IL-2 Sturmovik: Birds of Prey - Test, Simulation, 360, NDS, PSP, PlayStation3

IL-2 Sturmovik: Birds of Prey
18.09.2009, Paul Kautz

Test: IL-2 Sturmovik: Birds of Prey

Okay, IL-2 Sturmovik ist eine Marke, eine Hausnummer. Eine beinharte Simulation für Spieler, deren Flightstick nebst Equipment locker einen ganzen Schreibtisch füllt. Und so ein Realitätsmonster, so ein Biest - das erscheint auf Konsole? Auf diesen Dingern mit Gamepad, wo es doch nur um Krachbumm und schnelle Erfolge geht? Sakrileg! Oder doch nicht?

Natürlich geht das, aber logischerweise nur mit Abstrichen: Wer sich das Pilotenleben unbedingt schwer machen möchte, der hält die vielen Tutorials bis ganz zum Schluss durch und ist daraufhin berechtigt, den Schwierigkeitsgrad »Simulation« anzuwählen. Hier zittern die Maschinen dünnhäutiger als Pergament durch die Lüfte, hier fehlen sämtliche



Der simuliert doch!

Video: Nicht nur grafisch hat Birds of Prey verdammt dicke Hosen an - auch spielerisch gelingt ihm der knifflige Spagat zwischen Arcade und Simulation.Zielhilfen, die Erfassung von Gegnern wird nur manuell und die Unterscheidung zwischen Freund und Feind ausschließlich mit den eigenen Augen gemacht - und zwar nur aus der Cockpit-Perspektive, was für eine klaustrophobische und unübersichtliche Erfahrung sorgt. Kurz gesagt: Wer sich zum Rambo der Lüfte berufen fühlt, bekommt hier die vermatschten Bodentexturen weitaus öfter aus der Nähe zu sehen, als ihm lieb sein dürfte - Strömungsabriss, dein Dasein sei simuliert! Etwas einfacher wird's auf »realistisch«, doch Otto-Normal-Naziausderluftholer dürfte mit »Arcade« wohl in jeder Hinsicht am besten bedient sein: Hier gleiten die Maschinen sicher wie auf Schienen durch den Äther, hier haben auch die wildesten Fassrollen und Loopings keine Auswirkungen (es sei denn, der Magen des Steuernden ist leicht reizbar), hier geht's nach Abschuss oder übertrieben wildem Stunt an derselben Stelle direkt weiter, hier kann man sowohl die Außenansicht als auch das sehr praktische virtuelle Cockpit nutzen. Und dennoch bleibt eine Herausforderung, denn anders als der Name impliziert, ist Birds of Prey (BOP) an keiner Stelle ein After Burner im Zweiten Weltkrieg, auch wenn unbegrenzte Munitionierung und Treibstoffvorräte eine andere Sprache sprechen. Wer es richtig arcadig haben will, der greift zum parallel in den Läden stehenden Heroes over Europe - Sturmovik behält sich auch auf der einfachsten Stufe einen gewissen Realismus vor.

Die Abwesenheit des vom PC gewohnten Ultra-Realismus' wird mit einer deutlich besseren Grafik versüßt: Das Konsolen-Sturmovik sieht nicht nur tausend Mal besser aus als sein PC-Bruder - es setzt gegenwärtig auch auf 360 und PS3-die Maßstäbe für alle »Flugsimulationen«! Ob Ace Combat 6, Blazing Angels 2, H.A.W.X. oder Heroes over Europe - keines dieser Spiele kann mit der Grafik von BOP mithalten. Die sechs Schlachtfelder von Sizilien über die Küste von England bis nach Berlin sehen unverschämt gut aus; Weitsicht, Bodendetails, Fluffigkeitsgrad der Wolken, Wettereffekte - Wahnsinn! Dazu kommt noch ein Schadensmodell, das seinesgleichen sucht: Mit jedem Treffer geht mehr und mehr der Außenhaut verloren, Flügelteile brechen ab, dicke Stechflammen bersten aus der Flugzeugspitze heraus. Abgeschossene Maschinen torkeln in wilden Spiralen und mächtige Rußwolken hinter sich her ziehend gen Boden, vergehen in einer fetten Explosion und verbleiben als qualmendes Wrack am Boden,

Sehet und begehret: Die Kulisse von Birds of Prey ist einfach atemberaubend! Allerdings geht die Geschwindigkeit bei aufwändigeren Gefechten des Öfteren in die Knie.
während der Pilot am Fallschirm baumelnd nach unten segelt. Das füllt sehr schnell den Bildschirm aus, denn in BOP ist am Himmel echt die Hölle los - teilweise sind mehr als 50 Einheiten gleichzeitig aktiv, beim Kampf über Stalingrad sieht der Radar z.B. schon kurz nach Einsatzbeginn wie eine wild schwirrende, blau-rote Mückenkolonie aus! Und das Bemerkenswerteste daran: Die Ladezeiten sind gerade im Vergleich zu den Mitbewerbern beeindruckend kurz.

