Champions Online - Test, Rollenspiel, 360, PlayStation3, PC

Champions Online
29.09.2009, Mathias Oertel

Test: Champions Online

Das klassische Online-Rollenspiel war und ist in eiserner Fantasy-Hand. Egal ob Ultima Online, Dark Age of Camelot, die EverQuests, Der Herr der Ringe Online oder World of WarCraft: Orks, Elfen und Zwerge regieren die zahlreichen Welten. Von Zeit zu Zeit schafft es allerdings immer wieder ein "etwas anderer" Titel, diese Dominanz aufzubrechen. So wie vor einigen Jahren z.B. City of Heroes, dessen Team jetzt mit Champions Online (ab 0,89€ bei kaufen) einen neuen Versuch unternimmt.

Wie immer bei einem Online-Rollenspiel stellt sich auch bei Champions Online (CO) die Frage, wann der richtige Zeitpunkt für einen Test ist. Titel dieses Genres sind ständig Wandlungen und Verbesserungen unterworfen. Was einen Tag noch schlecht war, könnte den nächsten schon mit einem Patch behoben sein und plötzlich zu einem Motivationswunder werden. Lobt man in einem Moment noch eine bestimmte Mechanik, kann es sein, dass mit dem folgenden Update alles verschlimmbessert wird.

Zeit für Helden

Wie immer ist das Ende der kostenlosen Einstiegsphase, also bevor es ins Bezahlmodell angeht, ein guter Ansatzpunkt.

Wer sich in den "Kraftwerken" (den Auflevel-Stationen) geduldig umschaut, wird haufenweise Beispiele für die Leistungsfähigkeit des Figureneditors finden.
Faszinieren die Superhelden so sehr, dass man nach den 30 Probetagen gewillt ist, zwischen 10,99 Euro (beim Sechsmonats-Abo) und 12,99 Euro (pro Einzelmonat) für das auf einem Pen&Paper-Regelwerk basierende Online-Rollenspiel auszugeben?

Hier greift Cryptic in die Vollen. Konnte CoX bereits mit einem verdammt großen Arsenal an Gestaltungsmöglichkeiten überzeugen, übertrifft sich das Team bei CO und bietet einen Charakter-Editor, der einen mit Optionen dermaßen überschüttet, dass einem fast schwindlig wird.

Und konnte das Team von Cryptic die Erfahrung, die man seinerzeit mit City of Heroes bzw. City of Villains (CoX) machte, hier einsetzen und damit vielleicht sogar den Blizzardschen Fantasy-Primus zum Kampf herausfordern?

Charaktereditor: Fantastisch

Bevor es mit der Tutorial-Phase in die von Alien-Kreaturen überrannte Stadt Millenium City geht, steht erst einmal die Erstellung des alternativen, mit Superkräften versehenen Alter Egos an.

Nicht nur Gesichtsform, Körpermaße oder auch -Fett lassen sich über Schieberegler komfortabel festlegen. Zusätzlich wird einem ein Haufen an frei färbbaren Klamotten, Schuhen oder zusätzliche Gimmicks wie Hörner, Flügel etc. zur Verfügung gestellt. Das Ergebnis: Wer gewillt ist, Zeit zu investieren, kann nicht nur vergleichsweise mühelos bekannte Superhelden nachstellen (in der Anfangsphase sind mir einige "unglaubliche Hulk"-Versionen begegnet), sondern seiner Fantasie extrem freien Lauf lassen, was zu einigen beeindruckenden künstlerischen Ergebnissen führt.

Wer das alles nicht braucht, kann sich natürlich auch eins-zwei-drei-ganz-schnell durchklicken, nur marginale Änderungen der Vorschläge vornehmen und somit ohne großen zeitlichen Aufwand einen passablen Superhelden auf die Reise schicken oder vom Zufallsgenerator einen Helden zusammenstellen lassen.

Und natürlich spielt auch eine große Rolle, welche Kräfte dem zukünftigen Superman-Konkurrenten zur Verfügung stehen. In diesem Bereich lässt sich CO ebenfalls nicht lumpen: 18 Basissets verschiedenster Kategorien gehören zur Verfügung. Dazu gehören z.B. Elementarkräfte wie Feuer oder Elektrizität. Wer will, kann sich aber auch mit Schusswaffen oder Katanas ausrüsten, sich auf Pet-Beschwörung oder dunkle Magie verlassen.

