Football Manager 2009 - Test, Sport, PC, PSP

Football Manager 2009
27.11.2008, Mathias Oertel

Test: Football Manager 2009

Bayern deutscher Meister und die Manager-Szene wird hierzulande von EAs FM-Serie regiert. Es gibt Regeln im Lieblingssport der Deutschen, die unumstößlich sind. Doch es war nicht immer so. In den 70er und 80er Jahren z.B. machten Gladbach und der HSV den Bajuwaren das Leben schwer. Und bis vor wenigen Jahren sorgte Sports Interactive mit einer visuell spröden, aber inhaltlich ungemein mächtigen Trainersimulation für potente Konkurrenz. 

Eine Fußball-Mannschaft hat elf Spieler, eine Partie dauert 90 Minuten, am Ende wird der FC

Mittlerweile ist EAs Fussball Manager-Serie in Deutschland weitestgehend konkurrenzlos. Der englische Football Manager (FM) von Sports Interactive (SI), für lange Zeit der einzig ernsthafte Wettbewerber, musste sich der rechtlichen Macht der Exklusiv-Lizenz geschlagen geben. Dementsprechend liegt der letzte offizielle Release der ruhmreichen Serie, die in England z.B. immer noch der beliebteste Vertreter seiner Art ist, gut drei Jahre zurück.

Lizenzgerangel

Mit einigen interessanten Änderungen im Gepäck, hat mich die Version dieses Jahres allerdings sehr neugierig gemacht.

Es liegen drei Jahre zwischen der letzten von uns getesten FM-Version und der aktuellen Variante. Es hat sich allerdings nichts an der spartanischen Menüführung getan...
Kann der 3D-Modus die Trainer-Simulation aufwerten? Und was hat sich das Team rund um Producer Miles Jacobson in den letzten drei Jahren einfallen lassen, um der Konkurrenz aus Köln auf internationalem Parkett die Stirn zu bieten?

Diese Binsenweisheit, die auch heutzutage von vielen Trainern gebetsmühlenartig genutzt wird, trifft auf Manager-Spiele zweifellos zu. Auf die des britischen Teams Sports Interactive noch mehr. Denn obwohl man mit Original-Namen bis hin zu den Vorstandsvorsitzenden der einzelnen Vereine und sogar der versammelten Front deutscher Schiedsrichter aufwartet, muss der geneigte FM-Spieler viel Fantasie mitbringen.

Fußball ist Kopfsache

Und nicht nur das: Angesichts der nach wie vor spröden und stark an Excel-Tabellen erinnernden Präsentation, die in den letzten drei Jahren nur hinsichtlich Benutzerführung leicht optimiert wurde, muss man viel Überwindung mitbringen, um sich als Trainer um die sportlichen Geschicke eines Fußball-Vereins zu kümmern. Dass ich im Gegenzug umfangreiche Statistiken, logische Zusammenhänge hinsichtlich der Ursache und Wirkung von Training sowie psychologische Auswirkungen von Spieler- und Mannschaftsgesprächen bekommen, lindert das visuelle und akustische Leid. Immerhin war dies schon immer eine der großen Stärken der SI-Manager.

Die Matchdarstellung hat ebenfalls seit jeher die Gemüter gespalten. Und das ist auch dieses Jahr nicht anders. Wie man es von der Serie kennt, kann man sich die Spiele (hinsichtlich Zeitaufwand bzw. Komprimierung auf das Wesentliche in mehreren Parametern einstellbar) in einer auf den ersten Blick sehr unspektakulären, aber physikalisch durchaus überzeugenden zweidimensionalen Vogelperspektive zu Gemüte führen.

Und hier spielt die angesprochene Fantasie eine immense Rolle. Denn auch wenn man nur die Spielernamen oder Nummern sieht und die "Figuren" keine deutlich erkennbaren Arme oder Beine aufweisen, kommt unheimlich schnell Spannung auf. Mit dem Ergebnis, dass ich wieder einmal mit jedem Fehlschuss und mit jedem kassierten Schuss leide, den Monitor anbrülle und mit meinem Team bange.

Wenn ich jetzt noch ins Kalkül ziehe, dass SI dieses Jahr das erste Mal mit einem 3D-Modus seine Aufwartung macht, müsste sich die Spannung und Intensität exponential entwickeln. Leider sieht die Realität anders aus. Denn die dreidimensionalen Matches, die sich jederzeit vom 2D-Modus aus einschalten lassen, bergen einige Probleme. Dazu gehört nicht einmal die im Vergleich zur beim EA-Konkurrenten genutzte FIFA-Engine etwas klein geratene Animationsbibliothek.

3D... und alles ist gut?

