Etrian Odyssey 2: Heroes of Lagaard - Test, Rollenspiel, NDS
Über den Wolken...
Was es trotz dieser Aussicht auf jeden Fall nicht gibt: Eine packende Story. Atlus bleibt seinem spröden Erzählstil treu und beschränkt sich auf ein paar Andeutungen, Gespräche und vage Hinweise, anstatt über Nebenfiguren oder plötzliche Zwischenfälle Spannung aufzubauen. Ja, es gibt hier und da Überraschungen, aber wenn sich das Team nur genau so gewissenhaft um die Story wie um das Leveldesign und das Kampfsystem bemühten würde, wäre hier sicher auch ein Award greifbar. Dass dennoch Stimmung aufkommt, liegt an vielen kleinen Tafeln und Monumenten, die im Dungeon versteckt liegen und Inschriften verblichener Abenteuerer wie "Weckt bloß nicht die Monster in der großen Halle auf!" enthalten.
Trotz der narrativen Sehnsüchte gibt es neben der lieblichen Musik von Yuzo Koshiro (The Revenge of Shinobi, Streets of Rage) genug Atmosphäre, genug zu entdecken und zu erkunden. Das ist ein Spiel für Haudegen alter Schulte, die Klassiker wie Bard's Tale oder Wizardry kennen und lieben gelernt haben - also rundenbasierten Kämpfe mit einer schlagkräftigen Gruppe. Dazu gibt es Monster, Schätze und Kostbarkeiten von seltenen Zutaten bis hin zu magischen Ingredenzien. Und deshalb heuern die Stadtväter regelmäßig mutige Abenteurer an, um Yggdrasils Geheimnisse zu erforschen. Eure Aufgabe ist es, wie schon in Etrian Odyssey, eine fünfköpfige Gruppe zu erstellen und der Sache auf den Grund bzw. in die mythische Baumkrone zu gehen - natürlich gegen Belohnung und Fantasykarriere all inclusive: Aufstieg, Waffen, Rüstungen, Fähigkeiten, Ruhm etc. Wer den Vorgänger gemeistert hat (Hut ab!), kann übrigens ein Passwort eingeben und mit seiner alten Gilde loslegen.
Gruppendynamik
Das Interessante am Aufstieg ist, dass sich jede Klasse unterschiedlich entwickeln kann, indem sie sich auf bestimmte Talente oder Waffen und Magierichtungen konzentriert. Nur, wenn der Schütze seine Beweglichkeit verbessert, öffnet sich der Talentbaum für gezielte Schüsse auf Beine, Arme oder den Kopf; nur, wenn der Alchemist seine Stärke ausbaut, kann er irgendwann die Erdanziehungskraft nutzen und Klingen fliegen lassen; und beim Ronin gibt es gleich drei Samurai-Kampfstile, in die man investieren kann.
Mann oder Frau? Anime oder Mittelalter?
Noch mehr als im Vorgänger kommt es darauf an, dass ihr das Reihenprinzip verinnerlicht (im Ernstfall auch mal wechseln lassen) und den ganzen Pool an Klassen verwendet - also nicht nur eine gemischte Party erstellen, sondern am besten eine besonders schlagkräftige für die wandernden Bossmonster oder eine besonders fleißige mit guten Sammelfähigkeiten. Auch diesmal kann man nämlich an zahlreichen Stellen Materialien ernten, um sie zu verkaufen oder sich neue Waffen oder Rüstungen erstellen zu lassen. Quests? Gibt es hunderte. Spielzeit? Geht in die dutzenden. Der Vorgänger hat mich knapp dreißig Stunden gekostet.
Das herausragende Element des Vorgängers war die aktive Kartografie. Zwar bleibt es bei der Zweiteilung, dass oben erkundet und unten mit dem Stylus gezeichnet, gelöscht oder markiert wird, aber die Funktionen wurden ergänzt. Es gibt jetzt über ein Dutzend Symbole, die man in seine Karte einbauen kann, darunter Schatz-, Monster-, Fallgruben-, Treppen-, Monument- oder Warp-Icons. Neu sind u.a. jene, die euch eine bestimmte Richtung anzeigen lassen. Und das ist gut so, denn die Labyrinthe werden euch alles abverlangen.
Kartografie 2.0?
Im Kampf kann man jetzt auch einen Automatismus aktivieren, um z.B. nervige Zufallsbegegnungen nach einer langen Reise schneller hinter sich zu bringen - die KI agiert hier sehr klug, man sollte diese Funktion nur nicht bei wandernden Monstern der Größe XXL einsetzen. Ansonsten bleibt es beim bekannten Interface, das euch auch eine zweiteilige Gefahrenanzeige bietet, damit ihr wisst, wie sicher ihr gerade seid.
Erleichtert wird euer Abenteuer später durch geomagnetische Felder, die euch nach ihrer Entdeckung schnelle Sprünge zurück in die Stadt sowie zurück zum gerade erkundeten Ort ermöglichen. In eurem städtischen Hauptquartier könnt ihr speichern und habt Zugriff auf die bekannten Örtlichkeiten, vom Gasthaus, der Taverne, dem Krankenhaus über den Händler bis hin zur Abenteurergilde und dem fürstlichen Palast. Außerdem dürft ihr jetzt auch Items gegen einen Aufpreis einlagern.
Fazit
Ja, das riecht eher nach einer Erweiterung als einem echten Nachfolger. Ja, die Story lässt zu wünschen übrig und technisch macht man auch kaum Fortschritte. Aber schon der Vorgänger hat mir mit seinem nostalgischen Charme den Sommerurlaub versüßt. Und dieser Nachfolger wird meinen DS im Herbst begleiten. Zwar hat Atlus das Spielprinzip quasi 1:1 übernommen, aber an den richtigen Stellen ergänzt und verfeinert: Es gibt mehr Auswahl an Klassen, ein etwas komfortableres Interface sowie noch mehr Anspruch im ohnehin hervorragenden rundenbasierten Kampfsystem. Trotz aller Nostalgie, sanfter Fantasyklänge und märchenhafter Kreaturen bleibt Etrian Odyssey eines der anspruchvollsten und umfangreichsten Rollenspiele auf dem DS. Ersteres liegt weniger darin begründet, dass man die Monster nicht besiegen kann, sondern eher darin, dass man sehr viel Geduld braucht, um seine Party schlagkräftig auszubauen und zu zu entwickeln. Wer zu schnell zu hoch aufsteigen will, wird nur Leichen nach Hause tragen. In der Ruhe liegt hier die Kraft. Und genau das sorgt im Gegensatz zum gewöhnlichen Hack'n Slay-Kram für eine hohe Langzeitmotivation, die mich immer wieder nach Yggdrasil führt. Und noch hab ich die schwebende Burg nicht gefunden...
Pro
- Bard's Tale mit Anime-Flair
- verzweigte Labyrinthe
- Fallen & besondere Ereignisse
- taktische Rundenkämpfe
- aktives Kartographieren
- freies Party-Management
- gutes Rohstoff- & Warensystem inklusive Erntelimit
- jederzeit in der Stadt speicherbar
- Karte wird auch bei Tod gespeichert
- fordernder Schwierigkeitsgrad
- NEU: drei Klassen (Kampfmagier, Schütze Biest)
Kontra
- eher Add-On als Neuanfang
- Story, wo bist du?
- Rätsel, wo seid ihr?
- auf Dauer monotones Hin & Her zwischen Stadt & Dungeon
- nur mittelprächtige Kulisse mit wenigen Animationen