Disgaea DS - Test, Taktik & Strategie, NDS

Disgaea DS
16.04.2009, Mathias Oertel

Test: Disgaea DS

Auf kaum einem anderen System haben sich Strategie-Rollenspiele mit Tiefgang und intuitiver Steuerung so sehr in die Herzen der Fans taktiert wie auf Nintendos DS. Bei Erwähnung von Final Fantasy Tactics oder Fire Emblem geraten die Anhänger ins Schwärmen. Mit Disgaea DS kommt nun ein weiteres Schwergewicht, das seit seiner Erstveröffentlichung auf der PS2 Kultstatus genießt.

Zusammen mit der stets fröhlichen und ihm gelegentlich nach dem Leben trachtenden Dämonengöre Etna sowie ihren immer zu Scherzen aufgelegten Pinguinen macht er sich auf, um die versammelte Unterwelt davon zu überzeugen, dass er der einzige Kandidat für den Titel des Overlords ist. Was er nicht weiß: Himmlische Mächte beobachten sein Treiben und wollen ein gewaltiges Wörtchen mitreden...

Ärger im Dämonenreich

Laharl, der junge Kronprinz der dämonischen Unterwelt, hat einige Probleme: Nicht nur, dass er die letzten zwei Jahre verschlafen hat - in dieser Zeit ist sein Vater gestorben und ein Kampf um die Thronfolge entbrannt.

Neu und nur auf DS: Eine zweidmensionale Übersichtskarte.
Zugegeben: Die Story zu Disgaea klingt merkwürdig. Doch mit der witzigen Erzählweise, die von "typisch" japanischen Comic-Einblendungen und einigen -im Vergleich zu den übrigen Versionen in der Anzahl deutlich reduzierten- Sprachsamples erzählt wird und die immer wieder mit herrlich abgedrehtenÜberraschungen punktet, ist man schnell mitten im humorvollen Geschehen und kann den Kampf um die Herrschaft in der Unterwelt beginnen.

Spielerisch sah und sieht sich Disgaea als moderner Nachfahre von Klassikern wie Final Fantasy Tactics oder Ogre Tactics sowie als Alternative zu modernen Titeln wie Fire Emblem oder: Mit euren Gefährten, von denen maximal zehn auf dem Spielfeld Platz nehmen dürfen, ist man unterwegs, um auf abwechslungsreichen isometrischen Schlachtfeldern mit rundenbasierten Kämpfen sein Gehirn zum Rauchen zu bringen.

Rundenstrategie par excellence

Dass Disgaea mittlerweile fast fünf Jahre nach dem PS2-Release Kultstatus genießt, verdankt es nicht nur dem Humor, sondern einem ganzen Haufen Features, die für sich alleine genommen schon klasse sind, in der gut verzahnten Kombination aber für endlose Spielesessions sorgen. Nippon Ichi hat größtenteils gut daran getan, diese Mechaniken unverändert auf den DS zu bringen und mit der einen oder anderen kleinen Ergänzung bzw. Neuerung zu versehen.

Die Liste ist so groß, dass man Schwierigkeiten hat, einen Anfang zu finden. Starten wir also mit dem Offensichtlichen: Jeder Charakter kann im Level aufsteigen, was zwangsläufig einen Anstieg der Statistiken und ab und an auch neue Fähigkeiten mit sich bringt. Alternativ lässt sich der Fähigkeiten durch häufigen Einsatz im Kampf erhöhen, was z.B. bei den Magiern zu einem größeren Einzugsgebiet und einem größeren Schadensareal äußert - "Learning by Doing" in Reinkultur, weswegen man auch gerne in bereits bereinigte Gebiete zurückkehrt...

Aufstieg, Schaden, Kombos

Ansonsten wird der obere Bildschirm nur selten optimal genutzt...
Zusätzlich ist es noch extrem wichtig, darauf zu achten, in welcher Höhe, mit welcher Blickrichtung und mit welchen Freunden an angrenzenden Feldern ihr Angriffe startet. Dass Attacken von der Seite und vor allem von hinten sowie aus einer erhöhten Position mehr Schaden versprechen, ist fast selbsterklärend. Doch je nachdem, mit wem man zusammensteht, kann eine Kombo entstehen, die die Lebensenergie der Gegner rasend schnell auffrisst.

Diese Ausflüge sind nicht nur hilfreich, um den Level der Figuren zu steigern, sondern dienen vor allem dazu, die Gegenstände aufzuwerten. Mit jedem bewältigten Level (jeder Gegenstand verfügt über 100 (!)) steigen die Eigenschaften. Zusätzlich ist es möglich,  so genannte Spezialisten zu finden. Diese Meister, die in dem Item leben, können zwischen den Ausrüstungsteilen hin und her geschoben werden, so dass man die Waffen, Rüstungen usw. ganz gezielt aufrüsten kann. Alleine diese Möglichkeiten können tagelang beschäftigen.

Und als ob die 14 Episoden mit diversen Schlachtfeldern (plus einige Bonusgebiete) nicht ausreichen, kann man noch einen Abstecher in die so genannte "Item World" machen.