Farbe und häufig auch Austrittspunkt von Kräften können ebenfalls festgelegt werden.
Wobei diese Möglichkeit ohnehin generell besteht: Ist man an dem Punkt angekommen, da die zur Auswahl stehenden neuen Fähigkeiten aus dem "vorgegebenen" Grundset nicht interessieren oder mit dem eigenen Spielstil kollidieren, kann man auch aus allen anderen Kategorien auswählen.

Allerdings ist man nicht auf diese 18 Sets festgelegt. Wer will, kann sich sein ganz individuelles Kräfteset schmieden, aus dem er dann während seiner Superhelden-Karriere bei einem Aufstieg auswählt.

Doch hier endet die Individualisierungs-Orgie noch nicht. Bei vielen, vor allem den aktiven Kräften, kann man die Farbe, in der die Aktion erstrahlt, festlegen. Blaues Feuer? Kein Problem! Grellgrüne Telepathiestrahlen? Bitte schön! Und nicht nur das, bei manchen kann man sogar den "Austrittspunkt" einstellen. Allerdings ist man hier auf wesentliche Punkte beschränkt. Strahlen wie Feuer oder Lebensentzug können aus den Fingern, der Brust oder vom Kopfbereich aus abgefeuert werden, was sich natürlich auch in einer jeweils anderen Animation widerspiegelt. Und natürlich kann man auch aus einer breiten Phalanx an Fortbewegungskräften wählen. Ob z.B. auf einer Flugscheibe, an Seilen oder Fäden wie Spider-Man, sprunghaft wie der unglaubliche Hulk oder frei fliegend wie der Stählerne aus Metropolis: Der Fantasie ist keine Grenze gesetzt, denn der Figureneditor ist mächtig. Vielleicht sogar der mächtigste, der bislang in einem Online-Rollenspiel Einzug gehalten hat. Aber in jedem Fall so potent, dass man nicht nur problemlos bekannte Superhelden fast 1:1 nachbauen kann, sondern vor allem auch bei der Gestaltung eines individuellen Charakters nicht eingeschränkt wird.

Jeder nach seiner Farbe

Dass im Gegenzug allerdings keine einzigartige Namensgebung stattfindet, also auch z.B. Dutzende "Blue Bingo Balls" herumlaufen können, ist bedauerlich. Nur innerhalb der Charaktere jedes einzelnen Spielers sind keine Dopplungen erlaubt. Natürlich kann ich verstehen, dass die Entwickler im Vorfeld eine Art "Namensreservierung" ausschließen möchten, bei der die Spieler nur eine Figur nach der anderen anlegen, um Namen zu blockieren. Andererseits jedoch spielt der Name nicht nur bei Rollenspielen im Allgemeinen, sondern vor allem bei Superhelden eine große Rolle, da man hier die Chance hat, sich gleich bei der ersten Begegnung mit anderen Helden zu definieren, ohne den Mund aufmachen zu müssen.

   

Am Kampfsystem werden sich die Gemüter scheiden und in Rage reden. Auf der einen Seite mit einigen markanten Unterschieden zu den weitläufig gültigen Automatik-Kämpfen mit Hotkey-Fähigkeiten samt Abkühlzeit ausgestattet, auf der anderen nicht so echtzeitig und actionbetont, wie es den Entwicklern vermutlich vorschwebte, muss man sich erst an die Duelle gewöhnen.

Zweischneidiges Kampfsystem

Wie es allgemein üblich ist, gibt es Standard-Angriffe und Sonderattacken bzw. die CO-Form von Zaubern, die in diesem Falle nicht Mana, sondern "Ausdauer" verbrauchen. Worin sich CO von vielen seiner Kollegen unterscheidet ist die Notwendigkeit, Ausdauer durch Standardangriffe erst einmal aufzubauen. Hat man die blaue Leiste entsprechend gefüllt, kann man die aufwändigeren Angriffe einsetzen.

