NecroVisioN - Test, Shooter, PC

NecroVisioN
08.05.2009, Marcel Kleffmann

Test: NecroVisioN

Mit Painkiller ist vor fünf Jahren einer der unterhaltsamsten und dabei simpelsten Ego-Shooter aus der Kategorie "Dauerfeueraction" erschienen, bei dem es nur darum ging, möglichst viele Gegner aus der Horrorhölle wieder in dieselbige zu jagen. Auf ein ähnliches Konzept und zugleich eine aufgebohrte Painkiller-Engine setzt nun NecroVisioN (ab 0,75€ bei GP_logo_black_rgb kaufen). Kann man auch heutzutage mit der alten Erfolgsformel punkten?

Der Erste Weltkrieg tobt. Inmitten verwinkelter Schützengräben erwacht mein amerikanischer Soldat und stürmt begleitet von einigen Kumpanen zur Front: Maschinengewehrsalven donnern durch die Luft, Flugzeuge ziehen am Himmel vorbei und es kracht an jeder Ecke; Call of Duty lässt grüßen. Die Intensität braucht sich in den ersten Minuten nicht zu verstecken, doch das ganze Geschehen ändert sich nach anfänglichem Weltkriegsgeplänkel radikal.

Es beginnt mit gewohntem Weltkriegsspektakel...


Am Anfang: Call of Duty

Zunächst bekämpfe ich noch deutsche Soldaten, die aufgrund schlechter Wegfindung gerne Schrägen herunterrutschen anstatt zu laufen, wie festgewurzelt an ihrem Spawnpunkt stehen bleiben oder orientierungslos voranpreschen. Wahnsinnig klug stellen sich die ersten Feinde nicht an (und das auch später nicht), dafür treten sie in reichlicher Zahl auf, treffen außerordentlich gut und zeigen sich durchaus kugelresistent. Im Nahkampf sind sie verwundbarer und dieser für einen Ego-Shooter ungewöhnliche Fokus auf "Close Combat" wird zu Beginn leider unzureichend mit Texttafeln vorgestellt, so dass ich selbst schmerzlich herausfinden musste, dass der Kampferfolg in der Mischung aus Nah- und Fernkampf liegt.

Höllischer Nah- & Fernkampf

Dieser Mix macht NecroVisioN gewissermaßen einzigartig und wird mit einem Kombosystem gekrönt, das bestimmte Kombinationen von "Mighty Foot" à la Duke, Nahkampfattacken mit Waffen oder Schüsse mit einem Schadensschub bzw. Lebensenergie-Regeneration belohnt. Beispielsweise kann ich einen Gegner mit der Schaufel aus dem Weg schaffen, einen weiteren mit der Pistole erledigen und nach dem aufblitzenden Komboschub löst sich der nächste Feind nach einem Treffer in hohem Bogen in Luft auf.

Download: Patch 1.1 (23,4 MB)

Im weiteren Verlauf muss ich mit gut aufgebauten Kombo-Attacken und zuschaltbarer (durch Adrenalin im Kampf aufgebauter) Zeitlupenfunktion dutzendweise Gegner aus der Welt schaffen, was alleine mit Fernkampfwaffen kaum zu bewerkstelligen wäre. Wird es trotzdem mal eng und es ist kein Health-Pack in Aussicht, hilft der "Prä-Tod-Killer-Modus", der kurz vor dem eigenen Ableben einsetzt und das Geschehen leicht verlangsamt und die Attacken stärkt, so dass

...und endet mit Klaue und Co. im düsteren Untergrund.
es mit Kombos möglich ist, sich schnell aus ausweglosen Situationen zu befreien und etwas Gesundheit zu regenerieren. Störend empfand ich jedoch, dass das Nachladen der Waffen durch einen zwischenzeitlichen Nahkampf ständig unterbrochen wird.

