Pro Evolution Soccer 2009 - Test, Sport, 360, PC, PlayStation3, PSP, PlayStation2, Wii
Wir haben uns über die Jahre an vieles gewöhnt. Z.B. daran, dass Pro Evolution Soccer (PES) eher dank seiner inneren als äußeren Werten überzeugt. Was interessiert eine Lizenz, wenn es auf dem Platz nicht kracht? Was interessiert die ganze Bundesliga, wenn der Puls beim Kicken nicht auf Touren kommt? Wir haben über Jahre vor allem die Qualität in der Spielmechanik mit Platin ausgezeichnet, weil nur sie das Drama zwischen Anstoß und Abpfiff simulieren konnte, das uns begeistert. Und das ist auch gut so, denn es ist eine größere Leistung, die Physik des Balles oder die Unberechenbarkeit von Situationen
Tradition verpflichtet? |
Aus der Glaubensfrage wird zum ersten Mal eine klare Sache: PES 2009 zieht im Direktvergleich den Kürzeren gegen FIFA 09.zu simulieren, als Podolski wie Podolski aussehen zu lassen oder die Allianzarena wie die Allianzarena. Das eine sorgt für Spieltiefe, das andere für Oberfläche. Das eine hat etwas mit Programmierleistung zu tun, das andere mit grafischer Kopierleistung.
Und die Japaner rund um Chefdesigner Seabass hatten den Kanadiern gerade in diesem wichtigen Bereich immer etwas voraus: Sie haben als erste Entwickler Ball und Fuß der virtuellen Kicker physikalisch spürbar voneinander getrennt, um die Führung des Leders realistischer zu gestalten - eine lange Zeit trieb man die Pille bei FIFA wie an der Schnur vor sich her. Sie haben als erste Entwickler die manuell aktivierbare Doppeldeckung, den freien flachen oder hohen Pass in die Tiefe sowie die Flankenvarianten kurz, flach und lang integriert. Sie haben als erste Entwickler eine Ballphysik präsentiert, die mich den Volley wirklich spüren und das Leder richtig krachen ließ. Die Japaner haben verdammt viele Maßstäbe gesetzt und damit das Genre weiter entwickelt. Der Begriff "Evolution" passte bisher auf keine Reihe so gut wie auf diese.
Pionier kontra Kopierer
Aber jetzt passen die kopierten und die eigenen Entwicklungen so gut zusammen, dass FIFA 09 zum ersten Mal unseren Goldaward erobern und uns einen ganz neuen Spaß am virtuellen Kick geben konnte. Und sie passen sogar so gut
zusammen, dass wir FIFA 09 zum ersten Mal vorne sehen. Ja, richtig gehört: PES muss sich geschlagen geben - nicht nur grafisch und akustisch, sondern auch als Fußballsimulation. Das ist eine große Leistung auf der einen und eine ebensolche Ernüchterung auf der anderen Seite, denn in meiner privaten Sammlung steht alles, was mit ISS, Winning Eleven oder PES zu tun hat. Aber seit zwei Wochen kicke nicht nur ich nur noch FIFA 09. Auch Mathias. Und Michael. Und viele andere, die scheinbar zum ersten Mal umsteigen.Dieser Traditionsbruch ist dermaßen ungewohnt für uns, dass man auf Spurensuche gehen muss. Dabei sind erste Gründe schnell gefunden: Während sich FIFA in Sachen Spielmechanik enorm verbessert und fast gleichgezogen hat, serviert Konami eher Stagnation in fast allen Bereichen - selbst da, wo man nach Jahren endlich mal einen spürbaren Fortschritt erwarten müsste. Hinsichtlich der offenen Spieldynamik, die vielleicht schon in Pro Evolution Soccer 6 an das Limit des Möglichen heran kam, ist das nachvollziehbar. Evolution heißt auch, dass große Sprünge nicht mehr möglich sind. Aber hinsichtlich der Spielmechanik bzw. Steuerungsmanöver sowie Ballphysik und vor allem hinsichtlich der Grafik und Akustik ist das nicht nur nicht nachvollziehbar, sondern mittlerweile enttäuschend. Wenn man beide Spiele vergleicht, dann fühlt sich FIFA 09 wie die flüssigere, in vielen Situationen packendere und lebendigere Simulation an, während sich PES dagegen wie fast schon mechanisches Rasenschach alter PS2-Schule anfühlt. Das Problem ist nicht, dass die Japaner plötzlich kein Fußballspiel mehr programmieren können, sondern dass sie die falschen Schwerpunkte in der Entwicklung gesetzt haben und dass die Kanadier plötzlich so einen Sprung nach vorne gemacht haben. Das Problem von PES ist zum ersten Mal seit dieser endlosen Sportspielkonkurrenz die neue Qualität von FIFA, das ein klasse Spielgefühl und eine klasse Kulisse bietet.
