Siren: Blood Curse - Test, Action-Adventure, PlayStation3

Siren: Blood Curse
03.11.2008, Benjamin Schmädig

Test: Siren: Blood Curse

Re-Imagination: Das modische Synonym für Remake steht derzeit hoch im Kurs. Vor allem die TV-Bosse in Hollywood holen gerne ihre ollen Kamellen aus der Versenkung, frischen sie mit neuen Gesichtern auf und verkaufen das Ganze als innovativen Retro-Trip. Manchmal geht die Rechnung auf - wenn im Fall von Battlestar Galactica z.B. über eine neue Figurenkonstellation eine vollkommen andere Geschichte erzählt wird. Manchmal entpuppt sich das Ergebnis allerdings als plumper Wiederholungstäter, der schon im Original keinen Oscar gewonnen hätte - wie im Fall Siren: Blood Curse (ab 69,95€ bei kaufen) eben.

Ein abgeschiedenes Dorf irgendwo in den Bergen Japans: Vor 30 Jahren wurden hier angeblich Menschen geopfert - eine grausige Legende, der ein amerikanisches Kamerateam auf den Grund gehen will. Aber sie sind nicht die einzigen, die das Geheimnis um Hanuda enträtseln wollen. Während ihr deshalb erlebt, wie sieben Schicksale immer tiefer in das Furcht erregende Grauen gesogen werden, kommt ihr nach und nach dem Mysterium um ein uraltes Ritual auf die Spur. Bis irgendwann das unheilvolle Heulen einer Sirene das Blut in euren Adern gefrieren lässt...

Geschnittener Faden

Selbst wenn die Geschichte um das Heraufbeschwören finsterer Mächte nicht des Einfallsreichtums letzter Schluss ist: Die ungewöhnliche Erzählweise macht sie spannend. Denn weil der rote Faden nicht in einem Zug vom Knäuel gerollt, sondern in zeitlich versetzten Bruchstücken abgeschnitten wird, ist der Kopf stets mit entschlüsseln beschäftigt - ein geschickter Trick, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Vielleicht verlassen sich die Entwickler dabei zu sehr auf das Zerteilen

Was geschieht in Hanuda? Howard muss dem Rätsel auf den Grund gehen.
ihrer Geschichte, denn viel mehr als die Frage nach dem "Was passiert denn nun in Hanuda?" wird in den meisten Filmszenen nicht beantwortet. Charakterzüge werden meist nur oberflächlich skizziert und selbst die Verbindungen zwischen den teils tragischen Protagonisten nur angekratzt. Hinzu kommt, dass nahezu der komplette Ablauf bereits aus dem ersten Siren (hierzulande in Forbidden Siren umgetauft) bekannt ist. Auch die Charaktere existierten in nahezu identischer Form bereits im ersten Teil der Horror-Trilogie. Mit dem neuen Fokus auf größtenteils englisch sprechenden Akteure zeichnet sich deshalb schnell ab, was Re-Imagination in diesem Fall bedeutet: Eine Neuauflage, die für den weltweiten Mainstream zurechtgeschnitten wurde.

Kenner des ersten Teils werden zudem bemerken, dass die Entwickler für ihren PS3-Einstand nicht nur die alte Story, sondern selbst die alten Schauplätze hervorgekramt haben. Natürlich wurden die Kulissen gehörig aufgefrischt, die PS2-Herkunft sieht man ihnen allerdings deutlich an. Besonders auffällig ist das Technik-Recycling an den vergleichsweise hölzernen Figuren. Im mitgelieferten Making Of-Video (Daumen hoch!) erklären die Macher zwar, dass sie nach dem zweiten Siren bereits die PS3-Fortsetzung geplant hatten. Äußerlich verleitet Blood Curse allerdings zu Spekulationen über einen PS2-Titel, der erst spät den Sprung in die aktuelle Generation geschafft hat. Selbst die ehemals sehr greifbaren und im Falle der Untoten sehr verstörenden Gesichter - statt bewegter Polygone dienen animierte Bilder als Grundlage - wirken heute zwar noch detailliert, aber auch relativ starr.

