Wolfenstein - Test, Shooter, 360, PlayStation3, PC
Mit den Wolfensteins hatte es kein Entwickler bislang eilig: Das Original von Silas Warner war noch ein Schleich-Puzzler auf dem Apple 2, C64 und frühen Atari-Computern - 1981. Der berühmte »Nachfolger« von id Software erschien satte elf Jahre danach, und blieb, von einem Add-On mal abgesehen, auch neun Jahre lang der einzige seiner Art.
Shoot ze Nazis, ja! |
Video: Wenn's grün wird, ist's der Schleier: Ihr dürft jederzeit das Medaillon aktivieren, was viele Vorteile mit sich bringt.Bis die Marke 2001 in Return to Castle Wolfenstein wiederbelebt wurde, was auch den Startschuss für das zwei Jahre später veröffentlichte Mehrspielerfest »Enemy Territory« lieferte. Verfolgt man die Konsequenz der Erscheinungsdaten, dürfen wir uns im Jahre 2015 auf den nächsten offiziellen Vertreter der ruhmreichen Marke freuen. Mehr als genug Zeit also, sich mit dem aktuellen Abenteuer von William »B.J.« Blazkowicz, dem Waffenträger aller bisherigen Wolfenstein-Spiele, zu beschäftigen. Obwohl die Action für heutige Shooter-Maßstäbe bemerkenswert lange währt: Zehn Stunden sollte man locker im Hinterkopf haben, um die Kampagne durchzurennen, danach warten noch diverse Geheimnisse sowie der Mehrspielermodus.
Käufer der PC-Version dürften sich wundern, dass sie zu Beginn der Installation nicht wie gewohnt nach ihrer Lieblingssprache gefragt werden. Das hat schon seinen Grund, denn die hierzulande verkaufte Version ist in jedem Fall komplett Deutsch. Das bedeutet nicht nur von allen Hakenkreuzen bereinigt, sondern auch ohne Mut zur »Shoot ze Nazis, ja!«-Sprachausgabe. Obwohl: In »unserer« Fassung kämpft man ja gar nicht gegen Hitlers Schergen, sondern gegen ominöse »Wölfe«. Immerhin sind auch die deutschen Sprecher kein Reichsuntergang, auch wenn sie keine Chance gegen die akzentbeladenen Stimmen des englischen Originals haben - zo viele Zs zahbzt ihr garanziert noch nie gezehen und gezöhrt, jaa! Super. Genau wie die Schilder mit Beschriftungen wie »Achtung! Plünderer werden durchgeführt!«, »Der Fiend ist hier!« oder »Du bist Front!«, die ebenso fantastischer Tarantino-Pulp wie die Namen einiger
Beteiligter sind - freut euch auf General Shosshund, Dr. Bohren oder Major Vorsichtig. Noch schnell ein Wort zur hiesigen Fassung: Die wurde so komplett entnazifiziert, dass Erinnerungen an die deutsche Version von Command & Conquer wach werden. Die Gegner schreien nicht mehr so viele martialische Sprüche (in der englischen Fassung bekommt man ab und zu das gute alte »Mein Läybän!« zu hören) , dafür bekommt man im Hintergrund immer ein ominöses Wolfsgeheul zu hören. Aus General Zetta wird Alphawolf Zetta, der »Kreisauer Kreis« ist dezent doof betitelt, außerdem ist es nicht mehr möglich, bereits getötete Gegner im Nachhinein noch mit der einen oder anderen Kugel zu verunstalten. Alle Bluteffekte des Originals sind allerdings enthalten, und hier wie da lösen sich ausgeknipste Feinde nach kurzer Zeit in Wohlgefallen auf.Spielerisch präsentiert sich Wolfenstein so klassisch, wie es heute gerade noch zumutbar ist, ohne den Verachtungsstempel eines Handygames aufgedrückt zu bekommen: Den größten Teil der Zeit verbringt man in Missionen, die linearer sind als ein stramm stehender Wehrmachtler - Bahnhof, Krankenhaus, Kirche, bedrohliche Höhlen, nicht ganz so verlassene Farm oder Waffenfabrik geben den acht Waffen kaum Gelegenheit für eine Feuerpause. Die präsentieren sich anfangs mit Krachmachern wie der MP40 oder dem Kar98-Gewehr noch konservativ, springen aber dankbarerweise schnell auf eine verspieltere Schiene über: Mit der Partikelkanone kann man Feinde fachgerecht in grün leuchtende Pünktchen zerbröseln, mit der Tesla-Waffe herrlich bratzende Elektroschocks an mehrere Gegner gleichzeitig verteilen - dazu gesellen sich noch Nahkampfwaffen die Hämmer oder Äxte sowie stationäre Geschütze vom festen MG bis hin zum dicken Plasmapanzer. Findige Naturen halten die Augen nach Nazi-Gold offen, das zusätzlich zum Abschluss der Missionen Geld bringt.
Der Schleier steht dir gut!
Zwischen den Missionen läuft man einigermaßen frei in dem Dorf Isenstadt herum, immer auf der Suche nach neuen Missionen, die überdeutlich markiert sind. Außerdem kann man auch hier nach verstecktem Kram suchen, herumlaufende Gegner abknallen oder mit Widerständlern reden, auch wenn die nach ein paar Standardzeilen meist nur ein
knurriges »Sorry, kann jetzt nicht mit dir reden!« für einen übrig haben. Sehr viel mehr gibt es nicht zu tun: Es gibt nicht einen Zivilisten in der Stadt, was sie erstaunlich leblos macht. Außerdem wird man sehr oft von A nach B und von dort zurück nach A geschickt, was viele Ladebalken mit sich bringt - die einzelnen Stadtteile sind nicht durchgehend begehbar, sondern werden separat geladen. Kurz gesagt: Da man sich ohnehin immer in denselben paar Aufenthaltsorten tummelt, hätte man diese auch deutlich näher zusammenlegen können, um unnötige Laufarbeit zu verhindern.Nazibusters!