Die Auseinandersetzungen sind klar auf schnell zugängliche Action ausgelegt und erinnern nicht nur in ihrer Mechanik mehr an Action-Rollenspiele denn an langwierige Online-Gefechte.
Hier allerdings muss in drei Kategorien unterschieden werden: Zum einen finden sich die allseits bekannten Instants, sprich Angriffe, die eine bestimmte Anzahl Ausdauer verbrauchen und in CO eine meist vernachlässigbare Abkühlzeit haben, bevor sie wieder verwendet werden können.

Dann wiederum gibt es Angriffe bzw. Fähigkeiten, die aufgeladen werden können. Das bedeutet, dass man (genügend Ausdauer vorausgesetzt) die entsprechende Taste so lange gedrückt hält, bis die Kraft entweder voll aufgeladen ist und sich dann quasi "selbst aktiviert" oder man irgendwo auf dem Aufladeweg manuell unterbricht und die bis dahin gesammelte Energie auf den Gegner projiziert wird.

Und schließlich gibt es quasi die invertierte Version des Aufladens, also das Einsetzen einer Kraft, bis entweder keine Ausdauer mehr vorhanden ist oder aber das Zeitlimit für diese Fähigkeit erreicht wurde. Das Leben absaugen der dunklen Macht ist z.B. so ein Fall.

Mit diesen drei grundsätzlichen Arten, die mit kleinen Variationen für alle der zahlreichen aktiven Kräfte und Fähigkeiten gelten, muss man immer aktiv dabei sein und da es so gut wie keine Downtime zur Erholung von Lebensenergie gibt (nach einem Kampf lädt die Energie sehr schnell wieder auf), wirkt das fast wie ein schnelles Action-Online-Rollenspiel. Dadurch hebt es sich zwar auch vom Gros der allgemeinen Standardformel ab, doch ganz rund wirkt es auch noch nicht. Das ist aber vornehmlich nicht dem Kampfsystem per se zuzuschreiben, sondern der insgesamt viel zu kleinen Auswahl an zur Verfügung stehenden Kräften, die in den Schnelltasten-Leisten abgelegt werden.

Schnelle Kampf-Action

Der Einsatz von Gegenständen, die mal als Verstärkung für Figur oder eine andere Kraft, mal als aktiv feuerbare Waffe (allerdings meist mit hoher Abkühlzeit) sowie den heilenden Energie-Drinks auftauchen, lockert das Kampfsystem zusätzlich auf, doch insgesamt bleiben die Möglichkeiten auf Dauer einen Tick zu eingeschränkt. Auch wenn man mit dem aktiven Block, der sich vor allem bei den sich ankündigenden Spezialangriffen der höherrangigen Gegner als probates Gegenmittel erweist, eine interessante und für dieses Genre ungewöhnliche Mechanik integriert hat und sich mit den kurzzeitig wirksamen Power-Ups, die je nach Farbe Gesundheit bzw. Energie auffüllen oder die natürlichen Angriffs- bzw. Defensivwerte verstärken, noch weiter Richtung Action-Rollenspiel bewegt.

Da ich die Pen&Paper-Variante der Champions nicht kenne, kann ich nicht beurteilen, ob man hier der Lizenz Rechnung tragen muss, ob man sich gedacht hat, dass kein Superheld, weder Superman noch der unglaubliche Hulk oder Ghost Rider, über Dutzende von Kräften verfügt oder ob ein anderer Grund dafür verantwortlich ist. In jedem Fall wird die gelungene actionorientierte Kampfmechanik dadurch unter Wert verkauft.

Anders muss nicht immer erfolgreich sein. Getreu der Prämisse "Weniger ist mehr" hat CO hinsichtlich Kraftzuteilung nicht unbedingt die Spendierhosen an. Wo Spiele wie EverQuest oder auch World of WarCraft mit Kräften nahezu um sich werfen, so dass man Angst haben muss, dass drei oder vier Schnelltasten-Leisten nicht ausreichen, fragt man sich hier, wieso überhaupt zwei Reihen mit je acht Plätzen angeboten werden.

