Mass Effect - Test, Rollenspiel, 360, PC
Glaubwürdiges Universum
Inhaltlich entspricht die PC-Fassung dem Xbox 360-Vorbild ohne die Zusatzmission "Kollisionskurs" - deshalb gibt es dieselbe Wertung. Was hat sich an Details verändert? |
- Speichern während des KampfesJ.R.R. Tolkien hat das geschafft, George Lucas ebenfalls und auch BioWare könnte spätestens mit dem Abschluss der geplanten Mass Effect-Trilogie dazu gehören. Wer als Commander Shepard an Bord der Normandy die Galaxie erkundet, bekommt sehr schnell das überaus angenehme Gefühl, ein Universum mit Geschichte zu erforschen. Man erfährt nicht nur etwas über längst vergangene Zivilisationen wie die geheimnisvollen Protheaner, deren Vermächtnis bis in die gespielte Gegenwart hinein wirksam ist, sondern auch über verheerende Kriege, die das Bewusstsein der erst spät ins All gereisten Menschen und der dort längst herrschenden außerirdischen Völker prägen. Etwa die Schlacht von "Shanxi", in der der erste menschliche Außenposten überrannt wurde - diese Schmach haben die Verlierer ebenso wenig vergessen wie die Gewinner den Sieg.
- Texturen werden nicht verzögert aufgetragen
- Fahrstühle fahren schneller
- Benutzeroberflächen angepasst & verändert
- auf Maus-Steuerung optimiert
BioWare benutzt viele erzählerische Mosaiksteine: Dazu gehören Kommentare im Fahrstuhl, Gespräche sowie Tagebuch- und
Lexikoneinträge. Wenn man Letztere aufschlägt, darf man sich zurücklehnen und von kompletter deutscher Sprachausgabe begleitet mehr über Geschichte, Technik, Kultur und Rassen erfahren - nicht nur Oberflächlichkeiten, sondern so viel wissenschaftlich Konkretes und chronologisch so fest Verankertes, dass man dieser Enzyklopädie einfach glauben muss und mehr erfahren will. Schließlich sind da die Dialoge mit den Bewohnern, mit all den außerirdischen Völkern der Kroganer, Turianer, Quarianer, Asari, in denen plötzlich ein fremdes Ritual, ein Krieg oder Ereignis früherer Zeit thematisiert wird.Erzählerische Mosaiksteine
Die technikfixierten Quarianer müssen auf ihrer Fahrt ins All z.B. ein Artefakt bergen, um gesellschaftlich anerkannt zu werden; ihre eigene hoch entwickelte Robotertechnik wurde zu ihrem Verhängnis, denn die von ihnen erschaffenen Geth stellten sich plötzlich gegen sie und bedrohen jetzt die Galaxie - die Zylonen aus "Kampfstern Galactica" lassen grüßen. Die
an Dinosaurier erinnernden Kroganer sterben gerade aus, sind aber stolze Krieger, die extrem darwinistisch, fast schon faschistisch denken: Der Stärkere hat Recht, das Schwache soll sterben. All diese Unterschiede in der Kultur sorgen schnell für interessante Motive und Konflikte.Auf diese Weise schließt sich während des Spiels immer wieder der Kreis, so dass die Welt Stunde um Stunde immer dichter, immer glaubwürdiger und irgendwann fast heimatlich wirkt. Das ist eine große Leistung, denn ich fühle mich als Teil eines lebendigen Universums wohl. Vor allem als Leser, Zuhörer und Gesprächspartner in Dialogen bin ich begeistert. Aber einen vermag BioWare trotz dieses epischen Fundamentes am Ende nicht ganz zu begeistern: Den Entdecker. Ich erfahre viel über fremde Kulturen und Geschichte, aber sehen und erleben kann ich sie nur in Ansätzen.
Größe schluckt Entdeckerdrang
Man kann zwar meist nur auf einem der Planeten innerhalb eines Sonnensystems wirklich landen und ihn mit dem Weltraumjeep Mako erkunden, aber man kann Rohstoffe sichern und so manche versteckte Station bzw. Piraten finden.
