Avencast: Rise of The Mage - Test, Rollenspiel, PC

Avencast: Rise of The Mage
06.12.2007, Mathias Oertel

Test: Avencast: Rise of The Mage

Titan Quest, Legend, Hellgate London, Silverfall: Das Action-Rollenspiel boomt wie schon lange nicht mehr. Dabei verlässt man sich mit wenigen Ausnahmen jedoch auf bekannte Mechanismen. Oder auf das, was man kennt und was man spielen will – wer immer auch "man" ist. Mit einigen, zumindest auf PC neuen Mechanismen möchte Avencast die Phalanx konventioneller Abenteuer aufmischen.

Ich habe hunderte Satyr, Wildschweine, Mumien usw. in den mythologischen Gefilden Griechenlands und Ägyptens getötet. Ich habe die Höllentore Londons überlebt. Ich habe selbst das Geschwätz einer vorlaut keifenden Elfe ertragen, die mir wenigstens Licht im Dunkeln spenden konnte.

Vieles neu und alles anders

Und doch hat mich kein Action-Rollenspiel dieses Jahres so überrascht wie Avencast (AC). Das Abenteuer eines Zauberlehrlings, der sich während seiner Ausbildung urplötzlich dem personifizierten Bösen gegenübersteht, besticht dabei allerdings weniger durch die Kulisse. Spezial- und Zaubereffekte sind zwar schön anzuschauen, doch die handgezeichneten Abschnitte wirken im Vergleich zu den Referenztiteln wie z.B.

Die Effekte gehören zu den herausragenden Eigenschaften der soliden Engine.
Titan Quest fast wie ein spätes PS2-Spiel im Gegensatz zu Titeln auf der 360. Gleiches gilt für die Animationen von sowohl der Hauptfigur als auch der über 30 Gegnertypen. Aber AC ist eines dieser seltenen Beispiele für das bereits verloren geglaubte Credo "Das Spielkonzept ist wichtiger als die Optik".

Dabei dürfte  dem Team von Clockstone jedoch fast von Anfang an klar gewesen sein, dass die spieltechnischen Änderungen, die von den Österreichern eingebaut wurden, für PC-Helden extrem sperrig sind. Zumindest für die Zocker, die in den letzten Jahren von Spielen wie Titan Quest, Silverfall und Loki an "Klick&Blöd"-Mechaniken gewöhnt wurden. Versteht mich nicht falsch: Auch ich gehöre zu dieser Zunft. Auch ich habe Stunden über Stunden in den entsprechenden Universen verbracht - und eine Menge Spaß gehabt.

Richtig konsolig

Aber ich bin gleichzeitig auch auf Konsolen mit den Helden von Dungeons & Dragons auf Xbox durch Labyrinthe gezogen. Ich habe den dunklen Allianzen, die auf PS2 und Xbox die Stadt Baldurs Gate erschütterten, den Kampf angesagt. Und ich bin mit den Champions durch Norrath gezogen.

Und habe mir trotz aller Vorzüge und enormen Motivationskurve der PC-Action-Rollis immer wieder gewünscht, dass die doch etwas anspruchsvolleren Kampfmechaniken der Konsolen-Kollegen Einzug halten würden. Oder Rätsel. Avencast bietet genau diese Elemente. Und deswegen nehme gerne in Kauf, dass der "Harry Potter trifft auf Diablo"-Ansatz nicht ganz auf der Höhe der technischen Zeit ist.

Außengebiete wie dieses gibt es leider zu selten. Meist ist man damit beschäftigt, durch dunkle Verliese und düstere Gemäuer zu stapfen.
Ebenso nehme ich in Kauf, dass die Steuerung bedingt durch die Direktheit und die aktiven Kampfkombos sehr gewöhnungsbedürftig ist - obwohl auch optional einfache Varianten angeboten werden, die aber zwei Gemeinsamkeiten haben: Sie stellen allesamt nicht vollends zufrieden und sie teilen sich die immer wieder auftauchenden Kameraprobleme.

Dadurch werden sicherlich viele abgeschreckt. In Avencast reicht es nicht, auf den Boden zu klicken oder den Gegner anzuklicken, um zu laufen oder um Angriffe durchzuführen. Der Zauberlehrling ist wesentlich aktiver und dadurch ungleich fordernder. So wird der Held in bester Action-Adventure-Manier über die übliche WASD-Steuerung gelenkt. Was wiederum bedeutet, dass ihr euren Feinden wirklich Auge in Auge gegenübertreten müsst, um aktiv per linkem Mausklick einen Nahkampfangriff durchzuführen bzw. über die rechte Maustaste ein magisches Projektil auf die Reise zu schicken.

