Runaway 2: The Dream of the Turtle - Test, Adventure, Wii, NDS, PC

Runaway 2: The Dream of the Turtle
30.11.2007, Jan Wöbbeking

Test: Runaway 2: The Dream of the Turtle

Sonne, Strand, karibische Klänge – der zweite Teil der Runaway-Serie erfüllt alle Voraussetzungen, um einen Monkey Island-Fan von Anfang an in eine angenehmen Südseestimmung zu versetzen. Das klassische Adventure spielt zwar in der heutigen Zeit, im Gegenzug wirkt der Gesichtsausdruck eures Hauptcharakters mindestens genauso dämlich wie der Name Guybrush Threepwood. Abenteurer-Herz, was willst du mehr?

Im Flugzeugwrack findet ihr elektronische Spielzeughündchen und allerlei andere nützliche Gegenstände.
Was für eine Frage - Rätselfutter für die grauen Zellen natürlich! Keine Bange, auch diese essentielle Adventure-Zutat haben die Entwickler nicht vergessen. Es gibt beinah mehr Kopfnüsse zu knacken als alberne Textzeilen zu lesen. Das Spiel ist übrigens keine Exklusiventwicklung für Nintendos tragbare Konsole, sondern feierte bereits vor rund einem Jahr auf dem PC Premiere. Unseren Test zum Original findet ihr hier. Ihr stürzt in der Rolle des ewigen Studenten Brian Basco über einer tropischen Insel mit dem Flugzeug ab. Seine Freundin habt ihr schon ein wenig früher aus dem Flugzeug geschubst - selbstverständlich nicht, ohne ihr vorher einen Fallschirm auf den Rücken geschnürt zu haben. Ihr landet allerdings an einer anderen Stelle im Dschungel und müsst euch durch das vermeintlich undurchdringliche Dickicht rätseln.

Sunshine Reggae

Sobald ihr das geschafft habt, ist es mit der Einsamkeit vorbei. Nicht eure Freundin leistet euch am Strand von Tiki Falls Gesellschaft, sondern eine kleine Armee, die sich mysteriöserweise ausgerechnet dieses kleine Ferien-Idyll unter den Nagel gerissen hat. Eure Aufgabe ist es, Licht ins Dunkel der düsteren Machenschaften zu bringen und natürlich eure Freundin zu finden. Im Laufe des Abenteuers trefft ihr auf allerlei skurrile Charaktere wie den Männer-Magnet Lokelani und den Professor Joshua. Letzterer hilft euch nur dann, wenn ihr ihm versprecht, bei der Kontaktaufnahme mit den Aliens zu helfen. Auch an den mittlerweile zum Adventure-Pflichtprogramm gehörenden Papagei haben die Entwickler gedacht.

Inhaltlich hat sich im Vergleich zum PC-Original nichts geändert, aber ist die technische Umsetzung gelungen? Die Antwort lautet »Jain«. Die Spielwelt besteht wie im Original aus ansehnlichen, detailreich gezeichneten Kulissen, die ab und an ein kleines Stück zur Seite oder nach oben und unten scrollen. Damit die Suche auf dem kleinen Bildschirm nicht zu mühselig wird, haben die Schöpfer des Spiels zwei Kniffe integriert: Sobald ihr die in der totalen gezeigte Szenerie länger als einen Sekundenbruchteil mit dem Stylus berührt, zoomt die Kamera an das Bild heran. Ihr könnt die Kamera mit dem Stylus verschieben und so die komplette Umgebung absuchen.

Transplantation gelungen?

Immer zu einem Tratsch aufgelegt: Inselbewohnerin Lokelani. Die Texte sind natürlich nur auf den Screenshots französisch.
Diese Technik funktioniert recht ordentlich, doch sie zeigt auch einige Schwächen. Erstens läuft Brian ständig an die Stelle, an der ihr den Stylus vom Bildschirm nehmt - auch wenn ihr nur das Bild untersuchen wolltet. Zweitens erweist sich die Suche als etwas fummelig, da manche der Objekte auch in der Nah-Ansicht recht klein geraten sind. Immerhin gibt es eine praktische Hilfe-Funktion, die per Druck auf das entsprechende Icon sämtliche inspizierbaren Gegenstände im Raum markiert. Trotzdem solltet ihr in jede Ecke des Raumes gehen, damit die Kamera ein wenig zur Seite scrollt und ihr dadurch kein Detail verpasst.

Während der Gespräche wählt ihr die Multiple-Choice-Antworten mit dem Stylus aus. Auch die Gegenstände in eurem Inventar könnt ihr auf diese Weise aktivieren. Sie befinden sich standardmäßig auf der oberen Bildschirmhälfte, lassen sich aber mit einem Klick auf die untere Seite befördern. Ihr könnt sie auch oben lassen und bequem mittels L- und R-Tasten anwählen. Dann erscheint das jeweilige Objekt anstelle des Cursors auf dem Touchscreen und ihr könnt munter drauf los kombinieren.

Drück mich!

Die Handlung wird relativ häufig von netten Videos weitererzählt. Die Filmchen wirken nicht aufgesetzt, sondern fügen sich ideal in den Spielfluss ein. Damit die zahlreichen Speicherfresser auf das Modul passen, hat der Hersteller dem Spiel das nach eigenen Angaben bisher größte DS-Modul überhaupt spendiert: In dem Kärtchen steckt ein komplettes Gigabyte an Daten plus ein wiederbeschreibbarer EEPROM-Baustein mit 512 MB. Die Sprachausgabe hat offenbar nicht mehr hineingepasst, deshalb müsst ihr mit teilweise recht kurz eingeblendeten Texten Vorlieb nehmen.         

