Still Life 2 - Test, Adventure, PC

Still Life 2
28.05.2009, Bodo Naser

Test: Still Life 2

Besser spät als nie - in diesem Fall gilt das auch für den Test von Still Life 2 (ab 0,95€ bei kaufen). Endlich haben wir eine Testfassung des Krimi-Adventures von Microids bekommen, die wir eingehend unter die Lupe genommen haben. Ob sich das Warten gelohnt hat?

Eines ist bei allen Serienmorden das Gleiche: Die Persönlichkeit des Täters wird bis ins Kleinste ausgeleuchtet, aber die Opfer werden kaum wahrgenommen, obwohl sie es verdient hätten. Für den Täter interessieren sich Medien, Öffentlichkeit

Heldin Paloma will Hilfe holen, damit sie endlich frei kommt, und hat meist nur den Killer an der Strippe.
und sogar Kriminologen, aber die Opfer sind schnell wieder vergessen, wenn sie überhaupt publik werden. Wer kennt schon die Namen der unzähligen Toten, die der Ukrainer Andrei Tschikatilo hinmetzelte, der allein über 50 junge Leute umgebracht haben soll? Ein kranker Geist wie Ed Gein beeinflusste Filme wie Texas Chainsaw Massacre, aber wer zeigte das Leid seine Opfer? Gerade einmal beim zynischen Bodycount zählen sie, denn erst mit mindestens drei Morden liegt Serienmord vor. Zudem werden viele Morde gar nicht bekannt, da die Mörder schweigen. Wer vermisst schon Ausreißer, Obdachlose oder Prostituierte?

Aus anderer Sicht

Löblich - bei Still Life 2 wird auch das Opfer gezeigt, denn man kann es auch aus der Perspektive einer Frau spielen, die um ihr Leben ringt. Paloma Hernandez wurde von einem Serienkiller entführt, der sie in einem Versteck gefangen hält. Das Ostküsten-Mörder genannte Phantom treibt perfide Spielchen mit der rasenden Reporterin; ähnlich wie im Horrorfilm Saw. Er verspricht, sie freizulassen, wenn sie einen tödlichen Parcours absolviert. Dort bedecken Scherben den Boden, die Griffe stehen unter Strom oder es liegen abgeschlagene Gliedmaßen herum. Obwohl Paloma ahnt, dass sie eigentlich keine Chance hat, bleibt gar nichts anderes übrig, als mitzumachen. Eine andere Option hat sie gar nicht, denn auf Verhandlungen lässt sich der maskierte Mörder nicht ein.

Diese Szenen könnten das Highlight von Still Life 2 sein, sie sind es aber aus verschiedenen Gründen nicht. Obwohl diese an

Trotz Zeitlimits, finsterer Umgebung und schauriger Spielchen wirkt Palomas Flucht irgendwie lahm. 
Survival-Horror erinnernde Abschnitte gut die Hälfte des düsteren Abenteuers ausmachen, brennen sie sich kaum ins Gedächtnis ein. Das liegt daran, dass die Charaktere nicht sonderlich ausgefeilt sind. Im Laufe der Ermittlung erfährt man zwar mehr über die Journalistin Paloma, doch richtig Mitleid hat man nie, obwohl sie fortwährend misshandelt wird. Die toughe Frau will nicht recht ins Beuteschema passen. Andererseits ist das Naturell des Killers nie intensiv genug, dass man ihn richtig hassen könnte oder gar Furcht hätte. Er bleibt schemenhaft und blass. Eine persönliche Ebene wie bei Saw, wo der Irre die Opfer quält, um ihnen was übers Leben klarzumachen, fehlt. Man erfährt nichts über Schwächen des Opfers, die der Täter ausnützen könnte.

Chance vertan

Die Szenen sind, obwohl sie in einem schmutzigen Schreckenshaus spielen, nie richtig spannend. Alptraumhaft wie in Norman Bates' schwarz-weißem Heim wird es kaum; und selbst wenn, bleibt alles stets auf einer spielerischen Ebene. Auch die Aufgaben selbst bieten kaum mehr als das Übliche, woran auch die gelegentlichen Zeitlimits wenig ändern, denn es bleibt meist genug Zeit übrig. Die Hauptaufgabe besteht fast immer darin, Durchgänge zu finden.. Eine Verbindung zur Verbrechensserie besteht kaum - gerade mal an einer Stelle sind Zahlen gefragt, die direkt was mit den Morden zu tun haben. Letztlich handelt es sich nur um eine Abfolge von Rätseln, an deren Ende die filmische Überleitung zum nächsten Kapitel erfolgt.

Neben der bislang in der Reihe noch nicht aufgetauchten Paloma kann man auch wieder Victoria McPherson spielen - die Polizistin aus dem ersten Teil. 