Konami vernachlässigt die Kulisse
Das war einmal. Allerdings zeichnete sich schon 2003, nach dem starken Pro Evolution Soccer 2, eine Tendenz ab, die sich leider bis heute halten sollte, obwohl die aktuellen Konsolen technisch so viel zu bieten haben. Damals hab ich die importierte GameCube-Fassung von Winning Eleven 6: Final Evolution so im Fazit beschrieben:
"Eine Spielbarkeit nicht von dieser Welt, verbunden mit einer intuitiven Steuerung und eingepackt in Prachtgrafik machen Pro Evolution Soccer zu einem Pflichtkauf für Fußball-Fans. 4P-Wertung: 91%."
Und von diesem Fazit ist das aktuelle PES sehr weit entfernt, denn die Schere zwischen Spielmechanik und Präsentation klafft weit auseinander - das Fußballerlebnis verliert an Faszination. Man hat hier einfach nicht gut genug gegengesteuert. Das konnte man in den letzten Fassungen noch verzeihen, weil das Spielgefühl immerhin deutlich besser und packender war, weil das Drama auf dem Platz spürbar war. So viel man über die Online-Tauglichkeit von Pro Evolution Soccer 2008 im Nachhinein meckern konnte - es war ein anderes, temporeicheres und schussgewaltigeres Spielgefühl als noch Pro Evolution Soccer 6. Diese letzte Evolution konnte uns neu begeistern. Letzteres würde ich im Nachhinein immer noch als stärksten Vertreter der Reihe ansehen, denn dort wurden alle Grundsteine gelegt, die eine ausgezeichnete Simulation ausmachen.
Enttäuschende Präsentation
Inter Mailand gegen Manchester United - ein Spiel, zwei Erlebnisse (hier zum Vergleichsvideo): Was bei FIFA 09 schon beim Übergang vom aktiven Trainingslademenü in die italienische Arena für Gänsehaut sorgt, verstört bei PES schon zwei Minuten nach dem Anstoß. Zumal man sich vorher durch ein ebenso buntes wie austauschbares Collagenmenü klickt, das zwar entschlackt wurde, aber gegen die EA'sche Hightechvariante inklusive fotorealistischem Training gegen den Torwart wie ein Relikt aus der Retrosteinzeit anmutet. Ein Entwickler, der ein Metal Gear Solid 4 inszeniert, sollte auch eine stylische Benutzeroberfläche für ein Fußballspiel hinbekommen, die besser aussieht als eine Plakatwand. Erst kürzlich erfuhr man jedoch, dass man bei Konami trotz räumlicher Nähe keine Technologien austauscht:
Das ist natürlich eine wenig fruchtbare Firmenkultur. Aber das sind alles Peanuts am Rande. Man darf nicht vergessen, dass wir hier auf hohem Niveau Erbsen zählen. Wen interessiert das Menü, wenn das Spiel auf dem Platz rockt? Aber das tut es nicht mehr so wie früher.
"Right now next to us we have the Kojima Productions team but quite frankly we don't share game influence or information."
