Wanted: Weapons of Fate - Test, Action-Adventure, 360, PlayStation3, PC
Wer zu denjenigen gehört, die den auf den Comicbüchern von Mark Millar basierenden Film Wanted kennen, wird sich umgehend heimisch fühlen und viele Anspielungen besser verstehen. Doch auch diejenigen, die bislang nur die Comics kennen, finden sich sehr schnell in der von Grin mit eigener Engine geschaffenen Welt zurecht.
Film? Comic? Egal
Doch bevor ich auf die trotz Kugel-Anschnitt letztlich sehr konservative Mechanik eingehe, muss ich Grin ein Lob aussprechen: Denn das Team hat es ebenso eindrucksvoll wie unauffällig geschafft, nicht nur den Film als Vorlage zu nehmen und sowohl visuell als auch erzählerisch fortzusetzen, sondern darüber hinaus einen Bogen in das Comic-Universum zu spannen und dabei eine vollkommen unabhängige Geschichte zu erzählen. Uff!
Künstlerisch ansprechend
Doch was bedeutet das? Das Offensichtlichste ist die Darstellung von Wesley. Denn der hat nicht nur die gleiche "Fucked-Up-In-Your-Face"-Attitüde ("Früher war ich genau wie du. Ich habe Videospiele gespielt, wurde fett. Ich war ein Loser"), sondern ist seinem cineastischen Ebenbild aus dem Gesicht geschnitten. Auch viele der anderen Figuren, die einem begegnen (Sloan, Cross, Pekwarsky) basieren auf den Filmcharakteren. Dem gegenüber stehen aber die Kostüme, mit denen die Polygon-Figuren ausgestattet wurden. Die scheinen nämlich allesamt den Comics entsprungen zu sein, wodurch das Spiel insgesamt düsterer wirkt als die Filmumsetzung von Regisseur Timur Bekmambetov (Nightwatch). Und obendrauf gibt es eine sowohl von Zelluloid als auch von Tusche losgelöste Story, in der man als Wesley (und von Zeit zu Zeit auch als Cross) nicht nur das Geheimnis seiner Herkunft aufklärt, sondern schließlich den Oberbösewicht "The Immortal" zur Strecke bringt.
Als kleines Schmankerl gibt es für Kenner des Films immer wieder kleine Anspielungen auf bestimmte Szenen, wobei ich an dieser Stelle exemplarisch das Kapitel mit dem Flugzeugabsturz herausheben möchte. Dieses zieht immer wieder
angenehme Parallelen zur "Zugsequenz" aus dem Film und erreicht dabei auch beinahe deren Intensität. Die gesamte den Comic durchziehende Ebene von Superschurken, die die Weltherrschaft unter sich aufgeteilt haben sowie die Möglichkeit, als Vertreter der Bruderschaft seine sämtlichen Bedürfnisse ausleben zu können, bleibt wie im Film allerdings größtenteils unangetastet.Doch gelungene Vermengung von Comic, Film und freier Fantasie hin, imposante Explosionen, gute Animationen und schicke Lichteffekte her: Inhaltlich ist Grin bei Weitem nicht so kreativ, wie es den Anschein hat - und leidet zudem noch unter einer unnötig umfangreichen Kürzungsliste, um der USK zu gefallen.
Deckung und kurvige Kugeln
Doch abgesehen vom anfänglich gewöhnungsbedürftigen, dann aber leicht und locker von der Hand gehenden Kurvenflug der Kugeln, der allerdings zu wenig gefordert wird, um mehr als nur ein mitunter spektakuläres Gimmick zu sein, verlässt man sich auf sehr konservative Versatzstücke.
Versteht mich nicht falsch: WoF bietet gut inszenierte Action, die beim ersten Durchspielen wunderbar unterhält - auch in der Version für den deutschen Markt.
Vollkommen gegen den Genre-Strom schwimmen Wesley und Cross allerdings mit ihrer Fixierung auf eine Waffe. Anstatt wie üblich wenigstens zwei Waffensysteme mitführen zu können, sind die Hauptfiguren zumeist auf einen Kugelspender festgelegt - es gibt erst viel zu spät, die Möglichkeit, zwischen vorgegebenen Waffen zu wechseln. Und etwas von den Gegnern aufzunehmen ist ein absolutes Tabu.
Das dynamische Deckungsysstem z.B., in dem man ähnlich wie bei Eat Lead und auch dem Ende des Monats erscheinenden Terminator Salvation per Knopfdruck unkompliziert und mitunter cineastisch spektakulär in die nächste zur Verfügung stehende Deckung rutscht, springt oder hechtet, würde für sich alleine keine Bäume ausreißen.
Dass man einen Gegner durch "Blindfeuer" nicht nur treffen, sondern auch quasi "unter Druck" setzen kann, so dass er das versteckte Vorrücken nicht bemerkt und entweder aus nächster Nähe mit ballistischen Mitteln oder per Nahkampfattacke ausgeschaltet werden kann, ist dabei nicht mehr als eine logische Konsequenz und für sich alleine auch nicht der Rede wert.
Gleiches gilt für die später hinzu kommende Fähigkeit, auf dem Weg von einer Deckung zur anderen eine Art Bullet-Time zu aktivieren, in der man einen Kugelhagel auf die sich ohnehin nur spärlich intelligent verhaltenden Gegner niederregnen lässt, bevor man sich wieder in den Schutz des Mauervorsprungs etc. bewegt.
