Mercenaries 2: World in Flames - Test, Action-Adventure, 360, PC, PlayStation2, PlayStation3
Genau genommen ist sehr viel faul, wenn einem der eigene Auftraggeber eine Waffe an den Kopf hält, man noch gerade so flüchten kann, aber beim rettenden Sprung ins Wasser eine Kugel in den Hintern geschossen bekommt. Wenn das nicht nach blutiger Rache schreit, was dann? Zugegebenermaßen, die Idee ist witzig. Aber mehr auch nicht, denn der Rest der Geschichte hat ungefähr so viel Fleisch wie ein Glas Wasser: Bürgerkrieg in Venezuela blablabla,
schmieriger Milliardär an die Macht yaddayaddayadda, Ölkonzern im Hintergrund uiwieoriginell. Ihr habt die Wahl zwischen drei Protagonisten, die sich aber im Großen und Ganzen identisch spielen: Punklocke Mattias Nilsson, der sich schneller heilt, Zigarrenfreund Chris Jacobs, der mehr Waffen tragen kann, sowie die schön schnodderige Jennifer Mui, die schneller rennen kann als die anderen beiden.Es ist was faul im Staate Venezuela
Und was macht man mit diesem Können? Man sprengt Dinge in die Luft! Wie schon beim Vorgänger: Mercenaries: Playground of Destruction wartet ein Großteil der Umgebung nur auf die zärtliche Behandlung mit Raketenwerfern, Granaten oder Artillerieschlägen. Ein störrisches Haus steht im Weg? Weg damit! Eine Kolonne von Panzern rollt auf einen zu? Rabatzrabatz! Ein Grüppchen Gegner schart sich unvorsichtigerweise um einen Benzintank? Was für ein Fehler! In den Momenten, in denen etwas in die Luft fliegt oder ganze Häuserblöcke niedergemäht werden, entwickelt Mercenaries 2 einen wunderbaren morbiden Charme, der von den offensichtlichen Nervfaktoren erfolgreich abzulenken vermag.
Punkt eins der Klageschrift lautet »Technik von vorgestern«: Vorlaute Gemüter könnten vermuten, dass ihnen jemand heimlich eine PS2 in den PC, die 360 oder die PS3 montiert hat. Und hey, für ein PS2-Game sieht Mercenaries 2 auch richtig gut aus - zwar lange nicht so brillant wie God of War 2, aber auch nicht schlecht. Im direkten Vergleich zu Spielen der aktuellen Hardware-Generation wirkt das Venezuela-Geploppe im wörtlichen wie im abstrakten Sinne alt: Die Figuren sehen wie aus Stein
gehauen aus und zeigen etwa so viele Emotionen wie Steven Seagal. Die Grafik läuft zwar flüssig, allerdings mangelt es erheblich an Details, die Texturen sind matschig, die 3D-Modelle grob. Und was die Sichtweite betrifft: Teilweise rollt sich der Texturenboden gefühlte drei Meter vor einem auf. Okay, die eindrucksvollen Explosionen, die auch die Umgebung inkl. Büsche und Bäume in Brand setzen, sind wirklich der Hammer. Aber sehr viel mehr Positives gibt es über die Grafik nicht zu berichten.Zu viele Wiesos
Punkt zwei wiegt viel schwerer: Viele, viele, viel zu viele Bugs! Wieso explodiert ein Panzer, wenn er unter Wasser gerät? Wieso kommen Gegner wie ferngesteuert auf mich zugeschwebt? Wieso macht ein Panzer mehrere Rückwärtssalti, wenn ich den Schützen erledige? Wieso kann ich einen solide wirkenden Helikopter mittels Dagegenlaufen durch die Gegend schieben? Wieso werden »Bossgegner«, die ich wie im ersten Teil für viel Geld verhaften kann, immer wieder mal allein durch Sichtkontakt festgenommen? Wieso ist die wirkungsvollste Waffe im ganzen Spiel der Ellbogen, der ausnahmslos jeden menschlichen Gegner mit einem Treffer aus den Socken haut? Wieso kennen die Gegner nur zwei Laufwege: Mitten in mein Feuer rein oder hin und her an mir vorbei? Wieso kann es mich die Hälfte der Lebensenergie kosten, wenn ich einfach nur einen Berg runterlaufe? Wieso hat Pilot Ewan immer wieder mal einfach keine Lust, markierte Objekte (die mir Geld, Munition oder Treibstoff einbringen) abzuholen, unabhängig davon, ob er gerade beschäftigt ist oder nicht? Wo wir schon von ihm sprechen: Wieso bricht er auch über befriedetem Gebiet unorthodox oft eine Abholung mit der Begründung ab, dass er unter Feuer steht und umkehren muss? Und wieso scheint es Glückssache zu sein, ob man mal ins Koop-Spiel gelassen wird oder ob die Menüs einfach gar nichts machen? Sind das nicht ein paar Wiesos zu viel für ein Spiel, das fixfertig im Laden stehen sollte?