Stadionkulisse zum Abgewöhnen
Ich empfehle für PES 2010, dass man nicht nur die Grafik-Engine, sondern auch die komplette Akustik austauscht und dass Konami mal endlich wieder in den Stadien live mitschneidet oder auf der Couch bei Live-Übertragungen aufzeichnet, damit man wieder ganz nah dran an dem ist, was
in den Fußballtempeln wirklich passiert - es soll nämlich tatsächlich so etwas wie ein dynamisches Publikum geben, das emotional auf das Geschehen auf dem Platz reagiert. Da hilft es mir als Käufer auch nichts, dass ich eigene Sounddateien und Fangesänge laden kann, denn die Arbeit der Beschaffung muss ich dann erstmal leisten. Und wenn ich dann im PR-Text lese, dass ich "auf diese Weise individuelle und maßgeschneiderte Matches erstellen und absolvieren" kann, dann frage ich mich, wer eigentlich als Spieldesigner verantwortlich für Atmosphäre und Dramatik ist? Der Käufer oder Konami?Und ich empfehle, dass man das Sprecherduo Hansi Küpper und Wolff Fuss entweder auswechselt oder zu neuen Aufnahmen einlädt, denn seit Jahren geben die beiden denselben Senf zum Kick ab; das ist zwar teilweise solide, aber ich höre da Floskeln, die ich schon in PES 6 gehört habe; hier ist FIFA 09 zwar genau so wiederholungsanfällig, aber in der Situationsbeschreibung einfach besser. Die Kommentare kann ich immerhin ohne Atmosphäreverlust abschalten. Aber das Publikum hört sich nicht nur schlecht an, das sieht auch verdammt schlecht aus: Das Drumherum an Außenbahnen, Fans & Co ist einfach veraltet. Ich erkenne kaum echte Fanblöcke und muss mich immer noch in einigen Szenen mit Pappaufstellern zufrieden geben - selbst in der Champions League. Wenn man schon diese Lizenz hat, kann man die Präsentation dieses höchsten Fußballturniers dann nicht auch entsprechend hochklassig inszenieren? Und dass man auch den Rasen nicht mal beim Abschlag des Torwarts etwas plastischer darstellen kann, dass er teilweise immer noch wie ein glatter Gummiboden aussieht, ist ebenfalls nicht mehr akzeptabel. Aus der Distanz bekommt er dann immerhin ein filzigeres Äußeres, aber auch hier ist FIFA 09 mit seinem Gras vorne.
Die Spielmechanik
Das, was sofort auffällt ist die Entschleunigung des Spiels: Es geht alles wesentlich langsamer vonstatten, das Tempo wurde rausgenommen und man hat viel mehr Zeit im Mittelfeld, um seine nächsten Schritte zu überlegen - und das tut dem Spielaufbau gut, denn er verlangt jetzt etwas mehr Planung und Köpfchen. Während ich in FIFA 09 immer noch todsichere Kurzpässe wie an der Schnur gezogen spielen und damit ohne Fehler schnurstracks das ganze Mittelfeld überbrücken kann, muss ich in PES deutlich mehr Konzentration aufbringen, um überhaupt zwei sichere Pässe zu spielen. Hätte PES dieselben starken defensiven Automatismen wie FIFA, dann wäre diese fehleranfällige Pass-System tödlich, denn man käme kaum voran. Aber PES gleicht diese relative Unsicherheit im Spielaufbau, die sich nach drei, vier Spielen zu einer angenehmen relativen Freiheit mausert, durch schwächere Defensivmechanismen aus. Sprich: Es dauert in PES trotz Doppeldeckung und Pressing viel länger, einem Spieler den Ball abzunehmen als in FIFA. Man muss sich diese Ballgewinne über ein gutes Auge erarbeiten und die Pässe antizipieren. Lobenswert ist auch, dass sich die defensiven Mitspieler deutlich intelligenter verhalten und auch ohne das manuell aktivierte Pressing in Lücken stoßen, um Angreifer zu attackieren. Allerdings sind sie etwas zu langsam, wenn man sie manuell auf den Ballführenden schickt - anstatt ihn wirklich schnell zu attackieren, traben sie fast hin.
