Tiger Woods PGA Tour - Test, Sport, iPhone

Tiger Woods PGA Tour
19.05.2009, Benjamin Schmädig

Test: Tiger Woods PGA Tour

Bis vor wenigen Jahren konnte ich mit Golf so recht nichts anfangen. Da stehen geschniegelte Herren und Damen auf irgendeiner Wiese, holen aus und latschen anschließend gemütlich zum nächsten Ausholen - eine furchtbar langweilige Schlaftablette! Inzwischen genieße ich allerdings die ruhigen Abende, an denen meine Couch zum Fairway wird, während ich mich mit entspannter Konzentration an exotische Fairways entführen lasse. Dass ich mich dank iPhone jetzt noch gemütlicher aufs Sofa lümmeln kann, kommt mir da doch gerade recht!

Zugegeben: Der Editor ist eine kleine Ernüchterung, da ich nur zwischen Männlein und Weiblein wählen, aber weder Kleidung noch Körperformen meinen Vorlieben anpassen darf. Mir bleibt nur die Wahl zwischen langen oder kurzen, einfarbigen Ärmeln bzw. Hosenbeinen. Anschließend darf ich noch diverse Eigenschaften gegen bare Münze aufbessern; aber auch das hätte man besser lösen müssen. Immerhin kostet mich

Die Umsetzung des True Swing samt Draw und Fade funktioniert überraschend gut.
schon der Einstieg in das erste Turnier der PGA Tour eine Menge Zaster - das hatte mir zu Beginn aber niemand gesagt. Na, immerhin führten mich kurze, aber lehrreiche Textfenster dann ins eigentliche Spiel ein...

Keine Warnung vorweg

... das ich eben in zwei Einzelspielen kennenlernen musste, bevor genug Taler in meine Karrierekasse gewandert waren. Statt des normalen Schlagspiels hätte ich mich dabei auch einzeln oder bis zu viert in ähnlichen Spielvarianten messen können: Das Telefon-Golfen bietet knapp zehn der von Konsole bekannten Regelvariationen. Das ist nicht viel, aber immerhin. Auf Minispiele wie einen Putt-Wettstreit verzichtet diese mobile Version allerdings, und ab zwei Teilnehmern muss der iHandheld herumgereicht werden - WiFi wird weder für den globalen noch für den lokalen Wettstreit genutzt.

Das sind sie eben, die ersten vorsichtigen Gehversuche beim Erkunden einer neuen Plattform. Wichtig ist, dass der Kern aus Physik und Spielgefühl "stimmt". Und tatsächlich: Die i-Variante des True Swing (Finger zurückziehen zum Ausholen, Finger nach vorne ziehen zum Schlagen) funktioniert auch hier beinahe tadellos. Durch ein Variieren der Richtung kann ich den Ball sogar nach links oder rechts abdriften lassen - cool!

Die ersten Schritte

... das war's! Die Schlagtechnik wirkt glaubwürdig, das Aufwerten von Charaktereigenschaften ist motivierend - aber das war's tatsächlich. Die im Vergleich sehr wenigen Geräusche und Kommentare (Kelly Tilghman und Sam Torrence wurden der aktuellen Konsolen-Fassung entliehen) erzeugen zwar eine glaubhafte Golf-Stimmung. Viele Sprachschnipsel passen aber überhaupt nicht zum 

Karriere, Abwechslung und Ballphysik stammen allerdings aus der Steinzeit des virtuellen Golfs.
Geschehen, während zahlreiche der polygonarmen Objekte erst sehr spät "entnebelt" werden und mein Golfer schon mal teilweise in einem kleinen Hügel verschwindet. Von der allgemeinen Detailarmut ganz zu schweigen.

Und das...

Ja, nun...