Während seines Abenteuers besucht Commander Shepard aber lediglich eine große Stadt, die Hauptstadt der Galaxie, dazu ein, zwei größere Lager, viele Katakomben und Minen, bevor er am Ende endlich einmal durch pompöse Ruinen wandert. Aber wo sind die Städte anderer Völker? Wo sind die bizarren Orte der Außerirdischen? Der größte Vorwurf, den man diesem spannenden Abenteuer machen kann ist der, dass die Dramaturgie und Dialoge der Geschichte viel stärker sind als die Befriedigung des Entdeckerdrangs.Die Hauptstadt des Universums ist die Citadel. Und die erkundet man gleich zu Beginn mit neugierigen Blicken: Immerhin gibt es mehrere Etagen, ganz unterschiedliche Bezirke und man kann sich in diesem Labyrinth aus Verwaltungs- und Vergnügungsvierteln fast verlaufen. Hier bekommt man wirklich ein Gefühl von Größe. Abseits davon gibt es aber nichts Vergleichbares. Und selbst in der Citadel hält sich die Lebendigkeit abseits der Hauptauftraggeber in Grenzen: Wieso kann ich in den beiden einzigen Bars mit fast niemandem sprechen? Wieso gibt es da nicht etwas mehr Leben in der Bude mit ihren Tanzgirls? Selbst die Wirtin reagiert nicht...hier verschenkt Mass Effect sehr viel atmosphärisches Potenzial, denn gerade in Tavernen konzentrieren sich eigentlich Gerüchte, Typen und Eindrücke.
Faszinierendes futuristisches Flair
Oder nehmen wir Nationalismus und Rassismus: Irgendwann werdet ihr von Charles Saracino angesprochen, der zur "Trockenlandpartei" der Menschen gehört. Sein Credo lautet: "Erst die Erde" oder "Kein Blut für Aliens". Ihr könnt euch für ihn entscheiden oder gegen ihn. Das Geniale an diesem Dialog ist die Tatsache, dass eure außerirdischen Freunde ganz unterschiedlich auf diesen fanatischen Menschen reagieren: Ist z.B. der Kroganer Wrex in eurer Gruppe dabei, dann lobt er
diesen "couragierten" Mann, der endlich mal die Schwäche der menschlichen Rasse ablegt. Aber als Wrex dann von eben diesem zu hören bekommt, dass die Meinung eines Aliens nicht interessiert, wird er richtig sauer und zückt fast die Waffe - hier kommt nicht nur richtig Stimmung auf, hier zeigt BioWare alle Facetten dieser Problematik und relativiert mal eben die Moral!Auch Drogen sind im Spiel: Ein Außenpolitiker der Menschen braucht für die nächste Verhandlung unbedingt verbotene Mittel, damit er fit ist und für die Menschen alles rausholen kann. Er bittet euch, ihm zum Wohle eures Volkes zu helfen. Was tut ihr? Letztlich könnt ihr ihn mit Argumenten von seiner Sucht überzeugen, ihr könnt ihn zusammen stauchen und sogar mit der Waffe bedrohen. Besonders unterhaltsam sind die Entscheidungen, die über Tod und Leben bestimmen können: Soll sich ein Offizier in das Büro des Botschafters schleichen und dort stehlen oder sich an Wachen vorbei direkt zum Ziel begeben? Und ganz ohne Lexikon und Tagebuch sorgen auch Art & Design sofort für ein futuristisches Flair: Die eng geschnittenen Uniformen und sauberen Flure erinnern an die klinische Welt von Star Trek, die Scharfschützen, Dronen und Verwüster der Geth erinnern an die Kampfdroiden aus Star Wars.
Charaktererschaffung
Nur lange Haare oder Zöpfe sind leider tabu für künftige Allianzsoldat(inn)en, was dazu führt, dass sich vor allem die Frauen gleichen. Auch die deutsche Stimme des Helden, an die man sich erst mal gewöhnen muss, lässt sich natürlich nicht verändern. Obwohl viele Sprecher, wie der eures Vorgesetzten Captain Anderson oder der des außerirdischen Antagonisten Saren, sehr gut zur Figur passen, gibt es auch einige deplatzierte Besetzungen; außerdem wiederholen sich manche Frauenstimmen und im Finale gibt es einen seltsamen Bruch in der Stimme des Feindes. Schade ist auch, dass die deutsche Stimme von Luke Skywalker so schnell wieder verschwindet. Aber diese wenigen Aussetzer lassen sich verschmerzen - unterm Strich kann man die Lokalisierung als gelungen bezeichnen. Ihr könnt euch eine von drei Vergangenheiten sowie eines von drei Psychoprofilen aussuchen. Schon hier beginnt das Rollenspiel: Wollt ihr auf der Erde oder in den Kolonien geboren sein? Wollt ihr als einziger Überlebender oder Kriegsheld gelten? Denkt daran: Später werden die Leute ihre Kommentare dazu abgeben. Trotzdem hat diese Wahl noch keine relevanten Auswirkungen: Ihr bestimmt später durch eure Taten, ob ihr als vorbildlich oder verrucht eingestuft werdet.
