The Beatles: Rock Band - Test, Musik & Party, 360, Wii, PlayStation3

The Beatles: Rock Band
07.09.2009, Mathias Oertel

Test: The Beatles: Rock Band

Aerosmith wurde diese Ehre bereits zuteil, Metallica ebenfalls und auch die australischen Hardrock-Recken von AC/DC konnten sich mit Einschränkungen rühmen, Hauptfiguren eines Videospieles zu sein. Doch so gezielt wie jetzt bei den Liverpooler Pilzköpfen wurde dieses Vorhaben noch nicht in die Tat umgesetzt. Passend zur Veröffentlichung der "Remastered Series" der Beatles-Studioalben machen Paul McCartney, Ringo Starr, John Lennon und George Harrison die Konsolen unsicher.

In der Musikgeschichte gab und gibt es zahlreiche Bands oder Solokünstler, die man spontan mit einem potenziellen Spinoff der Rock Band- oder Guitar Hero-Serien in Verbindung bringen würde: Bon Jovi beispielsweise, Queen oder die Rolling 

In den so genannten "Dreamscapes" musizieren die vier in teilweise vollkommen surrealen Arealen.
Stones. Aber ausgerechnet die Beatles? Was kommt als nächstes? Roy Orbison?

The Beatles? Rock Band?

Auch ich war anfänglich skeptisch, doch bei genauem Hinsehen ist der Gedanke gar nicht so abwegig: Die Beatles haben in ihrer knapp zehnjährigen aktiven Karriere nicht nur den Grundstein für das gelegt, was mittlerweile so gerne als Britpop bezeichnet wird, sondern ähnlich wie Roy Orbison, Johnny Cash oder Elvis Presley unzählige andere Musiker beeinflusst. Viele Songs von Oasis z.B. scheinen ohne die "Fab Four" undenkbar.

So oder ähnlich mögen viele gedacht haben, als Apple Corps zusammen mit Harmonix und EA die Entwicklung von The Beatles Rock Band (TBRB) angekündigt haben.

Und auch die Experimentierfreude der vier im Studio sollte nicht vergessen werden. Ob es nun die Einbindung ungewöhnlicher Instrumente ist, der Harmoniegesang, der höchstens von den Beach Boys erreicht wurde oder auch die Entwicklung neuer Techniken: Die Beatles waren immer für eine Überraschung gut und schienen ihrer Zeit immer ein wenig voraus zu sein. Ein Beispiel: U2s Video zu "Where the Streets have no name", in dem die Iren in Los Angeles auf einem Dach ein halb-öffentliches Konzert spielen, ist nicht so innovativ, wie es den Anschein hat. Bereits 1970 haben die Beatles für die Film-Dokumentation "Let it be" auf dem Dach des Apple Corps-Hauses musiziert - sehr zum Leidwesen der britischen Polizei... Doch eine Frage bleibt weiterhin: Kann das Lebenswerk der Briten in einem einzigen Spiel eingefangen werden?

- The EndMan möchte fast glauben, dass nur das Rock Band-Team von Harmonix eine plausible und vor allem funktionierende Antwort darauf finden könnte. Immerhin hat man mit Titeln wie Amplitude und nicht zuletzt den ersten beiden Guitar Heroes den Grundstein für den Erfolg von Rhythmusspielen im Westen gelegt sowie mit Rock Band das Musikgenre beinahe komplett umgekrempelt und für vier Spieler aufbereitet. Dass es sich bei den Beatles ausgerechnet um eine Vier-Mann-Kombo handelt, kann dann schon fast kein Zufall mehr sein, oder?

Auf den Spuren der Pilzköpfe



Die Trackliste:

- I Saw Her Standing There

- Twist and Shout

- Do You Want To Know A Secret

- Boys

- I Want To Hold Your Hand

- Can't Buy Me Love

- A Hard Day's Night

- I Wanna Be Your Man

- I Feel Fine

- I'm Looking Through You

- Eight Days A Week

- If I Needed Someone

- Ticket To Ride

- Drive My Car

- Day Tripper

- Paperback Writer

- Taxman

- And Your Bird Can Sing

- Yellow Submarine

- Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band

- With A Little Help From My Friends

- Lucy In The Sky With Diamonds

- Getting Better

- Within You Without You/Tomorrow Never Knows

- Good Morning Good Morning

- I Am The Walrus

- Hello Goodbye

- Hey Bulldog

- Back In The U.S.S.R.

