Sonic und der Schwarze Ritter - Test, Geschicklichkeit, Wii

Sonic und der Schwarze Ritter
19.03.2009, Benjamin Schmädig

Test: Sonic und der Schwarze Ritter

Ich war ja skeptisch: Sonic mit Schwert? Nichts gegen die ritterlichen Ambitionen des Traditionssprinters, aber Segas Stachel war doch immer DIE Ikone, wenn es um den Kampf ohne Waffen ging - um das Rollen, um das Springen, um das Zu-Tode-Igeln. Wirft ein Held meiner Kindheit jetzt endgültig die sprichwörtliche Flinte ins Korn, nachdem er sich in den vergangenen Jahren immer mehr im Gestrüpp belangloser Action-Adventures verhedderte? War ICH skeptisch...

Gestrüpp hin, das belanglose Unleashed her, eins muss man dem Maskottchen ja lassen: Wer den rasanten Renner nach seinem unterirdischen Einstieg in die aktuelle Konsolengeneration schon abgeschrieben hatte, tat in dem darauf folgenden ersten Wii-Abenteuer einen erholsamen Atemzug. Denn plötzlich besannen sich die Entwickler bei Sonic Team wieder auf die Herkunft ihres Ziehkindes: Plötzlich war Sonic schnell, plötzlich standen überschallgeschwinde Geschicklichkeits-Sprints im Vordergrund, das Zerhopsen fieser Feinde sorgte für willkommene Farbtupfer in dem kniffligen Hürdenlauf. Sonic meldete sich also eindrucksvoll zurück, um 



Welche Plage...

Na ja, so hatte ich mir das jedenfalls vorgestellt - bevor ich zum ersten Mal Hand anlegen durfte und feststellen musste, dass die Entwickler ihre Idee vom Action-Adventure dann wohl doch nicht so schnell einmotten wollten, wie es die geheimen Ringe vermuten ließen. Sonic kann natürlich nichts dafür! Der fällt ja selbst buchstäblich aus allen Wolken (mit zwei Hot Dogs in den Händen), als er von Merlina in die japanische Auslegung der Artus-Sage gezaubert wird ("Sorry für den unerwarteten Hilferuf!"), ein sprechendes Schwert in die Hand gedrückt bekommt und sich umgehend zur Weltenrettung bereit erklärt: "So was mach ich jeden Tag!" Und welche Plage muss der Flottfeger diesmal beseitigen? Keine Geringere als den König der Sage, Artus höchstselbst, sowie Lanzelot, Gawain und Parzifal.

So sieht es aus, wenn der neue Sonic durch Artus' Sagenwelt sprintet.im nächsten Wii-Auftritt so richtig aufzutrumpfen!

Weshalb sich Artus dem Bösen zugewandt hat und wieso die Ritter der Tafelrunde (immerhin Ebenbilder von Shadow, Knuckles und Blaze) auf seiner Seite stehen, werde ich nicht verraten, und der Plot gewinnt selbstverständlich auch keinen Preis in der Kategorie "Intelligentes Epos". Es gibt aber nach der Hälfte des Spiels einen Wendepunkt, der die Geschichte nicht nur erzählerisch bereichert, sondern den Helden auch spielerisch auf eine neue Ebene schießt. Und dieser Wende ist es schließlich zu verdanken, dass mich Sonics Jagd auf den Schwarzen Ritter dann doch überzeugen konnte.

Dabei war ich anfangs doch so skeptisch. Nachdem Sonics sprechendes und überaus hilfreiches Schwert nämlich die ersten strunzdoofen Bösewichter zu buntem Staub verarbeitet hatte, wollte ich den Kampf mit der Waffe als langweiliges Remote-Gefuchtel abtun, bei dem sich der Igel zäh wie ein Kaugummi von links nach rechts oder gar nach hinten bewegen kann. Und wisst ihr was? Genau so ist es auch! Als Action-Adventure, das es stellenweise sein könnte, versagt dieses Spiel. Dass sich der Ritterraser partout nicht flink in alle Richtungen bewegt, sondern träge wie Lupi, die Zeitlupenschnecke hin und her rutscht, ist mir ein echter Dorn im Auge. Was hätte denn dagegen gesprochen, nicht nur Sonics Vorwärtsdrang an einen ICE zu koppeln, sondern ihm Kratos-kompatibles Säbelrasseln beizubringen. Clevere Gegner, eine Hand voll schicker Kombo-Attacken - fertig hätte aufregende Action sein können. Stattdessen kann Sonic blocken, springen, schlagen und Energie für einen Zeitlupenangriff

Als Action-Adventure versagt das Abenteuer um Sonic und den Schwarzen Ritter leider.
sammeln, der im lockeren Rechts-Links-Takt der Remote die Widersacher dezimiert. Das war's dann aber schon. Besonders dröge wird das Gehacke, wenn das Missionsziel lautet: Erschlage soundso viele Monster. Spannend ist anders.

