Fallout 3 - Test, Rollenspiel, 360, PlayStation3, PC
Das Licht der Welt |
Die weite Sicht auf das Ödland rund um Washington: Im Jahr 2277 gleicht Amerika einer rauchenden Trümmerwüste.Zu Beginn zwängt man sich als Säugling durch den schützenden Schoß seiner Mutter, um mit einem Urschrei endlich der brütenden Dunkelheit zu entfliehen. Wenn man das erste Mal mit dem Analogstick das Köpfchen schwenkt, begrüßt einen der stolze Vater. Dann darf man seinen Namen eintragen. Ein Jahr später stirbt die Mutter. Das prägt.
Neunzehn Jahre später zwängt man sich als junger Mann erneut durch einen Tunnel, um das erste Mal die unterirdische Sicherheit hinter sich zu lassen und seinen geflohenen Vater zu suchen. Wo ist er bloß hin? Um diese Frage herum wird der rote Faden des Spiels gewoben, das eigentlich erst beginnt, wenn man die letzte Bunkertür öffnet. An den Anblick dahinter muss man sich erstmal gewöhnen: Denn wenn man diesmal den Analogstick schwenkt, blickt man im grellen Licht auf die Trümmerwüste des postatomaren Washington. Auch das prägt.
Der Einstieg in das Abenteuer ist ein grandioser. Dafür sorgen nicht nur diese zwei Erlebnisse, die mit Licht am Ende eines Tunnels zu tun haben. Hinzu kommt auch ein Hauch von BioShock, den die süffisante Titelmelodie mit ihrem "I don't want to set the world on fire" ebenso vermittelt wie das Artdesign über Poster, Frisuren und Mobiliar: Da die Spielwelt von Fallout 3 (ab 5,05€ bei
Grandioser Einstieg
Bethesda schafft es mit diesen Stilmitteln, ein spießiges Amerika des Stillstands abzubilden - und das meistern sie das gesamte Abenteuer hindurch. Noch wichtiger für den Einstieg ist das Mittendringefühl, das einen nicht mehr loslässt. Zwischen dem ersten Lebensschrei und dem ersten Todesschuss liegt - übrigens ähnlich wie in Fable II - die gespielte Charaktererschaffung eines männlichen oder weiblichen Helden. Ihr taucht in bestimmte Lebensabschnitte ein, um eure Merkmale dann klassisch festzulegen. Das ist eine überaus motivierende Mischung, die eine Brücke zwischen dem Auswürfeln und Ausspielen schlägt. Und sie zeichnet das Bild eines sicheren, aber spießigen Lebens im Atomschutzbunker Vault 101.
Charaktererschaffung im Bunker
Erst mit dem zehnten Geburtstag beginnen dann erste Dialoge, man darf mit dem Luftgewehr in das Kampfsystem reinschnuppern und man bekommt mit dem Pip-Boy 3000 eine erweiterte Variante der Benutzeroberfläche, die schon in Fallout 2 begeisterte. Das Team von Bethesda setzt quasi da an, wo der Klassiker aufhörte und vermittelt von Beginn an vor allem eines: Rollenspielatmosphäre. Das heißt, dass ihr immer mehrere Antwortmöglichkeiten von freundlich, neutral bis barsch oder gar aggressiv habt. Und schon die ersten Gespräche mit euren Gästen wirken sich später aus. Lasst ihr euch z.B. den Kuchen wegnehmen oder wehrt ihr euch? Wollt ihr die Tochter des Aufsehers beschützen oder ist sie euch egal?
Psychotest & Spezialfertigkeiten
Bei jedem Aufstieg könnt ihr dann fünfzehn Punkte frei verteilen. Interessant wird das System durch die Spezialfertigkeiten, mit denen ihr besondere Boni bekommt oder in bestimmten Fähigkeiten schneller voran kommt: Als "Ladykiller" fügt man Frauen 10% mehr Schaden zu, als "Heller Kopf" bekommt man immer 10% mehr an Erfahrung, als "Dieb" erhält man umgehend fünf Punkte zusätzlich auf "Schleichen" und "Dietrich". Diese Fertigkeit lässt sich wie einige andere in drei Stufen ausbauen, so dass man sich sehr gut spezialisieren kann.