Charakterentwicklung mit Detailschwächen

Die mit Lila-Filter versehene Teleport-Fähigkeit ist eine der zahlreichen Reisekräfte in Champions Online.
Dabei ist die übersichtliche und dreigeteilte Charakterentwicklung durchaus interessant: Bei einem Aufstieg in eine neue Stufe wird man entweder mit der Auswahl einer neuen Kraft belohnt, darf eine bestehende aufrüsten oder sich für einen permanenten Boost einer  Eigenschaft entscheiden - das Problem: Das Aufstieg, sprich die Reihenfolge der Belohnungen, wird von den Entwicklern festgelegt und bietet auf Dauer bei weitem nicht so viel Freiheit wie der Editor an sich. Das Ergebnis sind meist nach Schema F ablaufende Kämpfe, da man kaum Variationsspielraum hat.

Immerhin hat man die Möglichkeit, einen kostspieligen "Respec" durchzuführen, also eine Neueinteilung der Kräfte, Eigenschaften und Upgrades. Dabei zahlt man für den jüngsten Zugewinn vergleichsweise wenig und muss schließlich für einen Ersatz der ersten gewählten Kräfte tief in die Tasche greifen. Vielleicht etwas zu tief, denn obwohl man im so genannten "Kraftwerk", der offiziellen Aufrüst-Station für Superhelden, seine neuesten Fähigkeiten ausprobieren kann, bevor man sie bestätigt, entfaltet sich doch meist erst im Kampf die richtige Wirkung - und damit das Wissen, ob man klug gewählt hat. Doch dann ist es bereits zu spät, um zumindest den letzten Aufstieg kostenlos rückgängig zu machen.

Statt der meist nutzlosen Gegenstände, die man bei erledigten Gegnern finden kann, hätte man vielleicht Respec-Gutscheine einbauen können, um die Experimentierfreude zu steigern.

   

Hinsichtlich Missionsaufbau, Erzählsträngen usw. gehen die Champions einen größtenteils konventionellen Weg. Zwar gibt es immer wieder kleine in sich geschlossene Storylines, die meist mit einem bestimmten Auftraggeber zusammenhängen, doch der große Bogen fehlt - und damit auch ein gewisses Maß an Spannung. Was unter Umständen auch daran liegen könnte, dass sich die Aufgaben nicht großartig vom Online-RPG-Einerlei unterscheiden: Beschütze NPC W auf seinem Rundgang, fange X Gangster, finde Y Gegenstände, befreie Z Geiseln. Von Zeit zu Zeit wird das über langatmig erzählte, aber

Der überaus mächtige Editor wird nicht nur für die Heldenerstellung, sondern auch für die Kreation des persönlichen Antagonisten genutzt. Leider bleibt diese Figur ebenso blass wie die meisten anderen Bösewichte, die einem im Lauf der Zeit über den Weg laufen.
größtenteils gut übersetzte Texte Missionssystem zwar von animierten Sequenzen ersetzt, in denen ab und an sogar mal etwas englische Sprachausgabe ertönt, doch irgendwann habe ich die nur noch Missionen angenommen, ohne mich mit der Hintergrundgeschichte zu beschäftigen.

Queststruktur: Herkömmlich, aber mit Gegenspieler

Etwas Abwechslung kommt mit Charakter-Stufe 25 ins Spiel: Dann nämlich darf man wieder etwas mit dem famosen Editor spielen, um sich seinen ganz persönlichen Gegenspieler zu erschaffen, der einen fortan mit einer eigenen Missionsreihe sowie zufällig auf einen einstürmenden Schergen piesackt.

Das ist grundsätzlich eine gute Idee, deren Potenzial aber wie bei vielen anderen Kleinigkeiten verschenkt wird. Denn wieso ausgerechnet der persönliche Antagonist ohne Sprachausgabe daher kommt und im besten Fall mit einem Grunzen auf seine Taten reagiert, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Wie auch die Antwort auf die Frage, wieso man nicht noch mehr Missionen eingebaut hat, in denen man z.B. kleine Schalterrätsel lösen muss, um bestimmte Türen öffnen zu können. Oder auch die, in denen man sich die Aufgabe stark erleichtert, indem man die an den Decken montierten Sicherheitskameras zuerst ausschaltet, bevor man sich an die Gegner heran wagt. Hier hat man die Möglichkeit verschenkt, außerhalb des ungewöhnlichen Szenarios zu punkten, das unter dem Strich sogar hinter dem spirituellen Vorgänger CoX zurückstecken muss.

