Class of Heroes - Test, Rollenspiel, PSP

Class of Heroes
04.12.2009, Jens Bischoff

Test: Class of Heroes

Wer einen klassischen Dungeon-Crawler für seine PSP sucht, ist vielleicht beim Importhändler seines Vertrauens über Class of Heroes gestolpert. Das Backcover verspricht über 500 Charaktermöglichkeiten, mehr als 75 Verliese voller Fallen, Rätsel und Schätze sowie selbst erstell- und modifizierbare Ausrüstungsgegenstände. Klingt nach einer reichhaltigen Mahlzeit für ambitionierte Jäger und Sammler.

Ein erzählerisches Schwergewicht ist Class of Heroes definitiv nicht. Die eigentliche Handlung setzt erst sehr spät und unauffällig ein, Story-Elemente machen sich insgesamt rar, die Heldentruppe selbst ist nur ein Haufen austauschbarer Nobodys. Man ist halt auf einer Abenteurerschule und sucht in unterirdischen Labyrinthen nach sagenumwobenen Schätzen.



Die Qual der Wahl

Video: Wer gerne mit unterschiedlichsten Charakterklassen und -rassen experimentiert, kommt bei Class of Heroes auf seine Kosten.Dafür darf man seine Helden selbst erschaffen und die Möglichkeiten hierzu sind sehr umfangreich: Es gibt allein zehn Rassen, die von klassischen Spezies wie Menschen, Elfen oder Zwergen bis hin zu Katzenwesen, Erdgeistern oder Engeln reichen, die allesamt in typischem Anime-Stil präsentiert werden.

Hat man sich für eine Rasse entschieden, darf man Bonuspunkte auf Attribute wie Stärke, Weisheit oder Agilität verteilen und eine Gesinnung festlegen. Je nach moralischer Ausrichtung und Höhe bestimmter Charakterwerte, darf man anschließend eine von fünfzehn Professionen wie Krieger, Zauberer, Dieb oder Waldläufer wählen. Wer will, kann seine maximal sechsköpfige Party auch aus einer Reihe vorgefertigter Helden zusammensetzen. Auf jeden Fall sollte man aber darauf achten, dass aufgrund des statischen Formationssystems (drei vorn, drei hinten) die Hälfte der Gruppe im Nahkampf, die andere Hälfte im Fernkampf versiert ist und die einzelnen Mitglieder untereinander halbwegs miteinander auskommen. Zwerge und Elfen sind z. B. nicht besonders gut aufeinander zu sprechen, während Charaktere entgegen gesetzter Gesinnungen überhaupt nicht miteinander können. Affinitäten können sich im Verlauf des Spiels zwar auch ändern, aber je besser die einzelnen Gruppenmitglieder miteinander harmonieren, um so öfter kann man verheerende Teamattacken sowie Gruppenmanöver vom Stapel lassen.

Auch die anfangs gewählte Profession, kann später unter bestimmten Voraussetzungen geändert werden. Manche Klassen wie Paladin oder Ninja, an die sehr hohe Attributswerte geknüpft sind, sind sogar nur über diesen Umweg möglich. Nach einem Klassenwechsel werden zwar einige Werte und Fertigkeiten zurückgestuft, andere bleiben jedoch erhalten, so dass die Charaktere immer flexibler und individueller werden. Überhaupt ist die Charakterentwicklung und -pflege sehr komplex und vielschichtig. Bis man sein persönliches Dreamteam gefunden hat, zahlt man viel Lehrgeld und oft ist es sogar von Vorteil bestimmte Figuren in Reserve zu haben. Man kann sogar mit mehreren Gruppen losziehen, zwischen denen man jederzeit wechseln kann, was spätestens dann Sinn macht, wenn eine Gruppe aufgerieben wurde und ihre Leichname geborgen werden müssen. Der Einteig gestaltet sich aber so oder so ungemein zäh. Der Tod kommt oft und überraschend, vernünftige Ausrüstung muss man sich erst mühsam verdienen, Zaubereinsätze wollen aufgrund sehr begrenzter Manaressourcen wohl überlegt sein, wichtige Fertigkeiten erst heraus gefunden werden.