Bei der Chronologie und Glaubwürdigkeit der Welt macht BioWare alles richtig. In Sachen Art & Design, Lokalisierung und Musik macht BioWare alles richtig. Bei der Charaktererschaffung macht BioWare alles richtig. Auch die Wahl des Schwierigkeitsgrades sowie die komfortablen Einstellungen hinsichtlich des automatischen oder manuellen Aufstiegs sind lobenswert. Und man erkennt schon auf der Charakterkarte, dass man sehr viele Möglichkeiten hat, seinen Helden zu spezialisieren: Wollt ihr eure frischen Erfahrungspunkte lieber in das Präzisionsgewehr, die Erste Hilfe oder das Elektronikwissen investieren? Wer sich auf eine Schiene konzentriert wird schrittweise mit neuen Fähigkeiten belohnt: Diese erscheinen im Kampf in einem runden Auswahlmenü und können dann direkt genutzt werden.
Charakterentwicklung
Das Problem ist vielleicht auch, dass man nach zehn bis zwölf Stunden, also etwa zur Hälfte des Abenteuers, fast alle relevanten Werte eines Charakters auf das Maximum gebracht hat. Und danach bleibt nur noch Platz für den Ausbau scheinbar weniger wichtiger Dinge. Immerhin kann Mass Effect dem vorschnellen Karriere-Ende nach zwei Drittel der Spielzeit über eine Spezialisierungsklasse entgegen wirken: Irgendwann kann man sich als "Soldat" z.B. für eine der Subklassen "Sturmtruppe" oder "Kommando" entscheiden. Und danach gibt es eine neue Fähigkeit, die gefüllt werden darf. Richtig Schwung bringt diese aber auch nicht in eine letztlich verfrüht abgeschlossen wirkende Charakterentwicklung. Ich habe das Spiel in Level 42 abgeschlossen, theoretisch ist Level 50 und sogar 60 möglich. Sehr ärgerlich ist allerdings, dass man nach dem Finale nicht noch mal in das Universum zurück kann, um evtl. offene Missionen zu meistern - man muss ganz von vorne anfangen.
Kampfsystem & Steuerung
Da ihr immer in einer Gruppe zu dritt unterwegs seid, könnt ihr bei geschickter Wahl eurer Begleiter theoretisch auf alle Waffen-, Tech- und Biotik-Fähigkeiten zurückgreifen. Wer nur mit Kampfmaschinen unterwegs ist, darf sich nicht wundern, wenn er auf einem Planeten eine Sonde nicht bergen kann - dazu ist Elektronikwissen erforderlich! Man wünscht sich aber
öfter, dass die Spezialisierungen der Charaktere wirklich notwendig sind. Als Commander habt ihr vollen Zugriff auf die Ausrüstung und Bewaffnung eurer Mitstreiter: Und ihr findet so viele Upgrades, Anzüge und zig Wummen von Version I - VII, dass das Limit von 150 sehr schnell erreicht ist. Danach könnt ihr Überflüssiges entweder zum Spottpreis verkaufen oder es in Gel umwandeln. Etwas ärgerlich ist dabei, dass es hier keine Automatismen gibt - ich muss im letzten Drittel des Spiels eine Liste von Dutzenden Items nach unten wühlen, um das schlechteste endlich zu finden und zu verkaufen. Hier wäre weniger vielleicht auch mehr gewesen, denn man vermisst in der Flut manchmal wirklich besondere Waffen oder so etwas wie Sets. Dafür wird jede noch so kleine Änderung in Sachen Rüstung sofort am Charakter angezeigt - vom pechschwarzen Panzer bis hin zum Camouflage-Design.Bei den Aktionen eurer Mitstreiter bietet BioWare wiederum den vollen Komfort von Automatismen: Ihr könnt festlegen, dass eure Partner ihre Fähigkeiten selbst einsetzen, sich defensiv verhalten oder ihr könnt als Commander alles penibel manuell bestimmen. Das läuft auch alles wunderbar, lediglich bei der Wegfindung und Deckungssuche, die im Ansatz an Full Spectrum Warrior erinnert, zeigen sie Aussetzer: Manchmal besetzen sie nicht den günstigsten Punkt oder weigern sich, nach vorne zu