Wie in alten Tagen?

Ich glaube, ich verabschiede mich lieber davon, dass Team Sonic auf einmal packende Schwertkämpfe bieten könnte! War ja auch eine blöde Idee und die Skepsis wieder mal berechtigt. Ersteindruck: befriedigend! Da versuche ich doch lieber, dieses Abenteuer einfach wie seinen Vorgänger zu spielen. Die Idee: Ich renne einfach mal mit einem Affenzahn durch die Mischung aus japanischer Fantasy und britischem Mittelalter und betrachte die blödbackigen Feinde nur als Hindernisse auf meinem Weg zur Ziellinie. Blöde Idee - denn wozu dann das Schwert? Aber: Sie geht auf! Klar, hier und da fordert mich ein tafelrunder Bossgegner zum taktisch anspruchsvollen Klingenrasseln heraus. Dann passe ich in Reaktionsspielen den richtigen Moment ab oder gehe rechtzeitig hinter meinem Schild in Deckung. Und hin und wieder muss ich mich gegen besonders fies platzierte Blödbacken auch mal in Ruhe zur Wehr setzen. Blöd nur, dass Sonic an wenigen speziellen Positionen nicht blocken kann und dass es mitunter zu lange dauert, bis er nach einem Angriff den Schild endlich hebt. Aber davon abgesehen rennt, springt und klettert der Blaumann (indem er sein Schwert in Holzmauern rammt) so behände wie auf der Jagd nach den geheimen Ringen. Gelegentlich schleicht er auch auf engen Simsen im richtigen Moment an herunter fallenden Felsen vorbei oder wird per Kahn oder Pferdewagen kutschiert. Bei einer kurzen, durch die Perspektive vermittelten Hommage an Sonics zweidimensionale Wurzeln wurde mir sogar warm ums Herz. Dabei war ich doch so skeptisch!         

Schade aber, dass der Raser dank seiner ritterlichen Ambitionen von der neuartigen "Lenkrad-Steuerung" des letzten Abenteuers wieder auf den Analogstick-Rüttel-Mix aus Unleashed umsattelt. Coole Kombos beherrscht er diesmal allerdings nicht - irgendein Wedeln ist dem Schwert schon Befehl. Schade auch, dass die plötzlichen Kamerschwenks genau wie in die geheimen Ringe mitunter verbergen, welche Richtungseingabe eigentlich welche Bewegung auslöst. Logisch: Drückt man den Analogstick aufs Bodenblech, rennt der Igel. Und zwar nach vorn. Aber

Premiere: Der Rennigel sammelt alles möglich auf - nur keine Ringe!
wenn die Kamera im Rhythmus der Kurven von oben-rechts-hinten nach schräg-über-Mitte-vorn zoomt, verschleiert sie geschickt, ob wertvolle Extras links oder rechts des Weges liegen.

Restlos ringfrei?

Apropos Ringe: Täusche ich mich oder ist der Schwarze Ritter Sonics erste Raserei, in der er keine Ringe auflesen darf? Die güldenen Accessoires tauchen nämlich erst dann als Bildschirmanzeige auf, nachdem er über gelbe Feen oder durch diverse Behältnisse wie Holzkisten und Vasen gesprintet ist. Blaue Feen dienen hingegen als Beschleunigungsfelder, während rote Feen die Energie für den erwähnten Zeitlupenangriff aufladen. Und noch etwas sammelt die Stachelbeere auf ihrem Weg durch das mythische Großbritannien: zahlreiche Extras, die dem Held als Rohstoffquelle und zur Verbesserung seiner Fähigkeiten dienen. Denn bis zu zwei Gegenstände kann ich Sonic mit auf den Weg geben, damit er z.B. schneller Punkte anhäuft, mehr Schatztruhen findet oder besser gegen Angriffe geschützt ist. Allerdings gehen mir gerade beim Auflesen von Ringen und Rohstoffen die furchtbar trägen Schritte nach links, rechts oder nach hinten auf den Senkel: Wer nämlich alle Fundsachen finden will, muss schon mal umdrehen, weil der blaue Blitz an ihnen vorbei gezischt ist...