Das ausgezeichnete Fundament
Das ist zunächst eine gute Entwicklung, denn sie erhöht das Simulationsgefühl, das im Vorgänger aufgrund der rasanten Antritte von Ronaldo & Co schon mal verloren gehen konnte. Und was die Spieldynamik angeht, kann PES immer noch mit seiner alten Stärke auftrumpfen: Der Fußball sieht hier zwar nicht so klasse und lebensecht aus wie bei FIFA 09, aber er besticht durch eine Offenheit und Unberechenbarkeit im Spielaufbau, die EA trotz großer Fortschritte noch nicht erreicht hat - dieses ausgezeichnete Fundament sorgt dafür, dass PES trotz seiner Defizite letztlich immer noch ein gutes Fußballspiel ist.
Freier Aufbau im Mittelfeld
Und hinkte EA im Bereich der offensiven und defensiven KI bisher hinterher, ist man da jetzt mindestens auf par. In FIFA 09 entsteht gerade durch die in Eigeninitiative getätigten Laufwege der Stürmer in den freien Raum eine ähnlich rasante Offensivdynamik wie in PES. Die hätte dieses Jahr mit der neuen, an EAs ehemalige Off-the-Ball-Kontrolle erinnernde Systematik weiter ausgebaut werden können, aber sie zwingt mir die Intelligenz der KI auf - das kann gut gehen, kann aber auch in die Hose gehen: Wenn ich einen Pass spiele, übernimmt die KI die Kontrolle des Empfängers, so dass ich ohne Ball in den freien Raum steuern kann. In der Praxis sorgt das manchmal für sehr gute Ergebnisse, aber manchmal eben auch für Sackgassen. Dieses indirekte System hat schon in früheren FIFAs nicht gut funktioniert und sollte nur optional eingesetzt werden - einen Fortschritt sehe ich hier nicht.
Was Konamis Kick besser macht, ist immer noch der Tempowechsel: Das Spiel kann hier aufgrund eines Ballgeschiebes im defensiven Mittelfeld fast zum Erliegen kommen und dann kann ich über einen Pass in die Tiefe oder einen schnellen Doppelpass plötzlich Räume schaffen, weil einem die Verteidiger hier selbst bei aktivierter Doppeldeckung und Pressing nicht so gnadenlos auf den Füßen stehen wie in FIFA. Dadurch öffnen sich mehr Räume, dadurch ergeben sich viele kreative Möglichkeiten im Spielaufbau - und das ist die große, aber auch die letzte klare Stärke von PES.
Tempowechsel & Offensive
Denn selbst im heiligen Bereich der Ballphysik ist FIFA 09 ganz vorne mit dabei, dieses Jahr sogar knapp vor PES. Konami hat ja auch die Windverhältnisse sowie den Untergrund stärker in die Berechnung der Passweite mit einbezogen - das ist eine lobenswerte Entscheidung. Allerdings wirkt es manchmal auch ohne Regen und Böen so, als würde man auf durchnässtem Rasen spielen, wenn der Ball auf den letzten Metern plötzlich versackt. Man hat das Gefühl, dass viel zu oft viel zu wenig Druck dahinter ist, wenn es mal wieder zu einem schlaffen Pass oder auch Schuss gekommen ist.
Schießen & Passen
Und diese Art der Verlangsamung beim Passen sollte wirklich nur bei entsprechenden Wetterbedingungen auftreten - hier habe ich aber das Gefühl, dass der Ball auch bei klarem Wetter und Sonnenschein viel zu kraftlos kullert. Außerdem fällt auf, dass es dieser Jahr häufiger zu irritierenden Fehlpässen kommt, dass eindeutig nach außen anvisierte Pässe plötzlich schräg in die Mitte gespielt werden. Man kann natürlich gegen wirken, indem man bei der Annahme schon die Präzisionstaste drückt und dann weiter spielt, aber im Vergleich zu früheren Versionen fragt man sich öfter, warum dem Ball irgendwann die Luft ausging und wieso er jetzt so blöd gespielt wurde. Vielleicht hat man hier einfach zu viel herum experimentiert, denn auch manche Schüsse aufs Tor leiden wie gesagt unter plötzlichem Energieverlust - und das hemmt den Spielspaß. Entweder sind es die neuen Auswirkungen von Boden und Wind, die sie verschlimmbessern oder es ist etwas anderes; der Vorgänger Pro Evolution Soccer 2008 hat uns schon nach drei, vier Matches in diesem Gebiet begeistert. Und FIFA kann hier ebenfalls vorbeiziehen, denn dieses Jahr schlagen auch Volley, Dropkicks und Distanzschüsse bei richtiger Dosierung klasse ein, zumal der Schlenzer für neue Eleganz sorgt.