Überall lauern Fallen, die erst durch Einsatz von Schwebemagie ihre Bedrohung verlieren, Fackeln oder Illuminationszauber sorgen für bessere Sicht, um unbekannte Objekte verwertbar zu machen, benötigt man alchemistische Fähigkeiten, zum öffnen von Schlössern diebisches Talent und erkundet man Gewölbe, für die man keine Karte besitzt, ist man ohne Kartografiezauber aufgeschmissen.

Nein, Class of Heroes ist kein Emulator für NES-Spiele. Die Grafik-Engine könnte aber durchaus aus den 80ern stammen...
Später trifft man auch auf Gegner, die mit konventionellen Angriffen kaum zu bezwingen sind. Wohl dem, der im Kampf gegen Geister und Untote einen Kleriker dabei hat oder geeignete Waffen besitzt. Mit gesammelten Materialien lassen sich nämlich nicht nur verschiedene Ausrüstungsgegenstände erschaffen, sondern auch veredeln, was ungemein motivierend und effektiv sein kann. Die Ausrüstung lässt sich im Kampf jederzeit wechseln, so dass man stets auf die unvermittelten Angriffe seiner Gegner reagieren kann.

Aller Anfang ist schwer

Ja, die Kämpfe werden bis auf wenige Ausnahmen ganz altmodisch per Zufallsgenerator initiiert, die Häufigkeit ist aber erfreulich niedrig, so dass der Erkundungsfluss in den Dungeons kaum gestört wird. Manche Konfrontationen sind sogar im Voraus als symbolische Platzhalter erkennbar. Die Auseinandersetzungen selbst laufen strikt rundenbasiert ab. Man gibt jedem seiner Gruppenmitglieder einen Befehl der ihn angreifen, verteidigen, einen Gegenstand einsetzen, einen Zauber wirken oder eine Fertigkeit verwenden lässt. In der darauf folgenden Aktionsphase werden diese dann zusammen mit den Manövern der Gegner ausgeführt, wobei sich die Darstellung auf simple Effekte und Texteinblendungen beschränkt, die alle einzeln per Tastendruck bestätigt werden müssen. Zwar kann man während der Aktionsphase auch bei gedrückter X-Taste das Steuerkreuz nach unten drücken, um den Ablauf zu automatisieren. Besonders komfortabel ist das aber nicht und eine Option zur vollautomatischen Darstellung ohne ständig irgendwelche Knöpfe gedrückt zu halten, gibt es nicht...      

Hat man genug Teamenergie gesammelt, kann man auch bestimmte Gruppenmanöver aktivieren, die allen Gegnern Schaden zufügen, bestimmte Werte vorübergehend erhöhen, einen Erstschlag ermöglichen oder eine Flucht garantieren. Man kann zwar auch regulär versuchen, Reißaus zu nehmen. Aber wenn der Fluchtversuch scheitert, kassiert man erstmal ordentlich Prügel. Zum Glück kann man abseits der Kämpfe überall und jederzeit den Spielstand sichern. Später erhält man auch die Möglichkeit, sich umgehend aus einem Dungeon zurückzuziehen oder direkt zu bestimmten Schauplätzen zu fliegen.

Die Häufigkeit der rundenbasierten Zufallskämpfe ist akzeptabel, die starre Inszenierung jedoch nicht.
Die eigentliche Spielwelt ist aber recht überschaubar und besteht lediglich aus ein paar Abenteurerschulen und Zwischenschauplätzen, die alle mit verschiedenen unterirdischen Labyrinthen verbunden sind, wo man die meiste Zeit des Spiels verbringt.

