Vertigo - Test, Geschicklichkeit, Wii, PC, PlayStation2

Vertigo
09.04.2009, Jan Wöbbeking

Test: Vertigo

Musik ist etwas wunderbares: Sie transportiert Botschaften auf emotionale Weise, sorgt für ein dickes Grinsen im Gesicht oder nach dem Konzert für ein lustiges Dauerpiepsen im Ohr. Viel wichtiger ist aber: Musik kann Leben retten - z.B. das einer kleinen schneeweißen unschuldigen Wii-Fernbedienung. Denn die sphärischen Elektro-Klänge machen die ständigen Frustmomente im Kugelspiel Vertigo (ab 26,00€ bei kaufen) immerhin ein kleines Bisschen erträglicher.

Eigentlich kann im Genre unkomplizierter Geschicklichkeitsspiele nicht viel schief gehen: Super Monkey Ball: Banana Blitz und die beiden Kororinpa-Spiele haben bewiesen, wie kurzweilig es sein kann, Kugeln mit der Fernbedienung durch knifflige Labyrinthe zu bugsieren.

Heute im Angebot: Lecker Pixelbrei!
Auch Playlogic war offenbar angetan von der Idee und bringt nun sein eigenes Gemurmel auf Wii und PC. Im Gegensatz zur japanischen Konkurrenz wurde Vertigo aber von einem nur vier Mann kleinen Team bei Icon Games zusammengebastelt. Der Entwickler arbeitet hauptsächlich an diversen Handyspielen und war mit dieser Aufgabe offenbar völlig überfordert.

Tief durchatmen!

Bis auf den wunderbar entspannenden Trance-Soundtrack wirkt das komplette Spiel nämlich schrecklich billig: In der Wii-Fassung flimmern derart viele Pixeltreppchen um die Wette, dass man sich in gute alte PS1-Zeiten zurückversetzt fühlt. Dazu gibt es detailarme Wolkenkratzer, grobe Gebirge mit Monster-Texturen und eckige Pappaufsteller-Bäume zu bewundern. Zur Krönung des Ganzen beginnt das Trauerspiel auf dem Bildschirm auch noch ab und an zu ruckeln.

Anders als in Super Monkey Ball und Kororinpa bewege ich die Kugel selbst, statt den Untergrund zu kippen. Je tiefer ich die Spitze der Fernbedienung senke, desto mehr Fahrt nimmt meine Murmel auf. Ziel ist es, den Ball behutsam über die hoch in der Luft gelegenen Hindernis-Parcours mit all ihren Fallen und Abgründen ans Ziel zu kullern. 

Nein, dieser Screenshot wurde nicht mit einem PSone-Emulator geschossen...
Auf den ersten Kursen wird meine Kugel noch häufig von Randbegrenzungen auf dem rechten Weg zurückgebracht, doch spätestens in der zweiten Welt wird es frustig. Urplötzlich steigt der Schwierigkeitsgrad sprunghaft an und ich darf diverse knifflige Sprünge meistern.

Rolling, rolling, rolling...

Im späteren Spielverlauf bin ich auch auf etwas offener gestalteten Kursen mit diversen Abkürzungen unterwegs - mehr Spaß macht das aber auch nicht. Im Gegenteil: Als ob die Kurse an sich nicht schon mit genug frustigen Stellen ausgestattet wären, versaut mir die nervöse Kamera regelmäßig den Balance-Akt. Die Perspektive lässt sich zwar kurzzeitig per Knopfdruck in die Draufsicht umschalten, doch der Wechsel verwirrt mehr, als das er nützt. Sobald ich den Knopf loslasse, rollt die Kugel nämlich urplötzlich in eine andere Richtung als noch eine halbe Sekunde vorher. Auch die im Level verstreuten Sammelobjekte, leichtes Kugel-Tuning und die öden Multiplayer-Spielchen wie Fußball, Bowling und ein einfaches Deathmatch können das Spiel nicht retten. Eine nette Idee ist der alternative Arcade-Modus im Stil von Outrun und Xyanide Resurrection, bei dem man den Schwierigkeitsgrad über eine Abzweigung wählt. Mehr Spaß machen die unausgegorenen Strecken dadurch trotzdem nicht.

