Fire Emblem: Shadow Dragon - Test, Taktik & Strategie, NDS
Der Tod ist immer und überall
Ich hab sie zu weit nach vorne fliegen lassen und die Wege der Feinde unterschätzt. Vielleicht hätte ich sie besser flankieren sollen? Oder ganz zurückhalten? Sie hat mich in zahlreichen Schlachten begleitet, hat mit ihren Lanzenangriffen für Unheil gesorgt und meine Truppe aus der Luft unterstützt. Jetzt ist sie tot. Und zwar permanent. Wiederbelebungszauber gibt es nicht. Ich könnte auch einfach weiter spielen, denn in meiner Armee warten noch fünfzehn andere Helden. Aber sie muss leben. Also starte ich neu. Zum vierten Mal...
Wer seit Jahren Fire Emblem spielt, der hat ein besonderes Verhältnis zum Tod entwickelt. In der Welt von Altea schwebt er über jedem Zug, wartet auf unbedachte Manöver und schlägt dann gnadenlos zu. Man achtet und fürchtet diesen Moment. Und genau das sorgt für Nervenkitzel und Spannung. Genau das liebe ich. Der Schmerz des Verlustes ist hier ein starker, denn da verschwindet kein anonymer Soldat, keine seelenlose Nummer, sondern ein Charakter, den man kannte und über mehrere Kapitel entwickelte. In jedem 08/15-Strategiespiel schmeißt man Kanonenfutter an die Front, hier kämpft man mit Freunden.
Wie in allen Fire Emblems verschwinden die Grenzen zwischen Rundenstrategie und Rollenspiel sehr schnell. Man zieht seine Diebe, Krieger, Berserker, Rittmeister, Jäger, Heiler, Magier und Schwertmeister über edel gezeichnete, aber nur leicht animierte Karten, um feindliche Truppen von einfachen Piraten bis hin zu Drachen zu besiegen oder Burgen zu erobern. Man knackt Schlösser, gewinnt Gold, nutzt Heiltränke und die Magie, die jemanden teleportiert oder in Flammen aufgehen lässt.
Das harte Strategie-Rollenspiel
Natürlich beherrscht die Taktik im Gelände den Großteil der Spielerfahrung, die angenehm an das kühle Grübeln im Schach erinnert. Aber Helden-Management, Charakter-Aufstiege und die Story erinnern an epische Abenteuer - und genau das ist der Unterschied zu Spielen wie Advance Wars aus gleichem Hause.
Dieses Strategierollenspiel kennt man schon vom GBA, vom GameCube und Wii. Und dazu gehört auch der Schwierigkeitsgrad, der einen manchmal zu Trial&Error zwingt - das, was MegaMan für Arcade-Zocker ist Fire Emblem für Rundentaktiker. Die Entwickler beugen dieser abschreckenden Wirkung für Einsteiger mittlerweile vor, indem sie auf DS z.B. erstmals Speicherpunkte auf Karten anbieten - dafür ein großer Dank, denn so manche Schlacht dauert eine Stunde; wenn man dann alles noch mal angehen muss, kann aus Trial&Error-Lust schnell Frust werden. Insofern ist die DS-Variante eine angenehmere, ohne ihre Wurzeln zu verraten.
Advance Wars light?
Das zeichnet sie gegenüber der nachgiebigeren KI eines Age of Mythology aus. Auch dieses Fire Emblem ist knackig und fordernd. Aber auch hier gibt es alte Schwächen, die das Spiel in Sachen KI hinter Advance Wars platzieren. Vor allem die Statik der finalen Gegner, die bestimmte Positionen bewachen und sich nicht bewegen, ist irgendwann zu berechenbar. Außerdem gibt es auch hier einige unnötige Himmelfahrtskommandos einzelner Feinde, die ihren Verband verlassen und auf mich zu stürmen. Schön ist jedoch, dass es immer wieder zu Zweifronten-Kriegen auf verschachtelten Karten mit engen Zugängen oder Gebirgen kommt - hier entsteht der strategische Anspruch durch die Positionierung im Feld und die vielen Lösungsmöglichkeiten: Soll ich meine Truppe zusammen halten oder mit einem schnellen Galopp die obere Festung sichern? Aber auch hier liegt Advance Wars klar vorne, weil diese Eroberung auch noch zu einem militärisch wichtigen Rohstoffbonus führen würde, den es in Fire Emblem nicht gibt. Eine Burg bleibt ein statischer Platz mit Defensivbonus und Heilung - nicht mehr, nicht weniger.
