Silent Hill: Origins - Test, Action-Adventure, PSP, PlayStation2

Silent Hill: Origins
21.11.2007, Benjamin Schmädig

Test: Silent Hill: Origins

Es gibt Spiele, bei deren bloßem Anblick sich die Nackenhaare aufstellen. Den meisten "gelingt" dies allerdings, ohne dass es vorgesehen war... Dem gegenüber steht ein Genre, dessen einziges Ziel der gepflegte Grusel ist: Urvater Alone in the Dark, die Zombiehatz Resident Evil oder der subtile Terror in Silent Hill zeigten meisterhaft, wie Survival-Horror Urängste greifbar machen kann. Jetzt will Konami diese Emotionen erstmals auch auf einem Handheld erwecken...

Ein neues Kapitel, ein neuer Protagonist: In dem aktuellen Ableger verschlägt es Travis Grady in das verschlafene Städtchen Silent Hill, nachdem der Trucker ein kleines Mädchen aus den Flammen eines brennenden Hauses befreit. Doch statt die dankbaren Eltern des Kindes zu treffen, irrt Grady durch menschenleere Straßen. Dichter Nebel

Nachdem er das Mädchen aus einem brennenden Haus gerettet hat, ist Travis Grady der neue Ankömmling in Konamis Horrorstadt.
liegt über der scheinbar ausgestorbenen Stadt, ein seltsames Knarzen ächzt aus breiten Rissen im Asphalt. Und würden ihm nicht wenige, fast geisterhafte Erscheinungen den Weg weisen - die in braune Haut gehüllten, hektisch zappelnden Monster wären Gradys einzige Begleiter...

Fort- oder vorgesetzt?

Die manifestierten Albträume in Silent Hill sind seit vier Episoden und einem Kinofilm Markenzeichen der Serie. Aber was genau hat den Horror ursprünglich heraufbeschworen? Und wie ist der neue Protagonist in die Entstehung des dämonischen Herds verwickelt? Origins (Ursprünge) folgt seinem Namen in doppelter Hinsicht, fügt dem in Teil eins bis vier angefangenen Puzzle weitere Teile hinzu, ohne es vollständig aufzulösen. Dass Grady wahrscheinlich vor den bisherigen Akteuren die Bühne betritt, spielt für den in Rückblenden, auf Notizzetteln sowie von Erscheinungen erzählten, leider sehr knappen Plot dabei kaum eine Rolle. Neben offiziellen Hinweisen hinterlassen die Entwickler allerdings einen mit Sicherheit unabsichtlich gelegten Vermerk in Hinblick auf die Zeitlinie: Travis sammelt im Verlauf seines gerade mal fünf bis sechs Stunden dauernden Trips dermaßen viele Schreibmaschinen, Wasserkanister, Werkzeugkisten, Lampen, Aktenschränke oder Fernseher, dass für die

Das Intro, die ersten Schritte sowie einen Zusammenschnitt verschiedener Szenen seht ihr im Trailer von der Tokyo Game Show.
offenbar nach ihm kommenden Protagonisten kaum etwas übrig blieb...

Es liegt am im Kern zwar unveränderten, im Detail aber aufgefrischten Kampfsystem, dass der Trucker so viele Gegenstände benötigt, um sich seinen stöhnenden Widersachern zu erwehren: Geht er in Angriffsstellung, um sich automatisch auf einen Gegner auszurichten und nimmt er ein schweres Fundstück in die Hand, kann er dieses auf den Angreifer werfen. Das allein zwingt die wandelnden Albträume meist zu Boden - ein zusätzlicher Tritt oder Schlag sorgt dafür, dass sie liegen bleiben. Tatsächlich ist es absurd,

Wirklichkeit gewordene Albträume bevölkern die menschenleeren Straßen in Silent Hill.
wie viele große und schwere Gegenstände Grady bei sich trägt. Er besitzt nicht einmal Rucksack oder Tragetasche. Zumal er auch gewöhnliche Waffen wie Schraubenschlüssel, Rasiermesser oder Pistolen aufliest, um die restlichen Kämpfe nicht mit den Fäusten auszutragen.

