Tales of Monkey Island: Launch of the Screaming Narwhal - Test, Adventure, PC, Wii

Tales of Monkey Island: Launch of the Screaming Narwhal
08.07.2009, Bodo Naser

Test: Tales of Monkey Island: Launch of the Screaming Narwhal

Ein großes Abenteuer steht seit neun Jahren aus: Das Ende von Captain Le Chuck durch die Hand von "Superpirat" Guybrush Threepwood. In Telltales Tales of Monkey Island wird es endlich erzählt. Diese erste von fünf Episoden ist bereits auf Englisch erhältlich und nennt sich vielsagend Launch of the Screaming Narwhal. Startet hier das witzigste Adventure des Jahres oder wird der große Name lieblos zerstückelt?

Trotz aller Piraten-Nostalgie: Am Anfang herrscht Ernüchterung, denn der Beginn der Geschichte läuft einfach zu glatt. Die Inszenierung ist zwar gelungen und folgt genau dem, was wir aus dem letzten Trailer kennen, man hätte aber mehr

Was dran für Rätselfans oder nur Klicki-Bunti? Kann Guybrush die großen Erwartungen erfüllen, die insbesondere die Fans in ihn setzen?
erwartet. Anders als in jeder gewöhnlichen Story geht es dem ätherisch-grünen Bösewicht hier schon am Anfang an den Kragen: Le Chuck wird vernichtet. Der "mächtige" Piratenheld Guybrush Threepwood versetzt ihm mittels eines magischen Säbels den letzten Hieb. Er und seine Geliebte Elaine segeln danach in den Sonnenuntergang - so hat er es sich zumindest vorgestellt, aber natürlich kommt alles ganz anders.

Erwartung trifft Realität

Guybrush muss also kurzfristig improvisieren, was bei Zaubersprüchen keinesfalls zu empfehlen ist. Was kann passieren? Man bekommt einen fetten Hexen-Pickel am Hintern, die Armee der Finsternis wird herauf beschworen oder es kommt gar noch schlimmer. Der Spieler muss dem Helden quasi von der ersten Minute an tatkräftig unter die Arme greifen, was theoretisch amüsant, aber praktisch leider zu einfach ist: Weder das Auffinden der Zutaten noch das Mixen ist mit einem größeren Problem verbunden. Hier werden ungute Erinnerungen an die Rätselchen früherer Telltale-Abenteuer wach, die wie bei Sam & Max oft ohne Anstrengung lösbar waren.

Wenn das so weiter geht, spiele ich das Ding in 20 Minuten durch, denkt man sich. Oh Gott - wieso ist alles so leicht!? Für Guybrush läuft die Attacke mit dem Cutlass trotzdem nicht wie geplant. Es passiert, was nie passieren hätte dürfen: Le Chuck, der eigentlich ein Geist ist, wird wieder lebendig, Elaine verschwindet und Guybrush wird auf ein gottverlassenes Eiland geschleudert. Zu allem Überfluss ist seine Hand fortan vom Teufel besessen und gehorcht ihm nur noch bedingt, was angenehm an Tanz der Teufel 2 erinnert, wo der Protagonist Ash diese schließlich sogar absägt. Ob Guybrush das auch droht?

All das ist witzig und macht neugierig, aber ist spielerisch auch irgendwie belanglos - man hätte mehr erwartet, denn

Guybrush wird zum Aushilfsreporter, der dem Chefredakteur der Inselzeitung Storys liefern muss. Wie soll das gehen?
schließlich ist das die Fortsetzung des bekanntesten Piraten-Adventures aller Zeiten! Und was erwartet man von dem? Knackige Rätsel! Zudem wird die Befürchtung geweckt, dass es so weitergehen könnte und die bunte Comic-Aufmachung scheint dies auch noch zu bestätigen. Mist, hat Telltale sich damit endgültig übernommen? Doch man sollte den Tag nie vor dem Abend verfluchen und in der Geschichte, die länger als sonst ist, ist es noch nicht mal mittags. Also nur munter weitergespielt, auch wenn die winzige Inselortschaft ein wenig aussieht wie ein Themenpark zu Fluch der Karibik. Doch auf der überschaubaren Insel gibt es mehr zu entdecken, als man zunächst vermuten könnte. Flugs noch an die Tür des einzigen Nachtclubs geklopft, stellt man fest, dass man da nicht so leicht reinkommt. Uff, endlich was zu tun - ein Ausweis für Nr. 41 muss her!