Die Dungeons sind alle sehr einheitlich gestaltet und haben stets einen Grundriss von 19x19 Felder großen Quadraten. Das Leveldesign wirkt dadurch natürlich extrem konstruiert und monoton. Auch optisch wirken die trost- und leblosen 3D-Gemäuer nicht gerade einladend. Interessant werden sie eigentlich nur, durch ihre zahlreichen Hindernisse und Fallen, die fairer Weise per Kartenfunktion festgehalten werden können. Türschlösser wollen geknackt, gesicherte Schatztruhen entschärft, magische Schlüssel gefunden werden. Es gibt verborgene Fließbänder, unter Strom stehende Böden, Dreh- und Warpfelder, Zonen, die magische Fertigkeiten versiegeln, Bereiche mit völliger Dunkelheit, Einbahnstraßen, freilegbare Geheimtüren und vieles mehr. Zudem verändern sich die Verliese gelegentlich. Zufällig generiert werden sie allerdings nicht. Stattdessen kann jeder Dungeon eine von mehreren Formen annehmen, die individuell erkundet werden können. Die jeweils erzielten Fortschritte bleiben jedoch bestehen, so dass man sich stets weiter vorarbeiten und bei wiederholten Layouts auch abkürzen kann.

Faszinierende Tristesse

Alle möglichen Layouts, insgesamt soll es mehr als 75 geben, bis in den letzten Winkel zu erforschen, ist durchaus motivierend, aber aufgrund der sehr einheitlichen Struktur auch etwas ermüdend. Ist man anfangs noch über die vorsintflutliche Technik und Präsentation schockiert, blendet man das triste Drumherum mit der Zeit gekonnt aus und gibt sich geschickt geweckten Jagd- und Sammelinstinkten hin. Jeder Gegner bedeutet neben etwas Kleingeld und Erfahrung vor allem potentielle Beute in Form verschiedener Materialien zur Item-Erzeugung. Manchmal findet man auch dringend benötigte Quest-Gegenstände oder seltene Kleinmodien, die man zu Geld machen kann, wovon man irgendwie immer zu wenig hat. In jedem unerforschten Winkel könnte eine Schatztruhe mit wichtigen Zutaten für eine durchschlagskräftigere Waffe oder robustere Rüstung versteckt sein. Ist der Entdeckerdrang erst einmal geweckt, kann man sich ihm nur noch schwer entziehen. Auch die gelegentlichen Bossfights sind mitunter angenehm fordernd.

Schade nur, dass das Formationssystem so starr ist und trotz mehrstufiger Waffenreichweiten lediglich zwei statische Dreierreihen bietet. Dabei formieren sich die Gegner doch teils auch in mehr als zwei Reihen. Ärgerlich ist auch, dass durch Statusveränderungen nur eingeschränkt aktionsfähige Figuren automatisch in die hintere Reihe verschoben werden. Klingt eigentlich vernünftig, aber wenn ein im Nahkampf ausgebildeter Kleriker durch eine vorübergehende Verstummung seinen Platz automatisch mit einem körperlich labilen Bogenschützen aus der zweiten Reihe tauscht, ärgert man sich doppelt: Zum einen, weil der schwachbrüstige Schütze an der Front schnell tot geprügelt wird und zum anderen weil der Kleriker mit seiner Keule von hinten nicht mehr zuschlagen, sondern nur noch mit Zaubern ins Geschehen eingreifen kann, die ihm aufgrund seiner Stummheit aber natürlich verwehrt bleiben. 

Das Leveldesign ähnelt einstöckig bebauten Legoplatten und wird trotz vorhandener Erkundungsreize schnell langweilig.
Hinzu kommt, dass nach Abklingen oder Heilung einer Statusveränderung der Betroffene nicht wieder automatisch seinen ursprünglichen Platz einnimmt und mitunter den ganzen Kampf nur tatenlos zuschauen kann und sogar nach dem Kampf muss man die durcheinander gewürfelte Aufstellung jedes Mal manuell in Ordnung bringen...