Her mit diesem Panzer!
Der Fuhrpark des Spiels kann sich sehen lassen: Neben Autos und Motorrädern in vielerlei Variation könnt ihr auch mit Jetskis, Schlauchbooten, MG-Jeeps, Panzern, Buggies, Choppern oder
Helikoptern die Schuhsohlen schonen. Der Erwerb ist ganz einfach: Fahrer raus, Söldner rein - GTA ist einfach überall. Im Falle von Panzern ist das Ganze nicht ganz so einfach, denn zuerst muss der oben platzierte MG-Schütze mit einem gezielten Schuss ausgeschaltet und anschließend noch der Fahrer zur Herausgabe der Schlüssel überredet werden. Das passiert durch einen kurzen und sehr simplen Reaktionstest, der leider pro Tank-Typ (und davon gibt es sehr wenige) immer gleich abläuft. Die Steuerung der Vehikel ist angenehm flott und geht leicht von der Hand - wem GTA 4 zu kompliziert war, der wird hier sehr viel Freude haben.Besondere Aufmerksamkeit sollte noch dem Helikopter zukommen: Den könnt ihr nicht nur nutzen, um euch schnell von A nach B transportieren zu lassen, sondern auch, um in der Umgebung herumliegende Geldstapel, teure Munition oder Benzintanks aufzusammeln. Dazu müsst ihr das Fundstück markieren und grünen Rauch aussenden, woraufhin Pilot Ewan angeschwirrt kommt, die Winde ausfährt und die Beute einsackt. Oder auch nicht, denn wie bereits erwähnt überlegt er es sich mitten im Flug des Öfteren einfach anders und kehrt ohne ersichtlichen Grund zur Basis zurück - es empfiehlt sich also, so lange an Ort und Stelle zu bleiben, bis die Abholung perfekt ist. Darüber hinaus kann man den Helikopter auch nutzen, um sich in Notsituationen auch schnell aus Krisengebieten abholen zu lassen, was übrigens auch automatisch (und kostenpflichtig) erledigt wird, wenn man mal draufgeht.
Was aber kein großes Problem ist, da innerhalb von Missionen gesetzte Checkpunkte unnötig lange Wiederholungen dankbarerweise unnötig machen.Zwischen den Hauptmissionen habt ihr die Möglichkeit, euer Geschick auf die Probe zu stellen: Im Hauptquartier ziehen nach und nach immer mehr Mitbewohner ein, die unterschiedliche Herausforderungen anzubieten haben. Koordinatorin Fiona testet z.B. euer Geschick an der Waffe, Mechanikerin Eva stellt den Bleifuß auf eine harte Probe, Pilot Ewan konsequenterweise die Helikopterhand. Diese Herausforderungen bringen in erster Linie Geld, da ihr auf den Ausgang wetten könnt. Außerdem werden so neue Waffen, Fahrzeuge und Klamotten freigeschaltet.