Rohstoffe kommen hingegen erst später ins Spiel. Erinnert ihr euch an den Wendepunkt der Geschichte? Jener Wendepunkt, der nicht nur eine erzählerische Kurve kratzt, sondern auch eine spielerische Ebene hinzufügt? Irgendwo in der zweiten Hälfte musste meine Skepsis jedenfalls fast endgültig weichen, denn im zweiten Teil wird die Sache mit dem Schwarzen Ritter deutlich anspruchsvoller: Die kurzen Levels der ersten Stunden werden zu langgezogenen Herausforderungen, knackige Countdowns fordern sowohl Geduld als auch Geschicklichkeit und der bis dahin recht banale Rennspringkampf entwickelt 

Die Bilder werden den teilweise wunderschönen Postkartenmotiven leider kaum gerecht.
sich zu abwechslungsreichen Parcourläufen. Da muss Sonic auf einmal unter Zeitdruck tosende Wasserwände überwinden, über spuckende Lava hinweg, durch hinterlistige Fallen tänzeln, auf Schienen skaten und an hartnäckigen Monstern vorbei. Für sich genommen gewinnt dabei keins dieser Elemente einen Blumentopf; gemeinsam machen sie das neue Abenteuer aber zu einem schnellen, actionreichen Jump&Run...

Die Wende

... das von idyllischen Märchenwäldern durch verwunschene Höhlen bis unter die Räder gigantischer Kriegsmaschinen führt. In märchenhaften Eiswäldern scheint das Böse durchzuatmen, während es in tosenden Lavamassen die Hetzjagd wieder aufnimmt. Auch wenn einige Abschnitte vorheriger Levels hier und da recycelt werden: Traumhafte Sonnenuntergänge, verschwörerische Gewitterwolken und ein schön gezeichnetes Menü machen den Märchenkitsch im besten Sinne perfekt. Schön, dass man jede Herausforderung beliebig oft wiederholen darf! Nicht zuletzt warten nach dem Einklinken in den weltweiten Datenstrom sogar Ranglisten - eine für jeden Level. Wie in seinem letzten exklusiven Wii-Sprint ist der nassforsche Held zwar auf sehr enge Bahnen angewiesen - dem gestählten Jump&Run-Kenner entlockt das allerdings nur ein anerkennendes Nicken.     

Das Wiederholen bereits bestandener Abschnitte tut aber nicht nur dem online vergleichenden Ego gut; es dient auch dem Anhäufen zusätzlicher Sterne. Maximal fünf davon gibt es für den perfekten Abschluss einer Mission, und mit zusätzlichen Sternen trainiert der Rennläufer schließlich seine Geschicke. Er kann dabei zwischen drei Kampfstilen wählen, die verschiedene Vorlieben bedienen: Bei Nummer eins steht das Schwert im Vordergrund, Nummer zwei setzt auf Geschwindigkeit und Nummer drei vertritt den runden Mittelweg. Die mit einem bestimmten Stil gewonnenen Sterne verbessern dabei die mit diesem Stil verbundenen Fähigkeiten - auch wenn die Unterschiede eher gering 

Der blaue Held kann sich entweder auf Geschwindigkeit oder auf den Kampf spezialisieren...
ausfallen. Schön, dass sie da sind; ich hätte den Rollenspieleinschlag allerdings nicht vermisst...

Alle Viere

Ähnliches mache ich bei Sonic, Lanzelot, Parzifal und Gawain geltend. Am erwähnten Wendepunkt schlossen sich die Herren vom runden Tisch nämlich meinem flinken Freiheitskampf an, so dass ich jeden kommenden Einsatz mit einem der bekannten Charaktere bestreiten durfte. Nennenswerte Unterschiede konnte ich aber nicht ausmachen: Die Ritterlichkeit unterscheidet sich vornehmlich durch ihre Angriffstechnik, der Rest verliert sich in Detailstudien unter dem Mikroskop. Immerhin darf ich aber den legendären Rittern neue Schwerter schmieden, was als Gegenstück zur Stilentwicklung ihres blauen Anführers dient.

Und es war eben dieser Wendepunkt, an dem auch das Auflesen von Rohstoffen an Bedeutung gewann. Denn Sonic kramt nicht einfach die Materialien zusammen und basta: Bevor er die Dinge in seinen prall gefüllten Taschen (die Schuhe können's nicht sein - er muss sie in den Stacheln verstecken!) nutzen kann, muss er die Fundstücke identifizieren. Und das kostet ID-Punkte, die selbstverstehend begrenzt sind. Soll ich also auf einen Ringbonus verzichten, um bestimmte Gegenstände günstiger zu identifizieren? Ein entsprechendes Extra könnte Sonic ausrüsten... Irgendwie schade:

... auch wenn sich die Varianten leider nur dezent unterscheiden.
Die zusätzlichen Fähigkeiten, Charaktere und Überlegungen bieten zu wenig Tiefgang, um Sonics Ritterlichkeit eine motivierende Dimension zu verleihen. Sie verleihen der spielerisch abwechslungsreichen Märchenwelt aber einen zusätzlichen Farbklecks.