Doch hier ist immer noch nicht Schluss: In vielen Kampfarenen warten farbige Felder. Diese machen das Bild nicht nur schön bunt, sondern haben auch einen spielerischen Wert, der sich allerdings sowohl positiv als auch negativ auswirken kann. So kann man auf Felder treffen, die die Figuren unbesiegbar machen oder einen mit einem gewaltigen Erfahrungsanstieg segnen, wenn man auf ihm steht, während man einen Gegner ins Dämonen-Jenseits befördert.

Geo-Veränderungen und Senatsstimmen

Doch es gibt auch Felder, auf denen die Gegner schier unbesiegbar werden oder die einen wie wild durch den isometrischen Abschnitt teleportieren.

     

Aber man hat auch die Möglichkeit, die so genannten Geo-Symbole zu zerstören, die für die verschiedenen Wirkungen zuständig sind. Der Clou: Zerstört man z.B. ein blaues Symbol auf rotem Grund, werden alle roten Felder nun blau gefärbt. Sollten auf den Rotsteinen noch weitere Geo-Symbole liegen, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt. Je mehr Ketten man aufbauen kann (und eventuell sogar das Spielfeld leeren), desto größer wird der Kombo-Zähler, der sich auch rapide füllt, wenn man die Feinde mit spektakulären Spezialbewungen oder Team-Angriffen erledigt.

Über Comic-Einblendungen und Sprachausgabe wird die witzige und herrlich überzogene Geschichte erzählt.
Und hier ist immer noch nicht Schluss: Denn mit dem Senat der Unterwelt, der so genannten "Dark Assembly", kommt ein weiteres Element hinzu: Hier kann man über Veränderungen im Spielablauf abstimmen lassen. Teurere und damit bessere Ausrüstung im Shop? Zusätzliche Items? Doppelte Erfahrungspunkte beim nächsten Einsatz? Dann ab in die Dark Assembly und zur Abstimmung rufen! Je nach Beliebtheit der eigenen Figur sowie Status in der Dämonenwelt stehen einem die Senatoren wohl gesonnen oder ablehnend gegenüber. Doch bevor man die Abstimmung durchführen lässt, kann man die ewigen Verneiner noch durch Geschenke überzeugen, doch positiv zu stimmen. Und wenn alle Stricke reißen, kann man sie auch mit Gewalt überzeugen.

Die Möglichkeiten, sich das zu verschaffen, was man am ehesten braucht, sind fast endlos, lenken aber nicht vom Hauptspiel ab, sondern sind wie alle Elemente sorgsam miteinander verzahnt und sorgen damit für ein rundum gelungenes und durchdachtes Strategiespiel mit immensem Tiefgang.

Wie viele Figurenklassen braucht man, um ein Strategiespiel abwechslungsreich zu gestalten? Mit etwa 150 (!) zur Verfügung stehenden Prototypen bietet Disgaea mehr als genug Möglichkeiten, um alle Geschmäcker zu treffen. Anfänglich stehen jedoch nur die Fantasy-typischen Standardklassen wie Kämpfer, Magier, Dieb und Heiler zur Verfügung.

Charakterflut

Dabei macht Disgaea aber auch vor den Monstern nicht halt: Jeder Monstertyp, den man besiegt hat, darf in die Party aufgenommen werden. Doch die Kosten sind anfänglich nicht gerade gering. Aber: Mit jedem Kill dieses Typus verringert sich der geforderte Einsatz, so dass es sich lohnt, wieder in schon besuchte Abschnitte einzusteigen, um den Preis für den Wunschcharakter zu drücken. Angesichts der Spieltiefe von Disgaea wird es nun vermutlich wenige überraschen, dass nach und nach auch verbesserte Fassungen von bereits bekannten Klassen auftauchen.

Im Laufe der Zeit kommen immer neue Klassen hinzu, die einen zum Ausprobieren locken.

Doch der ganze Umfang, den Nippon Ichi hier anbietet, hat seinen Preis: Trotz einfacher sowie übersichtlicher Standard-Steuerung und Stylus-Unterstützung, die allerdings bei den isometrischen Schlachtfeldern Hang zur Ungenauigkeit zeigt, können die ganzen Funktionen, die Disgaea beinhaltet, Anfängern über den  Kopf wachsen. Das war schon zu PS2-Zeiten so, hatte bei der PSP-Version Bestand und gilt auch auf dem Doppel-Bildschirm. Doch je mehr man sich in das Spiel hinein findet und je mehr man entdeckt, umso mehr steigt die Motivation ins Grenzenlose.

Bis zu diesem Zeitpunkt wäre Disgaea DS allerdings "nur" eine sehr gute und technisch saubere Umsetzung eines fast exzellenten PS2-Titels bzw. des PSP-Pendants. Denn Nippon Ichi hat genau wie auf Sonys Handheld einen komplett neuen Story-Strang rund um die teuflische Etna hinzugefügt.