preschen, obwohl der Weg frei ist. Außerdem vermisst man die Möglichkeit, die beiden Mitstreiter wirklich getrennt zu platzieren - also den stark gepanzerten Kroganer ganz vorne am Felsen, den schwachen Biotiker mit seinen Distanzfähigkeiten weiter hinten. Hier hätte Mass Effect etwas mehr taktischen Einfluss ermöglichen sollen. Ärgerlich ist, dass sie beim selbständigen Feuern auch oft in ein Hindernis schießen, ohne sich eine günstigere Position zu suchen - hier muss man des Öfteren Babysitting betreiben, damit die Projektile und Laser auch beim Feind ankommen. Trotzdem kann man Wegfindung und Kampfaktionen der Begleiter unterm Strich als gut bezeichnen. Zudem sieht es klasse aus, wenn man gerade von einem schweren Geth-Verwüster bedrängt wird und ein Mitstreiter diesen plötzlich über geschickten Biotikeinsatz nach hinten schleudert. Der Kampf ist immer taktisch und bis auf die Granaten, die leider auf der schwer zugänglichen Back-Taste liegen, komfortabel zu bedienen.
Alte BioWare-Schwächen?
Mass Effect lässt euch allerdings nicht lange im Dunkeln darüber, wer die Welt vernichten will: Schon nach der ersten Mission wird das Feindbild in Form des Turianers Saren in euer Bewusstsein gemeißelt - bis zum Finale. Das ist dramaturgisch nicht besonders klug, denn so beschränkt sich die Ungewissheit nur darauf, wie er das Universum vernichten will. Wo bleibt da das Mysterium? Erinnert ihr euch an Baldur`s Gate 2? Da war lange Zeit unklar, wer überhaupt die Fäden zieht. BioWare behält sich zwar ein paar überraschende Nuancen vor, aber man wundert sich gerade zu Beginn über diesen fast schon
plumpen Spannungsraub. Und ehrlich gesagt ist man auch spielerisch nach zwei Stunden etwas ernüchtert: Alles fühlt sich noch zu sehr an wie Star Wars: Knights of the Old Republic 2.0. Das war wahrlich kein schlechtes Spiel - im Gegenteil. Aber es hatte auch damals Schwächen und Eigenheiten, denen man schon in den ersten Missionen wieder begegnet: Man öffnet die Karte und erkennt ohne jegliche Erkundung des Gebiets sofort den Levelschlauch samt der wichtigen Punkte, die man erreichen soll. Muss man gleich die ganze Map lüften und mir den Moment der Entdeckung nehmen?Plötzlich stehen ohne Zusammenhang Kisten in der Landschaft, die ich plündern kann. Okay, ich freue mich über Scharfschützengewehr und Granaten-Upgrade, aber warum liegt das da so rum? Und wenn ich in einem Privatraum einen Schrank oder Safe knacke, hat das ebenfalls keine Konsequenzen - niemand regt sich auf, scheinbar haben alle Truhen auf mich gewartet. Bewohner reagieren auch nicht auf meine gezückte Waffe - selbst Wachen nicht! Okay, ich darf zwar nicht schießen und bin kein Dieb, aber ein modernes Rollenspiel sollte hier lebendigere Reaktionen zeigen - Gothic in Variante 1 lässt grüßen.
Dialoge, Mimik & Gestik
Hinzu kommen unheimlich gut geschriebene Dialoge, die euch bei geschickten Antworten immer mehr Auswahl geben oder einfach tiefer in der Persönlichkeit des Gesprächspartners wühlen lassen. Ihr habt kein Bock auf 08/15-Quests, sondern Lust auf wirklich relevante Themen und moralische Entscheidungen? Dann ist Mass Effect genau das Richtige, denn es zwingt euch, Stellung zu beziehen: Ein sadistischer Mediziner züchtet Organe in seinen Mitarbeitern - rechtfertigt ihr das im Sinne der Wissenschaft oder zieht ihr ihn zur Rechenschaft? Ein fremdenfeindlicher Mensch wettert über Aliens - macht ihr mit oder empört ihr euch? Ein fanatischer Kultist schottet sich mit seinen Jüngern ab - überzeugt oder erledigt ihr ihn?