Nach den Scharmützeln mit den deutschen Soldaten und einiger mäßig interessanter, aber immerhin vorhandener Story-Zwischensequenzen der Marke B-Movie-Deluxe (die zwischen den Missionen u.a. durch vertonte Briefe fortgeführt werden), halten immer mehr höllisch/fantastische Elemente Einzug. Fortan sind Zombies unterwegs, die noch deutsche Wortfetzen stöhnen, Phantome oder Drachen fliegen durch die Gegend, blutrote Hunde huschen umher und bizarre Kreaturen mit einer Vorliebe für Stacheldraht machen ihre Oberflächenvisite. Ich verlasse zunehmend die Schützengräben und gelange in düstere Höhlensysteme oder sonstige kreative Vampir- oder Tempelanlagen, bevor es tief in die Unterwelt geht.  

Danach: Painkiller

Allgemein ist das Level-Design meist eingleisig und stellenweise wenig selbsterklärend: Zwischendurch gibt es immer wieder Passagen, bei denen man erst Suchen muss, wo es weitergeht oder eines der Standard-Shooter-Rätsel zu lösen ist (z.B. versperrte Wände aufsprengen oder aufbrennen) - zumindest wird der Dauerfeueralltag dadurch etwas aufgelockert. Im Gegensatz zu anderen Ego-Shootern sind die "versteckten Bereiche" wirklich gut versteckt und da ich dort teilweise Artefakte aufgabele, die den Zornlevel anheben, lohnt es sich in der Tat, die Ecken des Levels abzugrasen - der Zornlevel wird übrigens durch Komboattacken

Spielszenen aus der englischen Version inkl. dem Skorpion-Endgegner.aufgeladen und ermöglicht stärkere Angriffe. Gegen Ende erweitern Spezialattacken wie Zaubersprüche das Arsenal, die gelegentlich helfen, aber dem Kombosysten nicht den Rang ablaufen.

Innerhalb der zwölf Kapitel in der Kampagne darf ich mich neben den Horden der Gegner - und ich meine wahrhaftige Horden in Sinne von Serious Sam oder Painkiller - mit Endgegnern herumschlagen, die Laufarbeit inklusive Feuerkraft erfordern und mittendrin auftauchende Gegner dürfen als Gelegenheit zur Lebensregeneration genutzt werden. An den Coolnessfaktor und die Größe der Painkiller-Endgegner reichen die Bosskämpfe nicht ganz heran, trotzdem gilt es einige erstklassige Kreationen in langen Duellen auszuschalten.

Bosskämpfe und Herausforderungen

Als Abwechslung zu den normalen Storydauerfeuermissionen gibt es Herausforderungen, die je nach abgeschlossenem Level freigeschaltet werden und in der Regel zeitbegrenzte Arena-Abenteuer sind wie z.B. "Töte XX Gegner mit der Waffenkombination XY" oder "Schaffe 75 Kopfschüsse in der Zeit Z". Als Belohnung für bestandene Herausforderungen werden dann z.B. gewisse Waffen zur Startausrüstung hinzugefügt. Insbesondere in den Arenen kann NecroVisioN seine Stärke der zahlenmäßigen Monstermassen ausspielen, wenn über zwei Dutzend Zombies auf euch zuschwanken

Die überarbeitete Painkiller-Engine weiß optisch durchaus zu überzeugen, auch wenn die Soldaten alle aus der Klonfabrik stammen.
und es aus vollen Rohren an Schüssen/Schläge/Tritte hagelt, fühlt man sich fast wie überlaufen...

Der Duke oder Sam wirken zugleich wie Vorbilder für den NecroVisioN-Protagonisten, da er es sich nicht verkneifen kann, zwischendurch die Situation mit teilweise gelungenen und andererseits nicht zündenden Gags/Onelinern zu kommentieren. Dieser Zwiespalt mag wohl an der nicht ganz so gelungenen Lokalisierung liegen, wobei es sowieso erst interessant wird, wenn der Held mit seiner Krallenhand spricht.

