Disaster: Day of Crisis - Test, Action-Adventure, Wii
Einstieg wie in alten Zeiten
Die kann sogar mit einer ungewöhnlichen Ausgangslage neugierig machen: Denn in einer fiktiven amerikanischen Ostküstenmetropole à la New York treffen zwei denkbar schlechte Umstände aufeinander. Als ob es nicht reichen würde, dass Erdbeben und Feuerstürme die Bevölkerung in Panik versetzen, droht eine Gruppe namens Surge auch noch damit, irgendwo in Amerika eine Atombombe zu zünden. Der Präsident verzweifelt auch deshalb, weil die Terroristen nicht aus einem Schurkenstaat Bush'scher, sondern aus einem Moore'scher Prägung stammen: Es sind tatsächlich Amerikaner.
Der gut gemeinte Terroranschlag?
Das Ganze kommt zwar nicht über B-Movie-Flair hinaus, wird aber packend und knackig inszeniert - hier siegt der Erzählrhythmus über die Erzählqualität. Zumal über die gekidnappten Meteorologen noch die Neugier geweckt wird: Haben etwa die Terroristen die Naturkatastrophen herbei geführt? Haben sie die Panik gar bewusst eingeplant? Das verrate ich nicht, aber das könnt ihr als ehemaliger US-Soldat und aktiver Rettungsexperte in diesem abwechslungsreichen Abenteuer herausfinden. Denn zufälliger Weise haben die Terroristen auch die Schwester eures Freundes als Geisel genommen - also heißt es: Hinterher! Bloß wer?
Die Frage des Helden
Hätten sich die Entwickler da nicht auf einen Pfad konzentrieren können und dann vor allem die Rettungsmaßnahmen in den Vordergrund stellen können? Dann hätte man ein reineres Survival-Spielerlebnis der Marke SOS - The Final Escape inszenieren können, das auf PS2 bereits den Nervenkitzel eines Erdbebenausbruchs simulieren konnte. Ja, hätte man. Aber selbst wenn man im Bereich der Survival-Action keine reinen Zeichen setzen kann und das Ganze mit Lightgunaction verwässert, haben sich die Entwickler doch einige interessante Elemente einfallen lassen, die teilweise an Trauma Center auf dem DS erinnern; auch, wenn man hier nicht chirurgisch mit Nadel und Faden unterwegs ist.
Wunden verarzten & Opfer finden
Da es auch überall brennt, muss man auch mal zum Feuerlöscher greifen und an Hausfassaden das Ausbreiten der Feuerherde verhindern. Außerdem ist manchmal Mut angesagt, wenn man durch Flammen sprinten muss, um Opfer dahinter zu erreichen - danach fängt zwar die Kleidung Feuer, aber über rhythmisches Bewegen von Remote & Nunchuk kann man es ausklopfen. Erwähnenswert ist auch, dass man beim Betreten verrauchter und schwelender Gebiete in Atemnot gerät. Hier muss man entweder schnell sein oder durch rhythmisches Ein- und Ausatmen die Lunge von der Vulkanasche reinigen.
Sobald es gegen die Terroristen zur Sache geht, wechselt das Spiel in die Perspektive eines Lightgunshooters der Marke Resident Evil: The Umbrella Chronicles: Ihr könnt aktiv über das Nunchuk-Schütteln nachladen, auf Knopfdruck hinter einer Deckung verschwinden und nach dem Auftauchen mit Pistole, Sturmgewehr oder Schrotflinte losfeuern. Schön ist, dass es immer wieder Überraschungen wie zerschossene Deckung, heran fliegende Raketen oder von oben herab stürzende Teile gibt, die zur schnellen Reaktion zwingen - so kommt selten Langeweile auf. Auch das Heranstürmen der Gegner sorgt für unberechenbare Situationen.
Action wie im Lightgun-Shooter
Die Fahrsequenzen können da trotz einiger guter Fluchtszenen mit Granatenhagel nicht mithalten: Sobald es in ein Auto geht, benutzt ihr nur noch die waagerecht gehaltene Remote zum Lenken, Bremsen und Gas geben. Das funktioniert auch recht intuitiv, da die Vehikel auf jeden kleinen Schwenk reagieren, aber dennoch fehlt es hier an Nervenkitzel und Begeisterung. Das liegt nicht nur daran, dass die Wagen mit ihren schwachen Texturen eher auf durchschnittlichem GameCube-Niveau dahin rasen, sondern auch daran, dass die Fahrmanöver nicht besonders anspruchsvoll sind. Trotzdem verdaut man auch diese Action, weil sie immer nur häppchenweise serviert wird.
