation. Naruto – Rise of a Ninja ist trotz aller Meckerei ein richtig gutes Spiel: Hohe Produktionsstandards, eine richtig coole und extrem stimmige Kulisse, bei der nur die zur Hektik neigende Kamera aus dem Rahmen fällt sowie eine gute Einbindung in das bestehende Anime-Universum sorgen schnell für eine enorm hohe Atmosphäre. Doch selbst die kann bei längeren Sessions nicht über den immer wieder gleichen Missions-Trott hinweg trösten. In kleineren Dosen hingegen ist Naruto immer wieder ein Hochgenuss, der selbst Nichtkennern der Serie Spaß machen wird und die bis dato beste Film-/TV-Umsetzung dieses Jahres ist. Man merkt dem Ninja-Aufstieg an, dass sich das Team erst um die Spielinhalte und dann um die Einbindung der Lizenz gekümmert hat. So und nicht anders muss man einen Anime in die dritte Dimension katapultieren.

Pro

  • sehr stimmungsvolle Kulisse
  • Original-Filmeinspielungen
  • Mischung aus Seitenansichts-Prügler und Action-Adventure
  • frei begehbare Stadt
  • einiges zu entdecken
  • innovatives „Continue“-System
  • lagfreier Online-Modus

Kontra

  • hektische Kamera
  • auf Dauer eintöniges Missionsdesign
  • Kampfsystem bietet wenig Möglichkeiten

Wertung

360

Spielqualität vor Lizenz-Ausschlachtung: Naruto ist ein optisch beeindruckender Cocktail aus Prügler und Abenteuer!