Fallout wurde 1997 als isometrisches Rollenspiel für den PC von Interplay entwickelt. Damals beherrschte die klassische Fantasy noch die Bildschirme. Nicht nur das postatomare Szenario, auch das rundenbasierte Kampfsystem mit seinen Aktionspunkten sowie die Charakterentwicklung (S.P.E.C.I.A.L.) konnten überzeugen. Ein Jahr später entwickelten die Black Isle Studios dann Fallout 2 für den PC, das 80 Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers ansetzte, hinsichtlich Spielwelt, NPCs & Co umfangreicher ausfiel und dem Helden bereits einen Pip-Boy als Interface spendierte. Für viele gilt der Nachfolger als das bessere Rollenspiel. Weder das strategisch angehauchte Fallout Tactics: Brotherhood of Steel (2001, PC) noch der enttäuschende Actionableger Fallout: Brotherhood of Steel (2004, PS2) konnten an den Ruhm des zweiten Teils anknüpfen.Außerdem werden je nach Erfahrungsstufe neue Fertigkeiten freigeschaltet, so dass es immer kniffliger wird, sich zu entscheiden - zumal Möglichkeiten von bizarr bis effizient offen stehen: Ab Level 12 kann man als "Kannibale" zum Zwecke der Heilung Leichen essen. Ab Level 14 kann man sich ein "Adamantium Skelett" zulegen, so dass man nur noch 50% an Schaden nimmt und ab Level 20 darf man als "Ninja" mit kritischen Treffern um sich hauen. Letzteres verlangt allerdings einen Wert von 80 sowohl auf Schleichen als auch Nahkampfwaffen.
Kleiner Blick auf die die Fallout-Serie: |
Aber wer interessiert sich für diese Arithmetik, wenn eine Fähigkeit in der Spielwelt nicht spürbar ist? Wie schlägt sich Fallout 3, wenn man den grandiosen Einstieg hinter sich hat und im Ödland unterwegs ist? Die Motivation zur Erforschung ist jedenfalls enorm. Und bevor man den Bunker als Jungspund verlässt, weht noch mal ein Hauch von BioShock, als man die Audionotiz seines Vaters findet. Darin erklärt er, dass er nicht will, dass man ihm folgt. Und plötzlich unterbricht ihn eine unbekannte Stimme im Hintergrund. Wer war das? Steckt da etwa mehr hinter der Flucht?
Ab in die Sonne
Falls ihr wollt, könnt ihr euch auf die Vatersuche begeben und Antworten finden - und das kann ich nur empfehlen, denn dieser Erzählstrang ist straff und spannend. Zwar wird man an der Angel der Neugier immer weiter zu den Spuren des Vaters geführt, muss für jeden Hinweis eines Augenzeugen wieder neue Aufgaben und Gefälligkeiten leisten, aber die Suche wird von einer Story belohnt, die einen irgendwann nicht mehr loslässt. Das liegt zum einen daran, dass sie kommentiert wird: Ähnlich wie in Grand Theft Auto IV kann man Radiosender laufen lassen. Entweder den patriotischen Rundfunk der "Enklave", wo sich ein erzkonservativer Präsident "Eden" an die letzten rechtschaffenen Amerikaner richtet. Oder "Galaxy News", wo sich ein cooler Rebell namens "Three Dog" für die Wahrheit einsetzt und euren Vater getroffen hat.
Live im Radio, frei zum Abschuss!
Falls ihr keine Lust auf die Odyssee zum Vater habt, erforscht ihr das Ödland einfach so auf eigene Faust. Ihr könnt also auch auf die Hauptstory pfeifen. Ähnlich wie The Elder Scrolls IV: Oblivion entlässt euch Fallout 3 in eine offene Spielwelt, in der ihr theoretisch machen könnt, was und wie ihr wollt. Ihr könnt euch überall austoben, an der Oberfläche Enklaven, Siedlungen und Städte finden und unter der Oberfläche über all die Metro-Stationen nach Geheimnissen suchen. Es gibt eine Stadt auf einem Flugzeugträger mit politischen Machtkämpfen, eine komplett verminte Stadt namens Minefield, es gibt eine unterirdische Stadt voller Ghule, es gibt Brutstätten von bizarren Wesen, es gibt riesige Bibliotheken und Museumsinseln, in denen Mutanten patrouillieren.
Was soll ich als Erstes tun?