Mit der Wii-Fernbedienung lässt sich die Kugel nicht so präzise durch die Levels bugsieren wie bei Monkey Ball oder Kororinpa, aber immerhin kann man die Kugel noch annehmbar steuern. Steigt man dagegen auf das unterstützte Balance-Board um und versucht die Kugel nur durch Gewichtsverlagerung zu steuern, wird es unheimlich schwer. In Kombination mit der Fernbedienung lässt sich die Kugel aber annehmbar über die Kurse navigieren: Die Gewichtsverlagerung nach vorne und hinten dient quasi als Gaspedal und Bremse, per Druck auf den B-Knopf lässt sich die Kugel abrupt stoppen und gelenkt durch die Kamerabewegung mit dem Digi-Kreuz.

In der zweiten Welt erwarten euch schon zu Beginn frustige Trial-and-Error-Sprünge.
In der PC-Fassung muss man naturgemäß auf Wii-Controller verzichten. Im Gegenzug werden die Augen nicht so sehr strapaziert. Auf dem Computermonitor sehen die Parcours zwar kaum hübscher aus, flutschen aber immerhin in hoher Auflösung und ohne Geruckel über den Bildschirm.

Erholung für die Glubscher

Damit sich auch PC-Besitzer ärgern dürfen, wurde aber die Steuerung in den Sand gesetzt. Wenn ihr die Maus nicht ständig nach vorne anschubst, verhungert die Kugel abrupt auf ihrem Weg, was nicht selten mit einem Absturz in die Tiefe endet. Außerdem erreicht man ständig das obere Ende der Mausmatte. Steigt man auf die Tastatur um, tritt das Problem zwar nicht auf, doch mittels digitaler Tasten lässt sich die Kugel naturgemäß noch unpräziser lenken. Auf eine Unterstützung für Analog-Controller haben die Entwickler übrigens komplett verzichtet.

Fazit

Ich flehe euch an, gebt euch nicht die Kugel - oder zumindest nicht diese! Das Leben hat doch so viel Schönes zu bieten: Zum Beispiel Super Monkey Ball und das PC-Murmelspiel Ballance. Außerdem kommt schon am 30. April der Kororinpa-Nachfolger "Marbles! Balance Challenge". All diese Spiele haben eins gemeinsam: Sie machen um Welten mehr Spaß als dieser Schnellschuss. Die nervöse Kamera und das unausgegorene Kurs-Design machen Vertigo zum pausenlosen Frusterlebnis. Die Steuerung wirkt wie hingeschludert, die Steinzeit-Grafik bringt die Augen zum Tränen und der Umfang fällt mit nur 48 Kursen reichlich knapp aus. Unglaublich, dass solch ein Titel in die Läden kommt. Vertigo kostet zwar nur rund 15 (PC) bzw. 30 Euro (Wii), doch sogar günstige Xbox-Live-Arcade-Spielchen wie Marble Blast oder Switchball wirken viel ausgereifter.

Pro

  • <P> entspannender Trance-Soundtrack lindert die Qualen</P>

Kontra

  • <P>
  • jede Menge Frust durch Trial and Error
  • unübersichtliche Hindernisse
  • leicht unpräzise Steuerung (Wii-Fernbedienung)
  • nervöse Kamera
  • stark schwankender Schwierigkeitsgrad
  • schlecht gelöster Übergang zwischen normaler und Draufsicht-Perspektive
  • grafischer Pixelbrei auf PS1-Niveau (Wii)
  • uninspiriertes Design
  • unscharfe Monstertexturen
  • flackernde und fehlerhafte Schatten
  • lächerliche Kegelphysik im Bowling-Spiel
  • keine Joypad-Unterstützung (PC)
  • nur 48 Kurse
  • keinerlei Online-Unterstützung
  • öde Mehrspieler-Modi</P>

Wertung

Wii

Alles andere als ein rundes Spielerlebnis: Unübersichtliches Kurse und Steinzeit-Grafik machen die Kugel-Labyrinthe zur Qual.

PC

Die PC-Fassung schont die Augen, nervt im Gegenzug aber mit unpräziser Maus- bzw. Tastatur-Steuerung.