Ein schnell durchschauter Ritterfilm
Man schlüpft in die Rolle des jungen Prinzen Marth (übrigens auch spielbar in Super Smash. Bros.), dessen Schwester entführt wird und der angesichts einer Invasion auch noch mit wenigen Getreuen ins Exil fliehen muss. Dort gilt es, tapfere Recken um sich zu scharen und langsam den Widerstand zu organisieren - ihr führt eine immer größer werdende Truppe von Veteranen und Verbündeten in den Kampf. Dieses militärische Ziel wird später von einem noch größeren Ziel überschattet: Nur Marth kann als königlicher Erbe das magische Schwert und das Feueremblem führen, um dem Drachen schließlich den Garaus zu machen.
Ein bisschen König Arthus, ein bisschen Herr der Ringe, aber innerhalb der Qualität der Serie doch vorhersehbar - die Story erinnert bestenfalls an gute alte Ritterfilme. Wenn man sich die Dramaturgie genauer anschaut und mit der Wii-Variante vergleicht, muss man Abstriche machen: Ab und zu reden die Charaktere zwar miteinander, man kann auch auf dem Schlachtfeld Charaktere ansprechen, aber im Vergleich zu früheren Ablegern sind Dialoge viel zu selten und es gibt weder optionale Gespräche im Lager noch einen Perspektivwechsel. Sprich: Auf DS wird alles linearer, weniger überraschend erzählt und die Begleiter gewinnen dadurch etwas weniger Tiefe.
Die wertvollen Überläufer
Aber Vorsicht, denn man muss die Augen während der Schlacht offen halten, sonst vernichtet man vorschnell potenzielle Überläufer: Es gibt z.B. Dörfler, die wegen des Geldes bei Piraten oder Söldnern angeheuert haben und zunächst als Feinde erscheinen - sie greifen sogar an. Nur, wenn man mit dem richtigen Charakter auf diese Feinde zugeht, am besten mit Marth oder einer verwandten Person, und statt der Attacke die Option "Reden" nutzt, kann man sie davon überzeugen, die Seiten zu wechseln. Auf diese Weise gewinnt man wertvolle Verbündete, die man weiter entwickeln kann.
Und der Rundenkrieg macht immer noch richtig Spaß. Ab dem vierten von über 20 Kapiteln beginnt das Abenteuer Fahrt aufzunehmen, denn erst jetzt gelangt man in den Ausrüstungsbildschirm. Vor jeder Schlacht kann man hier seine Truppe aus einem immer größer werdenden Pool an Helden zusammen stellen. Außerdem hat man hier die Übersicht über Bewaffnung, Zauber und Tränke, kann Gegenstände zwischen Charakteren tauschen, neue kaufen oder selbst schmieden. Man wählt z.B. ein normales Schwert aus, gibt ihm einen Namen und steigert gezielt bestimmte Werte wie kritische Trefferwahrscheinlichkeit oder möglicher Schaden - all das kostet natürlich verdammt viel Gold. Blöd ist nur, dass man die Waffen beim Schmied nicht reparieren kann; selbst ein verbessertes Schwert behält seine Abnutzungserscheinungen und zerfällt irgendwann.
Schwert, Axt und Lanze
Man kann mit Speeren über zwei Felder attackieren, bei der richtigen Waffenwahl mit Konterangriffen glänzen oder gezielt die Erstschlagfähigkeit nutzen. Bogenschützen erhalten Pluspunkte beim Beschuss fliegender Einheiten; es gibt Panzer brechende Waffen oder solche, die am besten gegen Reiter wirken - kleine Icons informieren euch über aktuelle Fähigkeiten. Mit ein bisschen Gestöber und gezieltem Itemtausch kann man sich optimal auf jeden Gegner vorbereiten, obwohl man detaillierte Waffenbeschreibungen weder im gedruckten noch im virtuellen Handbuch findet; auch hier muss man auf die Bewohner hören, wenn man wissen will, was genau ein "Panzerbrecher" veruracht. Falls ein roter Pfeil anzeigt, dass man die ungünstige Waffe führt, kann man diese sehr komfortabel auf dem DS wechseln, indem man einfach einen Knopf drückt - das erspart umständliches Umrüsten. Überhaupt ist die Steuerung gelungen und erlaubt jederzeit den fliegenden Wechsel zwischen Stylus und Steuerkreuz.
Da fehlt doch was...
Dahinter verbarg sich quasi ein Schere-Stein-Papier-Prinzip, wie es auch in den konventionellen Gefechten greift. Ich verstehe nicht, warum man das gestrichen hat, zumal ja auch Magier vorkommen und mit ihrem Feuer für Verheerungen sorgen. Hier hätte man über eine Verzahnung der arkanen Kräfte auch auf dem DS noch mehr Spieltiefe anbieten können.