Fahrsequenzen & Vielfalt
Und das ist ein kleines Geheimnis dieses Spiels: Es ist zwar in seinen Einzelteilen sehr klassisch, in manchen wie dem Fahren sogar schwach, aber in seiner Summe auch unheimlich abwechslungsreich - man schlägt immer wieder ein neues Actionkapitel auf und wird umgehend belohnt. Man rettet Menschen, man bekämpft Terroristen, man übersteht Verfolgungsjagden, man übt am Schießstand, man begegnet einer weiteren Naturkatastrophe. Nach jeder Mission erhält man umgehend eine Statistik sowie Erfahrungspunkte in zwei Bereichen. Das Motivierende ist, dass durch dieses Rollenspielelement auch eine Waffen- und Charakterentwicklung möglich ist.
Waffen & Charakter entwickeln
Auch die körperliche und geistige Verfassung des Helden lässt sich entwickeln: Wer fleißig Menschen rettet, kann die dort gewonnenen Punkte in seinen Charakter investieren. Neben der reinen Stärke lassen sich auch Traglast, Konzentration sowie Stoffwechsel ausbauen. Sobald man Punkte investiert, erkennt man in einem Fünfeck à la Pro Evolution Soccer, welche Bereiche sich wie stark verbessert haben. Und so kann man seinem Helden einen Hauch von persönlicher Note geben, z.B: eher auf viel Munition statt Energie-Effizienz setzen, selbst wenn sich das Spielgefühl dadurch nicht stark verändert.
Eine Kiste für einen Burger
Genau so wie die Schrittgeräusche, die der Held auf dem Asphalt von sich gibt: Bei einem Spiel, das ansonsten eine derart markante Soundkulisse mit pompösem Titelthema aufbietet, sticht dieses unpassende Stöckelschuhgeklicke ganz besonders ins Ohr - das hätte die Qualitätssicherung einfach verhindern müssen! Die englischen Sprecher befinden sich hingegen auf Top-Niveau, allerdings werden viele Nebenfiguren stumm mit deutschen Texten abgespeist - es gibt leider keine interaktiven Dialoge. Die Kulisse leistet sich zwar im Texturbereich kleine Schwächen und die Animationen mancher Figuren wirken etwas hölzern, aber sie wirkt insgesamt sehr ansehnlich und nach Metroid Prime 3 kann endlich ein Actionspiel auf Wii auch wieder optische Zeichen setzen. Nicht nur die Renderfilme sorgen für gestochen scharfe Katastrophenstimmung, auch die Mimik sowie die Gesichtsdarstellung gehören in den sehr guten Bereich.
Fazit
Na also! Geht doch! Wann habt ihr das letzte Mal auf Wii Unterhaltung alter Schule genossen? Und zwar exklusive? Also ohne Gütesiegel für Familien, ohne Rücksicht auf die eigene Fitness oder den Intelligenzquotienten? Das ist verdammt lang her. Bei mir war es Metroid Prime 3: Corruption. An dieses Highlight kommt Disaster mit seiner Mischung aus Survival-Action und Lightgun-Shooter zwar lange nicht heran, aber es ist abwechslungsreich, spannend und zeigt einige der prächtigsten Szenen, die man bisher auf Wii sehen konnte. Und das tut Nintendos Konsole richtig gut. Vielleicht hätte es Disaster besser gestanden, wenn man sich ähnlich wie in SOS - The Final Escape auf die Herausforderungen einer Naturkatastrophe konzentriert hätte - denn in diesen Situationen ist das Spiel etwas Besonderes. Damit hätte man dem Abenteuer mehr Charakter geben können als mit belanglosen Fahr- und altbekannten Schuss-Sequenzen. Außerdem nerven die Schrittgeräusche sowie das primitive Kistenkloppen für Power-ups. Aber am Ende ist es dennoch die Mischung, die mich im wahrsten Sinne des Wortes auf Trab hält: Während die Stadt von Feuerstürmen, Erdbeben und Tsunamis bedroht wird, arbeite ich mich zum Zentrum der Terroristen vor, renne durch Feuerwände, rette Menschen und entwickle meinen Charakter. Unterm Strich ist Disaster ein gut geschnittener Thriller mit dem Popcornflair alter Zeiten. Auch wenn man aufgrund einiger Schwächen keine Wertungsgrenzen sprengen kann: Dieses Spiel füllt eine Lücke. Es tut verdammt gut, endlich mal wieder mit Remote und Nunchuk in ein ansehnliches Actionspiel abzutauchen - viel Spaß damit!
Pro
- rasanter Action- & Survivalmix
- gut inszenierte B-Movie-Story
- komfortables Speichersystem
- klasse Mimik & Gesichtsdarstellung
- sehr gute Soundkulisse
- spektakuläre Levelveränderungen
- schöne Rauch- & Qualmeffekte
- sehr ansehnliche Renderfilme
- einige dramatische Situationen
- Waffen- & Fähigkeitenentwicklung
Kontra
- lineares Spieldesign
- grauenhafte Schrittgeräusche
- langweilige Fahrsequenzen
- keine Bewegung in Schuss-Abschnitten
- nur durchschnittliche Animationen
- blödes Zerdeppern für Power-ups