Denn auch die von Passanten zufällig vergebenen Rettungsaufgaben sowie die aus Warhammer Online übernommenen "Öffentlichen Missionen", in denen man ohne Teamzwang eine über mehrere Etappen verteilte Aufgabenkette erledigen muss, sind keine großen Überraschungen.

Dafür allerdings hat das Team bei Quests und den animierten Missionssequenzen Sinn für Humor an den Tag gelegt. Viele der Missionen sind an einschlägige Filme, Spiele etc. angelehnt wie z.B. Jäger der verlorenen Arkana (im Original Raiders of the Lost Arkana) oder World of WitchCraft. Und man scheut sich auch nicht, große Kultfilme auf die Schippe zu nehmen, so etwa wenn Foxbat in einer Hologrammaufzeichnung mit dem Satz "Helfen Sie mir, Docter Silverback. Sie sind meine einzige Hoffnung!" stilsicher Leia Organa nachahmt - herrlich. Aber leider reichen diese im Überfluss vorhandenen Anspielungen nicht aus, um das Missionsniveau anzuheben.

Denn zum einen kommt man durch den Fokus auf Erfahrungsgewinn durch Erledigen von Missionen richtig gut und angenehm schnell vorwärts - wahlweise auch zu einem großen Teil solo oder mit nur sehr kleinen Gruppen. Andererseits jedoch hat man die gerade mal fünf Gebiete, die keinem Vergleich mit den üppigen Welten eines EQ 2 oder WoW standhalten können, viel zu schnell bis zum Ende erforscht.

Umfang: Das Problemkind

So klassisch sich die Missionen auch größtenteils darstellen, muss man allerdings sagen, dass die Motivation, sich zum Superhelden des größten Grades (derzeit liegt der Maximallevel bei 40) hoch zu kämpfen nicht geringer ist als bei anderen Spielen.

Denn das so genannte "Grinden", also quasi der Levelaufstieg durch schier endlose Gegnerkämpfe, wurde bis auf das Endspiel weitestgehend eliminiert. Und das ist hier Fluch und Segen zugleich.

Millenium City ist eines der Areale, in denen man sein Unwesen treiben darf - und die man alle viel zu schnell bis zum letzten Winkel erforscht hat. Der Umfang ist das größte Problem, das die Online-Champions mit sich im Cape tragen.
Und wenn nach all den gemütlichen Charakteraufstiegen bis etwa Stufe 30 dann mal ein Moment kommt, in dem man sich doch auf das Grinden oder das ständige Wiederholen von öffentlichen Missionen zurückfallen lassen muss, wirkt es fast schon lästig.

Das Problem ist, dass trotz Grinden der letzte Level bei vielen Intensiv-Zockern schnell erreicht sein dürfte. Mit entsprechend viel Mühe und Zeitaufwand (und vielleicht mit Hilfe einer eingespielten Gruppe) sogar vor dem Ende der 30-tägigen Testphase.

Und was kommt dann? Dann kann man eigentlich nur noch hoffen, dass Cryptic schnell neue Inhalte nachlegt, vielleicht das Levelcap erhöht und das Spiel abseits des trockenen und kaum motivierenden Gruppengerangels, das sich hier für Spieler-gegen-Spieler-Auseinandersetzungen anbiedern möchte, für hochrangige Figuren interessant macht.

Denn auch das Crafting, die Herstellung von Gegenständen, ist nur im Ansatz gut. Richtig interessant wird es erst in etwa ab Crafting-Stufe 25, wenn man langsam nicht nur standardisierte und damit den Fundstücken meist unterlegene Gegenstände herstellen, sondern sie mit speziellen Eigenschaften versehen kann, so dass der Wert gegenüber den Missions-Belohnungen deutlich erhöht wird.

Immerhin werden mit Auktionshaus, Bank und Gilden-Werkzeugen die Grundlagen für eine funktionierende Ökonomie sowie zukünftige Superheldengruppen gelegt, die sich evtl. zukünftig noch auszahlen werden.

