Star Ocean: Second Evolution - Test, Rollenspiel, PS_Vita, PSP, PlayStation4

Star Ocean: Second Evolution
05.02.2009, Jens Bischoff

Test: Star Ocean: Second Evolution

Vor wenigen Monaten bekamen PSP-Spieler bereits ein äußerst gelungenes Remake des ersten Star Ocean-Abenteuers serviert. Inzwischen steht auch die mobile Adaption des zweiten und bis dato wohl stärksten Teils der Saga in den Startlöchern. Hat dieser auch heute noch das Zeug dazu, Rollenspielerherzen höher schlagen zu lassen?

Video: Zwanzig Jahre nach dem ersten Teil spielt Ronyx dieses Mal nur noch eine kleine Nebenrolle.Second Evolution spielt gut zwei Jahrzehnte nach First Departure und entführt den Spieler erneut auf einen als "unterentwickelt" klassifizierten Planeten namens Expel, der sich in einer Notlage befindet. Nach dem Einschlag eines mysteriösen Meteoriten, der eine dämonische Invasion zur Folge hat, treffen das einheimische Mädchen Rena und der ungewollt hier gestrandete Claude, Sohn des Erdflottenadmirals Ronyx aus Teil eins, zufällig aufeinander. Zum Glück, denn wäre Claude nicht gewesen, wäre Rena von einer fürchterlichen Bestie zerfleischt worden.

Wie der Vater, so der Sohn

Zunächst hält man den merkwürdigen Erdling mit seiner lebensrettenden Strahlenpistole für den Helden einer uralten Legende, der in Zeiten der Not vom Himmel fahren und gegen die Mächte der Finsternis in den Kampf ziehen würde. Doch Claude will eigentlich nur schnell wieder zurück nach Hause und nichts von heroischen Verpflichtungen wissen. Da ihm in Renas Heimatdorf jedoch niemand weiter helfen kann, entschließen sich die beiden zusammen loszuziehen, um andernorts nach Möglichkeiten für Claudes Rückkehr zu suchen und zugleich die Auswirkungen des Meteoriteneinschlags zu untersuchen.

Der Einstieg ist aufgrund zahlreicher Sequenzen und Dialoge etwas zäh und die Story kommt nur langsam in die Gänge. Doch wer durchhält, wird am Ende mit einem genauso tragischen wie epischen Abenteuer belohnt, das auch heute noch fasziniert, überrascht und berührt. Im Gegensatz zum Vorgänger ist die erneut mit üppiger Sprachausgabe und exklusiven Anime-Sequenzen von Production IG (u. a. Ghost in the Shell) unterlegte Handlung wesentlich ausführlicher und auch der Umfang hat deutlich zugelegt. Während man im sehr straff strukturierten First Departure nach zwanzig Stunden bereits kurz vorm Finale stehen konnte, hat Second Evolution zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal richtig angefangen.

Gut Ding braucht Weile

Zudem kann man sich vor Spielbeginn dafür entscheiden, das Abenteuer entweder aus Claudes oder Renas Sicht zu erleben, was den Hauptplot zwar nicht weiter beeinflusst, aber unterschiedliche Ereignisse, Dialoge und sogar Gefolgsleute mit sich bringt. Der Schwierigkeitsgrad ist die meiste Zeit leider sehr harmlos, aber nach einmaligem Durchspielen werden zwei zusätzliche Stufen freigeschaltet, so dass ein zweiter Durchgang nicht nur erzählerisch, sondern auch spielerisch seinen Reiz hat.

Wer das erste Remake bereits gespielt hat, wird viele Gemeinsamkeiten erkennen: Egal ob Präsentation, Grafik-Engine, Kampfsystem oder Design, alles scheint 1:1 aus Teil eins übernommen worden zu sein. Kenner des PlayStation-Originals wissen jedoch, dass genau das Gegenteil der Fall ist, 

Je nachdem ob ihr aus Claudes oder Renas Sicht spielt, erlebt ihr unterschiedliche Szenen.
da man sich bereits bei der Umsetzung von First Departure grafisch und spielerisch mehr am PSone-Nachfolger als an der SNES-Vorlage orientiert hatte und daher vieles identisch ist. Das mag einerseits zwar für eine gewisse Ernüchterung sorgen, da man vieles bereits kennt. Andererseits fällt der Einstieg dadurch umso leichter, da man sich sofort zurecht findet. Auch PlayStation-Veteranen fühlen sich schnell wie zu Hause, obwohl es hier und da kleine Änderungen gibt. Alles in allem wurde der Oldie aber sehr originalgetreu auf Sonys Handheld umgesetzt - selbst die legendäre Sprachgalerie findet sich in leicht abgewandelter Form auf der PSP wieder.

