The Bigs 2 Baseball - Test, Sport, 360, PlayStation3, NDS, Wii, PlayStation2, PSP

The Bigs 2 Baseball
11.08.2009, Mathias Oertel

Test: The Bigs 2 Baseball

Arcade-Sport scheint seine Blütephase hinter sich zu haben. Seit EAs Fifa Street 3 respektive NBA Street Showdown dümpelt das Genre vor sich hin. Ob ausgerechnet ein Spiel zu einer Disziplin, die in Deutschland zweifellos zu den Randsportarten gehört, das Blatt wenden kann? Das ist unwahrscheinlich Dabei ist The Bigs 2 Baseball (ab 26,90€ bei kaufen) auch für Nichtkenner oder -Könner der amerikanischen Beschäftigungstherapie einen Blick wert.

Wer mit den Namen Albert Pujols, Jim Thome, Manny Ramirez oder Randy Johnson etwas anfangen kann und Alex Rodriguez nicht hauptsächlich für ein vermeintliches Techtelmechtel von Adoptivkönigin Madonna hält, wird auch mit den Begriffen "Pitcher's Mound" oder "Batter's Box" keine Probleme haben und sich bei The Bigs 2 wie zu Hause fühlen. Für all diejenigen jedoch, die einen "Short Stop" für einen kurzen Boxenstopp bei einem Autorennen halten und der Meinung sind, dass die Bullpen der Aufenthaltsort für Stiere vorm Lauf in Pamplona ist, hat Publisher 2K Sports groß und deutlich auf der Packung vermerkt, um was es geht: Baseball!

Albert wer?

Genau: Der US-Amerikaner liebstes Sport-Kind, das Zuschauer zu Zehntausenden zu den 162 regulären Saison-Spielen 

Spektakuläres Feldspiel, kometengleiche Home Runs: Willkommen beim Arcade-Baseball von The Bigs 2.
jedes Teams zieht. Eine Disziplin, die für Statistiker ein wahr gewordener Traum ist und deren Faszination nachzuvollziehen für Nicht-Amerikaner etwa so schwer ist wie das Erlernen von Cricket-Regeln. Der Mannschaftssport, der im Film Bull Durham (im Deutschen: Annies Männer) so treffend mit folgendem Satz umschrieben wurde: "Ihr werft den Ball, ihr schlagt den Ball, ihr fangt den Ball!" So einfach kann es sein. Und viel mehr muss man auch nicht wissen. Denn im Gegensatz zu den hierzulande wenn überhaupt nur unter Ausschluss der Öffentlichkeitsbeachtung in die Regale kommenden Major League Baseball-Simulationen geht The Bigs 2 (TB2) einen arcadigeren Weg. Und damit bewegt man sich auf den Pfaden, die von EA z.B. schon mit NFL Street (als Gegenstück zur Madden-Serie) oder NBA Street (als Ergänzung zu NBA Live) beschritten wurden.

Auch wenn man bedingt durch den Arcade-Ansatz kaum die Regelkenntnisse oder das taktische Verständnis für diesen Sport benötigt, wie es bei einer Simulation der Fall wäre, sollte wenigstens rudimentäres Baseball-Wissen vorhanden sein. Denn das knapp geratene Handbuch gibt Baseball-Laien nicht mal den Hauch eines Wissensansatzes, um was es hier geht. Dementsprechend dürften blutige Schlagball-Anfänger auch mit den Begriffen "Strike Zone", "Flying Out" etc. vollkommen überfordert sein und sich ein ums andere Mal fragen, wieso denn der Spieler jetzt schon wieder raus ist.

Minimale Regelkunde vorausgesetzt

Allerdings muss man eine nicht zu verachtende Lernkurve bewältigen, die zusammen mit der mal spielend leicht in den Griff zu bekommenden, mal hanebüchen schwer agierenden KI, die immer im richtigen Moment entscheidende Spielzüge zu tätigen scheint, in der Anfangsphase für massiven Frust sorgen kann.