Dieses ausgezeichnete Dialogsystem geht nicht so weit, wie man im Vorfeld denken konnte: Wo ist z.B. die angedeutete und bei uns in der Vorschau noch gelobte Funktion des plumpen Unterbrechens? Man kann lediglich eine Art Vorspulen nutzen, wenn man X drückt - aber das hat als rhetorisches Mittel null Beudeutung. Man wühlt sich immer tiefer in einem Kreis aus Antworten, es erscheinen bei geduldigem Nachhaken plötzlich neue Möglichkeiten, aber es gibt keine rhetorischen Echtzeitreaktionen mit absoluter Freiheit - so weit ist auch BioWare bei aller gebotenen Klasse noch nicht. Man sieht zwar sofort wie ein Gesprächspartner sich nach einer Antwort fühlt, aber man kann niemandem einfach über den Mund fahren oder ihn gezielt so beleidigen, dass dadurch vielleicht eine Szene oder ein Kampf entstünde. Außerdem wirkt der
Meinungsumschwung nach einem erfolgreichen Einschmeicheln oder Einschüchtern manchmal etwas zu abrupt.Ihr bekommt allerdings je nach Aktion unterschiedlich viel Erfahrungspunkte sowie Punkte in den Bereichen "Vorbildlich" bzw. "Skrupellos" gutgeschrieben. In Mass Effect gibt es nicht eine Moralleiste für Gut und Böse, sondern gleich zwei. So könnt ihr über eine menschenfreundliche Antwort an Vorbildcharakter gewinnen, aber eine Minute später über die Rechtfertigung von Selbstjustiz tyrannische Facetten bekommen. Sehr schön ist, dass das Feedback eurer Partymitglieder die Moral des Volkes berücksichtigt. Sprich: Für einen Kroganer ist es gerechtfertigt, einen elenden Verräter sofort zu töten - tut ihr es nicht, verspottet er euch als verweichlichten Menschen.
Falsche Antworten
Obwohl die Texte meist in etwa dem entsprechen, was ausgedrückt werden soll, gibt es immer wieder diese ärgerlichen Überraschungen: Wenn ich "Udina hat mich verraten" auswähle und "Die Normandy bleibt am Boden" herauskommt, oder wenn ich "Was ist mit meiner Crew?" auswähle und "Die Normandy zu stehlen ist Meuterei. Wie wird meine Crew reagieren?" herauskommt, dann ist das irritierend. Das hört sich zwar gravierender an, als es in seiner Konsequenz ist, denn man weiß ungefähr, dass die positiven und vorbildlichen Antworten meist ganz oben stehen - aber hier antworte ich manchmal ins Blaue hinein. Hätte man nicht ein System entwickeln können, dass mir die komplette Antwort vorher ausgegraut oder in Auszügen anzeigt?
Technik & Planeten
Außerdem scheint die Xbox 360 entweder an ihre technischen Grenzen zu kommen oder BioWare hat es nicht verstanden, sie richtig auszunutzen: Da sind einmal all die kleinen Ladephasen und Ruckler - flüssig läuft dieses Mass Effect nicht. Und dann steigt man aus einem Fahrstuhl oder betritt einen neuen Raum und sieht plötzlich schwammige Oberflächen auf Wänden und Charakteren. Was ist da los? Es dauert manchmal zwei bis drei Sekunden, bevor die scharfen Texturen endlich da sind - selbst in Zwischensequenzen! Das letzte Mal, dass ein Spiel solche Probleme hatte, war meines Wissens Halo 2 auf der Xbox.
Aber was herrscht da auf den zweiten Blick für eine landschaftliche Eintönigkeit! Nur die Farben ändern sich, die Struktur der Planeten bleibt immer eine Mischung aus flachen Ebenen und zerklüfteten Hängen. Es gibt keine Pflanzen, keine Bäume, keine Flüsse. Okay, das kann man wissenschaftlich erklären und das ist durchaus authentisch - die Erde ist immerhin etwas Besonderes. Aber wenn sie denn schon vorkommt: Warum kann ich nicht auf ihr landen, um mal ein paar Pflanzen zu sehen? Nur der Mond darf befahren werden. Und der ist kahl. Schade. Und wenn man aus klimatischen Gründen keinen Wald abbilden kann, warum baut man dann nicht wenigstens noch eine Stadt? Oder wenigstens Ruinen? Oder Konstrukte eines alten Weltraumhafens? Irgendwas?