Diese kleinen wirren Geschichten innerhalb der großen epischen Geschichte können sich durchaus mit dem messen, was sonst nur BioWare aus dem Rollenspielhut zaubert. Außerdem zieht sich durch viele Aufträge ein angenehm morbider Humor. Irgendwann findet man ein Audiotape und der erste Satz lautet: "Wenn sie dieses Band abhören, klebt mein Hirn an der Wand." Danach wird man auf eine kleine Schnitzeljagd geschickt, muss erst einen Schlüssel in einem Löschkasten finden, damit einen Safe öffnen und das darin enthaltene Paket irgendwo abliefern. Gerade hält man es in den Händen, schon wird man am Ausgang vom angeblichen Besitzer aufgehalten - wie reagiert ihr?
Ghule sehen mit ihren Hautfetzen aus wie Zombies und müssen gefährlich sein? Vor allem, wenn man zwei davon in einer verlassenen Station trifft? Ihr könnt sie natürlich sofort umnieten, aber wenn ihr ihnen helft, ein paar Zutaten zu sammeln, dann mixen sie euch einen Schuss, der euch im Kampf richtig nach vorne bringt. Aber Vorsicht: Alles in Fallout 3 kann süchtig machen - Chemie und Alkohol sowieso. Und wer einmal abhängig ist, muss mit Entzugserscheinungen leben, die das Bild verschwimmen und euch in unpassenden Momenten wanken lassen. Nur ein Arzt kann hier den Entzug einleiten, falls ihr nicht immer mehr einschmeißt.
Interessante Quests
Wenn man dann in den unterirdischen Stützpunkt dieser Monster eindringt, hat man ein flaues Gefühl im Magen und den Raketenwerfer bereits entsichert. Umso überraschter ist man nach dem vorsichtigen Gang durch düstere Metroschächte, als man relativ freundlich von der Wache empfangen wird. Ein Trick? Haben die ihre Kessel schon angeheizt? Wollen die mich nur tiefer in ihre Fress-Höhle reinlocken? Bethesda spielt hier sehr gekonnt mit all dem, was man eigentlich erwarten würde. Noch überraschter ist man dann, als man den Chef der Gruppe trifft, der über seine kannibalische Vorliebe philosophiert und tatsächlich schlüssig erklären kann, warum seine Familie nur aus Opfern der Verstrahlung besteht. Außerdem habe er den Jungen vor seinen kannibalischen Neigungen bewahrt und geschützt.
Weiter verrate ich nichts. Aber. Glaubt ihr ihm? Und geht ihr weiter auf ihn ein? Nur so viel: Ihr könnt das Ganze angewidert beenden und die Höhle mit Granaten, Projektilen und Raketen ausräuchern. Ihr könnt das Ganze über entsprechende Begabungen auch rhetorisch so beenden, dass ohne einen einzigen Schuss sowohl der Junge befreit als auch das Dorf von der Gruppe beschützt wird. Ihr könnt aber auch irgendwo im laufe des Gesprächs scheitern und noch vor Ort zusammen geschossen werden.
Diebstahl & Karma
Ein konkretes Beispiel für den Diebstahl: Eine Frau schläft. Wer sich als Langfinger an ihren Schrank machen will und nicht geräuschlos schleicht, wird von ihr entdeckt. Daraufhin stürmt sie auf euch zu, mault euch an und entwendet euch automatisch die gestohlenen Sachen - es gibt also noch keinen Kampf, nur eine Rückgabe. Erst, wenn ihr gewalttätig werdet oder wiederholt stehlt kommt es dazu, dass sie Hilfe ruft oder euch attackiert.
Wenn ihr jedoch erfolgreich schleichend an den Schrank heran kommt und stehlt, passiert gar nichts. Nur sinkt sofort das eigene Karma - das ist quasi die moralische Instanz in Fallout 3, die bei guten Taten steigt und bei schlechten sinkt. Dieses übergeordnete, alles sehende Moral wird seltsamerweise nirgends richtig angezeigt, wirkt sich aber ebenfalls auf das Verhalten der Bewohner aus: Schon ganz zu Beginn will euch ein Söldner z.B. nicht folgen, wenn ihr ein zu rechtschaffener Typ seid. Er spielt zwar mit dem Gedanken, euch zu begleiten, aber wenn das Karma zu hoch ist, dann lehnt er barsch ab.