- Dear Prudence

- While My Guitar Gently Weeps

- Helter Skelter

- Revolution

- Birthday

- Octopus's Garden

- Something

- Come Together

- Here Comes The Sun

- Dig A Pony

- Get Back

- Don't Let Me Down

- I've Got A Feeling

- I Want You (She's So Heavy)

- I Me Mine

Wie dem auch sei: Natürlich bleibt auch bei der Beatles-Variante des Rock Band-Schemas alles so, wie man es kennt und schätzt: Auf einem "Notenhighway" rauschen Noten herunter die mit entsprechendem Rhythmusgefühl nachgespielt werden müssen, während für Sänger, wie bei Titeln dieser Art üblich, eine Linie die relative Notenhöhe anzeigt, der man stimmlich möglichst folgen sollte.

Und genau hier setzt Harmonix an und bringt eines der Hauptmerkmale der Beatles ins Spiel: Harmoniegesang. Denn bei TBRB ist es möglich, mit bis zu drei Sängern Harmonien in die Mikrofone zu schmettern. Je mehr der Gesangsprügel man bereits zu Hause hat, desto größer ist der Spaß. Dabei ist man auch nicht mehr nur auf die Logitech-Hardware von Rock Band bzw. Guitar Hero World Tour angewiesen: Auf der PS3 werden SingStar-Mikrofone unterstützt und auch die Lips-Pendants auf der 360 verrichten einen guten Dienst. Da allerdings auf der 360 die Zahl der kabellosen Instrumente auf vier beschränkt ist, muss man hier eine überlegte Zusammenstellung treffen, wenn man das komplette Hardware-Potenzial ausschöpfen und ggf. sogar mit mehr als vier Spielern antreten möchte. Doch mit ein wenig Tricksen ist auch das möglich.

Mit dem neuen Harmoniegesang ergibt sich zwar kein vollkommen frisches Spielgefühl, doch fügt es dem Band-Aspekt eine interessante Nuance hinzu, die natürlich optimal zur Beatles-Thematik passt. Und mit Multi-Mikrofon-Unterstützung bietet sich erstmalig die Möglichkeit, abseits von SingStar ein Gesangsduell auszutragen.



Basierend auf der hierzulande nicht veröffentlichten Rock Band 2-Hardware

wird ein ganzer Schwung neuer Klampfen sowie das erweiterbare Drumset veröffentlicht.

Im Special befassen wir uns mit den neuen Instrumenten.       

Was den Umfang betrifft, gibt sich TBRB eher spartanisch - vor allem, wenn man die ebenfalls vollpreisigen Guitar Hero 5, Rock Band 2 oder auch Guitar Hero Metallica als Vergleich wählt: Gerade mal 45 Songs (bei den anderen genannten Vertretern sind es zwischen 60 und 85) wurden auf der Disc untergebracht. Nachschub wird allmonatlich über den Beatles Rock Band-Shop folgen, in dem die kompletten Alben der Liverpooler angeboten werden sollen. Dementsprechend vermisst man auch einige Song-Highlight, obwohl man mit Gassenhauern förmlich erschlagen wird.

"Be a Beatle"

Mehrstimmig zum Erfolg: Harmonie-Gesang ist die inhaltliche Erweiterung der hinlänglich bekannten Rock Band-Formel.
Aber: Gleichgültig ob von Disc oder per Download, wird man diese Songs nicht mit Rock Band 1 oder 2 spielen können. Das Beatles-Universum bleibt in sich geschlossen. Es kommt keiner rein und es geht keiner raus. Und das "Es kommt keiner rein" kann sogar noch wörtlicher genommen werden. Denn im Gegensatz zu den bisherigen Rock Bands gibt es keinerlei Möglichkeit, sich eine eigene Figur zu erschaffen und z.B. analog zu GH Metallica eine eigene Karriere zu starten, die parallel zu den Beatles spielt und in denen man z.B. Songs von den Kinks, The Who, den Stones etc. trällert, trommelt oder klampft.

Doch diese Beschränkung auf tatsächlich nur eine Gruppe birgt auch Vorteile: Man kann sich viel stärker auf die Historie fokussieren und die einzelnen Songs visuell so gestalten wie man möchte. Und in diesem Bereich geht Harmonix dank Unterstützung der noch lebenden Beatles Paul McCartney und Ringo Starr sowie der Witwen Olivia Harrison und Yoko Ono-Lennon in die Vollen: Man verfolgt die Beatles von ihren Anfängen in Liverpooler Keller-Bühnen (die Hamburger Phase mit dem Star Club wurde leider nicht erfasst) über ihre triumphale Amerikatour bis hin zu ihren experimentellen Studioalben wie Sgt. Pepper und dem Ende der gemeinsamen Schaffensphase.