Kein stummer Held

Insgesamt ist die Sprachausgabe der deutschen Version etwas bizarr: Die Deutschen sprechen Deutsch, die Briten brabbeln Deutsch mit englischem Akzent à la Starlancer und die Franzosen reden perfektes Deutsch genau wie die Amerikaner. Verkehrte Welt! Auffällig ist außerdem die "Entschärfung" der Fassung: Im Gegensatz zur Überseeversion können den Gegnern keine Gliedmaßen abgetrennt werden, gewisse Zwischensequenzen wirken mit der Brechstange gekürzt, Ragdoll gibt es nicht und erledigte Gegner lösen sich binnen kürzester Zeit in Dampfwolken auf - wie umweltfreundlich. Virtuelles Blut ist nicht zu sehen und so gehen dem morbiden und düsteren Kriegszenario einige atmosphärische Gruselstimmungspunkte verloren.

Fazit

Painkiller, Duke, Serious Sam und ein bisschen Wolfenstein - aus diesem Shooter-Quartett mit Painkiller-Überhang wurde NecroVisioN gestrickt. Die ungewöhnliche Mischung aus Nah- und Fernkampf mit Kombosystem wird zwar etwas ungeschickt eingeführt, ist aber unumgänglich um den Gegnern Paroli bieten zu können. Große Monstermassen lassen sich nur mit Hilfe von kombinierten Angriffen beseitigen, wobei sich mit der Zeit eine Gewöhnung an dieses System einstellt. Trotzdem ist es eine große Freude, die Horden im Handumdrehen zu verdreschen. Gimmicks wie die Zeitlupenfunktion und Bullettime-Lebensrettung lassen NecroVisioN aus der Eintönigkeit anderer Shooter hervorstechen und die coolen Herausforderungen setzen auf pure Masse mit Arenaflair. Doch der Sprung auf die Stufe "gut" gelingt aufgrund der Abnutzungserscheinungen des Kampfsystems, der mittelprächtigen Story und der durchwachsenen Lokalisierung (Sprachausgabe und Entschärfung) leider nicht. Zudem ist die Steuerung träge, Nahkämpfe brechen für meinen Geschmack das Nachladen viel zu oft ab und die Computerintelligenz der Gegner ist nicht sonderlich clever; auch die Wegfindung ist schlecht. Abgesehen von diesen Schwächen, die durch ein wenig mehr Entwicklungszeit sowie Sorgfalt bei der Übersetzung gelöst wären, ist NecroVisioN ein durchaus unterhaltsamer Shooter der Marke Hirn aus, Dauerfeuer an!

Pro

  • gut funktionierendes Kombosystem
  • Nah- und Fernkampf-Mischung
  • große Gegnermassen
  • coole Herausforderungen und Bosskämpfe
  • Zeitlupenfunktion samt Lebensrettung
  • kreatives 1. Weltkrieg und Chaos-Szenario
  • abgefahrene Monster
  • hohes Tempo
  • fordernder Schwierigkeitsgrad
  • stimmiges Waffenarsenal inkl. Mighty Foot
  • gelegentlich steuerbare "Fahrzeuge"
  • manch ordentliche Monologe bzw. Dialoge mit der Klaue
  • düstere, bedrohliche Atmosphäre
  • immerhin vorhandene Hintergrundgeschichte mit B-Movie-Flair
  • ordentliche Grafik, gute Physik und schaurig schöne Kulissen

Kontra

  • sehr durchwachsene Sprachausgabe (dt.)
  • Kampfsystem nutzt sich ab; Komboflut
  • Nahkämpfe brechen das Nachladen ab
  • Level-Design könnte selbsterklärender sein
  • unglücklicher Einstieg
  • stellenweise recht schwer
  • Entschärfung ist dem Spiel anzumerken
  • Geschichte hätte mehr hergegeben
  • Story zieht das Geschehen oft in die Länge
  • etwas träge Steuerung
  • Klon-Soldaten

Wertung

PC

Durchaus unterhaltsamer Shooter der Marke „Hirn aus und Dauerfeuer an!“ mit Qualitätsschwächen.