Doch die einzelnen Versatzstücke werden in einem ballistischen Stakkato derart rasant auf einen abgefeuert, dass man das Gefühl hat, die Zeit während der neun Kapitel dauernden Kampagne vergehe wie im Flug. Action, Adrenalin, Spaß: Alles auf einem ansprechenden Niveau.
Kurzes intensives geschnittenes Vergnügen
Das Problem: Das Zeitgefühl täuscht nicht. Denn da selbst der höchste Schwierigkeitsgrad nur in Ausnahmefällen wirklich fordert und auch die Bosskämpfe sich in dieser Hinsicht nicht besonders hervortun, ist das Vergnügen unter dem Strich gerade mal fünf Stunden kurz. Und das ist trotz des reduzierten Preises zu wenig.
Hier hätte es nicht geschadet, den Arcade-Charakter der Schussgefechte noch stärker zu betonen und dementsprechend ausufernde Statistiken sowie dazugehörige Online-Ranglisten einzubauen. Dann nämlich wäre ein Anreiz geboten worden, sich nochmals an die Abschnitte zu wagen, um noch genauer, noch schneller und noch zielstrebiger die Aufgabe zu erledigen und sich in der Rangliste nach oben zu arbeiten.
Zumal in der deutschen Fassung im Vergleich zur internationalen Variante einige Modi fehlen, die den selbst dort nur schwer in Gang kommenden Wiederspielwert auf nahezu Null reduzieren.
Doch hätte, wäre und wenn hilft an dieser Stelle wenig. Fakt ist: Diese Option ist nicht vorhanden. Stattdessen kann man z.B. mit einer der freischaltbaren Figuren noch einmal das Wagnis WoF angehen - was allerdings auch dadurch relativiert wird, dass die teils sehr coolen Zwischensequenzen nicht nur grob aufgelöst, sondern auch vorberechnet sind. Sprich: Selbst, wenn man mit der Donuts liebenden Janice (Wesleys Vorgesetzte aus dem Film) unterwegs ist, wird in den Cutscenes Wesley eingeblendet. Das Ergebnis: Atmosphäreverlust pur.
Denn so verkommt Wesley vor allem in der Anfangsphase von einem zynisch-sarkastischen, aber gerade deswegen sympathischen Badass zu einer beinahe emotionslosen Tötungsmaschine. Und das entspricht nun weder den Comics noch dem Film und schon gar nicht dem virtuellen Protagonisten, den Wesley in der internationalen Version darstellt. Hier hat jemand schlichtweg übers Ziel hinausgeschnitten.
Apropos abrutschen: Wer auf die glorreiche Idee kam, im Rahmen der Änderungen für den deutschen Markt gleich ganze Dialogstränge aus den Action-Sequenzen zu entfernen, gehört mit dem Spielen von "Hello Kitty" nicht unter fünf Stunden bestraft.
Fazit
Die Grin-Festspiele im Mai gehen gut los. Wanted - Weapons of Fate bietet zwar bis auf das coole "Anschneiden" der Kugeln keine innovativen inhaltlichen Elemente. Doch im Gegenzug bekommt man einen linearen, adrenalinhaltigen und enorm kurzweiligen Action-Cocktail, der sich mit seiner eigenständigen Story sowie dem durchdachten Artdesign eine eigene interessante Nische zwischen dem Film auf der einen und dem Comic auf der anderen Seite schafft. Doch unter dem Strich macht sich die Action das Leben selber schwer. Damit meine ich nicht einmal die für die USK-Freigabe notwendigen Schnitte, die nur mit Ausnahme der weggefallenen Sondermodi sowie der vollkommen unverständlichen Extrahierung einiger für den Charakteraufbau der Hauptfigur wichtigen Dialoge auf die Wertung Einfluss nehmen. Viel stärkere Auswirkung hat die mit gerade mal gut fünf Stunden viel zu kurze Spieldauer, die in Tateinheit mit der nicht der Bezeichnung würdigen Künstlichen Intelligenz sowie den nur in Ausnahmefällen fordernden Bosskämpfen den Eindruck eines Fast Food-Shooters hinterlässt: Schnell gegessen, schnell verdaut, schnell vergessen. Und das, obwohl Grin hier einige imposante technische Register zieht - selbst wenn die grob aufgelösten Videos nicht dazu gehören. Im Kern bieten die Weapons of Fate sehr interessante Arcade-Action mit einem guten dynamischen Deckungssystem sowie einer herrlich coolen Sau als Hauptfigur. Doch kaum gerät das Adrenalin in Wallung, ist das Spiel auch schon vorbei. Leider...
Pro
- <P>
- unkomplizierte Action mit zahlreichen bekannten Elementen
- auf allen drei Systemen gleichwertig
- gut funktionierendes dynamisches Deckungssystem
- ansehnliche, abwechslungsreiche Kulisse
- interessante Story
- stylische Zeitlupen-Sequenzen</P>
Kontra
- größtenteils anspruchslose Bosskämpfe
- KI auf Amöben-Niveau
- manche Dialoge fehlen in der deutschen Version
- freischaltbare Spielmodi fehlen in der deutschen Version
- grob aufgelöste vorberechnete Zwischensequenzen
- kaum Wiederspielwert (deutsche Version noch weniger)
- mit gut fünf Stunden verdammt kurz