Altes Grauen

Erstaunlicherweise hinterlässt Blood Curse aber trotz der technischen Schwächen einen gelungenen Eindruck. Denn weil Siren den Eindruck eines sehr alten Horrorfilms erwecken wollte, liegen diverse Filter über dem Bild. Und die erzeugen ein dermaßen stimmiges Unwohlsein, dass die angestaubten Kulissen kaum ins Gewicht fallen. Einen Großteil zur bedrückenden Atmosphäre tragen auch die gruseligen Lichtspiele bei: Da ihr meist mit Taschenlampe unterwegs seid, verdeckt manch unheimlicher Schatten die technischen Schattenseiten. Schade nur, dass Sony im Vergleich zu Forbidden Siren auf die teils verstörenden Gesichtsanimationen

Seine besten Momente hat Siren: Blood Curse, wenn hinter dem Licht der Taschenlampe lebendige Schatten zucken.
einiger Untoter verzichtet. Die Filmszenen vermitteln zudem weniger überzeugend den Eindruck, sie wären auf einer ausgeleierten Kassette gespeichert. Und auch die Geräusche sorgen trotz einiger verstörender Grunzlaute "nur" für eine gewohnt düstere Grundstimmung.

Trotzdem: Der Wiedererkennungswert ist wie erwähnt sehr hoch - was leider nicht nur das Wiederbeleben der vier Jahre alten Schauplätze betrifft. Auch innerhalb von Blood Curse betretet ihr immer wieder Areale, die ihr mit anderen Charakteren längst hinter euch gelassen habt. Gut, dass Siren so gut wie vollständig auf das in vergleichbaren Titeln berüchtigte Hin- und Herlaufen verzichtet. Schade nur, dass es diesen Vorteil zunichte macht, indem es euch ständig mit neuen Figuren an bekannte Orte schickt. Man hat zwar nie das Gefühl. auf der Stelle zu treten, allerdings ist es wenig reizvoll, eine bereits abgeschlossene Herausforderung noch einmal, aber gegen stärkere Untote zu bestehen.

Ich sehe was, was du auch siehst

Dabei gehört das Spielprinzip nach wie vor zu den interessantesten im Horror-Genre, denn Siren ist nach wie vor das, was Vampire Rain nur im übertragenen Sinn war: gruselige Stealth-Action. Dass ihr nicht wie in Resident Evil oder Silent Hill einfach herumlauft, um gelegentlich Zombies/Untote/Geister/sonstige Monster nierderzustechen oder zu erschießen, liegt vor allem an einer Fähigkeit, die in Hanuda bald jeder beherrscht, der sich dem Ort nähert: Ihr könnt euch per Tastendruck in die Köpfe eurer Shibito genannten Feinde versetzen und sie so ausspionieren. Musstet ihr die Gegner in den beiden Vorläufern dabei erst durch Drehen des linken Sticks aufspüren, schaltet ihr heute über die Schultertasten durch die Köpfe der Shibito. Der Vorteil: Das vorsichtige Vorantasten geht schneller von der Hand; fast kommt man sich vor wie Solid Snake mit aufmontiertem High End-Radar. Der Nachteil: Das Gefühl für die nahe Bedrohung kommt durch den bequemen Tastendruck zu kurz.      