Hacken & Schlösser knacken
Das klassische Aufbrechen von Schlössern funktioniert über Haarnadel und Schraubenzieher, die ihr beide getrennt voneinander bewegen könnt. Mit der feinen Nadel tastet ihr euch langsam vor und achtet auf Geräusche, während ihr mit der breiten Spitze des Schraubenziehers im richtigen Moment nachsetzt und das Schloss aufhebelt - wenn ihr zu ungeduldig seid, bricht die feine Nadel ab und das Spiel geht von vorne los. Zu Beginn ein gewöhnungsbedürftiges, später ein sehr effektives System.
Das Kampfsystem lässt euch auf zwei Arten agieren, wobei ihr auch fließend wechseln könnt: Entweder wie in einem Shooter
in Echtzeit samt fadenkreuz oder über die Aktionspunkte rundenbasiert. Da Fallout 3 immer noch ein Rollenspiel ist, in dem eure Kampfwerte und nicht eure Hand-Auge-Koordination oder das rote Fadenkreuz über die Wahrscheinlichkeit eines Treffers entscheiden, empfehle ich dringend das rundenbasierte V.A.T.S.-System; nicht gegen Kakerlaken und Maulwurfsratten, aber gegen alle fordernden Gegner.Krieg bleibt immer gleich
Denn nur dann schaltet die Ansicht auch in eine Darstellung, in der ihr einzelne Gliedmaßen wie Kopf, Beine, Arme oder Rumpf anvisieren könnt. Der Vorteil ist, dass schon hier die Trefferwahrscheinlichkeit angezeigt wird und etwas Taktik ins Spiel kommt. Denn es gibt Gegner, die nur an bestimmten Stellen verwundbar sind oder die man am besten zuerst bewegungsunfähig macht, bevor man ihnen den Rest gibt. Manche Insekten sind an ihren Antennen empfindlich, manche Mutanten sind am Rumpf komplett unempfindlich. Die zweibeinigen Mirelurks decken z.B. schon beim Angriff ihren kleinen Kopf ab und schwenken ihren Panzer bei Beschuss in eure Richtung - hier sollte man den rundenbasierten Kampf in dem Moment aktivieren, wo sie ihr Maul zeigen; dann friert das Bild ein und man kann es auch anvisieren.
Sehr schön ist auch, dass ein Feind hinter einer Deckung bei den betreffenden Körperteilen null Prozent aufweist - es lohnt sich also, sich zu verschanzen. Und wenn man dann den Abzug im rundenbasierten Modus drückt, gibt es sehr coole Zeitlupenszenen, die den Einschlag eurer Projektile samt dem Zusammenbrechen des Gegners zeigen. Vor allem, wenn man einen Supermutanten mit dem letzten Schuss auf dem letzten Meter niederstreckt und er vor einem zu Boden kracht, kommt mit den ultralangsamen Kamerafahrten fast Max Payne-Freude auf. Allerdings nutzt sich die optische Freude bei der zwölften Maulwurfsratte durchaus ab.
Die Schwächen des Kampfsystems
Zum anderen kann man das rundenbasierte System zu seinen Gunsten ausnutzen: Wer einmal schießt, verliert Aktionspunkte, die sich erst mit der Zeit wieder aufladen. Jetzt kann man allerdings sehr oft um die Gegner herum rennen, bis sich die Leiste auflädt, ohne dass sie einen für ihren Gegenangriff erreichen könnten. Oder man rennt einen langen Gang einfach weiter zurück und legt fleißig Sprengminen. Dieses Verhalten rettet einem oft das Leben und hätte von der KI vielleicht auch mal gekontert werden müssen.
Hinzu kommt, dass die KI zwar teilweise gutes Verhalten zeigt: Rückzug bei schwerer Verwundung, Nachladen in Deckung etc. - man kann da ab und zu realistisches Kampfverhalten sehen. Aber sie zeigt auch richtig schlechtes bis dummes Verhalten, so dass die taktische Atmosphäre in so mancher Situation zerstört wird. Mal abgesehen davon, dass man einzelne Feinde einer Gruppe mit Schusswaffen angreifen kann, ohne dass die etwas 100 Meter entfernten verbündeten darauf reagieren würden, indem sie zu Hilfe eilen, beenden manche Monster den Kampf mitten im Gefecht und suchen ihren Gegner - dabei hat sich an der Position nichts geändert, dabei hat man sich gerade noch bis auf's Blut beschossen.