Die neue Dimension?

Was den Mehrspieler-Prügeleien im Übrigen nicht einmal ansatzweise gelingt. Am liebsten würde ich das Gehopse in den Mini-Arenen ja komplett ignorieren - wen interessiert schon, dass man sich da bis zu viert auf einem Bildschirm kloppen kann, was genau so lange Spaß macht wie das Multiminispiel zum Laden braucht; sobald man dann versucht, mit der Powerstone-untauglichen Steuerung flotte Hiebe auszuteilen, sinkt die Partylaune in den Keller. Wo die vier Protagonisten sonst verschiedene Aufgaben erledigen, u.a. eine bestimmte Anzahl Ringe bei friedlichen Dorfbewohnern abzuliefern, ein Zeitlimit einzuhalten oder ohne das Berühren eines einzigen Einwohners ans Ziel zu gelangen und meist zwischen verschiedenen Missionen wählen können, dürfen Party-Macher isometrisch "prügeln" - super! Mit den belanglosen, aber zahlreichen und witzigen Minispielen des Vorgängers hat das nichts mehr zu tun.     

Fazit

Sonic war schon besser in Form - er war zuletzt aber nie besser in Form. Ein Widerspruch? Nicht ganz, denn ich finde es bemerkenswert, wie souverän sich der blaue Blitz schon zum zweiten Mal auf dem System des ehemaligen Klassenfeindes schlägt - obwohl er noch immer einen entscheidenden Sprint von der Klasse seiner frühen Tage entfernt ist. Irgendwie hat es Sega jedenfalls geschafft, allen gelungenen Aspekten dieses Abenteuers eine Hürde zu verpassen, die den Lauf des Flitzers bremst. Buchstäblich. So kommt Sonic nur schwerfällig in Gang und bewegt sich furchtbar träääge auf Extras und Feinde zu, die sich neben oder hinter ihm befinden. Die flotten Kameraschwenks verbergen hingegen oft, wo welche Richtungseingabe hin führt, und über das einfallslose Pack, dem der blaue Ritter begegnet, decke ich lieber den Mantel des Schweigens. Aber! Lasst es einfallslos sein, lasst die Charakterentwicklung einen Tick zu oberflächlich sein und lasst mich immer wieder die Zähne in den Controller schlagen: Der Ausflug in die Artus-Sage ist vor allem in den späteren Kapiteln ein abwechslungsreiches, wunderbar kniffliges Action-Jump&Run! Sonic rennt und springt durch wunderschöne Märchenwelten, sammelt Erfahrungspunkte, erledigt interessante Aufgaben und misst sich im internationalen Wettstreit. So lange er im flotten Beat des rockigen Soundtracks über die Köpfe seiner Gegner springt, ist das Maskottchen fast schon wieder so fit in seinen besten Tagen. Nein, so richtig kann sich der knuffige Sympathieträger auch auf Wii noch nicht von den Altlasten vergangener Jahre lösen. Er bleibt aber auf einem guten Weg!

Pro

  • einfache, aber interessante Geschichte
  • abgesehen von einigen netten Bosskämpfen...
  • fordernde Jump&Run-Action im zweiten Teil
  • Ausrüstung und Spezialisierung verändern Eigenschaften...
  • später Wahl zwischen mehreren Figuren...
  • motivierende Jagd nach Punkten und Materialien
  • ausgesprochen stimmungsvolle Landschaften
  • Punktevergleich über Online-Ranglisten
  • meist mehrere Aufgaben zur Auswahl

Kontra

  • träge Bewegung zur Seite und nach hinten- ...  einfallslose Wellen strunzdummer Gegner
  • auffällige Wiederholungen einiger Abschnitte- ... was sich spielerisch kaum auswirkt- ... die sich spielerisch zu wenig unterscheiden
  • Figuren tauchen teilweise sehr spät erst auf
  • Kameraeinstellungen sind stellenweise unübersichtlich

Wertung

Wii

Auch wenn er noch zu viele unnötige Altlasten mitschleppt: Auf Wii ist Sonic auf dem richtigen Weg.