Unfreiwillig allein
Wo Mercenaries 2 optisch versagt, so punktet es akustisch: Die abwechslungsreiche Musik wechselt der Situation entsprechend zwischen entspannter Gitarrenmusik und dröhnenden
Orchester-Explosionen, die Soundeffekte wummern mächtig aus den Boxen, die Sprachausgabe ist ziemlich gut - auf 360 und PS3 habt ihr je nach Systemeinstellung auch die sehr empfehlenswerte englische Variante zur Auswahl. Allerdings gibt es auch hier Macken: Erstens wiederholen sich Standardsprüche (wie beim Einsacken von Waffen oder Fahrzeugen) furchtbar oft, zum anderen wirkt es inkonsequent, dass in einem derartigen Spiel »Fuck« und »Shit« ausgepiepst werden. Spieler der hiesigen Fassung müssen ohnehin mit ein paar Schnitten leben: Getötete Gegner lösen sich gleich in Luft auf, Blut gibt es ohnehin keines zu sehen.Arme PlayStation 2
So, wenden wir uns zum Ende des Tests dem Bodensatz zu: Der PS2-Fassung. Alles, was ihr bisher gelesen habt, bezog sich ausschließlich auf die 360-, PS3- und PC-Versionen. Die PS2-Variante teilt sich mit ihren Brüdern zwar das Szenario, die Protagonisten, das grundlegende Spielprinzip sowie die tolle Musik, allerdings hören da auch schon die Ähnlichkeiten auf. Alles andere ist sieben Stufen schlechter: Die Grafik ist erschreckend leblos und ruckelt wie die Hölle, das Missionsdesign beschränkt sich auf simple Zerstörung, die Steuerung geht völlig vor die Hunde.
Fazit
Die »2« im Namen von Mercenaries 2 steht vermutlich für die Chance oder den Blick, den das Spiel fordert - denn der erste Eindruck ist verheerend: Die Grafik kann man mit etwas gutem Willen vielleicht auf besserem Xbox-Niveau sehen, aber viel mehr auch nicht - die trantütigen Figuren und die detailarmen Levels lassen Vergleiche mit Hochglanzprodukten wie GTA 4 schon von vornherein nicht zu. Schmeißt man das Spiel aber nicht schon nach fünf Minuten aus dem Laufwerk, entfaltet es nach einiger Zeit einen überraschenden Reiz: Die lahme Technik wird zur Nebensache, die flotte Steuerung, das befriedigende Krawumms-Spielprinzip inkl. der mächtigen Explosionen und das offene Missionsdesign gewinnen die Oberhand. Das gilt allerdings auch für die Bugs: Dabei rede ich noch nicht mal von den allgegenwärtigen Clipping-Problemen, mit denen lernt man mit der Zeit zu leben. Aber die völlig verbuggte Online-Lobby, der immer wieder lustlose Heli-Pilot, die strunzdoofe KI sowie logische Fehler wie die schon vom Hinkucken gefangenen HVTs nerven doch tierisch - und über die in jeder Hinsicht unterirdische PS2-Version bedecke ich mal den peinlich berührten Mantel des Schweigens. So bleibt letzten Endes eine Art Simpel-GTA, das mehr Spaß macht, als man anfänglich denken mag. Aber bis dahin ist es ein unnötig steiniger Weg; einer, den man bei Spielen wie Battlefield Bad Company nicht gehen muss.
Pro
- schön krachendes Rabatz-Fest
- druckvolle Explosionen
- schön einfache Vehikelsteuerung
- unkomplizierter Koop-Modus
- gute deutsche und englische Sprachausgabe
- abwechslungsreiches Missionsdesign
Kontra
- bestenfalls zweckmäßige Grafik
- viele nervende Bugs
- unzuverlässige Koop-Lobby
- schwache KI
- PS2-Fassung in fast jeder Hinsicht missraten