You're in the Movies - Test, Geschicklichkeit, 360

You're in the Movies
11.12.2008, Mathias Oertel

Test: You're in the Movies

Es gibt Spiele, bei denen man sich fragt, wieso man nicht viel früher auf die Idee kommt, sie nachzuahmen. Die EyeToy-Serie z.B. gehört zu dieser Kategorie. Erfolgreich, unterhaltsam und auch als Party-Unterhaltungstool geeignet, war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis irgendjemand etwas Ähnliches auf einem anderen System anbietet. Und nachdem die Xbox Live Vision Cam für die 360 beinahe schon dazu verdammt schien, ein Schattendasein zu fristen, wird sie mit You're in the Movies (ab 3,49€ bei kaufen) in ein neues Licht gerückt.

Gehört ihr zu den Spielern, die wie ich eine Xbox Live Vision Cam zu Hause haben? Dann ärgert ihr euch wahrscheinlich auch schwarz, dass abgesehen von Totemball sowie der sporadischen Einbindung eures Konterfeis in ein Spiel wie z.B. bei Rainbow Six Vegas 2 oder Facebreaker das gute (und nicht ganz billige) Stückchen Hardware weitestgehend ungenutzt verstaubt?

Da war doch was...

 

Als leider viel zu häufig wiederkehrende Aktivität muss man immer wieder vor etwas weglaufen...
Und das, obwohl die PS2 mit den zahlreichen EyeToy-Spielen bewiesen hat, dass mit entsprechender Kreativität einiges möglich ist: Partyunterhaltung, interaktiver Fitness-Coach und vieles mehr.

Doch man wollte sich offenbar nicht nur darauf verlassen, dass es ganz unterhaltsam sein könnte, wenn sich Spieler gleich welchen Alters vor einer Kamera verrenken und Grimassen schneiden und hat ein auf dem Papier cleveres Konzept eingebaut: Man zeichnet die Aktionen auf (dank Festplatte wunderbar möglich), baut sie in kleine Trash-Film-Trailer ein und schwupps, kann man den Spieler zum Schauspieler machen. You're in the Movies (YitM) war geboren.

Insofern ist es erstaunlich, dass es so lang gedauert hat, bis tatsächlich ein findiger Kopf sich daran erinnerte, dass auch die 360 mit einer Kamera versorgt wurde und man dafür auch eine Minispiel-Sammlung im Stile von EyeToy Play machen könnte.

Angefangen vom trashigen mit Puppenfiguren erstellten Intro-/Tutorial-Film über den gelegentlich ins Nervige abdriftenden Regisseur, der euch vor und nach den Minispielen antreiben soll, bis hin zu den Trailern, in denen ihr und eure Freunde die Hauptrolle spielt, trieft B-Film-Flair aus den Poren. Dementsprechend finden sich bei den 30 Produktionen, in denen ihr mit bis zu insgesamt vier (Schau-)Spielern teilnehmen dürft, die einschlägigen Verdächtigen: Horror, Action, Science Fiction und Katastrophenfilme stehen auf dem Programm.

Pures B-Film-Flair

Für jeden dieser Clips, die sich allesamt an bekannten Hollywood-Streifen orientieren, müssen nun einige Aktivitäten sowie "Solo-Einstellungen" erledigt werden, in denen die vom Regisseur geforderten Gefühlszustände oder Gesten vom jeweiligen Akteur nachgestellt werden sollten. Diese werden dann zum Abschluss in den fertigen Clip eingefügt.

Bis hierhin eine gute Idee, die sowohl bekannte Konzepte nutzt als auch versucht, die "neue" Festplattentechnologie der HD-Konsolen zu nutzen. Doch in der Umsetzung gibt es immer wieder Schwierigkeiten, die im besten Falle passabel, aber zumeist nur mit Spaß-Zugeständnissen umschifft werden können.