Was ist sonst noch neu oder anders? Enttäuschend ist erstmal, dass es mal wieder nicht das ausführliche Training zum Nachahmen wirklich aller Steuerungsfinessen gibt, wie man es zu besten PlayStation 2-Zeiten kannte. Sprich: Man kann frei spielen, Ecken und Freistöße sowie Schüsse auf dem Bolzplatz üben, aber man wird nicht im Detail an all die in irgendwelchen Texten oder der Anleitung versteckten Finessen der Steuerung heran geführt - eine Lücke, die wir auch an FIFA 09 kritisierten.
Warum bietet man auf Xbox 360 und PS3 nicht denselben Komfort wie anno 2005 auf PS2? Warum hebt man die (wenigen) neuen Spielmechaniken wie das manuelle Laufen ohne Ball oder die Dribblings oder das Ballabschirmen nicht mit gezielten Übungen hervor? Nicht nur Einsteigern würde das entgegen kommen.Neue Steuerungsfinessen?
Veteranen können natürlich darauf verzichten, denn die Steuerung gleicht der vom Vorjahr wie ein Zwilling. Die Schwalbe ist wieder da, die Freistöße, Elfmeter und Ecken laufen identisch ab. Die Ballannahme kann einfach oder sicher eingeleitet werden. Es gibt bis auf das oben erwähnte Laufen mit dem Mann ohne Ball weder neue Passvarianten noch neue Schusstechniken. Bei Ersteren ist das nicht schlimm, denn die Kurz- und Doppelpässe sowie Zuspiele in die Tiefe sind in PES immer noch vorbildlich. Und nicht nur die Flankenwechsel sind ansehnlicher und effektiver als in FIFA 09, da sie das Spiel schneller verlagern und damit für offene Räume sorgen.
In FIFA 09 sind diese weiten Bälle kaum nötig und wenn man sie spielt, brauchen sie zu lange oder die Ballannahme ist zu lethargisch, um sofort Tempo reinzubringen. Hier ist PES etwas dynamischer. Auch die Flanken in den Strafraum kommen ungeheuer knackig und scharf, bevor es teilweise zu krachenden Volleys oder wuchtigen Kopfbällen kommt. Sprich: Alles, was in PES von der Seite in den 16er herein kommt, ähnelt einer Rakete - fast schon zu sehr, denn selbst mancher Distanzschuss wird in Sachen Wucht von einer einfachen Flanke getoppt. Auch hier hat Konami für meine Begriffe zu viel geschraubt - PES 2008 wirkte da realistischer. Und die Flanken in FIFA 09 wirken dieses Jahr einfach authentischer und fühlen sich nach einiger Übung auch deutlich besser an.
Schüsse anno 2005
Bei den Dribblings gibt es immerhin den Hauch einer Neuerung, obwohl ich nicht verstehe, dass man nach einem angetäuschten Schuss nicht automatisch die Richtung wechselt und diagonal weiter dribbelt - so kannte man in PES 6 noch sehr gut den Torwart umlaufen. Jetzt kann man Finten im Lauf ohne zusätzliche Schultertaste über den linken Analogstick einleiten, so dass man gerade in den ersten Spielen viel öfter auf diese Offensivmanöver zurückgreift. Allerdings hat das natürlich den Nachteil, dass Richtungswechsel und Dribblingvariante schon mal miteinander kollidieren bzw. sich ausschließen, da beides auf demselben Stick liegt. Es gibt auch keine neuen Finten und die Inszenierung der Übersteiger, 360-Dreher & Co liegt zwei Klassen hinter der Eleganz, die FIFA 09 bietet. Da bleibe ich zwar öfter in der Abwehr hängen, aber erstens gibt es mehr Vielfalt an Ballfinessen und wenn ich mal durchkomme, sieht das einfach spektakulärer aus.