Zurück in die Zukunft

Apropos Sprache: Die Vertonung des Remakes ist äußerst umfangreich und die englischen Sprecher machen bis auf wenige Ausnahmen einen sehr guten Job. Leider gibt es aber auch dieses Mal keine deutschen Untertitel, was sehr schade ist, aber einen, auch wenn man nur über grundlegende Englischkenntnisse verfügt, nicht vom Kauf abhalten sollte. Grafisch bekommt man wieder eine Mischung aus handgemalten 2D-Charakteren, vorgerenderten Schauplätzen und einer dreidimensionalen Oberwelt mit frei drehbarer Kamera serviert.          

Letztere wirkt für heutige Verhältnisse allerdings ungemein trostlos und dient lediglich dazu zwischen den einzelnen Orten hin und her zu reisen. Zu entdecken gibt es hier leider absolut nichts, da alle betretbaren Orte bereits zu Spielbeginn eingetragen sind. 

Die vielen Zufallskämpfe können zwar nerven, aber die Scharmützel an sich sind äußerst kurzweilig.
Auch die Interaktionsmöglichkeiten beschränken sich auf das Lesen weniger Richtungsschilder, so dass Ortswechsel eher langweilige als interessante Intermezzi darstellen. Im letzten Teil des Spiels kann man im Gegensatz zum Vorgänger aber immerhin auf ein zeitsparendes Fluggefährt zurückgreifen. Fixe Schiffspassagen existieren auch wieder. Die vorgerenderten Städte und Dungeons sind auch heute noch hübsch anzusehen und die Figuren trotz oder gerade wegen des Retro-Looks sehr charmant.

Geteilter Meinung kann man hingegen über die zahlreichen Zufallskämpfe sein. In manchen Gebieten können die vielen Unterbrechungen jedenfalls ziemlich nerven - vor allem, wenn man sich versucht die Layouts komplexerer Dungeons einzuprägen oder mit Rätseleinlagen beschäftigt ist. Immerhin sind die Scharmützel an sich sehr flott und kurzweilig. Man kann sich frei aus verschiedenen Ausgangsformationen über das Schlachtfeld bewegen, jederzeit den Charakter sowie das anvisierte Ziel wechseln und führt in Echtzeit Angriffe oder vorher festgelegte Spezialattacken aus, die sich auch zu Kombos verketten lassen. Zudem lässt sich das Geschehen auch Pausieren, um im Menü taktische Ausrichtungen zu ändern, Items einzusetzen oder Zauber zu veranlassen.

Kurzweilige Altlast

Während man den aktuell gewählten Recken direkt steuert, agiert der Rest der bis zu vierköpfigen Truppe automatisch und richtet sich dabei an festgelegte individuelle Verhaltensmuster mit Fokus auf Offensive, Defensive oder Heilung. Glücklicherweise kann man sich fast immer auf seine KI-Mitstreiter verlassen was Auswahl und Timing passender Zaubersprüche oder Spezialattacken angeht. Nur der Einsatz von Items ist komplett dem Spieler überlassen, egal welche Rolle er gerade inne hat. Auch dass sich gerade nicht aktive Gefährten kein Stück weiter entwickeln und dadurch schnell zurückfallen und irgendwann quasi unbrauchbar werden, ist etwas lästig.

Ärgerlich ist aber auch, dass der Spielfluss im Kampf immer wieder unterbrochen wird, wenn die Magier aktiv werden. Die mitunter opulent inszenierten Zauber sind war durchaus sehenswert, aber nach einer Weile sind die damit einhergehenden Kampfpausen einfach nur noch lästig und eine Möglichkeit, die entsprechenden Animationen zu deaktivieren gibt es nicht. Zu kritisieren sind in diesem Zusammenhang auch die nicht immer optimalen Perspektivwechsel, die einen nach dem Magieeinsatz oftmals blind weiter kämpfen lassen, da man sich danach plötzlich abseits des Bildausschnitts wieder findet und darauf wartet, dass die Kamera sich wieder auf den Spieler fokussiert, während die Gegner weiter munter auf einen eindreschen...