Gut gedacht ist hingegen der geteilte Bildschirm, während ihr euch in dieser "Gegner-Sicht" befindet: Rechts seht ihr dann die Welt aus den Augen des gewählten Shibito, während ihr links weiter euer Alter Ego beobachtet. Bis zu drei Feinde dürft ihr im rechten Fenster untereinander anzeigen lassen - nur einen könnt ihr verfolgen, während ihr euch links ganz normal bewegt. Eher schlecht gemacht ist allerdings die niedrige Bildrate, wenn ihr bei gleichzeitiger Gegner-Sicht durch Hanuda schleicht. Das zähe Bild macht ein normales Bewegen zumindest so anstrengend, dass separates Kundschaften und Anpirschen sinnvoller ist. Die gute Idee verpufft damit zur schön anzusehenden Spielerei, spielerisch ändert sich zum Original damit wenig.

Und... Action!

Wobei auch das nicht die ganze Wahrheit ist. Wo die zähe Steuerung und die happigen Untoten auf PS2 nämlich für einige bockschwere Passagen verantwortlich zeichneten, haben beide Aspekte auf PS3 endlich ihren unfreiwilligen Schrecken verloren. Das bedeutet jedoch nicht, dass euch gut spielbare Stealth-Action mit unheimlichen Gegnern erwartet. Denn weil Blood Curse so

Widerlich! Die gelungene Gestaltung der Shibito ist wahrlich Furcht einflößend.
flüssig von der Hand geht, sind die Shibito plötzlich nur noch selten eine echte Bedrohung. Gefährlich sind Abschnitte, in denen ihr ohne die richtige Waffe keine Chance gegen die Untoten habt - zum plumpen Action-Spektakel verkommt das Spiel allerdings, sobald ihr das richtige Werkzeug (Bierflasche, Vorschlaghammer, Gewehr usw.) gefunden habt. Dann reicht das rhythmische Bearbeiten der einzigen Angriffstaste, um ans Ziel zu gelangen. Gelegentlich müsst ihr euch zwar um das Wohlergehen eines Begleiters kümmern und könnt ihm oder ihr Befehle zum Folgen, Warten und Verstecken geben, doch das ändert nichts an der generellen Vorgehensweise. Bisher wurden die wenig cleveren Feinde durch die unhandliche Steuerung und einen exorbitanten Schwierigkeitsgrad zu einer echten Gefahr - doch auf diesen Kniff verzichtet Blood Curse. Sollte Sony eine (echte) Fortsetzung planen, müssen entweder deutlich mehr Shibito als Kanonenfutter herhalten (Gruß an Resident Evil!) oder die wenigen Untoten sich nicht wie plumpe Zombies aus dem Genre-Kino der 60er Jahre aufführen. Im Kern ist das vorsichtige Erkunden und Umgehen klasse! Im Detail entpuppt sich das neue Siren aber als recht typischer Survival-Horror mit den üblich doofen Hindernissen.

Was ihrem IQ nicht gelingt, schafft allerdings das Aussehen der Untoten - und zwar mit Leichtigkeit! Will heißen: Bei den vor allem an "Die Fliege" erinnernden Mutationen, fühlt sich die Magengrube schnell mal extrem schwer an. So hat das neue Siren seine packendsten Augenblicke vor allem dann, wenn ihr euch gerade noch in einen Kleiderschrank retten konntet und unter hörbarem Herzklopfen abwartet, ob die fiese Brut nur ziellos herumstreicht oder längst weiß, wo ihr steckt...

Madige Monster

Gelegentlich nutzen die Entwickler auch ihre Gegner-Sicht sehr geschickt, um Spannung aufzubauen. Müsst ihr z.B. einen bestimmten Gegenstand finden, solltet ihr erst beobachten, wohin die Shibito sehen, denn oft findet sich das gesuchte Objekt im Blickfeld der Einwohner. Einer eurer Charaktere kann außerdem in die Vergangenheit schauen und dort Erinnerungen finden, die euch den weiteren Weg vorgeben: Blood Curse ist immer dann stark, wenn es den buchstäblichen Blick ins Innere des Bösen erzählerisch oder spielerisch

Erzählerisch schöpft Blood Curse leider nicht aus dem Vollen - zu oberflächlich bleiben Hintergründe und Charaktere.
nutzt.