Mir scheint, diese Armut ist auch ein Grund dafür, dass die Ballphysik nicht nur sehr vorhersehbar, sondern auch absurd simpel wirkt. So kann es z.B. sein, dass ich einem Ball in der Luft nachträglich Drall verpasse, so dass er nach dem ersten Auftreffen am Boden in die entgegen gesetzte Richtung wieder abprallt. Schade übrigens, dass ich diese nachträgliche Beeinflussung im Vergleich zu den "großen" Versionen nicht abschalten kann; das gilt auch für den Kraft-Boost bei einem perfekten Abschlag. Überhaupt bietet mir der iTiger praktisch keine Optionen - dass ich die Rollgeschwindigkeit des Balls einstellen kann, ist diesmal schon das höchste der Gefühle. Diese eine Option ist denn allerdings auch bitter nötig, denn mit der Voreinstellung findet der Ball auf dem Grün z.B. überhaupt kein Halten, während er auch auf Fairway und Rough unnatürlich weit kugelt.

Gute Nacht!

Wieso das Einstellen der Zielmarkung, besonders auf dem Grün sowie die manuelle Auswahl der Schläger so unhandlich gelöst wurde, ist mir ebenfalls ein Rätsel. Viel schlimmer aber ist die monotone Karriere, der ich mich irgendwann widmen wollte: Ohne dass ich Länge und Schwierigkeit der Veranstaltungen wählen darf, muss ich hier jeweils viermal die kompletten 18 Löcher der wenigen sieben Kurse abspulen, um ein Turnier abzuschließen. Die sonst übliche Tiger-Herausforderung, bei der kurzweilige Herausforderungen für zwischendurch im Vordergrund stehen, fehlt ausgerechnet in der Umsetzung für die... kurzweilige Plattform für zwischendurch. Danke EA - so wird aus dem gemütlichen Lümmeln nach "endlich" doch noch eine öde Schlaftablette!     

Fazit

Gut für Handy-Golfer: EA Sports klopft an, zeigt Interesse, lässt den Tiger erstmals per Touchscreen abschlagen! Die Übernahme des realitätsnahen True Swings ist dabei sogar überraschend gut gelungen; die Handhabung des Schlägers macht Spaß. Ich kann meinen Profi außerdem trainieren, so dass er irgendwann nicht nur weiter, sondern auch präziser spielt - toll. Aber dahin werde ich auf dieser Plattform nie kommen, denn die miserable Umsetzung verwischt gekonnt die Spuren ihrer Herkunft: Aus der ehemaligen Spitzensimulation wurde eine minimalistische Abschlagübung, die weder spielerisch noch inhaltlich, geschweige denn grafisch oder akustisch überzeugen kann! Die Ballphysik lässt zu wünschen übrig, Umgebung und Figuren wirken wie detailarme Pappständer und die dröge Karriere zehrt schnell an den Nerven. Dass man diese spielerische Einöde mit den praktisch nicht vorhandenen Optionen nicht einmal entschärfen oder an die eigenen Bedürfnisse anpassen kann, versetzt jedweder Motivation schließlich den Todesstoß. Ich vergesse nicht, dass EA auf den Konsolen momentan zu den kreativsten Publishern gehört - dafür, dass sie dieses unfertige Versuchsobjekt zum AppStore-Vollpreis anbieten, sollten sie sich allerdings schämen!

Pro

  • realitätsnahe Steuerung einschließlich Drall
  • nachträgliche Beeinflussung der Flugbahn...
  • schrittweise Verbesserung von Fähigkeiten
  • wenig Sounds erzeugen halbwegs glaubhafte Atmosphäre

Kontra

  • rudimentäres Golfen statt gewohnter Simulation- ... die sich leider nicht abschalten lässt
  • Höhe des Schusses nicht einstellbar
  • wenig Kommentare, zu viele davon in falschen Momenten
  • einfache, teilweise merkwürdige Physik
  • fummeliges Einstellen der Zielmarkierung
  • nur sieben Kurse, die sich sehr ähneln
  • ohne manuelle Einstellungen zu lange Rollwege
  • kein Online
  • oder WiFi-Spiel
  • Objekte kommen erst spät ins Bild
  • kaum Applaus, keine sichtbaren Zuschauer
  • viel zu wenig Einstellungsmöglichkeiten
  • dröge, minimale Karriere
  • genau zwei (grob gezeichnete) Charaktere
  • keine Minispiele

Wertung

iPhone

Der Abschlag wirkt noch überzeugend, doch weder Karriere, Umfang, Abwechslung oder Ballphysik können überzeugen.