Da aber vermutlich etwa 99,5% der Interessierten an TB2 in der einen oder anderen Form schon mit Baseball zu tun hatten, sei es durch Zuschauen oder aktive Teilnahme dürfte dieses Manko zu vernachlässigen sein.

Und wer zu den 0,05% gehört, die TB2 eine Chance geben wollen, ohne vorher mit der Thematik in Berührung gekommen zu sein: Herzlichen Glückwünsch! Denn die Einarbeitung lohnt sich.

Nicht nur, weil Baseball an sich eine mehr als interessante Sportart darstellt, sondern vor allem auch weil die aus dem Hause Blue Castle (arbeitet derzeit auch für Capcom an Dead Rising 2) stammende Umsetzung richtig Spaß macht.

Einstiegshürde

Trotz Arcadeansatz im Mittelpunkt: Das Duell von Pitcher und Batter.
Hat man schließlich sowohl bei den Pitches als auch mit der Keule in der Hand Timing und Mechanik verinnerlicht, hört der Frust auf, man kann die KI besser einschätzen sowie selbige in Bedrängnis bringen und der Spaß gibt Vollgas.

Und der äußerst sich nicht nur in Pitches, die im Bestfall kometengleich einen kleinen Feuerschweif hinter sich her ziehen, sondern auch in zahlreichen gut eingebundenen Minigames. Bei diesen geht es meist um Timing und den "richtigen Knopf zur richtigen Zeit". Gelingt dies, hat dies ein spektakuläres Zeitlupen-Fangen und das Aus das Batters durch einen der so genannten "Legendary Catches" zur Folge. Zwar wiederholen sich die Einspielungen nach gar nicht mal all zu langer Zeit, doch langweilig wurden sie im Laufe unserer zahlreichen Test-Saisons noch nicht.

Zwar muss man auf taktische Feinheiten wie unterschiedliche Positionen für die Feldspieler verzichten, doch dabei muss man sich immer vor Augen halten, dass TB2 einen Arcade-Ansatz hat.

Und selbst mit dem "Arcade-Label" auf der Front bleibt der Baseball-Kern weiterhin erhalten: Das ewige Duell zwischen Pitcher und Batter, das hier mit einem kleinen Feature namens "Wheelhouse" symbolisiert wird. Dieser farbige Bereich innerhalb der Strikezone zeigt an, wo die Stärke des jeweiligen Batters liegt.

Vorsichtiges Risiko

Jetzt hat man als Pitcher die Wahl: Sucht man sich einen Bereich, der außerhalb des Wheelhouses liegt? Oder geht man das Risiko ein und versucht, die vermeintliche Stärke des Batters auszunutzen? Denn wenn man den Batter mit einem Wheelhouse-Pitch zu einem Strike bewegen kann, wird das Wheelhouse kleiner - und das nicht nur für die jetzige Session, sondern für die gesamte Dauer des Matches!

     

Im Gegenzug muss der Pitcher allerdings darauf achten, dass er nicht nach und nach seine vier Wurfvarianten verliert. Denn jedes Mal, wenn ein Batter einen Hit landet (ganz schlimm wird es bei einem Homerun), geht die Ausdauer-Leiste für den jeweiligen Pitch runter - bis hin zum Komplettverlust.

Dank MLB-Lizenz kann man sich über haufenweise Original-Spieler und -Stadien freuen.
Weitere Mechaniken, die nur in einem Arcade-Baseball vorkommen können, sind "Big Heat" auf Pitcherseite bzw. "Big Blast" oder "Big Slam" auf Seiten des Batters: Diese kann man aktivieren, wenn man durch erfolgreiche Aktionen wie gefangene Bälle, Strikeouts, erreichte oder gestohlene Bases etc. eine Anzeige bis zum Anschlag gefüllt hat.