Fragwürdige Entscheidungen

Von solchen Unzulänglichkeiten abgesehen macht das Kampfsystem aber durchaus Laune. Lediglich die Inszenierung ist mit ihren starren 2D-Abziehbildgegnern, geradezu lächerlichen Kampfeffekten und Aktionsdarstellungen in Textform unter aller Kanone. Auch akustisch scheint es, als hätten die Entwickler die letzten 20 Jahre komplett verpennt und ihr Machwerk via GameBoy-Emulator auf der PSP zum Leben erweckt. Die musikalische Untermalung ist zwar teils gar nicht so übel, die Sound-FX stammen aber vermutlich aus einer bereits in den 80er Jahren eingemotteten Tonbibliothek und Sprachausgabe beherrscht ein Handheld ja schon mal gar nicht... Und was ist das für ein komischer Knubbel an dem Gerät? Ein Analogstick? Kenn ich nicht, brauch ich nicht, das Ding hat doch ein Steuerkreuz! Retro-Fans wird's egal sein, aber wenn man schon ein PSP-Spiel entwickelt, dann sollte man die Möglichkeiten des Systems wenigstens halbwegs ausnutzen. Für die technische Umsetzung von Class of Heroes hätte sich aber selbst ein DS in Grund und Boden geschämt.     

Fazit

Am Anfang steht der Schock: Die Erschaffung einer ausgewogenen Party ist aufgrund der zahlreichen Rassen, Klassen, Affinitäten sowie Attributsbestimmungen eine Wissenschaft für sich - und selbst die dürftigste Ausrüstung scheint unbezahlbar, die Aktionsmöglichkeiten sind bescheiden, eine Story nicht zu erkennen. Dann der erste Dungeon-Besuch: Man kommt sich vor als erkunde man einen gefluteten Bauklotz-Parcours, die Sichtweite beträgt gefühlte zwei Meter, die Grafik würde selbst einen DS beleidigen, die Sound-FX sogar einen GBA. Dann der erste Kampf, natürlich gegen Zufallsgegner aus dem Nichts. Ein unspektakulärer Schlagabtausch, bei dem man jede Party- und Gegneraktion mehrfach bestätigen muss. Ein paar Kämpfe später kann die Hälfte der Charaktere nur noch zuschauen, da keine Zauber mehr möglich sind und niemand Distanzwaffen besitzt. Also Rückzug. Doch plötzlich erhält die Gruppe einen Stromschlag, alle tot, Game Over... Man runzelt die Stirn, flucht, schüttelt den Kopf und würde dem Spiel am liebsten gleich wieder den Rücken zuwenden. Doch hat man den ersten Schock erst einmal überwunden, den zähen Einstieg hinter sich gebracht und sich mit den spielerischen Feinheiten vertraut gemacht, übt Class of Heroes eine unerwartete Faszination aus. Das äußerlich öde Leveldesign hat durchaus seine Reize, die Aktionsmöglichkeiten werden zahlreicher, die Kämpfe spannender. Man experimentiert mit der facettenreichen Charakterentwicklung, fertigt im Labor neue Ausrüstung und es flammt manchmal sogar so etwas wie eine Handlung auf. Erzählerisch bleibt der Titel trotzdem blass, die vorsintflutliche Präsentation und Spielmechanik lassen sich kaum schön reden. Geduldige Retro-Jäger und -Sammler werden aber letztendlich doch noch ausreichend bedient.

Pro

  • motivierendes Crafting-System
  • solide Sammel- & Erkundungsreize
  • facettenreiche Charakterschaffung & -entwicklung

Kontra

  • maue Story
  • zäher Einstieg
  • ödes Leveldesign
  • primitives Formationssystem
  • schwache Technik & Präsentation

Wertung

PSP

Technisch und erzählerisch schlichtes Retro-Rollenspiel für geduldige Jäger und Sammler.