  

Das  Semi-Comic-Aussehen mit seinen fast realistisch wirkenden Kulissen, das Cryptic sowohl den Figuren als auch den Umgebungen spendiert, passt zum Thema wie das Cape zu Batman. Alles wirkt in sich rund und mit den thematischen Variationen innerhalb der verschiedenen Gebiete kann man immer wieder eine kleine Überraschung erleben. So etwa in der Wüste, in der sich z.B. verstrahltes Ödland inklusive grüner Atommüll-Seen mit einer von blaudunstigen Wolken überlagerten Geisterstadt mit Westernflair abwechselt, nur um etwas später von einem wie im Filmklassiker Westworld von

Mit gelungenen Zwischensequenzen werden Bosskämpfe eingeleitet.
fehlerhaften Robotern besetzten Vergnügungspark ersetzt zu werden.

Technisch gut, aber hungrig

Bei den komplett instanzierten Missionen, in denen man nur mit seinem Helden bzw. seiner Gruppe unterwegs ist und in denen man meist in Gebäuden, Höhlen usw. umherstreift, ist leider bei weitem nicht so viel Abwechslung zu finden. Es gibt eine Hand voll Grafiksets, aus denen die Gebiete gebaut werden. Und daran hat man sich schnell satt gesehen.

Das gilt für die Animationen nur eingeschränkt. Während die Helden mit ihren vergleichsweise wenigen Angriffsmustern noch gut wegkommen, kassieren viele der fantasievoll designten und in vielen Varianten vorkommenden Gegner nur noch eine befriedigende Note. Und an den Zuckungen, die offensichtlich Treffer darstellen sollen, hat man sich sehr schnell satt gesehen.

Egal in welchem Areal man sich befindet: Überall wird durch Wechsel von Lichtverhältnissen und weiteren Spielereien eine neue Stimmung geschaffen, die bis auf wenige Ausnahmen zu überzeugen weiß.

Explosionen, Spezialeffekte allerdings sind ein Hingucker. Doch das alles hat seinen Preis. Auf einem älteren, die Minimalanforderungen erfüllenden Single-Core-Rechner (mind. 2,5 GHz, 1 GB RAM, Grafikkarte der 7er-Serie), der mit handelsüblichen Rollenspielen wie dem Klassiker EverQuest 2, World of WarCraft oder auch mit den CoX-Spielen keinerlei Probleme hat, ist CO nur widerwillig und extrem störrisch zum Mitmachen zu bewegen. Mit etwas Tuning der Grafikoptionen geht es dann zwar, aber schön ist anders.

Mit einem Multicore-Prozessor, aktuellen Grafikkarten und mindestens 2 GB RAM sieht das alles schon etwas anders und dementsprechend besser aus. Doch unter dem Strich steht die visuelle Qualität in keinem Verhältnis zu den erforderlichen Innereien des Rechenknechtes.

In Millenium City und den anderen Gebieten ist immer etwas los - aber auf Dauer zu wenig, um derzeit die zukünftigen Helden bei der Stange halten zu können.
Für ein Ärgernis vor allem in der Anfangsphase haben die täglichen Wartungarbeiten gesorgt, die immer gut zwei Stunden in Anspruch nehmen und die meist auch mit neuen Patches einher gingen. Doch trotz all der Wartung und der ganzen Pflaster gibt es immer noch einige Bugs zu beklagen. Einige sind kleiner wie die seltenen fehlerhaften Übersetzungen oder die Deutsch/Englisch gemischten Texte. Andere wiederum sind größer wie immer noch nicht gefixte Missionen.

Serverstruktur: Gut

Doch trotz der vollkommen verständlichen Rage der User muss man Cryptic angesichts dieser Hingabe ein kleines Kompliment aussprechen. Vielleicht wäre es unter dem Strich besser, diese Energie auf wöchentliche Patches und vor allem neue Inhalte zu konzentrieren:

Denn sobald eines der für alle zugänglichen Areale eine bestimmte Spielerzahl erreicht, wird einfach ein neues aufgemacht. Bei jedem Gebietswechsel bzw. wenn man z.B. sein Glück in einer anderen "öffentlichen Instanz" versuchen möchte, weil die Figur, die man für seine Aufgabe gerade benötigt, partout nicht auftauchen will, kann man sich aussuchen, in welcher Instanz man landen möchte - eine gute Idee, mit der man nicht nur die Überflutung der Gebiete mit Charakteren in den Griff bekommt.

Denn die Serverstruktur an sich gab bislang keinen Grund zur Klage. Bis auf einen Tag in der Anfangsphase läuft alles stabil und dank der ausgefeilten Instanzmechanik gibt es auch keinerlei Probleme mit zu vielen Spielern in einzelnen Gebieten.