Selbst über die schale Umgebung mit ihren mit Flachtexturen beklebten Zuschauerrängen, die so ganz und gar keine Atmosphäre verströmt, kann ich schweren Herzens hinwegsehen - obwohl hier klafterweise Stimmungspunkte verschenkt 

Alternativ zum bekannten 2D-Modus gibt es ganz frisch auch eine dreidimensionale Darstellung, die allerdings insgesamt nur unwesentlich hübscher ist und nicht mehr als ein erster Schritt in die richtige Richtung zu sein scheint.
werden. Denn mit ein wenig Ausprobieren lässt sich eine Kameraeinstellung finden, die so wenig wie möglich vom Geschehen abseits des Platzes zeigt; und dann verströmen die 3D-Matches den historischen Charme eines Sensible Soccer.

Doch mit dem Sprung in die dritte Dimension schienen einige neue Logik-Routinen für die Matchberechnung nötig geworden zu sein. Und diese Routinen sorgen zusammen mit den spartanischen Animationen für unschöne Szenen. So z.B. die merkwürdig aussehenden Torwartparaden, bei denen der Keeper den Ball vollkommen unnatürlich wegprallen lässt, während er quer in der Luft liegt - und das, obwohl er eigentlich nur eine Flanke aus der Luft hätte pflücken müssen.

Schaut man sich diese Szene in der 2D-Ansicht an (man kann das Geschehen jederzeit anhalten, zu einer bestimmten Szene spulen und diese noch einmal in aller Ruhe betrachten), ist zwar immer noch ein Torwartfehler vorhanden, doch er wirkt natürlicher und sieht nicht mehr so hanebüchen unrealistisch aus.

Und so sehr ich den Schritt und das Wagnis "3D-Match" begrüße, so enttäuscht bin ich über die letztliche Umsetzung, die den Realitätsanspruch der Serie eher behindert als fördert.

Natürlich spielt hier auch sehr viel persönlicher Geschmack eine Rolle, aber ich bin nach einigen Probespielen in 3D wieder zur alten zweidimensionalen Ansicht zurück gekehrt - und bin glücklich damit.

     

Weniger glücklich bin ich allerdings, dass zusammen mit den neuen Rechen-Routinen auch die neuen Fehler in der in den letzten Jahren überzeugenden 2D-Matchengine auftauchen. Dazu gehören z.B. unnatürliche Rudelbildungen, die von Zeit zu Zeit auftreten. Ich für meinen Teil habe selbst bei Spielen in der Pampers-Liga (F-Jugend) nie gesehen, dass sechs Spieler gleichzeitig auf den Ball zustürmen. Auch der zum Goalie zurück gespielte Ball, den er dann eine gefühlte Ewigkeit vor seinen Füßen liegen lässt, bevor er ihn wieder nach vorne schlägt, ist neu im FM-Universum.

Auch neu, aber größtenteils positiv sind die zuschaltbaren Fenster mit weiter führenden Informationen, die über das Spielfeld gelegt werden können. Eine Übersicht der Spielstatistiken gehört z.B. dazu, eine Anzeige über Fitness und derzeitige Note eurer Spieler, ja selbst der momentane Motivationseindruck kann eingeblendet werden.

Infos im Excel-Stil: Die Übersichtlichkeit mag leiden, doch inhaltlich ist der FM 2009 die nach wie vor beste "Trainer-Simulation" im eigentlichen Sinne.
Einzig das Feedback-Fenster des Co-Trainers gibt Anlass zur Klage, da hier unter Umständen widersprüchliche Aussagen auftreten. So kann es passieren, dass ein Spieler sowohl bei der Bewertung als auch hinsichtlich der Motivation eindeutig positive Eindrücke hinterlässt, euer Co-Trainer aber dennoch der Meinung ist, dass er eigentlich besser ausgewechselt werden sollte.

Doch wie wir ja alle wissen, ist irren menschlich und letztlich trefft ihr und nur ihr alleine die Entscheidungen. Ob ihr euch dabei auf die Aussagen des Co-Trainers verlasst, auf die akkumulierten Statistiken oder auf eure eigenen Augen, die das Spiel und die Akteure beobachtet haben, liegt an euch.

Bei all den gerade erwähnten Mankos, darf man allerdings eines nicht vergessen: Das alles ist Jammern auf hohem Niveau. Denn wenn ich einige Spiele aus der umfangreichen Testphase anschaue, ist es sehr beeindruckend, wie realistisch der FM das Geschehen auf dem Platz simuliert.