Auf den ersten Blick hat sich auch in der Darstellung der Bewegung nichts getan, denn die Animationen und angeblich "komplett neuen" Spielermodelle machen nicht den Schritt nach vorne, den man sich wünschen würde. Ja, es gibt ansehnliche neue Sturz- und Annahme-Bewegungen. Und ja, da heben Spieler nach der Grätsche artistisch ab und egal ob
Toni, Cole oder Ronaldinho - alle Stars überzeugen mit realistischen Gesichtern und individuellen Bewegungen, darunter auch der breitbeinige John Wayne-Freistoß des portugiesischen Jungstars.Wo sind neue Bewegungen?
Aber die im Gegensatz zum Motion-Capturing in FIFA 09 handgezeichneten Bewegungen der Kicker konnten letztes Jahr offensichtlicher überraschen - dieses Jahr muss man schon lange warten, bevor sie mal eine neue Animation zeigen. Außerdem wirken diese einfach zu kantig und hölzern, wenn man sich dagegen die butterweichen und deutlich lebensechteren Bewegungen in FIFA 09 anschaut. Es gab eine Zeit, das war PES auch in diesem Bereich der sportiven Eleganz auf dem Platz klar überlegen, aber man muss sich dieses Jahr geschlagen geben. Und wo sind bitte die lebendigen Gesten, wo ist das Winken der Stürmer, wenn sie in den freien Raum laufen und einen Pass fordern? Ja, das gibt es. Aber viel zu selten! Das, was in FIFA 09 zum Alltag auf dem grünen Rasen gehört, passiert hier viel zu selten.
Es gibt noch einen Bereich, in dem FIFA 09 zeigt, wie es besser und flüssiger geht: Die Ballabschirmung. In beiden Spielen wird sie ähnlich ausgeführt, indem ich im Lauf einfach die Sprinttaste loslasse und anhalte. Sobald das erledigt ist, bringt der Spieler seinen Körper zwischen Ball und Gegner, um ihn zu sichern. So weit, so gut. Mal abgesehen davon, dass das Ganze in PES etwas hüftsteifer aussieht, ist es dort auch unrealistisch stark. Sprich: Wenn ich als Verteidiger versuche, diesen abgeschirmten Ball per Tackling oder Gestocher zu erreichen, wird in PES fast immer Foul gepfiffen - hallo, Körpereinsatz? Das führt zu sehr vielen ärgerlichen Spielunterbrechungen, die manche gerade online auf die Spitze treiben, um Zeit zu schinden. In FIFA 09 gibt es dasselbe Manöver in etwas schwächerer und damit besserer Variante. Sprich: Ich kann den Gegner zwar kurze Zeit auf Distanz halten, aber irgendwann durchbricht er diese Stellung und erobert den abgeschirmten Ball - und zwar ohne Foul. Das sorgt dafür, dass man das Abschirmen nicht inflationär gebraucht und hemmt den Spielfluss nicht.
Die nervige Ballabschirmung
Steriler Karrieremodus
Umso interessanter ist es, dass dieses Jahr endlich was Frisches aufgetischt wird. Aber das, was Konami als "Become a Legend" anbietet ist eher "Become a Statist". Das fängt schon damit an, dass ich bei den ersten Trainingsspielen als offensiver Mittelfeldspieler keinerlei Feedback bekomme - sprich: Es gibt keinen Trainer, der für eine menschliche Komponente sorgt und dem aufstrebenden Spieler im Laufe der Karriere nützliche Tipps zu seiner Position gibt. Das wäre noch zu verschmerzen, denn so etwas fehlt auch in "Be A Pro" von FIFA 09. Man wird auch gar nicht auf das bevorstehende Match und die eventuelle Taktik eingestimmt. Und man erfährt als Reservist noch nicht einmal, wie die A-Mannschaft in der Liga gespielt hat.