Mit dem Mako auf Mission
Hab ich was vergessen? All das kann man finden. Aber wäre es nicht viel spannender gewesen, wenn man auf den Planeten etwas Geheimnisvolles oder Unerwartetes gefunden hätte als eine Nummer? Das einzige Lebewesen, das einem ab und zu begegnet, ist eine Art riesenhafter Sandwurm, der an Dune erinnert: Plötzlich bricht er durch die Oberfläche und geifert euch an. Endlich Spannung, endlich Adrenalin! Hier muss man richtig vorsichtig sein, denn wer sich zu nah heran begibt, wird
sofort zermalmt. Diese Kämpfe können allerdings nerven, da man nicht vorausahnen kann, wo das Ungetüm auftaucht. Auch hier hätte man über eine Scanfunktion oder Ähnliches etwas mehr Taktik reinbringen können.MG und Kanone? Ja, euer sechsrädriger Mako, eine Art Weltraumjeep, verfügt darüber. Leider kann man diesen Wagen nicht aufrüsten oder mit besseren Schilden ausstatten - man brettert mit ihm vom ersten bis zum letzten Einsatz in der Grundausstattung über die Planeten, kann zwischendurch auch aussteigen und mit der Crew zu Fuß loslegen. Der Mako kann lediglich auf zwei Arten feuern und über den A-Knopf springen. Das Fahrgefühl erinnert dabei zunächst an MotorStorm oder den Warthog in Halo 2 und Halo 3: Etwas zittrig zunächst, sehr leichte Schwenks, aber man gewöhnt sich daran. Trotzdem hinterlässt der Mako eher Arcade- als Simulationgefühl, denn er überwindet fast unmöglich scheinende Steigungen, kann quasi jede Steilwand erklimmen und die Gravitation auf den Planeten spielt keine Rolle.
Genau das weiß man allerdings zu schätzen, wenn man die zerfurchten Planetenoberflächen erkundet. Hier genießt man
noch die Freiheit, selbst die Route zu den markierten Punkten oder zu Feinden festzulegen. Manchmal muss man feindliche Festungen samt Geschütztürmen schleifen und kann sich herrlich mit dem Mako bis auf Schussweite heranpirschen - von allen Seiten. Leider vergeht der Spaß, wenn man die Storymissionen spielt: Hier muss man tatsächlich durch enge Levelröhren fahren, darf weder groß nach links oder rechts abweichen und bekommt auf dieser engen Route noch einige Tunnels serviert, in denen ganze Kompanien von Kampfrobotern warten. Und hier kann der Mako-Kampf nerven: Man muss quasi frontal angreifen, muss über zig Raketen hopsen und dabei hoffen, die ersten Feinde in Schussweite auszuschalten. Warum zwingt man mich hier so oft zu diesem stupiden Vorgehen? Einen Meter vor, feuern, zurück. Einen Meter vor, feuern, zurück. Warum kann ich hier nicht flankieren oder selbst auf Zielsuchraketen zurückgreifen? Das Ärgerliche ist, dass der Mako hier auch Probleme bei der Zielerfassung hat, wenn man auf kleinen Hügeln steht: Obwohl man einen Feind ganz klar im Visier hat, ohne Hindernis dazwischen, erreichen die Schüsse manchmal nicht ihr Ziel!