So bleibt das geschickte Taktieren auf konventionelle Angriffe beschränkt - da kann man immerhin weiter aus dem Vollen schöpfen: Es gibt nicht nur sechs Waffentypen, darunter Schwert, Lanze, Axt, Bogen und Stab, sondern auch diverse Waffenränge, die z.B. die Effizienz hinsichtlich Schaden oder Ausweichen beeinflussen.
Rundentaktik im Gelände
Überhaupt lohnt sich vor der Schlacht ein Studium der Karten: Es gibt oftmals mehrere Wege zu einem Ziel und man hat die Möglichkeit, seine Armee für Überraschungsmanöver aufzuteilen oder an schmalen Pässen zu positionieren, um eine Übermacht aufzuhalten - all das sorgt für sehr viel Dynamik. Wie in allen Fire Emblem-Spielen wird rasches Vorrücken allerdings gnadenlos bestraft: Wer schnell und planlos zu einem Zielpunkt vorprescht, wird herbe Verluste erleben und schnell aufgerieben.
Völlig unverständlich ist für mich, dass man Nebenkriegsschauplätze nicht mehr freischalten kann, indem man besonders schnell und effizient ist, also gut spielt, sondern indem man seine Truppe dezimiert - richtig gehört: Manche Level öffnen sich an einem gewissen Punkt erst dann, wenn eine bestimmte Anzahl an eigenen Kämpfern auf dem Friedhof liegt! Wollte man damit die Spielbalance für Einsteiger sichern, die zu schnell Verluste erleiden? Aber wo soll dann die Motivation für Veteranen entstehen? Wer die Zusatzkapitel öffnen will, muss also innerhalb der eigenen Truppe immer weiter ausmisten. Was bieten die Zusatzkapitel als Belohnung? Man kann nur dort weitere Verbündete gewinnen, die teilweise bessere Werte haben, aber ich hätte mir gewünscht, dass man für gute Strategien auf dem Schlachtfeld und nicht für Personalabbau mit Todesfolge belohnt wird. Der Königsweg wäre ein optionaler gewesen: Wenn die eigene Truppe zu schwach besetzt ist, öffnen sich Zusatzkapitel, um die Mannschaftsstärke wieder herzustellen. Wenn die eigene Truppe stark besetzt ist, öffnen sich Zusatzkapitel, in denen man besondere Gegenstände, mehr Gold, weitere Storyzweige oder Ähnliches erhält.
Belohnung für Personalabbau?
Neu: Klassen wechseln
Dieses System ist sinnvoll, wenn man ab der zehnten Stufe innerhalb seiner Kampfrichtung aufsteigt. In dem Moment des kompletten Wechsels werden allerdings auch einige Grundwerte wie Körperpunkte oder Geschicklichkeit geändert - man gewinnt also nicht nur neue Stärken, man verliert auch alte. Das ist theoretisch auch gut so, denn bei reiner Addierung könnte man sich zu schnell übermenschliche Helden bauen. Aber auch hier bleibt der Held außen vor: Marth ist und bleibt Lord, er kann seine Klasse nicht wechseln - warum nicht? Und ich habe zwar vom Aufstieg zu einer besseren, aber praktisch kaum vom totalen Klassenwechsel Gebrauch gemacht, weil er erstens nur sinnvoll ist, wenn einem z.B. Bogenschützen oder Magier fehlen, und weil er zweitens auch den Charakter des Begleiters ändert - zwar nur optisch, aber irgendwie wird aus einem alten Bekannten dann doch ein Fremder.
Apropos Kulisse: Während ein Age of Mythology im animierten Kampf selbst auf DS begeistern kann, bleibt Fire Emblem hinter den Möglichkeiten zurück. Die Duelle sehen nicht schlecht aus und vor allem das Hauen und Stechen vom Pferd aus wirkt in Bewegung durchaus elegant - die Animationen sind also okay. Aber die 3D-Figuren erinnern während der Kämpfe eher an platt gedrückte 2D-Sprites, denen es an Details mangelt und die es in viel hübscherer, reiner 2D-Version auf dem technisch schwächeren GBA gab. Da war grafisch auf dem DS mehr drin, zumal die handgezeichneten Portraits einen wesentlich besseren Eindruck vermitteln.
Hurra, endlich Multiplayer!