Schreckenshaus oder Indian Summer-Idylle? Bei Licht betrachtet wirkt alles halb so wild und so interessant. 
Die FBI-Agentin verbringt in Teil zwo schlaflose Nächte, denn der geheimnisvolle Killer mordet einfach weiter. Damit schließt die Erzählung nahtlos an Still Life 1 an, denn sein jüngstes Opfer wurde gerade erst gefunden. So lange der Fall nicht gelöst ist, wird Vic wohl keine Ruhe geben. Leider tappt sie bislang im Dunkeln, was ihr von Paloma immer wieder vorgeworfen wird. Die beiden mögen sich nicht, denn Paloma ist sozusagen das schlechte Gewissen der Ermittlerin, der sie Unfähigkeit attestiert. Dennoch wechseln sie sich bei der Lösung schwesterlich ab, da man abwechselnd eine der beiden Heldinnen übernimmt.

Macht Wiedersehen Freude?

Leider ist auch die Figur der Victoria bei weitem nicht so glaubwürdig wie noch im ersten Teil, obwohl man sich bemüht und sie sogar dieselbe deutsche Stimme bekommen hat. Obschon sie mit ihren dunklen kurzen Haaren und den düsteren Klamotten genauso aussieht wie im ersten Teil, ist sie aber nicht mal halb so anziehend. Ihre unterschwellige düstere Ausstrahlung geht nun völlig ab. Liebschaften mit männlichen Nebencharakteren wurden ebenfalls aus dem Plot gestrichen, was mit schlechten Erfahrungen begründet wird. Beim ersten Teil gab es zudem noch kleine Geschichten am Rande, etwa wenn Vic sich mit Kollegen stritt oder sich Tipps von ihrer Freundin holte. Das alles hat man sich dieses Mal geschenkt, weshalb Vic kaum mehr ist als ein Ermittlungsroboter, der auf Highheels Spuren einsammelt.

                     

Ansonsten ist dieses Mal mehr Polizeiarbeit zu tun, so dass man sich schon fast in CSI wähnt, obwohl es sich immer noch um ein französisches Adventure handelt. Vic hat nun auch so ein schmuckes Köfferchen spendiert bekommen, wie es die Jungs

Mit diesem praktischen aber nur semi-authentischen Köfferchen kommt man sich vor wie beim Crime-TV
von der Spurensicherung mit sich tragen. Obwohl sie eigentlich bei der Mordkommission ist, muss sie nun selbst Spuren eintüten. Allerdings wird das nicht sonderlich originalgetreu darstellt, da die Geräte teils frei erfunden sind. Ein 3D-Scanner wie hier ist noch Zukunftsmusik und der genetische Fingerabdruck spielt keine große Rolle, obwohl das Adventure in der Gegenwart spielt. Dass der Spieler genetisches Material einsammelt, ist eher die Ausnahme, stattdessen muss man Fingerabdrücke nehmen wie vor 30 Jahren.

CSI lässt grüßen

Wie vieles im Spiel ist das Sammeln und Auswerten der Spuren ohne großen Anspruch. Man muss lediglich wissen, was womit eingesammelt wird - das war's schon. Angesichts der wenigen, übersichtlichen angeordneten Gerätschaften, die auch noch haarklein erklärt werden, ist das kein Hexenwerk. Eher schon ist wiederum das Finden der Punkte schwierig, weil es leider keine Hot-Spot-Anzeige gibt, die man zuschalten könnte. So bleibt nur mühsames Absuchen, was einen in den voll gestopften Räumen, unübersichtlichen Gängen und verdreckten Außenarealen oft überfordert.

Bis auf diese kriminalistischen Suchspielchen löst man seltener klassisches Rätselwerk, das allerdings nicht immer überzeugt. Da gilt es,

Die stark schwankenden Rätsel scheitern oft daran, dass man was nicht findet. Hot-Spot-Anzeige hat man sich gespart.
ein Schloss zu knacken, eine bestimmte Kombination rauszufinden oder einen Schlüssel zu ergattern. So muss man im Haus des Killers einen Safe öffnen, wofür man einen Tipp vom farbigen Kollegen bekommt. Leider fehlen bisweilen solche Hinweise, woran auch die zuschaltbare Hilfe wenig ändert, da diese nur Tipps für bereits bekannte Puzzle gibt. Was hilft, wenn man gar nicht weiß, wo's weitergeht? Bei den vom Schwierigkeitsgrad stark schwankenden Rätseln macht sich zudem Linerarität bemerkbar, denn man muss immer hübsch eins nach dem anderen machen. Ohne dass die Heldin etwas angeschaut, braucht man sich gar nicht an den nächsten wagen. Denn sie muss erst feststellen, was zu tun ist, auch wenn der Spieler es vielleicht schon längst weiß.