Erschreckend realistisch

Nehmen wir z.B. das Match gegen die Werkself aus Leverkusen. Die Mannen von Trainer Labbadia brannten ein wahres Offensiv-Feuerwerk ab, bei dem ich als Coach des HSV nur noch hilflos zusehen konnte, wie Helmes, Kießling und Co. insgesamt zehn Mal in den ersten 20 Spielminuten auf "mein" Tor schossen. Folgerichtig fiel auch in dieser Phase das erste Tor. Überhaupt blieb die Begegnung weitestgehend einseitig. Leverkusen traf bis Mitte der zweiten Hälfte sogar noch zwei Mal Aluminium. Aber das schöne am Fußball (wie man auch am Beispiel Hoffenheim aktuell sieht) ist die Unberechenbarkeit: Trotz aller Überlegenheit auf Seiten von Bayer 04 konnte meine Mannschaft noch das Unentschieden "erzwingen".

Auch die taktischen Änderungen, so z.B. nachdem eine Mannschaft durch eine rote Karte einen Mitspieler verloren hat, sich aufrafft, alles noch vorne wirft, dann doch noch den Ausgleich schießt und sich von nun an aufs Beton anrühren konzentriert, werden gut und glaubwürdig dargestellt. Selbst Regeln wie passives Abseits werden akkurat angewendet, so dass die Matchdarstellung trotz der angesprochenen Logikänderungen nach wie vor die glaubwürdigste ihrer Art. Dementsprechend laufen sich die Spieler sogar bei kurzfristigen Einwechslungen erst einmal warm, bevor sie ihre Arbeit auf dem Feld aufnehmen - ein weiteres kleines Detail, das ich angenehm überrascht aufnehme.

Und selbst das Verhalten und die Eigenschaften einiger Spieler hinterlassen einen realistischen Eindruck: Die Geschwindigkeit und die Einsatzfreude eines Ivica Olic haben den Kroaten zu einem Liebling der HSV-Fans gemacht, die über seine technischen Defizite hinweg sehen können. Und genau diese Eigenschaften zeigt er auch im FM: Schnell, immer dabei, wenn es darum geht, den Ball zu erkämpfen, aber manchmal im Abschluss etwas überhastet oder unglückliche Entscheidungen treffend. Und sowohl im Spiel als auch in der Realität (nehmen wir aktuell das Spiel gegen Werder Bremen) überrascht er auf einmal mit einem Hammer, der dem Torwart keine Chance lässt.

Wie schon gesagt: Fußball ist Kopfsache. Aber wenn ein dröges Manager-Spiel es schafft, bei einer zweidimensionalen Darstellung authentische Bilder und Emotionen in meinem Kopf aufzubauen, macht es verdammt viel richtig - selbst wenn die zum Spielgeschehen eingeblendeten Texte sehr rudimentär bleiben und sich nur auf die Nötigsten, weitestgehend neutralen Kommentare beschränken.

Auch die Entscheidung, den "Manager" in seinem englischen Sinne und damit als Teamchef und Trainingsleiter zu definieren, war und ist eine gute Wahl. Im Vergleich zu EAs Simulation, in der ihr wahlweise z.B. auch am Stadionausbau oder an der Fanbetreuung etc. beteiligt seid, geht es hier nur um eines: Die Mannschaft.

Reduzierung auf das Wesentliche

Das geht sogar so weit, dass über euren Kopf hinweg aus wirtschaftlichen Gründen Spieler verkauft werden - nicht umsonst ist "Der Trainer ist immer ne arme Sau" eine weitere dieser ominösen Binsenweisheiten, die im Fußball Gültigkeit hat.

Die umfangreichen Pressekonferenzen gehören trotz Wiederholungs-Problemen bei Fragen und Antworten zu den interessantesten Neuerungen der FM-Serie von Sports Interactive.
Das bedeutet allerdings nicht, dass ihr euch im FM 2009 auf die faule Haut legen könnt. Natürlich dürft ihr viele Funktionen von Assistenten erledigen lassen, doch letztlich tragt ihr die Verantwortung. Dementsprechend lohnt es sich, auch in die einfach zu konfigurierende Trainingsgestaltung einzuarbeiten, den Transfermarkt (ggf. den Vorschlägen eurer Scouts entsprechend) zu sondieren und durch gezielte Gespräche mit Presse und Spielern schon im Vorfeld den Gegner und euer Team zu beeinflussen.

Auswahl-Möglichkeiten, Ursache und Wirkung bleiben dabei größtenteils nachvollziehbar. Die größte Ausnahme stellt für mich aber die merkwürdige Verletzungsserie dar, die sich bei mir trotz reduzierten Trainings sowie sonstiger erdenklicher Gegenmaßnahmen über mehrere Saisons verfolgt.