Windige Angelegenheit

Einen ersten Anhaltspunkt liefert einem der geschwätzige Reporter des ortsansässigen Käseblattes, der leider kaum was zu berichten hat. Denn schließlich passiert nix, weshalb seine tolle Druckerpresse meist still steht. Es gibt noch nicht mal ne ordentliche Keilerei. Das muss sich ändern, denn der Held muss dafür sorgen, damit der Kollege endlich was zu schreiben hat. Ansonsten will er nicht verraten, wie's weitergeht. Dafür müssen nun einige Heldentaten vollbracht werden, um die voll auf Seeräuberpistolen gepolte Leserschaft zufrieden zu stellen. Ein Klacks für den schlechtesten aller Seeräuber, der bestimmt wieder was verschusselt! Einen Haken hat die Sache aber noch, denn Flotsam Island kann man nicht mehr verlassen. Ein Fluch sorgt dafür, dass der Wind immer nur aus einer Richtung bläst. Leider aus der falschen, so dass seit Jahr und Tag kein Schiff auslaufen kann. Das könnte natürlich auch ein Naturphänomen sein, aber Piraten sind halt abergläubisch, so dass dunkle Mächte dahinter stecken müssten.

So simpel sich das Abenteuer anfänglich präsentierte, geht es zum Glück nicht weiter. Je länger man alles erkundet, desto klarer wird: Auf der Insel warten einige Kopfnüsse auf den Spieler, 

Holla! Fast alles, was man so entdeckt, hängt mit einem Puzzle zusammen. Wofür ist das wohl? 
die doch deutlich anspruchsvoller sind als die übliche Rätselei. Und damit ist nicht mal die direkte Steuerung gemeint, die Fans aus anderen Telltale-Spielen kennen dürften. Vermutlich sind es sogar die besten Rätsel, die sich das kalifornische Studio je für eine Episode einfallen ließ: Mit dem simplen Anbringen eines Gegenstandes ist es nur in seltenen Fällen getan, denn man muss um die Ecke denken, um ans Ziel zu kommen. Das ist besonders dann der Fall, wenn man genau zu wissen glaubt, wie es läuft. Bei einem Comic-Abenteuer habe ich noch nie zuvor mehrere Stunden und sogar über Nacht über eine Lösung sinniert. Das gab's zuletzt bei den Klassikern von LucasArts, an die Tales of Monkey Island damit anknüpft!

Wunderliche Rätsel

Ein schwungvolles Beispiel ist die Sequenz beim Marquis De Singe auf dem Folterstuhl, der unbedingt Guybrushs Körper erforschen möchte. Insbesondere die vermaledeite Hand hat es dem gnadenlosen Arzt mit dem grauenhaften französischen Akzent angetan, die er unbedingt amputieren will. Eine verfluchte Hand fehlt ihm wohl noch in seiner Sammlung der naturwissenschaftlichen Kuriositäten. Irgendwie braucht der Held seine Pranke jedoch noch, weshalb er fliehen muss. Nur wie, wenn man auf einem Stuhl festegeschnallt ist und sich nicht bewegen kann? Gerade einmal die gestiefelten Füße sind eine Hilfe, mit denen man sich per WASD-Tasten umhertastet. Schnell wird klar, dass man das Durcheinander im Labor ausnützen muss. Auf jeden Fall ist diese Survivalszene der anderen Art ein Genuss!

                            

Erfreulich ist, dass es nur wenige Rätsel gibt, bei denen es damit getan ist, einen Gegenstand aus dem Inventar zu fischen. Zudem sind dort jetzt mal ein paar 

Es gibt viel zu finden: Selbst in der Hütte der Voodoo Lady wird es nicht unübersichtlich.  
Gegenstände mehr drin als bei sonstigen Telltale-Eipsoden. Allerdings könnte die oft verwirrende Steuerung komfortabler sein, denn vieles ist umständlich. Etwa das Kombinieren zweier Gegenstände, die man vorher erst umständlich einloggen muss. Oder auch das bloße Untersuchen einer Sache, für das man die Lupe draufziehen muss. Derart verfährt man auch beim Blick auf die Schatzkarte: So oft wie man auf diese schaut, könnte das per Schnelltaste funktionieren. Die Gegenstände selbst sind gut zu finden, auch wenn es mal wie bei der Voodoo Lady voller wird, so dass eine Hot-Spot-Anzeige kaum vermisst wird. Immerhin gibt es aber eine Schnellreisefunktion, mit der man rasch den Dschungel durchqueren kann.