  

Fazit

Champions Online ist das Spiel der guten Vorsätze. Auch Jahre nach City of Heroes wirkt die Superhelden-Thematik angenehm frisch und enorm reizvoll, zumal sie vom derzeit mächtigsten Charakter-Editor samt frei wählbarer Kräfte angetrieben wird. Und mit der Möglichkeit, seinen ganz persönlichen Gegenspieler zu erstellen, hätte Cryptic erzählerisch Vollgas geben können. Doch rausgekommen ist nur ein laues Story-Lüftchen sowie ein zwar individueller, aber charakterlich meist blasser Bösewicht. Das action-orientierte Kampfsystem inkl. Block sowie die Missionsstruktur, die fast bis zum Endspiel Figurenaufstiege über Aufgabenerfüllung ermöglicht und damit das berüchtigte Grinden für lange Zeit unnötig macht, ist ebenfalls ein guter Ansatz. Aber der schnelle Charakteraufstieg unterstreicht den geringen Umfang, der Intensiv-Spieler weit vor Ablauf der 30-tägigen Schnupperphase mit dem Maximallevel von derzeit 40 konfrontiert – und das sogar zum größten Teil solo. Und damit stellt man den Gedanken des Online-Rollenspiels sowie das Wirtschaftsmodell dahinter in Frage. Technisch stabil, visuell dank des Comicstils hochinteressant, sehr stimmig sowie mit abwechslungsreichen Gebieten gefüllt, muss sich Cryptic fragen lassen, ob man mit einem anderen Preisgestaltungssystem (wie z.B. Guild Wars) oder vielleicht sogar als Offline-Konkurrenz zu Action-Rollenspielen wie z.B. Marvel Ultimate Alliance nicht besser aufgehoben wäre. Denn so erfreulich sich die Superhelden vom Fantasy-Einerlei abheben und so gelungen sich das Kampfsystem auch präsentiert, ist Champions Online unter dem Strich im gegenwärtigen Zustand nicht mehr als ein unkompliziertes Online-Rollenspiel für zwischendurch. Zweifellos haben die Superhelden gute Zukunftsaussichten. Doch dann muss Cryptic schnellstmöglich Inhalte nachschieben, da man derzeit nicht einmal an die spirituellen Vorbilder City of Heroes bzw. City of Villains heranreicht, die trotz älterer Technik und einer klassischeren Figuren-Entwicklung immer noch vorzuziehen sind.

Pro

  • fantastischer Figuren-Editor
  • gelungenes "Semi-Echtzeit"-Kampfsystem
  • aktiver Block
  • kaum "Downtime" zwischen den Kämpfen
  • dynamisch skalierbare Anzahl an Gebiets-Instanzen
  • gute Zwischensequenzen...
  • eingebundene Rätsel...
  • umfangreiches Tutorial
  • eigener Gegenspieler erstellbar
  • kaum Grinding (vor allem Start-/Midgame)
  • auch als Solist gut spielbar
  • gelungenes Comic-Design
  • abwechslungsreiche Gegner-Vielfalt
  • öffentliche Missionen
  • 18 grundsätzliche Kräftesets...+ ... die aber frei kombiniert werden können

Kontra

  • geringer Umfang ist ein Riesenproblem
  • größtenteils generische Missionen
  • zahlreiche Missionen immer noch buggy...- ... trotz täglicher Wartungsarbeiten und Patches
  • Textausgabe-Mischmasch Englisch/Deutsch
  • ... aber nur wenig und atmosphärisch schwache Sprachausgabe
  • ... die aber leider viel zu selten abgerufen werden
  • viele "Spontan-Missionen" in ähnlich aussehenden Gebieten
  • sehr kostspieliger Respec
  • Nemesis ohne Sprachausgabe
  • keine einzigartigen Charakternamen
  • unspektakuläre PvP-Duelle
  • erzählerisch insgesamt schwach

Wertung

PC

Die hardware-hungrige Technik passt, der Figuren-Editor ist grandios und das Kampfsystem sehr interessant. Der Umfang ist für ein Online-Rollenspiel allerdings viel zu gering ausgefallen.