Interessant ist auch wieder das Beziehungsgeflecht der Charaktere untereinander, das man auf verschiedene Weise beeinflussen kann. Je nachdem wie man sich in manchen Situationen entscheidet, wie man seine aktuelle Party zusammensetzt oder welchen Ereignissen man beiwohnt, entstehen andere Sympathien. Mit von der Partie sind natürlich auch wieder die so genannten Privataktionen, 

Die grafische Präsentation ist abgesehen von der tristen 3D-Oberwelt ungemein charmant.
durch die man an bestimmten Orten je nach Partykonstellation mehr über die einzelnen Charaktere und ihre Vorlieben erfahren kann. Wer keine Lust darauf hat, darf das Feature aber auch ignorieren.

Wolf im Schafspelz

Das gilt ebenso für das umfangreiche Skill- und Craftingsystem, das einen nicht nur effektiver kämpfen, sondern auch zahlreichen Professionen nachgehen lässt. Dabei kann man sich nicht nur als Schmied, Koch oder Künstler versuchen, sondern auch unter die Langfinger gehen, Tiere abrichten und vieles mehr. Die Charakterentwicklung lässt jedenfalls angenehm viele Freiheiten, während die zahlreichen Nebenbeschäftigungen fast schon eine Wissenschaft für sich darstellen, ohne dass man dazu gezwungen wird, sich jemals damit zu beschäftigen. Fleißige Köche und Schriftsteller freuen sich später jedoch über lukrative Kochduelle und interessierte Verleger. Aber auch wer sein Glück auf dem Schlachtfeld sucht, kann mit seinen Geschicken später bare Münze verdienen, während andere auf das große Glück im Wettbüro hoffen. Die Möglichkeiten sind jedenfalls ungemein vielfältig und abwechslungsreich.       

Fazit

Das zweite Star Ocean ist auch heute noch ein packendes SciFi-Fantasy-Epos, das den bereits sehr guten Erstling klar in den Schatten stellt. Zwar reicht es aus heutiger Sicht nicht mehr ganz zu Platin-Ehren, die dem PSone-Original seinerzeit wohl kaum jemand abgesprochen hätte, aber das Spielerlebnis ist nach wie vor eine Klasse für sich. Ja, der Einstieg mag etwas zäh, der Schwierigkeitsgrad die meiste Zeit zu harmlos, die vielen Zufallskämpfe mitunter nervig sein, aber spätestens wenn die große Storywende einsetzt, nimmt auch der Rest rasant Fahrt auf und man klebt bis zum letzten Kampf gebannt am Bildschirm wie seiner Zeit auf der guten alten PlayStation - und das wie bereits beim PSP-Remake des Vorgängers mit exklusiven Anime-Sequenzen und üppiger Sprachausgabe unterlegt. Doch auch abseits der Haupthandlung gibt es jede Menge zu entdecken: Man kann Handwerke und Künste ausüben, zusätzliche Schauplätze, Figuren und Ereignisse aufspüren, Charakterbeziehungen und Spielende beeinflussen sowie das ganze Abenteuer aus zweierlei Blickwinkeln erleben. Nur schade, dass man sich eine Lokalisierung erneut gespart hat. Doch wer mit dem Englischen nicht auf Kriegsfuß steht, sollte sich davon nicht abschrecken lassen. Second Evolution ist ein Pflichtkauf für jeden Rollenspielliebhaber, der das nicht minder grandiose Original noch nicht in seiner Sammlung hat!

Pro

  • kurzweilige Echtzeitkämpfe
  • charmantes Charakterdesign
  • interessantes Beziehungsgeflecht
  • komplexes Skill- & Craftingsystem
  • epische Story aus zwei Perspektiven

Kontra

  • recht zäher Auftakt
  • mitunter lästige Zufallskämpfe

Wertung

PSP

Mit üppiger Sprachausgabe und schicken Anime-Sequenzen aufgemotzter RPG-Meilenstein, der auch heute noch begeistert.