In der Vogelperspektive am Strand schrumpft Brian auf wenige Pixel zusammen.
Außerdem sorgt der Mobi Clip Movie Codec dafür, dass der Wust an bewegten Bildern möglichst platzsparend auf dem Modul untergebracht wurde. Leider entstehen durch die starke Kompression unansehnliche Artefakte. Es kann sogar vorkommen, dass ihr für den Spielverlauf wichtige Details überseht. Wenn ich sofort gesehen hätte, dass der kleine Lemur aus dem pinkelnden Spielzeughund trinkt, hätte ich den Plastik-Wauwau viel früher mit Whiskey abgefüllt, um den angriffslustigen Primaten betrunken zu machen. Dabei sind viele Rätsel auch ohne beinträchtigte Sicht schwer genug.

Pixelprobleme

Wie Kollege Bodo hatte auch ich schon zu Beginn Probleme mit dem durchgebrochenen Schlüssel. Um ihn zu schweißen, könnt ihr nicht einfach die Sonnenstrahlen mit der Lupe bündeln. Nein, ihr müsst das Vergrößerungsglas erst einmal mit einem Werkzeug verlängern und dann in den Boden stecken. Ist der Schlüssel geschweißt, müsst ihr immer noch die überstehenden Schweißnähte beseitigen. Diese stark ineinander verschachtelten Rätsel ziehen sich durch das komplette Spiel.

Das Frust-Potential hat offenbar auch der Hersteller erkannt und deshalb die Lösungshilfe für die ersten Rätsel gleich mit in die Anleitung gedruckt. Immerhin kommt ihr dadurch ein wenig leichter aus dem Dschungel heraus. Danach könnt ihr zur Entspannung relativ frei die Insel erkunden, um mit Anwohnern und Soldaten zu plauschen. Achtet aber genau darauf, was sie zu erzählen haben. Selbst die geschwätzige Barfrau Lokelani erwartet später allen Ernstes, dass ihr euch sämtliche Namen ihrer Verflossenen gemerkt habt.

Nur die Harten...

Nicht gerade der Hellste: Soldat O'Connor hält euch für einen verdeckt ermittelnden Vorgesetzten.
Es lohnt sich aber ohnehin, die vielen Dialoge zu lesen, denn die meisten davon sind äußerst unterhaltsam - zumindest wenn ihr nicht allergisch gegen Zoten und alberne Wortwitze seid. Der studierte Surfer und sein ewig schlafender - pardon - meditierender einbeiniger Lehrmeister in der Hängematte unterhalten sich z.B. ständig im Stil von Sweet und Dude aus »Ey Mann, wo ist mein Auto«. Auch Brian hält sich nicht mit Kommentaren zurück: »Sonst noch Wünsche?«, »Ein andermal gerne, heute habe ich kein Nutellabrot zum Frühstück gegessen«, »Ich bin doch kein Spieleredakteur« - egal was ihr anstellt, euer Charakter muss stets seien Senf dazu geben. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass mich ein anderes Handheld-Spiel so häufig dazu gebracht hat, in der U-Bahn in lautes Gelächter auszubrechen.

In solchen Momenten liebe ich meinen DS. Der komplette Wagon übt sich im Grimassenschneiden, weil ein umgestürzter Marder oder ähnliches die Weiterfahrt um 20 Minuten verzögert. Nur ich sitze selig grinsend dazwischen und tippe auf meinen Touchscreen ein. Zugegeben - verstörte Blicke lassen sich in solchen Situationen nicht vermeiden. Doch spätestens seit ich meine Spectrobes in der Öffentlichkeit durchs DS-Mikro wachgepustet habe, mache ich mir keine Gedanken mehr darüber. Die sind doch alle nur neidisch!     

Wahnsinnig gut...

Fazit

Endlich wieder ein Adventure, das dieses leichte, karibische Urlaubsgefühl ausstrahlt. Leider nehmen die vielen, teilweise arg schwierigen Kopfnüsse eurem Entdeckerdrang ein wenig den Wind aus den Segeln. Die einzelnen Rätsel sind meist stark miteinander verknüpft, so dass es eine ganze Weile dauert, bis ihr weiter kommt. Außerdem merkt man dem Spiel an, dass es ursprünglich für den PC und nicht für den DS entwickelt wurde. Obwohl sinnvolle Neuerungen wie die Detail-Ansicht und die Hilfe-Funktion integriert wurden, wirkt die Bedienung ein wenig fummelig. Doch trotz aller Kritik macht Runaway 2 eine Menge Spaß, nicht zuletzt dank der vielen lustigen Dialoge und der opulenten Präsentation. Also: Rätselprofis greifen zu, Anfänger drucken sich zur Sicherheit eine Komplettlösung aus.

Pro

  • entspanntes Karibik-Flair
  • gelungene Charaktere
  • viele, herrlich alberne Dialoge
  • detailreich gezeichnete Kulissen und Figuren im Comic-Stil
  • Die zahlreichen Videos fügen sich nahtlos ins Geschehen ein.
  • praktisches Zoom-Feature
  • Hilfe-Funktion zeigt relevante Gegenstände an
  • viele Rätsel und relativ großer Umfang
  • nette musikalische Begleitung

Kontra

  • trotz neuer Extras etwas fummelige Bedienung
  • teils übertrieben schwierige Kopfnüsse
  • starke Videokompression verschluckt wichtige Bilddetails
  • etwas kratziger Sound

Wertung

NDS

Aufwändig präsentiertes Südsee-Adventure mit lustigen Dialogen und bockschweren Rätseln.