Probleme auf dem Set

In You're in the Movies wird nicht nur eure Koordination, sondern auch euer schauspielerisches Talent gefordert...
Das größte dabei: Die Ausleuchtung des Sets sowie dessen Auswahl. Insofern ihr zu den Glücklichen gehört, die im Wohnzimmer direkt gegenüber des Fernsehers eine große weiße Wand haben, werdet ihr wenig Probleme haben.

Doch wenn ihr Regale oder Bilder habt oder gar auf eine mehrfarbige Zimmerbegrenzung stolz seid, wird es problematisch. Denn um euch und die anderen Spieler so gut wie möglich in die Trailer einbetten zu können, muss die Spielfigur quasi ausgeschnitten werden - was wiederum bedeutet, dass das Programm zu erkennen versucht, was zum Hintergrund gehört und dementsprechend ausgefiltert werden muss.

Das wiederum heißt: Je komplexer der Hintergrund ist, vor dem ihr agiert, umso unsauberer kann sich die Darstellung der Figur zeigen. Nicht nur das: Im schlimmsten Fall kann es sogar passieren, dass Körperteile einfach mit rausgefiltert werden. Dass zusätzlich auch die Lichtverhältnisse nahezu perfekt austariert sein müssen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen, macht die eigentlich gute Idee für kurzweilige Unterhaltung zu einem erstaunlich langwierigen Unterfangen, bis man sich daran machen kann, Spaß zu haben.

  

Und der stellt sich tatsächlich ein. Allerdings nicht für Solisten - was auch nicht zu erwarten war. Doch selbst mit einer möglichst vollständigen Gruppe, fehlende Mitspieler werden durch "professionale" Darsteller ergänzt, gibt es immer wieder Momente, die im Falle von volljährigen Spielern nur mit permanenter Alkoholzufuhr erträglich gestaltet werden können. Wie sich im Testbetrieb herausstellte, stören sich jüngere Spieler weniger daran, dass die meisten der Aktivitäten nur alleine zu spielen sind und man ansonsten zum Warten verdammt ist, was sich durchaus auch mal gut fünf Minuten hinziehen kann - vor allem, wenn es um die Solo-Einstellungen der Gesten und Mimik geht.

Passt schon...

Eure Aktionen vor der Kamera werden in die B-Film-Trash-Trailer kopiert. Leider haben die Aktivitäten zumeist nichts mit der eigentlichen Filmproduktion zu tun. 
Der Spaß, der sich bei den ersten filmischen Ausflügen mit Minispiel-Flair einstellt, krankt aber nicht nur an den gelegentlich auftretenden Wartezeiten. Denn recht schnell kann man feststellen, dass die Aktivitäten im Wesentlichen vollkommen losgelöst von der eigentlichen Filmproduktion sind - was die Entwickler dementsprechend auch dazu nutzen, sie entsprechend häufig einzusetzen bzw. zu variieren. So finden sich z.B. verhältnismäßig viele "Laufspiele" darunter, bei denen nur die Hintergründe ausgetauscht werden.

Die Minispiele, die auf euch warten, orientieren sich größtenteils an bekannten Standards: Man muss Sachen ausweichen, Sachen berühren, Sachen per Gestik bewegen usw. - so wie man es von Sonys Vorzeige-Kandidaten gewöhnt ist.

Und vorausgesetzt, die Ausleuchtung hat funktioniert, liefert die Gestenerkennung der Kamera einen guten Job ab. Analog dazu sorgen Probleme in der Ausleuchtung in diesem Bereich auch für Schwierigkeiten und kleine Frustmomente.

Allerdings werden auch diese Zuschauer enttäuscht sein, dass angesichts des Aufwands, den man sowohl in den Aktivitäten als auch in den "Solo-Auftritten" betreibt, das Ergebnis in den finalen Trailern eher zu wünschen übrig lässt. Denn die eigenen "Szenen" sind teilweise nicht nur verschwindend kurz, sondern im Vergleich zu den auf HD getrimmten Sequenzen, in die man "kopiert" wird, unsauber. Wenn es Set-Probleme gibt, sogar noch mehr als üblich. Dadurch wird das ganze Konzept leicht entwertet, da hier selbst der Trash-Faktor nicht mehr zu helfen weiß.