Schön ist, dass man des Öfteren Kämpfe zwischen verfeindeten Gruppen beobachten und mit etwas Geduld davon profitieren kann, dass sie sich gegenseitig aufreiben. Und ähnlich wie in Deus Ex kann man hier und da über das geschickte Hacken von Computern auch Wachroboter einsetzen, die einem den weg freischießen.
Der am Arm getragene Pip-Boy 3000 ist quasi eure Benutzeroberfläche und Charaktermenü in einem. Er informiert euch über eure Fähigkeiten, den Standort, die Verletzungen, die Aufgaben und den Grad der Verstrahlung, denn nichts hat in der Fallout-Welt Bestand. Ihr müsst quasi alle paar Stunden Ausrüstung und Waffen reparieren, da sie sonst zu verfallen drohen. Gerade angesichts der Tatsache, dass man sehr oft in seinem Inventar unterwegs ist, wirkt die Bedienung nicht gerade intuitiv. Man braucht sehr lange, um sich die benötigten Informationen zu holen, ohne sich zu verklicken - sowohl auf dem
PC als auch der Konsole.Die Benutzeroberfläche
Neben dem Fehlen einer Karma-Anzeige vermisst man manchmal auch nähere Details zu Waffen und Aufträgen. Zwar wird alles sauber archiviert, angelegt und abgehakt, aber man kann nicht tiefer vordringen. Bei den Waffen würde mich z.B. die Reichweite interessieren, aber man kann nicht auf seine Schrotflinte oder Pistole klicken, um mehr Infos zu bekommen. Das gilt auch für die Aufträge, die manchmal nur aus einem Satz bestehen. Schön ist, dass man die Audionotizen alle noch mal abrufen und dass man alle Gegenstände sortieren kann. Gerade beim Verkaufen wäre man ohne diese Gruppierung in einem Wust aus Items aufgeschmissen.
Ein angenehmer Wust zeichnet sich bald auf der Weltkarte ab, auf der nach Gesprächen oder Aufgaben immer mehr Orte eingetragen werden. Wie in Oblivion könnt ihr aber nur zwischen bekannten Orten schnell hin und her reisen, indem ihr sie auf der Karte anklickt. Wenn euch jedoch jemand sagt, dass ihr ein Päckchen nach Gradyvale bringen sollt, wird der Ort zwar markiert, so dass ihr eine Richtung habt, aber ihr müsst ihn selbst erreichen. Sprich: Einen Weg dorthin finden. Das ist in Fallout kniffliger als in Oblivion, da hier sehr viele geradlinige Zugänge an der Oberfläche verschüttet oder abgesperrt sind, so dass man immer wieder in die gefährlichen Metro-Stationen abtauchen muss, um voran zu kommen.
Der Blick auf die Kulisse
Dieses Abenteuer lädt auf den ersten peniblen Blick nicht unbedingt zum Verweilen oder gar Abtauchen ein, denn nahe Umwelt, Mimik, Gestik und Animationen befinden sich sowohl auf PC als auch Xbox 360 und PlayStation 3 nur auf durchschnittlichem Niveau. Im Vergleich zu Oblivion wurde die Zahl der Pop-ups zwar verringert, aber im Bereich der Bewegungen von Humanoiden und Monstern scheint man 1:1 auf dem Stand des Fantasy-Rollenspiels zu verharren. Man gewöhnt sich allerdings an die etwas holzschnittartigen Drehungen und Spaziergänge der NPCs.
Wenn man die Plattformen ganz genau vergleicht, fällt auf, dass die PC-Version den harmonischsten Eindruck hinterlässt, was den Detailgrad sowie das späte Einblenden von Objekten angeht. Direkt dahinter folgt die Xbox 360-Version, die eine farbenfrohere und kontrastreichere Kulisse als die PS3-Version zeigt - vor allem die Brauntöne sind satter. Bei Letzterer fallen vor allem die schwächere Kantenglättung sowie die brüchigen Schatten auf, die auf Microsofts Konsole weicher und damit weniger störend wirken.