Durchwachsene Rätsel

Das Inventar ist begrenzt, so dass man nicht immer alles einstecken kann. Allerdings muss man sich kaum mal überlegen, was man zuerst machen möchte, was taktisch durchaus interessant wäre, da es genug Stauraum gibt. Man muss die Schränke nur finden, in die man viel packen kann. Finden muss man auch die nicht gerade großen Schaltflächen im Inventar, womit man Dinge trennen und zusammenfügen kann. So muss man die Glasröhrchen erst umständlich voneinander trennen, damit man mit ihnen experimentieren kann. Wieso das nicht automatisch geht, wissen nur die Entwickler. Wer das nicht weiß, probiert alle bis er schwarz wird oder stirbt wahlweise zum 100. Mal den Spieltod, weil er sich vergiftet.

Zum Schluss bleibt noch die Frage, warum Still Life 2 überhaupt "ab 16 Jahren" ist? Das Adventure gibt sich im Gegensatz zum Vorgänger reichlich harmlos - alles bleibt auf Geisterbahnniveau, ohne je wirklich gruselig zu sein. Letztes Mal sorgten die Leichen der Opfer für reichlich Unbehagen, deren zerschundenen Gesichter ziemlich realistisch anmuteten. So etwas gibt es zwar dieses Mal auch, aber das ist viel weniger schockierend. Anders als beim ersten Teil sind zudem die Zwischensequenzen zwar professionell gemacht, sorgen jedoch nicht für einen offen stehenden Mund. Wie der Mörder tötet, sieht man dort nicht mehr. Stattdessen wird die Ermittlungsarbeit gezeigt, was deutlich mehr an einen interaktiven Krimi erinnert.

Kaum Nervenkitzel

Zwar gibt sich das Spiel immer noch ziemlich düster, aber es ist wesentlich heller geworden. So erinnert das Haus des Mörders im Wald fast an eine Indian Summer-Idylle. Wäre da nicht der unpassende Elektrozaun und die Stolperfallen, wäre es fast schon einladend. Für eine Aufhellung gibt es eigentlich keinen Grund, denn die Mordserie geht ja munter weiter. Zudem ist die Handlung ja auch schwermütig, denn die Lösung des Falles treibt Vic an den Rand der Verzweiflung, da der Mörder keine Ruhe gibt. Vielleicht wollte man die Spieler durch das Weichspülen einfach nicht mehr so schockieren, aber genau das geht atmosphärisch nach hinten los.

       

Fazit

Still Life 2 ist eine ganze Ecke schlechter als sein direkter Vorgänger, was Story, Charaktere und Atmosphäre angeht. Man knüpft zwar genau dort an, wo der erste Teil aufhörte, aber die Spannung wird nicht gehalten. Am Anfang ist es ganz interessant neben der bekannten Polizistin Victoria auch Paloma zu spielen, die alles aus der frischen Opferperspektive sieht: Man fragt sich, was der Killer vor hat und was wohl passieren wird. Aber irgendwie ist schnell die Luft raus, weil man erkannt hat, dass er sie nicht töten wird, bevor Vic ihn nicht gefunden hat. Und dann plätschert alles dahin wie bei einer stinknormalen Krimifolge im Fernsehen. Immerhin braucht man sich dieses Mal keine Sorgen machen, dass man wieder absonderliche Dinge lösen müsste wie etwa Plätzchenbacken. Stattdessen gibt weitgehend durchwachsene Rätselkost, bei der Paloma befreit werden und Vic als Ermittlerin die Schreibtischarbeit machen muss. Leider kann die veraltet wirkende grafische Umsetzung die Atmosphäre, der es auch stilistisch an Bedrohungsgefühl fehlt, nicht zusätzlich steigern. Die Figuren bewegen sich ungelenk und lediglich die wenigen Videosequenzen sind gut gemacht. Still Life war düster, gemein und gelegentlich schockierend - Still Life 2 wirkt dagegen weichgespült, langatmig und blass.

Pro

  • interessanter Serienkillerfall
  • zwei Charaktere spielbar
  • auch aus Opferperspektive spielbar
  • Tatortuntersuchung
  • dichter Rätselparcours

Kontra

  • kaum schockierende Stimmung
  • Story fehlt die Spannungskurve
  • manches schwer zu finden
  • bloße Abfolge von Rätseln
  • schwankende Schwierigkeit
  • Aufgaben auf Zeit zu einfach
  • blasse Charaktere

Wertung

PC

Leider nur ein recht müder Abklatsch des ersten Teils.