"Become A Statist" statt "A Legend"
Nur numerisches Feedback
Die Kamera lässt sich in der Karriere zwar komplett auf euch fokussieren, so dass ihr näher am Geschehen seid - wer diese neue vertikale Ansicht nicht mag, kann auch klassische Perspektiven mit mehr Übersicht wählen. Aber in Schlüsselsituationen sorgt FIFA 09 mit seiner nahen Wackelperspektive für ein deutlich höheres Mittendringefühl. Schon nach ein, zwei Saisons hatte ich aufgrund der sterilen Inszenierung keine Lust mehr, meinen Profi weiter zu entwickeln - theoretisch ist das bis ins Alter von 35 Jahren möglich. Ihr könnt euren Profi übrigens auch online neben denen von Freunden einsetzen, um PES-Punkte zu gewinnen.
Champions League light
Das Logo auf der Packung ist also im Endeffekt eine Augenwischerei, denn dahinter verbirgt sich nicht das komplette Teilnehmerfeld - eigentlich hätte man das auf der Packung mal anmerken können. Aber man hat sich über die Jahre an die Platzhalter gewöhnt und die Community wird sicher bald für Ersatz sorgen. Und dafür darf man im Gegensatz zu FIFA 09 immerhin mit dem aufstrebenden Team des internationalen Fußballs und seinem Jungstar Andrei Arshavin antreten: Zenit St. Petersburg. Auch alle türkischen, griechischen, portugiesischen und französischen Champions League-Teilnehmer sind in voller Trikotpracht dabei. Genau so wie Exoten der Marke CFR Cluj, BATE oder Shaktar. Und es gibt mit dem Stade de France, dem Stadio Olimpico di Torino und der neuen Arena in Wembley auch Stadionzuwachs.
Online-Erfahrungen
Für Europa gibt es acht Server mit einer Kapazität von je 1000 Spielern, darunter einer für deutsche Kicker namens "Jaric". Einmal angewählt, kann man sich in einen von zehn Räumen begeben, um einen Spielpartner zu finden, indem man selber sucht oder ein Match erstellt. Wer will, kann hier auch nach 2-gegen-2-Partien Ausschau halten, die zum ersten Mal möglich sind - bei FIFA 09 ist man schon ein paar Schritte weiter und ermöglicht 10-gegen-10-Partien. Ansonsten wird als Rangliste erneut das Fünf-Divisionen-System verwendet, in dem man bei regelmäßiger Teilnahme von Division 3C in Division 1 aufsteigen kann; wer sechs Tage nicht spielt, wird auch nicht mehr aufgelistet.
Auf dem PC könnt ihr die Kulisse übrigens in einer Auflösung von bis zu 1920 x 1200 betrachten; auch 16:9 wird in mehreren Varianten unterstützt. Die Mindestvoraussetzungen liegen bei einem PIV 1,4 Ghz plus 1 GB Ram und 128 MB-Grafikkarte, die Shader 2.0 darstellt. Optimaler Weise solltet ihr aber einen PIV mit 3 Ghz, 256 MB Ram sowie 256 MB Grafikkarte besitzen, die Shader 3.0 beherrscht. Das Xbox 360-Pad wird am PC einwandfrei erkannt und ihr könnt die Steuerung später frei belegen.