Neu und alt auf DS

Leider wird bei den aufwändigen Sonderattacken der obere Bildschirm komplett ignoriert...
Weiterhin dürfen sich DS-Taktiker auf spannende Zwei-Spieler-Duelle freuen, wobei jeder Spieler allerdings ein Modul besitzen muss. Bedingt durch die zahlreichen Charakter-Konfigurations-Möglichkeiten ist das fehlende Game-Sharing zwar verständlich, aber dennoch schade.

Da zwischen den PS2- und DS-Versionen der dämonischen Kämpfe einige Jahre ins Land gezogen sind, ist es bedauerlich, dass man mit der suboptimalen Kamera ein Manko unverändert übernommen hat. Die Perspektive lässt sich leider immer noch nur in 90-Grad-Schritten drehen. Neu ist hingegen auf dem oberen Schirm eine zweidimensionale Ansicht der Karte, auf der Blickrichtung und Position der eigenen und gegnerischen Figuren angezeigt werden. Leider lassen sich auf der nur behelfsmäßigen Karte keine Höhenunterschiede erkennen. Und damit hinterlässt die Nutzung des oberen Schirms nicht nur in den Kämpfen einen unglücklichen Eindruck. Es wirkt immer, als ob Nippon Ichi nie einen Plan hatte, was sich "oben" abspielen soll, während man unten strategische Entscheidungen trifft oder der Geschichte folgt. Und das führt nur dazu, dass man nie einen optimalen Überblick über das Geschehen auf den Schlachtfeldern hat. Was im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass durch höher gelegene Felder gegnerische Monster verdeckt werden und man unversehens in sie hineinläuft. Doch das ist nur ein klitzekleiner Tropfen auf einem ansonsten ganz heißen Taktik-Rollenspiel-Stein, der seine Faszination auch nach fünf Jahren und bereits Hunderten von Stunden mit den älteren Versionen nicht verloren hat.

Und dass die Disgaea-Serie bis hin zum vor gar nicht langer Zeit auf PS3 erschienenen dritten Ableger nicht gerade für ihre visuelle Pracht bekannt ist, wirkt sich im Falle der DS-Dämonen sogar positiv aus. Denn so altbacken die isometrischen Polygon-Kulissen mit ihren liebevollen, aber größtenteils nur minimalanimierten Sprites auf PS2 und PSP wirken, so zeitgemäß wirken sie auf dem DS. Naja, beinahe: Denn nicht zuletzt auch durch die sinnvolle Nutzung der zwei zur Verfügung stehenden Schirme sind Titel wie Final Fantasy Tactics A2 visuell mindestens eine halbe bis dreiviertel Klasse höher anzusiedeln.

    

Fazit

Die Plattform, die sich eigentlich am ehesten für Strategie-Rollenspiele zu eignen scheint, wird als letztes bedient. Doch die Wartezeit hat sich gelohnt: Mit Disgaea DS bekommen jetzt, gut fünf Jahre nach Erstveröffentlichung, auch Stylus-Strategen die Gelegenheit, dieses Genre-Schwergewicht genießen zu können - endlich. Sicherlich: Es handelt sich unter dem Strich nur um das leicht erweiterte Remake eines veraltet scheinenden Titels. Und mit dem nur unzureichend genutzten oberen Bildschirm sowie der immer wieder ungenauen Stylus-Steuerung auf den isometrischen Schlachtfeldern wussten die Entwickler die systemspezifischen Eigenheiten nicht komplett auszunutzen. Dennoch: Disgaea DS strotzt nur so vor Tiefgang und miteinander verzahnten Inhalten, dass einem schwindelig wird. Humor, Rollenspiel-Elemente und taktischer Anspruch können nach wir vor faszinieren – selbst, wenn man bereits Hunderte von Stunden mit den anderen Versionen verbracht hat. Und das unterstreicht, dass Nippon Ichi hier etwas ganz Großes gelungen ist. Im Bereich der klassischen Fantasy gehört Disgaea neben Ogre Tactics, Fire Emblem oder Final Fantasy Tactics zu den modernen Meilensteinen des Strategie-Rollenspiels.

Pro

  • <P>
  • neue Stylus-Steuerung&amp;
  • gelungene Umsetzung eines PS2-Klassikers
  • zusätzlicher Story-Pfad
  • einfache Steuerung
  • immenser taktischer Tiefgang
  • eigene Figuren erstellbar
  • viel zu entdecken
  • Charakter-Entwicklung auf mehreren Ebenen
  • 100
  • Stunden purer Strategie-Spaß
  • passende Akustik
  • haufenweise Specials, Zauber und Gimmicks
  • zufällig erstellte Dungeons in der "Item-World"</P>

Kontra

  • … die allerdings auch Probleme macht
  • suboptimale Kamera
  • nichts für Anfänger
  • oberer Schirm nur unzureichend genutzt

Wertung

NDS

Auch wenn Disgaea auf dem DS nicht alle technischen Möglichkeiten ausreizt: Das Taktik-Rollenspiel ist nach wie vor ein Meilenstein!