Fazit
Das Abenteuer ist vorbei. Nach 27 Stunden und 43 Minuten läuft der Abspann. Wenn man den vom Chefdesigner bis zum Hausmeister durchlaufen lässt, dann hat ein Spiel verdammt viel richtig gemacht. Egal ob auf dem PC oder der Xbox 360: Man zollt den Entwicklern noch mal stillen Respekt. Bravo, BioWare, ihr habt mich sehr gut unterhalten! Ihr habt die Illusion eines glaubwürdigen Universums von schier unglaublicher Größe lange Zeit aufrechterhalten - bis zu dem Punkt, an dem sich die ersten Wiederholungen und Abgrasmechanismen einschlichen. Es fehlen mir letztlich mehr Momente der Entdeckung und Überraschung. Besonders schade ist, dass es nur eine große Stadt gibt und dass man nicht in denen der Außerirdischen landen kann - das hätte Mass Effect eine wahrhaft epische Größe gegeben. Erst auf Ilos, im großen Finale, kommt so etwas wie erhabene Stimmung auf, als man endlich mal eine verlassene Siedlung mit fremdartigen Skulpturen und überwucherten Mauern erforscht. Hier blitzt ganz am Ende noch mal das auf, was ich vorher so vermisst habe. Ich hatte noch beim Abspann das Gefühl, dass man mich etwas zu direkt mit einem verfrüht offenbarten Feindbild durch ein Epos geschleust hat, das trotz all seiner Lebendigkeit in den Bereichen Mimik, Gestik und Dialogführung, trotz seiner Genialität hinsichtlich der Dramaturgie, manchmal etwas zu steril wirkte. Hinzu kommen einige technische und inhaltliche Mängel: Die Texturprobleme auf der Xbox 360, die nervigen Levelröhrenkämpfe mit dem Mako, den man aber nicht aufrüsten kann, sowie die alten KotOR-Schwächen fehlender Reaktionen bei Diebstahl oder dem Waffenzücken. Aber das sind Peanuts. Der größte Vorwurf, den man diesem über weite Strecken packenden Abenteuer machen kann ist der, dass Dramaturgie und Dialoge viel stärker sind als die eigentliche Story oder die Befriedigung des Entdecker- oder Spieldrangs: Warum ist das Planetenerforschen so eintönig? Warum wirken die beiden Bars so leblos? Warum öffnen sich alle Schlösser so leicht? Warum kann ich den Mako nicht aufrüsten? Ansonsten bin ich von der Qualität überzeugt: Das taktische Kampfsystem hat sich trotz fehlender Einzelpositionierungen bewährt, die Missionen werden packend inszeniert und der futuristische Stil der 80er ist ebenso reizvoll wie das Kreaturendesign der Aliens. Letztlich ist die Tatsache, dass ich in moralische Konflikte gestürzt und emotional gepackt wurde, dass ich Entscheidungen mit spürbaren Konsequenzen treffen konnte, bei all den kleinen Schwächen immer noch ein verdammt seltenes und unheimlich kostbares Gütesiegel. BioWare hat hier nicht weniger als eine futuristische Welt neben Star Trek und Star Wars erschaffen. Unterm Strich bietet dieser erste Teil ohne Frage erstklassige Unterhaltung. Und es ist ohne Frage für mich das beste Rollenspiel des Jahres. Aber es bleibt einfach ein kleiner Rest Ernüchterung. Hoffentlich kann sich die Trilogie als Ganzes noch zu einem Meilenstein entwickeln. Vielleicht muss sich BioWare dafür noch stärker von Star Wars: Knights of the Old Republic lösen und alte Zöpfe abschneiden. Der erste Schritt ist getan.
Pro
- hervorragende Regie
- glaubwürdiges SciFi-Universum
- gutes taktisches Kampfsystem
- klasse Waffen- & Biotikeffekte
- lebendige Kommentare in der Party
- unheimlich große Spielwelt
- insg. gute deutsche Lokalisierung
- klasse Kreaturendesign der Aliens
- sehr gut platzierte Zwischensequenzen
- auch ungenutzte Partymitglieder steigen auf
- fast lebensechte Mimik & Gestik
- hervorragend geschriebene Dialoge
- brisante Themen wie Völkermord, Rache, Liebe & Schuld
- sehr stimmungsvoller Soundtrack
- viele Entscheidungen mit Konsequenzen
- spannendes Missionsdesign
- Fahren & Kämpfen auf fremden Planeten
- hervorragende Verflechtung von Erzählelementen
- sehr gute interne Bibliografie
- Wiederspielwert dank hoher Levelbegrenzung (60) und alternativer Spielweisen (vorbildlich/skrupellos)
- Spielzeit für den reinen Hauptplot zwischen 15 und 20 Stunden
Kontra
- nur eine große Stadt
- zu wenig Leben und Ansprechpartner in den beiden Bars- Fahrzeug lässt sich nicht aufrüsten
- Minimap zeigt auf Planeten sofort alle Zielgebiete an (= Abgrasen statt Entdecken)
- keine natürlichen Reaktionen auf Waffenzücken oder Diebstahl( = alte KotOR-Schwächen)
- Feindbild/Gut-Böse wird zu schnell deutlich
- Partymitglieder lassen sich im Kampf nicht einzeln postieren
- Partymitglieder verhalten sich teilweise stupide