Simpel, aber unkomfortabel

Schön, dass bei der Lösung auch mal was schief laufen kann. Man weiß zwar, was man in etwa tun soll, aber nicht genau wie. Als der Spieler sich mit dem Kapitän der Screaming Narwhal unterhält, wird auch ohne integrierte Lösungstipps rasch klar, dass man den Kahn übernehmen muss. Aber wie? Sämtliche Versuche, das Schiff im Hafen zu entern, scheitern kläglich, was angesichts des Angreifers auch nicht weiter verwunderlich ist. Guybrush ist schließlich der einzige ist, der sich selbst für kompetent hält. Bevor man weiß, wie man den Käptn umhauen kann, läuft jedenfalls noch viel Schweiß die Denkerstirn hinunter. Denn auch hier landet Guybrush eher im Hafenbecken denn auf Deck des angestrebten Schiffs. Wenn man es dann geschafft hat, kann man stolz auf sich sein, was in einem Point&Click nicht oft vorkommt. Actionpassagen wie bei Sam & Max braucht man übrigens nicht zu fürchten, die gibt es nämlich nicht.

Humor ist seit jeher ein großer Bestandteil der Monkey Island-Reihe und er kommt auch auf Flotsam Island nicht zu kurz. Die erste Episode des großen Abenteuers ist smart, witzig und schräg, wenn sie auch nicht ganz so abgefahren wie Sam &

Das soll ein Pirat sein? Außer seinen verfluchten Sammelfiguren hat der Heini nix im Sinn.
Max rüberkommt. Überall trifft man auf mehr oder minder durchgeknallte Typen, die das Salz in der Suppe sind. Da gibt es den Typ, der Glaseinhörner bläst, was für einen Piraten nun wirklich völlig unpassend ist, oder den spanischen Schatzjäger, der lieber seine Sammelfiguren pflegt als selbst zu suchen. Jeder scheint sein eigenes Süppchen zu kochen, weshalb Guybrush sie überlisten muss. Gar nicht so einfach für nen nicht gerade hellen Typen. Anleihen an früherer Abenteuer kommen ständig vor, weshalb das Copyright-Zeichen oft zu sehen ist, wenn mal wieder ein Ort aus alten Zeiten wie Melee Island zu lesen ist. Dem einen oder anderen dürfte das wieder zu viel sein.

Har-Har

Um alles zu verstehen, braucht man dieses Mal gute Englischkenntnisse, denn das Adventure ist noch nicht übersetzt worden. Mit dem normalen Schulenglisch versteht man grob die Story und die dümmlicheren der Jokes, aber keinesfalls jeden Begriff der Seebärensprache, die oft kolportiert wird. Leider kann man nicht auf Deutsch nachlesen, was genau abgeht, denn auch Untertitel fehlen. Im Gegensatz zu Wallace & Gromit hat man sich diese Hilfe leider gespart. Telltale hat aber in Aussicht gestellt, dass das Abenteuer noch in anderen Sprachen erscheinen soll. Es steht allerdings in den Sternen, wann das sein soll. Zum Glück sind viele von Guybrushs coolen Sprüchen auch so verständlich - etwa, wenn er vom eingetrockneten Opferblut auf einem Altar probiert und erfreut "Chicken!" ausruft.

Auch optisch lehnt sich Tales of Monkey Island an den dritten und vierten Teil der Serie an, die für ihre ausgeprägte Comicgrafik bekannt sind. 