Gelungen sind auch die Pressekonferenzen, die nicht nur deutlich umfangreicher ausfallen, als die sporadischen Einzel- oder Doppelfragen der Konkurrenz. Denn auch hier gilt das Ursache-Wirkung-Prinzip und wenn ihr vollmundig versprecht, offensiv zu spielen, werdet ihr auch daran gemessen. Es kann sogar passieren, dass ihr vollkommen unerwartet mit Fragen zu früheren Aussagen von euch konfrontiert werdet. Und falls man nicht aufpasst und einem Pressevertreter die Kompetenz hinsichtlich der Einordnung bestimmter Spieler abspricht, kann der Schuss auch nach hinten losgehen. Wenn ihr gefragt werdet, ob "XY" der Spieler der gegnerischen Mannschaft ist, der am meisten Gefahr für euch bedeutet, müsst ihr sogar doppelt vorsichtig sein. Stimmt ihr zu und XY ist nicht die größte Gefahr, leidet eure Kompetenz. Und falls ihr dem Reporter widersprecht, solltet ihr tunlichst eine fundierte Antwort parat und den nächsten Gegner eindringlich studiert haben, wenn ihr nicht als Trainer-Trottel dastehen wollt.

Ein Wermutstropfen bei den Pressekonferenzen ist allerdings die Wiederholungsanfälligkeit vieler Fragen und Antworten. Auf spitzfindige Spielanalysen oder Kommentare im Stile eines Christoph Daum, Jürgen Klopp oder Martin Jol muss leider verzichtet werden.

    

Fazit

Euch ist EAs Manager zu bunt? Zu laut? Zu schrill? Ihr sagt, es steht zu viel Drumherum im Mittelpunkt und es wird zu wenig Wert auf das eigentliche Dasein als Coach gelegt? Dann solltet ihr der Trainer-Simulation von Sega/Sports Interactive eine Chance geben. Ja: Es kostet einige Überwindung und Einarbeitungszeit, bis man sich an die sehr spröde Darstellung bzw. Menüführung gewöhnt hat. Und auf den ersten Blick ist die Matchdarstellung, sowohl zwei- als auch dreidimensional sehr unspektakulär. Doch die inneren Werte überzeugen nach wie vor: Logik, Zusammenhänge, Ursache und Wirkung – alles hat Hand und Fuß, so dass der Altmeister der Herzen theoretisch bereit wäre, aus dem Vereinigten Königreich heraus die Tabellenspitze zu übernehmen. Wenn, ja wenn es nicht die kleinen Ungereimtheiten und vollkommen ungewohnten Schwächen gäbe, die größtenteils mit dem neuen, absolut unattraktiven 3D-Spiel zusammenhängen, das offensichtlich zu einer Änderung der Routinen für die Match-Logik geführt hat. Änderungen, die sich natürlich auch auf das 2D-Spiel auswirken, das ich nach wie vor bevorzuge. Rudelbildung bei Kämpfen um den Ball oder widersprüchliches, wenngleich optionales Feedback eures Co-Trainers, sind dabei die offensichtlichsten Mankos. Dennoch zeigt sich Segas FM nach wie vor als absolut lohnenswerte Alternative zum Manager von EA. Sports Interactive schafft es sogar, die Fantasie aufgrund der spröden Kulisse noch mehr anzustacheln als das Hochglanz-Produkt aus Köln. Und von den Pressekonferenzen kann sich Bright Future trotz Fragen- und Antwortwiederholungen eine dicke Scheibe abschneiden. In jedem Fall beweist Sport Interactive wieder einmal, dass man dank der überzeugenden inneren Werte immer noch in der Lage ist, die deutlicher als je zuvor zu Tage tretenden Präsentationsschwächen auszubügeln.

Pro

  • hervorragende Trainer-Simulation
  • gute Match-Logik…
  • neue 3D-Darstellung…
  • logische Spielzusammenhänge
  • umfangreiche Pressekonferenzen…
  • zahlreiche Zusatzinfos einblendbar
  • diverse Assistenten möglich
  • akkurate Datenbank
  • Original-Namen (bis hin zu den Schiedsrichtern)
  • variabel einstellbares Training

Kontra

  • staubtrockene Präsentation
  • …die sich ab und an herbe Aussetzer leistet
  • …die visuell unattraktiv bleibt
  • magere Soundkulisse
  • …die auf Dauer mit ähnlichen Fragen und Antworten gefüllt werden
  • Trainer-Feedback widersprüchlich
  • unintuitive Benutzerführung

Wertung

PC

Hässlich, unübersichtlich, spröde? Mag alles sein, dennoch liefert Sports Interactive nach wie vor den besten "Trainer-Simulator" am Markt ab. Ein Traum für Hardcore-Fans, denen die Grafik egal ist!