Paul McCartney mit dem Höfner-Bass, der sich als neues Instrument neben den überarbeiteten Drums sowie Mikro- samt Mikrofonständer im Premium-Pack findet. Mehr Infos zu den neuen Instrumenten sind hier zu finden.
Dabei geht Harmonix teilweise sogar einen ungewöhnlich künstlerischen Kreativ-Weg: Während in der Frühphase der spielbaren Beatles-Karriere hauptsächlich Live-Konzerte mit herrlich kreischenden Zuschauern das typische Rock Band-Flair widerspiegeln, bekommt man in den späteren Kapiteln beinahe schon fernsehreife Videoclips im Hintergrund geliefert, die die Grenzen zwischen Realität und Songinhalt verschwimmen lassen.

Pure Kreativität

Bei "Yellow Submarine" und "Octopus's Garden" beispielsweise startet man mit den Beatles im gut nachgebildeten Abbey Road-Studio und findet sich plötzlich in einer fantasievollen Unterwasserwelt wieder. Und bei "Here comes the Sun" musizieren die vier auf einmal auf einem Sonnen überfluteten Hügel, während ringsum Blumen aus dem Boden schießen.

Die Fantasie und Kreativität, die die Beatles-Songs aus dieser Phase akustisch zeigen, wird mit dieser so genannten "Dreamscape" visuell wunderbar eingefangen und macht die Lieder teilweise zu einem unvergesslichen Erlebnis zwischen Trance, Psychedelic und Pop-Art.

Dementsprechend ist die Farbgebung der runter rauschenden Noten pastelliger ausgefallen als man es bislang von Rock Band kannte, während das Figurendesign einen gekonnten Spagat zwischen dem Wiedererkennungswert (auch über die verschiedenen Schaffensperioden hinweg) und dem bekannten "Semi-Comic-Look" schafft. Die Wii-Version kann bedingt durch die geringe Auflösung dabei zwar natürlich nicht mit den HD-Varianten mithalten, doch der Unterhaltungswert wird dadurch nicht gemindert.

Da könnte man fast verzeihen, dass der Umfang gering ausgefallen, starken Lizenz-Einschränkungen unterworfen sowie deutlich auf die Download-Inhalte ausgelegt ist. Zu kreativ, zu beeindruckend und akustisch zu sauber ist die Umsetzung geworden. Denn passend zur erneuten Veröffentlichung aller Alben als "Remastered"-Version basieren sowohl die mitgelieferten Tracks als auch die geplanten Download-Inhalte auf eben diesen neuen Versionen. Das Ergebnis: Phänomenaler Klang von Material, das teilweise annähernd 40 Jahre alt ist - wahlweise sogar in sauberem Surround-Sound, wobei die Wii-Variante nur auf "einfaches" 2.0-Stereo zurückgreifen kann - aber sich immer noch verdammt gut anhört.

Dass die berühmt-berüchtigten Verspieler, die bei den Gitarren z.B. bisher durch ein unangenehmes "Twäng" auf sich aufmerksam machten, akustisch etwas ins Hintertreffen geraten und nicht mehr so deutlich sind, lässt sich verschmerzen.

  

Es gibt einen neuen leichten Schwierigkeitsgrad, der einen "No Fail"-Modus beinhaltet, so dass man nicht scheitern kann. Das ist zwar immer noch keine Garantie, dass man das zahlreiche gleichermaßen interessante wie informative sowie umfangreiche Bonusmaterial in Form von Fotos und Videoclips freischalten kann, doch für Einsteiger wird die Hemmschwelle auch in Sachen Karriere so niedrig wie nur möglich gehalten.

Einfach Spaß haben



Dass das Spielvergnügen insgesamt etwas kurz ausgefallen ist, liegt aber nicht nur an der Trackliste. Denn Harmonix hat das Spiel komplett auf Durchkommen, Spaß und schnellen Einstieg auch für Genrefremde angelegt.

Was den Schwierigkeitsgrad im Allgemeinen betrifft, gibt sich TBRB ebenfalls moderat. Wenn überhaupt werden Veteranen erst auf der höchsten Stufe ab und an gefordert, wobei es natürlich abhängig vom Instrument immer wieder kleine Unterschiede gibt.

 

Nicht immer historisch absolut akkurat nachgebildet, sondern dramaturgisch etwas aufbereitet, aber inhaltlich ein Erlebnis: Die Karrierer der Liverpooler Kult-Band.
Die Drumlines z.B. können nur in den Spätwerken für Herausforderung sorgen, während die Bassläufe schon früh gehobene Ansprüche stellen. Bei den Gitarren müssen sich erfahrene Rock Band-Spieler etwas umstellen, denn im Vergleich zu bisherigen Songs liegt der Stellenwert häufig eher auf dem Multibund-Akkord-Wechsel, der Kennern der Guitar Hero-Serie kaum noch eine Sorgenfalte entlockt.