Neben den Hauptmissionen gibt es immer wieder auch Nebenaufträge, die man nicht annehmen muss, aber kann - die bringen hauptsächlich Dankbarkeit, mehr Geld sowie frische Ausrüstungsteile für die Waffen. In unregelmäßigen Abständen läuft man auch einem Bossgegner über den Weg, die dankbarerweise nicht einfach per blindem Draufhalten zu erledigen sind; die sinnvolle Nutzung des Schleiers ist hier überlebenswichtig. Ab und zu stehen Schleier-Störgeräte in den Levels herum, was man nicht nur daran merkt, dass er nicht mehr aktivierbar ist, sondern dass sich auch die Umgebung düstergrau färbt - das gilt es natürlich schnellstmöglich zu ändern, indem der grundsätzlich schwer bewachte Störsender zerballert wird. Falls man dabei ein paar Treffer zuviel abbekommt und sich der Bildschirm bedrohlich rot färbt, ist es sinnvoll, mal eben ein paar Sekunden in Deckung zu verweilen - B.J. heilt sich währenddessen selbst. Und falls man doch mal draufgeht, landet man beim letzten automatisch angelegten Checkpunkt; manuelles Speichern ist leider nicht erlaubt.
Neben der Kampagne gibt es auch den (am PC separat zu startenden) Mehrspielermodus, an den man nach dem glorreichen Original hohe Erwartungen haben dürfte und sollte. Aber tja, wie das so oft ist - hohe Erwartungen fallen umso tiefer. Und so ist es schade, dass der Multiplayermodus bei Wolfenstein so
spartanisch daher kommt: Drei Klassen, drei Spielmodi, acht Karten, das war's. Zwei der drei Spielvarianten (nämlich »Objective« und »Stopwatch«) sind mit Ausnahme des Zeitdrucks identisch - in beiden muss man bestimmte Verteidigungs- und Zerstörungs-Aufgaben erledigen, bei Stopwatch muss man das lediglich schneller schaffen, als das gegnerische Team es vorgelegt hat. Und zu Team Deathmatch muss wohl kein Wort mehr verloren werden. Auch hier sammelt man Geld ein, mit dem man seine Waffen aufpimpen kann. Neben diesem unspektakulären Inhalt ist es vor allem die Technik, die enttäuscht: Das geht bei der elend umständlichen und unverständlich lange ladenden Serverliste los, die Erinnerungen an das frühe Gamespy weckt. Es geht über Grafikfehler bei Spezialeffekten weiter und endet bei Partien, die komplett unspielbar waren: Ich sehe meiner Figur von hinten unten auf die Hacken, kann sie nur ruckelig bewegen und sonst nichts machen außer mich abknallen zu lassen. Bäh. Wenn alles funktioniert, gehen die Partien angenehm schnell und unterhaltsam zur Sache, aber insgesamt ist der Mehrspielermodus nur ein kostenloser Bonus, der sich auf das Nötigste beschränkt.Ach, mein Geduldsfaden...
Technisch ist Wolfenstein solide - kein Grafikwunder, aber auch kein Absturz. Das Figurendesign ist etwas kantig, und so manche Textur winkt aus den 90ern rüber, aber alles in allem macht es Spaß, das Spiel anzuschauen: Es ist sehr flott, besonders die Veil-Effekte sind sehr beeindruckend, die abwechslungsreichen Levels sind clever designt - die olle Doom 3-Engine wird hier nochmal bis an ihre Grenzen ausgereizt.
Fazit
Hach, das tut mal gut! Keine Schleicheinlagen, keine Deckung, keine Lüftungsschächte und keine wehenden Stars and Stripes bei traurigen Trompeten-Soli. Wolfenstein ist erfrischend simple Shooteraction mit viel Offensiv-Krawumms im Stile von Serious Sam: Scheiß auf die Ballistik, Standardegner gehen auch nach einem Treffer aus gefühlten zwei Kilometern zuverlässig zu Boden - ja, es ist hohl, aber auf fröhliche Weise hohl. Jedenfalls hätte ich nach dem Probespiel vor drei Monaten nicht damit gerechnet, dass ich jetzt zum Test so breit grinsen würde. Aber dieser Segen ist natürlich auch gleichzeitig Fluch: Wolfenstein ist ein reiner Shooter ohne weitere Ansprüche, mit dumpfer Gegner-KI und einer Story, die bestenfalls nicht der Rede wert ist - das mag mittlerweile vielleicht zu wenig sein. Davon abgesehen haben es die Entwickler meiner Meinung nach auch mit der Schleier-Stärke übertrieben: Das Ding zu verlassen ist eigentlich kaum mal nötig, es bietet viel zu viele offensichtliche Vorteile. Doch wenn man bereit ist, das Gehirn gegen das Gamepad bzw. die Tastatur zu tauschen, dann erwartet einen ein Spiel wie ein guter B-Film: Sieht nicht besonders doll aus, ist irgendwie doof und veraltet - macht aber Spaß und ist eine schöne Abwechslung zu all den Hochglanzprodukten.
Pro
- unkomplizierte Shooter-Action
- ansehnliche Grafik
- exzellenter Soundtrack
- kernige Soundeffekte
- ordentlicher Umfang
- verspieltes Waffenarsenal
- abwechslungsreiches Leveldesign
Kontra
- simple Spielmechanik
- zu mächtiger Schleier
- verbuggter, unaufregender Mehrspielermodus
- hohle Story
- dumpfe Gegner-KI