Das Ergebnis sind enorme Turbopitches (Big Heat), ein automatischer Homerun, wenn man den Ball als Batter treffen sollte (Big Blast) oder vier aufeinander folgende Schläge, mit denen man versucht, die Bases zu füllen und dann mit einem Homerun abzuschließen. Oder um es kurz zu machen: Enorm mächtige Waffen im Arsenal. Besonders interessant wird es beim so genannten "Showdown", wenn sowohl Pitcher als auch Batter ihre Specials aktivieren.

Mit der soliden Mechanik, die alles Wesentliche bietet, was im Baseball beliebt und spektakulär ist, wird eine angenehme Grundlage für die Duelle geschaffen, die gegen menschliche Gegner sowohl in einem beinahe lagfreien Online-Spiel als auch offline vor einem Bildschirm möglich sind.

Nix dahinter?

Besondere Spannung gewinnt das Offline-Spiel, da der Pitcher natürlich nicht mehr angezeigt bekommt, wo sein Pitch bei optimaler Ausführung landet. Stattdessen kann man mit dem rechten Stick versuchen, den unsichtbaren Cursor zu platzieren, wobei ein Verlassen der Strikezone durch Vibration angezeigt wird - eine gute Idee und klasse umgesetzt noch dazu.

Ein beliebter Zeitvertreib abseits von Saison oder Karriere: Der Home Run-Flipper!
Doch auch solo wird man gut bedient. Und das nicht nur durch die Möglichkeit, eine ganze Saison samt umfangreicher Statistiken mit über 160 Matches plus Playoffs und Spielertausch basierend auf zu erreichenden Meilensteinen spielen zu können.

Ganz im Gegensatz zum kooperativen Spiel, das die Spieler z.B. abwechselnd in die Batter's Box schreiten lässt: gut gemeint, aber letztlich vollkommen belanglos.

Aller Anfang ist jedoch schwer, denn bei dem Unfall hat man nicht nur seine Identität, sondern auch seine Fähigkeiten verloren, die man sich erst nach und nach wieder anarbeiten muss. Dies passiert teilweise über Mini-Spiele wie z.B. dem Home Run-Flipper, bei dem man die Leuchtreklame an Touristenplätzen wie dem Times Square abschießen muss, kann aber auch durch das Erledigen bestimmter Vorgaben bei den Spielen gegen die anderen Major League-Teams geschafft werden.

Auch die Karriere, in der man als Ex-Profi nach einem Unfall in einer mexikanischen Liga einen Neuanfang wagt, bevor man über mehrere Saisons hinweg versucht, in die Baseball-Hall of Fame aufgenommen zu werden, weiß zu unterhalten.

Zwar kann der Charakter-Editor hinsichtlich des Umfangs nicht mit EAs GameFace mithalten, doch die erstellten Figuren passen sich nahtlos in das Gesamtbild ein und stechen nicht so hervor wie z.B. in den frühen Smackdown-Wrestlingtiteln.

Früh übt sich

Dieses System bildet zwar die Grundlage für einen ausgewogenen Schwierigkeitsgrad, hakt aber an zwei Punkten: Die KI, die mal hammerhart, mal sanft wie ein Kuschelkätzchen agiert, frustriert nicht nur im Normalspiel, sondern macht das Erfüllen bestimmter Aufgaben zu einem Zufallsspielchen. Und zum anderen entwickeln sich alle eigens erstellten Karriere-Athleten nahezu identisch - bzw. haben am Ende alle identische Statistikwerte. Spannender und auch für den Wiederspielwert ertragreicher wäre ein dynamisches System, das beobachtet, wie ich spiele und meine Figur entsprechend modifiziert. Wenn ich trotz kleinen Wheelhouses erfolgreich schlage, verbessere ich mich hier. Nutze ich häufig den Turbo, laufe ich irgendwann schneller usw.

"It's outta here": Selten wurden Baseball-Highlights so beeindruckend zelebriert.
In dieser Form arbeitet die Charakter-Entwicklung zwar auf sicherem Terrain und leistet sich auch keine groben Schnitzer, doch sie wirkt so auch erschreckend unspektakulär - was allerdings nicht bedeutet, dass man solo keinen Spaß mit TB2 haben kann.