Survival, Horror?

Die vielfältigen Waffen verhindern allerdings nicht, dass die Auseinandersetzungen meist starr und stupide ablaufen: Mit einem Druck auf die Angriffstaste schlägt Travis zu, das war's. Er kennt keine Blöcke oder Ausweichschritte - nur hin und wieder reicht das leicht zu bewältigende Drücken der angezeigten Tasten, damit er einem Würgegriff abwehrt. Schwierig wird es nur, wenn in engen Räumen selbst die manuelle Ausrichtung der Kamera per Knopfdruck versagt. Besonders PS2-Spieler werden sich ärgern, dass weder der rechte Analogstick noch die zwei zusätzlichen Schultertasten zum Einsatz kommen: Konami portiert das Prequel so kostengünstig und lieblos, dass die Steuerung auf der Konsole veraltet und hakelig wirkt. Von diesem Manko abgesehen sind jedoch selbst die wenigen großen Widersacher, welche er als Einzige nicht umgehen kann, mit ausreichend Schusswaffen im Gepäck ein kaum nennenswertes Hindernis. Aus den in jeder Ecke lauernden Gefahren werden so schnell überall im Weg stehende Hindernisfähnchen; der Bezeichnung Survival-Horror (frei übersetzte: Angst ums Überleben) wird Origins in Sachen Feindbilder kaum gerecht.            

So liegt es an Kulisse und Geräuschen, diese Angst hervorzurufen, und die werden meisterhaft in Szene gesetzt! Sei es eine mit Blut auf den Boden geschmierte Botschaft, ein lautes Klopfen aus dem Zimmer nebenan oder das Schattenspiel im Licht von Gradys Taschenlampe: Silent Hill wirkt so erschreckend greifbar, dass manche Schritte Überwindung kosten. Das gilt besonders für diejenigen, die das Spiel unter Kopfhörern im abgedunkelten Zimmer erleben - und die über das gelegentliche Aussetzen einiger Geräusche hinwegsehen können. Natürlich ist das Szenario im Beisein zahlreicher S-Bahn-Mitfahrer weniger effektiv, doch das gilt letztlich auch für die

Die Parallelwelt sieht stellenweise erschreckend verstörend aus.
ein halbes Jahr später erscheinende PS2-Umsetzung, wenn sie bei Tageslicht gestartet wird.

Unterwegs-Schocker?

Spätestens, wenn Travis in die zum fünften Mal zitierte Parallelwelt - ein verunstaltetes Abbild von Silent Hill - tritt, lassen die Entwickler ihren düsteren Phantasien freien Lauf. Plötzlich dröhnt ein tiefes Knarren aus den Kopfhörern, die sonst mysteriöse, in erzählerischen Pausen sogar melancholische Musik wird zum lauten Hämmern. Blut klebt an den Wänden. Und wenn erst das Gegenstück der echten Welt im letzten Abschnitt nur noch ein rot-schwarzer, architektonisch verzerrter Irrgarten ist, gefriert das Blut in den Adern. In der vollkommen identischen Konsolen-Fassung wirkt der Grusel zwar antiquert, die für die Serie typischen Nebel und Rauschfilter halten die unheimliche Stimmung aber zum Glück aufrecht.

Wo Origins jedoch neue Wege gehen will und den Protagonisten stets zu einem Zeitpunkt seiner Wahl zwischen den Kulissen wechseln lässt, ist es dramaturgisch schwächer als seine Vorgänger. Grady muss lediglich einen Wandspiegel wie eine Tür benutzen, um in die Parallelwelt oder zurück zu treten. Somit staut sich nie der Nervenkitzel, er könne jederzeit in den abscheulichen Schauplatz geworfen werden. Und auch spielerisch bewegt sich der Trip auf viel zu sicheren Pfaden.

An der Wand entlang, Travis!