Abgesehen davon sorgen geplante Momente für Spannung, wenn eure Begleiterin z.B. plötzlich von mehreren Shibito umringt wird oder ihr die Untoten mit bestimmten Aktionen aus ihrem Schlupfwinkel locken müsst. Echte Rätsel erwarten euch allerdings nicht, weil der Lösungsweg stets vorgekaut wird. Damit beschränkt sich der Ablauf meist auf ein geradliniges "Gehe von A nach B und mache dort XYZ." Ihr müsst zwar oft Schlüssel o.ä. erst suchen, doch das aufmerksame Erkunden der Umgebung hält sich in Grenzen. Immerhin könnt ihr 50 Fundstücke sammeln, die euch einen Hauch mehr Hintergrundwissen zur Geschichte und ihren Charakteren geben.

"Das nächste Mal sehen Sie:"

Letztlich schleicht ihr trotz einiger aufregender Momente aber wie auf Schienen durch zwölf beklemmende Episoden, die im Rest der Welt übrigens häppchenweise per Download erschienen. Ob Sony die Geschichte dabei in ein Dutzend Stücke unterteilt oder nicht, spielt keine Rolle - die Perspektive wechselt schließlich selbst innerhalb der Episoden regelmäßig. Das übliche "Das nächste Mal sehen Sie" und "Zuletzt bei Siren: Blood Curse" hätte man sich vielleicht schenken können, es stört aber auch nicht. Eine deutsche Synchronisation hätte dem Spiel allerdings trotz des günstigen Preises gut getan, zumal die Entwickler u.a. mit der Tatsache spielen, dass sich englische und japanische Figuren untereinander nur schlecht verstehen. Versteht man aber ohnehin keine der beiden Seiten, geht dieses Stilmittel leider unter.   

Fazit

Eine Re-Imagination von Forbidden Siren will Blood Curse sein – doch das ist es nicht. Es ist ein umfangreiches Remake, das vor allem von einer besseren Steuerung und dem entschärften Schwierigkeitsgrad profitiert. Einfacher ist allerdings nicht besser, denn weil die Untoten oft leicht zu überrumpeln sind, verpufft viel vom angedachten Horror. Auch das geradlinige Abklappern von Checkpunkten lässt heute keine Spannung mehr aufkommen; knifflige Rätsel hätten dem Ausflug nach Hanuda gut getan! Dass man sich jederzeit hinter die Fassade seiner grässlichen Feinde versetzen kann, baut hingegen eine unheimlich beklemmende Atmosphäre auf, die von wirkungsvollen Filtern und lebendigen Schattenwürfen nur verstärkt wird. Doch Siren trägt die einzigartige Stimmung zu selten spielerisch oder erzählerisch weiter. Die wechselnden Perspektiven wecken zwar das Interesse am Plot, die meisten Filmausschnitte werden allerdings belanglos in Szene gesetzt. Alles in allem ist der interessante Horrortrip einfach zu gewöhnlich, um aus dem Schatten seiner durchschnittlichen Vorgänger herauszutreten.

Pro

  • unterschiedliche Erzähl-Perspektiven sorgen für Spannung
  • erzählerisch interessanter Einsatz des Blicks in andere Köpfe
  • gelungene Stealth-Action-Ideen
  • schöne Lichteffekte und krisselige Filter...
  • Wiedersehen mit alten Schauplätzen...
  • Schlupfwinkel zum Verstecken

Kontra

  • Handlung nahezu komplett aus Forbidden Siren übernommen
  • vorgekaute Lösungen statt knifflige Rätsel
  • banale Gewalt hilft zu oft weiter- ... aber altbackene Kulissen und Figuren- ... aber übertriebenes Recycling der Kulissen
  • Bild stottert während Gegner-Sicht

Wertung

PlayStation3

Stimmungsvolle, aber oft nüchtern vorgetragene Neuauslegung des ersten Forbidden Siren.