Durch die erweiterten Kampfmöglichkeiten und Zauber, die sich auf eure Fertigkeitsbäume verteilen, wird es sogar noch komplexer. Zwar können sich auch ein paar Hotkeys mit euren Spezialangriffen belegen lassen, doch mit insgesamt über 60 Fähigkeiten sind die Schnelltasten bald am Ende ihrer Leistungsfähigkeit.

Skills gefordert

Zum Glück kann man jede dieser Aktionen über eine Kombination der Bewegungstasten mit der rechten bzw. linken Maustaste abrufen. Das bedeutet anfänglich allerdings eine gehörige Umgewöhnung der Spielweise in Kämpfen  und gleichzeitig eine extrem steile Lernkurve. Dabei gehört die fehlende Gesundheitsanzeige der Gegner (mit Ausnahme der Bosse) ebenso zu den Unwegbarkeiten, die ihr beachten müsst

      

Anstatt wie bislang wie wild auf den Gegner einzuhämmern ist taktisches Kalkül genauso verlangt wie motorische Fähigkeiten. Ihr müsst die Entfernung zum Gegner genauso einzuschätzen wissen wie eure Aktionen, die unterschiedlich viel Zeit und magische Energie beanspruchen. Da ihr zudem permanenten Heiltrankmangel habt, ist es mitunter sogar angebracht, den Feinden den Rücken zu kehren und abzuhauen. Besser ein Feigling sein als tot, da das Schnellspeichersystem euch unter Umständen sehr weit zurück setzen kann. Mit anderen Worten: Ein kleineres Speicher-

Das aktive Kampfsystem bietet eine willkommene Abwechslung vom Hack&Slay-Einerlei und erinnert positiv an entsprechende Konsolentitel...
Intervall wäre angesichts des fordernden und manchmal etwas unausgewogen scheinenden Schwierigkeitsgrades durchaus angebracht. Und wieso es in dem umfangreichen Kampfsystem keinen aktiven Block gibt, bleibt ein Geheimnis. Der Dynamik hätte es nicht geschadet. Dem Schwierigkeitsgrad auch nicht. Zwar bekommt ihr später einen magischen Schild, den ihr abrufen könnt, doch

Denn die facettenreiche, aber leider immer noch mit Mankos behaftete Gegner-KI tut ihr Übriges, um euch Kampfspannung vorzuexerzieren: Unterschiedliche Angriffs- und Verteidigungsmuster, die teils sogar auf eure Gesundheit reagieren, dazu Resistenzen und Anfälligkeiten für bestimmte Elementare wie Feuer oder Eis sorgen dafür, dass die Kämpfe jederzeit spannend verlaufen und nur selten ins Gewöhnliche abgleiten.

Kämpfen läuft also nicht mehr nach dem üblichen Klick-und-Weg-Prinzip. Doch dies ist nicht der einzige Punkt, in dem sich Avencast versucht, vom Gros der Action-Rollenspiele abzuheben und die Grenze zum klassischen Action-Adventure zu durchbrechen - was meiner Meinung nach der einzig sinnvolle Weg ist, um dem Genre neue Impulse zu geben. Stellt euch ein Tomb Raider vor, bei dem über eure Auswahl der Fähigkeiten, in die ihr investieren könnt, bestimmte Abschnitte zugänglich sind oder nicht... Doch ich schweife ab...

Rätselspaß inklusive

Zurück zu unserem Zauberlehrling: Mit sensibel eingestreuten Rätselelementen kommt ein Faktor hinzu, den ich nur applaudierend und mich mit Hochachtung verneigend entgegen nehmen kann. Natürlich erreicht man hier niemals den Kopfnuss-Charakter von Puzzles in klassischen Point&Click-Abenteuern, doch für ein Action-Rollenspiel bieten sie ein erstaunlich breites Spektrum. Mit Buchstaben markierte Platten, die wie bei Indiana

In dieser Gruft am Anfang des Abenteuers warten nicht nur Skelette, sondern auch ein paar einstimmende Rätsel...
Jones und der letzte Kreuzzug in der richtigen Reihenfolge abgelaufen werden müssen, für die man vorher aber erst den richtigen Tipp finden muss, wenn man nicht das Zeitliche segnen will, gehören z.B. dazu. Oder auch Laser, die richtig gespiegelt werden müssen, um eine Aktion auszulösen. Wie schon gesagt: Insgesamt nichts Besonderes, aber für das Genre eine wohltuende Abwechslung, die ihre Ursprünge ebenfalls auf Konsolen und im klassischen Third-Person-Adventure hat.