Fazit
Pro Evolution Soccer braucht einen Neuanfang. Konami muss nach all den erfolgreichen Jahren einen Schnitt machen, um auch in Zukunft begeistern zu können. Was bisher immer für pure Faszination gesorgt hat, lässt mich zum ersten Mal seit acht Jahren kalt. Das ist ein überraschender Traditionsbruch, über den ich vor zwei Jahren noch gelacht hätte. Natürlich serviert man immer noch eine gute Simulation, die von ihrer taktischen Freiheit und der Unberechenbarkeit lebt. Aber der qualitative Vorsprung in der Spielmechanik zu FIFA 09 ist einfach nicht mehr in allen Bereichen spürbar: Spielaufbau, Kurzpasskultur, Doppelpässe, KI-Verhalten - da ist man vorne. Schusstechnik, Kopfbälle, Flanken, Ballabschirmung, Dribblings - da liegt man hinten. Und vor allem hinsichtlich der Ballphysik sehe ich keinen Fortschritt - im Gegenteil. Auch im Bereich der Dribblings liegt EA vorne. PES 2009 fühlt sich wie eine verlangsamte, aber nicht unbedingt bessere Variante des Vorgängers an. Die Entschleunigung tut ja gut, aber der Rest tut rein gar nichts - und das war sonst anders. Wenn man gerade im Kernbereich bisheriger Kompetenz an Boden verliert, fallen die äußeren Schwächen umso stärker auf. Fußball muss mehr Drama als Schach sein. Was PES aufgrund seiner Spannung auf dem Rasen immer kaschieren konnte, sticht dieses Jahr grell ins Auge und scheppert zudem ungewohnt grausam ins Ohr: Die Kulisse kann weder im Stadion- noch im Animationsbereich mit FIFA 09 mithalten. Konamis Fußball ist immer noch ein guter, aber er fühlt sich mittlerweile mechanisch und altbewährt im statischen Sinne an, während EAs Kick lebendiger, moderner und frischer auftrumpft. Man hat dieses Jahr das Gefühl, dass die Japaner an kleinen Schrauben gedreht und das große Ganze aus den Augen verloren haben. Oder wie ist es zu erklären, dass die Fangesänge an Monotonie kaum zu überbieten sind? Sie sind ehrlich gesagt eine akustische Frechheit. Dass ich die veralteten Kommentare abschalte ist das eine, aber wenn ich die Stadiongeräusche ausschalte, stirbt auch ein wichtiger Teil der Atmosphäre. Außerdem gesellt sich sich zu dem technischen Stillstand auch noch neue Sterilität: Das, was als "Become A Legend" angepriesen wird, ist nichts weiter als "Become A Statist" und als Karrieremodus eine einzige, dahin geschluderte Farce. Okay, man hat endlich einen stabilen Online-Modus mit nur leichten Abstrichen in der Grafikdarstellung. Aber welcher ist ohne Abstriche noch stabiler, noch umfangreicher und damit besser? Der von FIFA 09. Auch wenn Chefdesigner Seabass im Vorfeld von einem "whole new way of playing football" sprach, hoffe ich, dass er es nicht ernst gemeint hat - denn dann muss man sich Sorgen um die Zukunft machen. Natürlich jammer ich hier auf hohem Niveau: Dieses Fußballspiel ist immer noch ein gutes, auf dem PC auch ein besseres als FIFA 09 - aber das ist zu wenig, wenn man sich die erfolgreiche Tradition anschaut. Für PES 2010 muss es endlich Tabula rasa in Tokyo geben: Neue Grafik, neue Sounds, neue Steuerungsfinessen. Und dabei sollte man eine urjapanische Tugend kultivieren, mit der sich EA nach vielen Jahren der Fehlschläge tatsächlich wieder nach oben geschossen hat: Der Kopie des Besseren. Dieses Jahr ist das eindeutig FIFA 09.
Pro
- offene, freie Spieldynamik
- Aufbautaktik im Mittelfeld
- gute Ballphysik
- krachende Flanken & Volleys
- Wind und Boden wirken sich aus
- PC, 360 & PS3 technisch auf par
- unvorhersehbare Situationen
- individuelles Spielerverhalten
- spürbarer Körpereinsatz
- starke Gegnerintelligenz
- gutes defensives Antizipieren der eigenen KI
- starke KI-Offensivintelligenz
- solider Online-Modus
Kontra
- kein neues Spielgefühl
- Grafik nicht auf HD-Niveau
- verschlimmbesserte Ballphysik
- nervig statische Ballabschirmung
- steriler Karrieremodus
- veraltete Stadionkulisse
- einige üble Torwartaussetzer
- zu viele Pfiffe bei Kleinigkeiten
- grausam eintönige Fangesänge
- zu ruckartige Richtungswechsel & Laufanimationen
- Champions League ohne deutsche Teams
- komplizierte Online-Anmeldung
- keine eigene Ligenbildung online