Zumal man sowohl alleine als auch zu zweit von einem treibenden Metal-/Hardrock-Soundtrack angetrieben wird, der u.a. mit P.O.D., Daughtry, Korn, Disturbed und Pantera besetzt ist. Und nicht zuletzt weiß auch die Kulisse zu großen Teilen zu gefallen. Viele der lizenzierten Baseball-Stars sind deutlich zu erkennen und die Stadien wurden zu einem großen Teil ebenfalls gut nachgebildet. Bei den grundsätzlich sauberen Animationen, die man auch in einer freien Zeitlupe genießen kann, die wohl darüber hinweg helfen soll, dass während der Spiele spektakuläre Spielzüge wie Double Plays nicht automatisch gewürdigt werden, gibt es allerdings den einen oder anderen Aussetzer, der aber auf lange Sicht kaum etwas in die Waagschale der Kontras wirft.

Bei der Matchpräsentation, sprich: den Kameraeinstellungen, bleibt man aber abseits der "Legendary Catches" sehr konservativ. Nicht nur, dass man manuell die Zeitlupe bemühen muss. Im Vergleich zu Baseball-Übertragungen auf z.B. ESPN vermisst man Kameraeinstellungen, die z.B. die Trainer, die wartenden Spieler etc. zeigen. Hier wäre mehr möglich gewesen, um Atmosphäre zu erzeugen.

Und dass die Kommentatoren nach einer gewissen Zeit Abnutzungserscheinungen zeigen und sich irgendwann auf immer wiederkehrende Phrasen stürzen, ist ein Manko, dass sich TB2 mit vielen anderen Sportspielen teilen muss.      

Fazit

Man muss ja schon froh sein, wenn hierzulande überhaupt ein Baseball-Titel auf der Xbox 360 erscheint. Dass es mit The Bigs 2 zudem ein gelungener Vertreter seiner Art ist, macht es umso angenehmer. Zwar wird man mit dem überaus spartanischen Handbuch als Anfänger vollkommen im Regen stehen gelassen. Doch je mehr man sich mit dem Regelwerk auskennt oder vielleicht sogar selbst spielt bzw. gespielt hat, umso geringer fällt die Einarbeitungsphase aus. Dann bleibt allerdings immer noch das Problem der wankelmütigen KI, die sich unabhängig vom Team nicht entscheiden kann, ob sie nun hammerhart oder kuschelweich sein will. Doch auch daran kann man sich als Solist gewöhnen und entweder die umfangreiche, aber bedingt durch die stets identische Charakterentwicklung leider etwas monotone Karriere oder aber die über 160 Spiele dauernde Saison in Angriff nehmen - oder aber man entscheidet sich gleich für die menschlichen Duelle, die sowohl on- als auch offline Spannung und Nervenkitzel für Pitcher und Batter erzeugen. Dass man dabei auf taktische Feinheiten verzichten muss und stattdessen in gut eingebundenen Quicktime Events seine Qualität beweisen muss, liegt in der Natur des Arcade-Sports -  immerhin wird man durch akrobatische Ballfang-Sequenzen und spektakulär zelebrierte Home Runs entschädigt. 

Pro

  • lizenzierte Teams, Spieler und Stadien
  • umfangreiche Karriere...
  • solides Online-Spiel
  • spektakuläre Specials
  • gut integrierte Mini-Spiele
  • unterhaltsames Arcade-Baseball
  • ganze Saison spielbar

Kontra

  • <P>
  • wankelmütige KI
  • ... deren Entwicklung allerdings vorgegeben ist
  • Präsentation mit Luft nach oben
  • spartanisches Handbuch
  • manche Siegbedingungen zufallsabhängig</P>

Wertung

360

Spektakuläre Home Runs und spannende Pitcher-Batter-Duelle sorgen für Unterhaltung, die auch von der schwankenden KI-Leistung nur selten in Gefahr gebracht wird.