Da sich Clockstone (ob bewusst oder unbewusst) an Konsolen-Vertretern orientiert hat, ist es bedauerlich, dass man nicht auf die delikate Balance zwischen Außen- und Innenabschnitten geachtet hat. Denn so schön das Dungeon-Krabbeln auch sein kann, wurde es mir in Avencast doch irgendwann etwas zu viel. Ein bisschen mehr Dawn of Magic (bei dem es zu wenige Dungeons gab) und schon wäre dem ungeschliffenen Diamanten eine weitere schicke Facette hinzugefügt worden.

Auch die Akustik hätte noch die eine oder andere Verfeinerung vertragen. Vor allem die deutschen Sprecher scheinen immer wieder überfordert mit dem Versuch, Atmosphäre aufzubauen. Die wird allerdings vom Rest der Soundkulisse durchaus geliefert. Wenn ich begleitet von sparsamen und minimalistischen Kompositionen durch die Gänge einer Gruft schweife und dabei das höhnische Gelächter eines Geistes vernehme, ist dies Spannung pur. Ich werde vorsichtig, betrete den Raum nur zögerlich und mache mich auf die Attacke der immer wieder aus der Unsichtbarkeit heraus angreifenden Unholde gefasst. Und dieses Gefühl der Bedrohung, diese Spannung hat mit solch sparsamen Mitteln kaum ein anderer Genre-Vertreter in mir hervorrufen können... Dass es das noch gibt... Zu schade, dass sich Avencast mit kleinen Inkonsequenzen selbst um die Früchte seiner Arbeit bringt. Dennoch: Clockstone hat einen guten Weg eingeschritten und ich hoffe, dass dieses Beispiel auch die Konkurrenz beeinflusst und vielleicht sogar eine Fortsetzung bekommt.   

Fazit

Wer hätte im Vorfeld gedacht, dass dieses kleine Action-Rollenspiel, das keiner auf dem Zettel hatte, sich aufmacht, um all die großen Namen aufzumischen? Ich bestimmt nicht. Doch was sich in der Vorschau bereits viel versprechend und vor allem "anders" andeutete, kann von der finalen Version eingelöst werden. Dabei ist Avencast mit all seinen frischen Features mehr als sperrig. Doch genau diese Mechanismen sind es, die mich immer wieder in kleine Jubelstürme ausbrechen lassen und die ich in Zukunft vermehrt im Genre sehen möchte. Endlich habe ich wieder Angst in Kämpfen. Endlich ist mehr gefordert als simple "Klick-und-Weg"-Mechanismen. Ich habe haufenweise Kombos zur Verfügung, muss taktisch kämpfen und auch mal ausweichen und nicht zuletzt auch mal Fersengeld geben, um mich zu erholen. Endlich gibt es mal wieder Rätsel in einem Action-Rollenspiel. Zugegeben: Man muss sich an das ganze Konzept gewöhnen, das mich immer wieder positiv an vergleichbare Konsolenspiele erinnert. Und unter dem Strich muss man sich auch mit einer zwar stimmigen, aber keinesfalls herausragenden Grafik, einem nicht immer ausgewogenen Schwierigkeitsgrad sowie einer Steuerung mit steiler Lernkurve anfreunden. Und ich kann verstehen, aber keinesfalls gutheißen, wenn einige lauthals "Das ist nichts für mich!" rufen. Aber allen, die genug vom massentauglichen Kloppmist-Einerlei haben, können wir dieses ungeschliffene Kleinod guten Gewissens ans Herz legen. Gebt Avencast eine Chance und ihr werdet nicht enttäuscht! 

Pro

  • aktives Kombo-Kampfsystem
  • eingestreute Rätsel
  • punktgenau eingesetzte Lichteffekte
  • spannende Bosskämpfe
  • Kampfverhalten der Gegner mit zahlreichen Variationen
  • gutes Automapping

Kontra

  • Kulisse nicht auf der Höhe der Zeit
  • kein Blocken möglich
  • zu viele Höhlen und Innenräume
  • steile Lernkurve
  • mitunter Kameraprobleme

Wertung

PC

Rätsel, aktive Kämpfe und schicke Kämpfe. Avencast ist ein vollkommen unerwartetes Juwel im Action-RPG-Dschungel!