Seine Tolle ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, aber der Inhalt stimmt.
Telltales Abenteuer sieht aus wie 3D-Ausgabe des vierten Teils, was sicher nicht allen gefallen dürfte. Dem einen ist es vermutlich zu bunt, dem anderen nicht realistisch genug und einem anderen hat es wieder zu wenig Details. Man kann immer etwas finden, was einem nicht gefällt. Die wippende Locke des Protagonisten wird sicherlich Hasstiraden auf sich ziehen, was angesichts der vielen Fans kein Wunder ist. So viele Fans die ehrwürdige Reihe hat, so viele Meinung gibt es auch dazu, wie ein neuer Teil aussehen sollte. Aber Telltale unterscheidet, dass sie es ohne Kompromisse auf ihre Art gemacht haben. Im Gegensatz zu LucasArts haben sie sich damit allerdings auch weit aus dem Fenster gelehnt.

Passende Grafik?

Ich bin froh, dass ich kein Grafikfetischist bin, so dass ich die meisten Diskussionen über die Optik nicht mal ansatzweise verstehen kann. Mir käme es nicht in den Sinn, ein Spiel wegen seiner Darstellung nicht anzufassen, so lange nur der Inhalt stimmt. Alle, die sich über das bunte Äußere aufregen, sollten sich einen Ruck geben: Und wenn sie nach einer halben Stunde keine Freude an diesem Abenteuer haben, dann stimmt was nicht mit ihrem Humor oder sie sind einfach Rätsel-Ignoranten. Natürlich könnte man vieles bei Tales of Monkey Island schöner und aufregender inszenieren, aber mich hat der Grafikstil irgendwann nicht mehr tangiert. Spätestens, wenn ich mich mit den Leuten im Kaff unterhielt, während die bekannte Musik von anno dazumal erklingt, war ich vollkommen versunken.

             

Fazit

Ganz ehrlich: Nach dem Einstieg dachte ich, dass Tales of Monkey Island ein Flop wird. Schon nach dem Intro hatte ich die schlimmsten Befürchtungen, dass alles so nett, simpel und unbedeutend weiter gehen könnte. Gähn - da lag die beißende Kritik schon zum Greifen in der Luft! Aber beim Weiterspielen auf Flotsam Island wurde ich eines Besseren belehrt: Das Adventure wird immer besser, was nicht nur am schrägen Humor, sondern vor allem an den durchdachten Rätseln liegt. Beim Kopfnuss-Design hat sich Telltale dieses Mal selbst übertroffen, denn erstmals gibt es knifflige Situationen, die das Denkvermögen anstrengen. Die Entwickler haben damit etwas gewagt, denn diese teils happigen Rätsel werden Neulinge abschrecken und der eine oder andere wird da spicken müssen. Andererseits nicke ich als Veteran mit dem Kopf und freue mich: Na also, es geht doch auch anspruchvoller! Denn Monkey Island war schon früher nicht leicht zu lösen, weshalb diese erste Episode auch hier auf einer gefühlten Wellenlänge mit den alten Abenteuern von Guybrush liegt. Das gilt auch für den Humor: Der Held bringt einen immer wieder zum Lachen, wenn einen Spruch vom Stapel lässt oder sich in die Nesseln setzt. Es gibt zudem ein Wiedersehen mit einer Hand voll vertrauter Charaktere, allerdings fehlen leider deutsche Untertitel. Optisch haben wohl nur Pfennigfuchser was an der 3D-Grafik auszusetzen, die bunter ausfällt als zuletzt bei Wallace & Gromit. All das ist aber schnell vergessen, denn wenn man Tales Monkey Island durchgespielt hat, hat man das Gefühl wirklich etwas erlebt und sogar etwas gelöst zu haben. Sogar die Story ist nicht nur Beiwerk, denn man will wissen, was hinter den widrigen Winden steckt. Wenn die Seeräuber-Erzählungen so weitergehen, kann der zweite Teil von mir aus gleich morgen erscheinen!

Pro

  • spannende Story
  • Piratenklischees werden auf die Schippe genommen
  • anspruchsvolle Rätsel
  • schräge Charaktere
  • Wiedersehen macht Freude
  • Guybrushs Kommentare

Kontra

  • Anfang erfüllt nicht Erwartungen
  • bisweilen noch zu einfach

Wertung

PC

Ein durchaus würdiger Nachfolger der alten Serie, der auch rätseltechnisch was bietet.