Erst auf den zweiten Blick kann Fallout 3 auf allen System auch grafisch punkten - und zwar mit seiner Architektur, seinem Licht und seiner Monumentalität. Bethesda fängt das zerstörte Washington nicht nur mit seinen teilweise begehbaren baulichen Merkmalen wie dem Kapitol oder dem Washington Monument ein, sondern fügt mächtige Statuen und fiktive Gebäude hinzu. Und selbst wenn keine optischen Reize à la Crysis: Warhead an der Texturoberfläche oder in der im Vergleich zu Mass Effect hoffnunglos veralteten Gesichtsmimik entstehen, kann Bethesda mit seinem Tagnachtwechsel sowie den daraus resultierenden Lichtspielen für eine idyllische Atmosphäre sorgen, die man auch aus STALKER kennt.
Monumentale Schönheit
Die wird lediglich durch kleinere Bugs getrübt: Auf dem PC hatten wir einen Absturz, auf der PS3 kam es im Einstieg einmal nicht zur Befragung des jungen Abenteuers - erst nach dem erneuten Laden wurde der Psychotest gemacht. Abschließend auch ein großes Lob für die deutsche Lokalisierung, die das Debakel von Oblivion mit ihren meist sehr gut übersetzten Texten sowie der gelungenen Sprachausgabe vergessen macht. Die deutschen Stimmen passen hervorragend zu den Charakteren und können sich an jeder Stelle hören lassen. Lediglich weibliche Helden müssen mit ein paar Inkonsequenzen in der Anrede rechnen, da hier scheinbar nicht alles auf Frau zugeschnitten wurde. Ansonsten gibt es lediglich kleine Übersetzungsfehler, die nicht stark ins Gewicht fallen.
Fazit
Warum sollte man einen gut gesicherten Schutzbunker verlassen, um sich einer radioaktiv verseuchten Welt voller Ghule, Mutanten und Verrückter auszusetzen? Weil da draußen ein herrlich freies Rollenspiel wartet! Ihr entscheidet, wie ihr die Aufgaben in dem riesigen Ödland lösen und wie ihr euch entwickeln wollt. Wenn man erstmal den grandiosen Einstieg der gespielten Charaktererschaffung genossen und sich an die spröde Schönheit des postapokalyptischen Washington gewöhnt hat, dann kommt man so schnell nicht mehr davon los. Man versinkt zwischen Aufträgen und Abhängigkeiten, zwischen Vorurteilen und Überraschungen, zwischen unbesuchten Orten und nicht gehackten Computern - es gibt so viel zu entdecken, während sich die Atmosphäreschlinge gnadenlos zuzieht. Das Kampfsystem ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: So sehr man sich über das taktisch kluge Anvisieren sowie die spektakulären Zeitlupen freut, so sehr fallen die Aussetzer im KI-Bereich auf, die so mancher Situation die Glaubwürdigkeit rauben. Fallout 3 hat auch Komfortlücken im Inventar sowie Schwächen im grafischen Detail, die aber durch die architektonische Monumentalität und die Endzeitstimmung wieder ausgeglichen werden. Bethesda stellt der amerikanischen Utopie eine düstere Dystopie entgegen, die scheinbar nur aus Drogen und Gewalt besteht. Vor allem die vielen historischen Gebäude Washingtons, das teilweise an Bioshock erinnernde Artdesign der 50er Jahre sowie die Radiosendungen, die über eure Taten berichten, sorgen zusammen mit dem schwarzen Humor für eine dichte Atmosphäre. Fallout 3 kann hässlich und herrlich, depressiv und witzig, menschlich und skrupellos sein. Und ihr habt immer die Wahl, wie ihr euch durch diesen amerikanischen Alptraum schlagt.
Pro
- riesige Spielwelt+ hervorragender Einstieg
- viele gute Missionen
- interessante Hauptstory
- komplexe Charakterentwicklung
- Handlungen haben Konsequenzen
- effizientes Schleichen möglich
- Aufgaben auf viele Arten lösbar
- sehr gutes Artdesign
- schwarzer Humor & Gesellschaftskritik
- stimmungsvolle Katakomben & Höhlen
- spektakuläre Kampfzeitlupen
- beeindruckende Architektur
- gutes Hack- & Schlossknacksystem
- stimmungsvoller Tag/Nachtwechsel
- herrlich süffisante Titelmelodie
- Spielzeit: 30 Stunden plus X
- sehr gute deutsche Lokalisierung & Sprecher
Kontra
- schwaches KI-Kampfverhalten
- Mimik & Animationen nur Durchschnitt
- keine Reaktion bei gezückter Waffe