Überhaupt muss man sagen, dass die Guitar Hero-Serie spätestens mit GH 5 insgesamt mittlerweile hinsichtlich Spielmechanik bei den Saiteninstrumenten einen Hauch vorne liegt und sowohl abwechslungsreicher ist als auch höhere Anforderungen stellt. Das Highlight und auch das anspruchsvollste Element ist der Harmoniegesang, der einem auf dem höchsten Grad alles abverlangt.

Aber: Im Gegensatz zu den bisher veröffentlichten Musikspielen (Guitar Hero 5 ausgenommen) muss man auch nicht erst alles freischalten, wenn man nur mal kurz in die Saiten greifen, auf die Trommel klopfen oder seine Gesangskünste unter Beweis stellen möchte: Alle Songs sind im schnellen Spiel von Anfang an verfügbar. Nur in der Karriere muss man ein Kapitel nach dem anderen "abarbeiten", wobei man innerhalb der Abschnitte die Songs frei wählen darf.

Wie man es von Rock Band 2 kennt, kann man sowohl solo als auch offline sowie online mit Gleichgesinnten loslegen, wobei natürlich auch die Karriere mit der weltweiten TBRB-Community in Angriff genommen werden kann oder man gegeneinander antritt. Bei den anderen Modi richtet man sich ebenfalls nach den bekannten Standards: Tutorials führen einen in die Spielmechanik ein und mit dem aus dem Vorgänger übernommen Drumtrainer kann man Kniffe und Tricks erlernen.   

Fazit

Vor ein paar Monaten hätte ich viel drauf gewettet, dass The Beatles Rock Band mit Sicherheit einen Award einheimst. Aber schließlich wurde es doch knapper als vermutet. Der vergleichsweise geringe Umfang mit 45 Songs sorgt zusammen mit dem höchst moderaten Schwierigkeitsgrad dafür, dass die Spieldauer deutlich hinter dem zurück bleibt, was man sowohl von vergleichbaren Band-Auskopplungen der Konkurrenz-Serie als auch vom indirekten Vorgänger Rock Band 2 gewohnt ist. Im Gegenzug jedoch bekommt man einen unvergleichlichen Einblick in die unglaublich kurze, aber intensive Schaffensperiode der Liverpooler Kultband. Angefangen von ihren Club-Auftritten über die Live-Konzerte mit zehntausenden kreischenden Mädchen bis hin zu ihren kreativen Höhepunkten wie Sgt. Pepper und dem Let it Be-Album, wird man zu einem Teil der Geschichte, die man mit dem umfangreichen Bonusmaterial intensivieren kann. Visuell reißt man zwar keine Bäume aus, aber vor allem die im Hintergrund laufenden "Videos" der Dreamscape-Sequenzen überzeugen mit enormer Kreativität, die die Texte zu eindrucksvollem Leben erwecken. Und natürlich darf man die Klangqualität nicht außer Acht lassen, die bei den Live-Auftritten nicht ganz die Zuschauer-Intensität erreicht, die die Rock Band-Serie berühmt gemacht hat. Doch da als akustische Basis die frischen "Remastered" Tracks verwendet wurden, bekommt man ein Hörerlebnis, das auf Wii zwar "nur" im einfachen Stereo-Format vorliegt, aber an Wucht den HD-Konsolen in Nichts nachsteht. Kurzum: Trotz kleiner inhaltlicher Mankos ist The Beatles Rock Band ein stimmiges Spielerlebnis, das einen in unnachahmlicher Art auf eine musikalische Zeitreise ganz besonderer Art entführt und mit dem Harmoniegesang als frischem Stilmittel der erfolgreichen Rock Band-Formel eine neue Nuance hinzufügt.

Pro

  • über 40 Songs der Beatles...
  • gelungene Live-Atmosphäre bei Konzerten...
  • fantastische Sound-Qualität...
  • umfangreiches Bonus-Material
  • „Dreamscapes“ bersten vor kreativen Bildern
  • Harmonie-Gesang als interessantes neues Element

Kontra

  • - ... aber im Vergleich zu z.B. GH Metallica keine anderen Künstler - ... die aber nicht ganz so mitreißt wie bei Rock Band 2- ... die auf Wii aber nur in 2.0-Stereo verfügbar ist
  • Tracks nicht exportierbar
  • Beatles Rock Band-Universum in sich geschlossen

Wertung

360

Beatlemania pur: Eine musikalische Zeitreise besonderer Art, die vor allem mit ihren kreativen Bildern und der grandiosen Akustik punktet.

Wii

Auf Wii zwar nur mit 2.0-Stereosound, aber auch hier ein ganz besonderes audiovisuelles Erlebnis mit bewährter Rock Band-Spielmechanik.

PlayStation3

Die Liverpooler Kultband erwacht mit künstlerischen Bildern, feiner Akustik und Rock Band-Mechanik zu eindrucksvollem virtuellen Leben.