Dass Survival-Horror selten mehr bedeutet, als gruselige Gestalten zu bekämpfen, Schlüssel aufzulesen sowie Rätsel zu lösen ist keine Eigenart dieser Serie. Doch Origins wirkt geradezu erschreckend geradlinig. Es schleust seinen Akteur so zielsicher durch die Stadt und

Besonders eindrucksvoll sind die Schattenspiele im Lichtkegel der Taschenlampe.
ihre wenigen offenen Gebäude, dass es fast eine Kunst ist, den Schlüssel für die daraufhin folgende Tür oder die Lösung für das anschließende Rätsel zu übersehen. Kaum einen der sich innerhalb eines Gebäudes stark ähnelnden Räume besucht Travis ein zweites Mal, denn alle wichtigen Hinweise, Gegenstände und Waffen findet er auf dem vorgegebenen Weg; freies Erkunden wird weder erzählerisch noch spielerisch belohnt. Zu gut meint es das Spiel auch mit seinen Rätseln. Nein, diese sollen nicht im Stil von Myst vom Schaudern abhalten. Doch wenn die Lösung praktisch vordiktiert wird, kommt schnell der Wunsch nach einer echten Herausforderung auf. Wo manche Titel das Hin- und Herlaufen an einem Schauplatz übertreiben, gehen die Entwickler hier zu sehr auf Nummer sicher. Positiv ist die fehlende Wiederholung nur aus einem Grund: Die Möglichkeiten zum Speichern des Fortschritts sind so sinnvoll verteilt, dass entnervendes Zweit-Abklappern praktisch wegfällt.

Fazit

Hat sich die Faszination an dem meisterhaft zum Leben erweckten Szenario einmal verzogen, bleibt die Erkenntnis, dass das Prequel (der "echte" nächste Teil erscheint wie so oft erst auf PlayStation 3 und Xbox 360) ein im besten und im schlechtesten Sinne verdammt solide inszenierter Horrortrip ist. Es spricht für die Entwickler, dass Silent Hill auf PSP beinahe so aussieht, wie es davor auf PS2 vorgestellt wurde und sich auch fast so anfühlt - unglücklichen Kamerawinkeln beugt der Protagonist mit dem automatischen Anvisieren seiner Gegner vor. Die visuelle Verwirklichung des Albtraums ist beeindruckend, die akustische Untermalung sucht sogar ihresgleichen! Spielerisch überspringt Origins allerdings gekonnt die Jahre zwischen Alone in the Dark und Resident Evil 4: Die Rätsel sind kaum der Rede wert, Gegner keine Herausforderung und abseits des roten Magnetfadens gibt es nichts zu entdecken. Außerdem haben die Entwickler für die späte PS2-Umsetzung jedwede Mühen gescheut, so dass der Konsolentrip optisch zwar überzeugen, in Sachen Steuerung aber mit vergleichbaren Titeln nicht mithalten kann. Schade, denn so wirkt die aktuelle Episode dieses großen Genre-Vertreters wie eine schüchterne Verbeugung vor dem Urvater des Survival-Horrors, anstatt eine konsequente Weiterentwicklung zu sein.

Pro

  • grandiose Musik und Geräusche
  • sehr plastische Innenarchitektur
  • abscheuliche Parallelwelt
  • schöne Licht-, Nebel-, Glanzeffekte
  • Travis zielt automatisch
  • sehr kurze Ladezeiten
  • faire Speicherpunkte

Kontra

  • freies Erkunden wird nicht belohnt
  • sehr geradlinig und kurz
  • große wichtige Gegner zu einfach zu besiegen
  • Geräusche verschwinden mitunter (Neustart hilft)
  • einige unübersichtliche Perspektiven

Wertung

PSP

Ein visuell und akustisch verstörender Horrortrip, der sich zu sehr auf herkömmlichen Strukturen ausruht.

PlayStation2

Dank Nebel und Rauschfilter übersteht die Kulisse die Konvertierung fast unverseht. Die Steuerung wirkt allerdings völlig veraltet.