Doch selbst darüber kann ich hinwegsehen, da wie bei eigentlich allen Aktivitäten der Unterhaltungswert sich zwar auch für diejenigen einstellt, die vor der Kamera stehen, sondern vor allem für die Zuschauer.

Wie es euch gefällt

Wieso dann nur "leicht" entwertet? Ganz einfach: Weil angehende Tarantinos mit dem "Regisseur"-Tool vorhandene Szenen neu zusammenfügen, mit seinen oder den schauspielerischen Fähigkeiten seiner Freunde zu neuem Leben erwecken und sogar über das Headset-Mikro eigene Dialoge oder Soundeffekte einspielen kann.

Zugegeben: Die zur Verfügung gestellten Mittel sind rudimentär, doch mit etwas filmischem Gespür und Geduld können ähnlich wie in Activisions The Movies kleine Meisterwerke entstehen - nur eben mit sich selbst in der Hauptrolle.

Dass man allerdings diese kleinen Meisterwerke im Gegensatz zu Peter Molyneux' Studio-Sim nicht irgendwo hochladen und der Öffentlichkeit anbieten kann, ist schade.  

Fazit

Nach Scene It? und Lips ist You're in the Movies bereits das dritte Konzept, das im Wesentlichen auf Erfolgen der Konkurrenz, namentlich den EyeToy-Titeln aus dem Hause Sony aufbaut. Allerdings hat man sich ähnlich wie bei Lips das Vorbild nicht genau genug angeschaut. Denn wo die ersten EyeToys auf der PS2 noch mit interessanten und größtenteils unterschiedlichen Minispielchen punktete, die allesamt hier und da faszinieren konnten, tauchen hier unnötige Abnutzungserscheinungen auf. Zu viele Aktivitäten ähneln sich, um auf Dauer faszinieren zu können. Mit Wartezeiten bei einer vollen Gruppe und Ausleuchtungsproblemen gibt es auch technische Mankos, die ein Prozent nach dem anderen wegknabbern. Selbst die trashigen Clips, in die die viel zu niedrig aufgelösten Szenen und Sequenzen der Spieler eingebettet werden, können nicht mehr viel reißen. Denn nachdem der Clip beendet ist, fragt man sich, wieso man denn diese oder jene Übung gemacht hat, wenn sie ohnehin nur den Bruchteil einer Sekunde zu sehen ist. Vor allem dieser Punkt ist sehr schade, da man hier konzeptionell die Möglichkeit hatte, die Zukunft der "Kamera"-Spiele einzuläuten. Doch auf halbem Wege hat man sich verzettelt. In kleinen Dosen und großen (Zuschauer-)Gruppen ist YitM durchaus unterhaltsam. Umso mehr, je jünger die Spieler sind oder je höher der Blutalkoholwert bei erwachsenen Nachwuchs-Starlets ist. Doch in diesen beiden Fällen dürfte die Justierung der Kamera sowie die perfekte Ausleuchtung der Umgebung zu einem Problem werden. Wie man es dreht und wendet: You're in the Movies verschenkt zu viel des zweifellos vorhandenen Potenzials, um die 360 in diesem Bereich als Konsole für Familienunterhaltung zu etablieren.

Pro

  • interessantes Spielkonzept
  • passable Gestenerkennung...
  • B-Film-Charme
  • ansatzweise witzige Trash-Trailer
  • Regisseur-Modus

Kontra

  • viele ähnliche Aktivitäten
  • ...die aber seltene Total-Aussetzer hat
  • Ausleuchtung eine nervige Kunst
  • bei vier Spielern durchaus längere Wartezeiten
  • solo stark eingeschränkte Unterhaltung
  • keine Online-Anbindung

Wertung

360