Darauf haben Fans Jahre gewartet, das fehlte auch auf Wii: Ihr könnt entweder online gegen Herausforderer antreten oder über die drahtlose Verbindung mit Freunden vor Ort zusammen spielen - wenn alle ein Modul besitzen. Man stellt eine Truppe aus bis zu fünf Kämpfern zusammen und duelliert sich auf sechs Karten inklusive Nebel des Krieges. Schön ist, dass es eine Chatfunktion gibt und dass man seine eigenen, individuell entwickelten Charaktere in die Schlacht führen kann. Außerdem hat man über das Internet Zugriff auf einen speziellen Waffenshop, um seine Helden noch besser auszurüsten oder weiter zu entwickeln. Neben dem An- und Verkauf gibt es auch die Möglichkeit, einem Freund seine erfahrenen Truppen zu leihen.
Fazit
Wie spät ist es? Was, schon 1:25 Uhr? Ich sitze wie ein Dreifingerfaultier auf einem Sessel und starre auf die Uhr. In meiner Hand liegt das Schicksal von Altea: Ich habe Marth und seine Truppe tapfer ins Exil geführt, habe dunkle Ritter besiegt und komme dem dämonischen Erzfeind immer näher - ja, ich werde diesen Drachen besiegen! Aber die rote DS-Lampe leuchtet und mein Körper streikt. Ich muss ins Bett. Eigentlich sind das alles Anzeichen für den nahenden Award. Vor dem Einschlafen springen allerdings kritische Schafe über kleine Feuerzäune: Das Team von Intelligent Systems geht mal wieder keine Risiken ein. Schon auf Wii hat man sich mit frischen Impulsen zurückgehalten, auf dem DS ist man jetzt sogar noch konservativer: Anstatt die Serie hinsichtlich der Spielmechanik und Story weiter zu entwickeln, hat man das erste Fire Emblem für NES aus dem Jahr 1990 umgesetzt. Gegen ein Remake ist auch gar nichts einzuwenden, obwohl die Story nicht mehr als ein Prinz-rettet-Königreich-Klischee ist. Allerdings hat man die Chance nicht genutzt, dieses Remake um Finessen zu bereichern, die sich in den letzten 18 Jahren angesammelt haben: Die komplexe Magie fehlt im Schere-Stein-Papier-Prinzip und man vermisst das Freundesystem genau so wie mehr optionale Dialoge oder erweiterte Taktiken im Gelände - man kann keine Teams bilden, keine Freunde aus der Gefahr retten. Der neue Klassenwechsel ist zwar zunächst interessant, aber sorgt nur für etwas mehr Grübelei in der Karriere. Und dass man nur dann alternative Gebiete freischaltet, wenn die eigene Truppe dezimiert ist, hat mich richtig geärgert - warum werde ich nicht für effizientes Spielen belohnt? Ein letztes kritisches Schaf setzt zum Sprung an: Obwohl das Abenteuer edel aussieht und eine klasse Benutzerführung bietet, hat man die technischen Möglichkeiten des DS nicht so genutzt wie es gerade Age of Mythologies vormacht; die Figuren sehen als Portraits gut aus, aber als 3D-Kämpfer erinnern sie an GBA-Sprites. Mit diesen Gedanken schläft jemand ein, der die Serie kennt und liebt. Einer, der trotz der Kritik auch am nächsten Tag einfach weiter spielen muss, weil sich Rundentaktik und Rollenspiel hier so unwiderstehlich bereichern. Aber kann ich diesem Spiel eine bessere Wertung als der Wii-Variante geben? Vielleicht doch ein Remake-Bonus? Als das letzte Schaf wohl behütet landet, breitet sich ein versöhnliches Grinsen aus: Erstmals geht es ja auch online zur Sache - wie lange haben Fans darauf warten müssen? Gute Nacht und viel Spaß in Altea!
Pro
- epische, aber... + klasse Kampfsystem, aber...
- gute Kampfanimationen, aber...
- angenehm gnadenlose, aber...
- hurra, erstmals Online-Multiplayer
- edle Präsentation
- angenehmes Rollenspielflair
- komplexes Party-Management
- sehr gute Steuerung
- permanenter Tod der Freunde+ Remake des NES-Klassikers
- Speichern während der Missionen
- Klassenwechsel möglich
Kontra
- - ...sehr gewöhnliche Fantasy-Story
- ...das magische Dreieck fehlt
- ...3D-Figuren wirken wie GBA-Sprites
- ...manchmal zu statische KI- blödes Zusatzkapitelsystem mit Todeszwang
- nur automatischer Charakteraufstieg
- Held kann Klasse nicht wechseln