So schön wie die Grafik auf den ersten, zweiten und auch zwölften Blick ist, im Detail finden sich dann aber doch Haare in der Suppe: Wie bei dieser Art Spiel üblich sollte man den allzu genauen Blick auf den Boden vermeiden; in Nahaufnahme offenbart sich fieser Pixelmatsch - irritierend daran ist, dass die Entwickler diesen aufmerksamen Blick in den eigenen Zwischensequenzen immer wieder provozieren. In die Kategorie »Ärgerlich, aber man kann damit leben« fallen außerdem noch die teilweise sehr schlecht erkennbaren Bodenziele (was besonders auf den höheren Realismusgraden zur Pein wird) sowie der bemerkenswert furchtbar lesbare Font, der optional die Funksprüche visualisiert - schwebt man über den Wolken, ist alles prima lesbar, ist man in Bodennähe unterwegs, erkennt man gar nichts mehr. Weitaus nervender ist da schon das immer wieder auftretende, teilweise sehr üble Ruckeln: Geht es am Himmel mit viel Rauch und viel Geballer ordentlich zur Sache, tritt BOP spürbar auf die Bremse - unspielbar wird's nie, aber in diesem Falle wäre wohl ein Verzicht auf eine Hand voll Gegner sinnvoller gewesen als der Verzicht auf die flüssige Darstellung des Restes.          

Viel Rauch um viel

Immerhin wurde nicht an der Akustik gespart: Die brachiale Soundkulisse ist schlicht der Hammer, mit einem guten Surround-System geht die Hölle auf Erden ab! Dazu gibt's sehr gute Sprachausgabe, bei der sogar im Falle der anderen

Auf dem höchsten Realismus-Grad wird Birds of Prey zum Biest: Ausschließlich Cockpit-Perspektive, keinerlei Flug- und Schützenhilfen - eine beinharte Erfahrung!
Nationen (Russen, Italiener oder Briten) hörbar Muttersprachler ans Mikro gelassen wurden - auch heutzutage aus irgendeinem Grund noch keine Selbstverständlichkeit. Ebenfalls höchst bemerkenswert ist der druckvolle Orchestersoundtrack aus der Feder von Jeremy Soule, den man allerdings nur im Pausenmenü richtig genießen kann - im Spiel geht er hilflos unter.

Das Herzstück des Spiels ist die Solo-Kampagne, die 20 Missionen lang die Schrecken des Zweiten Weltkrieges aus der Luft zeigt. Umrahmt wird das Ganze von einer Story, die in der Vergangenheitsform die Erinnerungen verschiedener Piloten Revue passieren lässt - bzw. akustisch nur eines Piloten, denn die Stimme ist immer dieselbe (in der englischen Fassung jene des britischen Schauspielers Joss Ackland). Die pflichtgetreue Erfüllung aller Aufträge dauert seine Zeit, was vor allem daran liegt, dass die Entwickler einige Missionen unnötig gestreckt haben: Kaum hat man eine Welle, bestehend aus mehreren Dutzend Gegnern, vom Himmel geholt, kommt schon die nächste angeschwirrt - tally-ho, auf geht's, Jungens! Oder auch nicht, denn obwohl man seinen Flügelmännern rudimentäre Anweisungen geben kann, sind sie keine große Hilfe. Immerhin dauert das Abschießen der Feinde nicht so lange wie in anderen Spielen, denn man hat es hier nicht mit fliegenden Panzern zu tun. Manchmal reicht schon ein Treffer, um die Abwärtsspirale zu initialisieren, es muss halt nur der richtige Treffer sein.

Abwechslungsreich ist das Leben eines WW2-Piloten nicht gerade: Dogfights, Ausflüge im Bomber (auch mal vom Platz des Heckschützen aus), Aufklärungsmissionen, mal bei Tag, mal bei Nacht - sehr viel mehr geben die Primäraufträge nicht her. Merkwürdigerweise lauern die weitaus interessanteren Herausforderungen in den optionalen Bonusmissionen - die Landung auf feindlichem Gebiet, um einen befreundeten Piloten aufzusammeln war z.B. ebenso unterhaltsam wie aufregend. Mit jeder gemeisterten Aufgabe

Über den Wolken ist die Hölle los: Teilweise bevölkern mehrere Dutzend Maschinen gleichzeitig die Lüfte!
werden neue Boni freigeschaltet; das beinhaltet sowohl frische Maschinen als auch Inhalte für die interne Enzyklopädie, die nicht nur über die einzelnen Piloten, sondern auch über Flugmanöver oder die Schlachtfelder informiert.

Zwischendurch mal was lesen

Piloten sind ungern allein, deswegen dürfen sie sich auch in BOP 16 Mann hoch im Internet austoben. Wetter und Tageszeit sind vom Host frei definierbar, dann geht's an die einzelnen Spielmodi: Zu »Dogfight« muss wohl ebenso wenig etwas gesagt werden wie zum »Team Battle«. Interessanter ist da schon »Strike«, in dem zwei Mannschaften die Aufgabe haben, jeweils die eigenen Bodenziele zu verteidigen, während man die des Gegners zu zerstören versucht. Die letzte Spielvariante, »Capture Airfields«, ist schließlich deutlich Battlefield-inspiriert: Teams müssen auf Flugplätzen landen und kurz ausharren, um sie sich zu Eigen zu machen.     

Fazit

Es gibt Spiele, die tarnen schlechtes Design mit guter Grafik - und dann gibt es welche, die nicht nur super aussehen, sondern sich auch noch toll spielen! Birds of Prey gehört dankbarerweise zu letzterer Gruppe: Die Luftgefechte sind hochdramatisch inszeniert, steuern sich super, hören sich beeindruckend gut an und sehen unverschämt gut aus - auch wenn diese Prachtkulisse mit erhöhtem Ruckelaufkommen bezahlt wird. Die lange Kampagne bietet mehr als genug Anspruch für jeden Pilotentypen, außerdem hat die Wahl des Schwierigkeitsgrades hier bemerkenswert starke Auswirkungen auf das tatsächliche Spielerlebnis - auch wenn wohl nur wenige den »Simulation«-Grad wirklich zu schätzen wissen dürften. Allerdings ist es schade, dass sich die Abwechslung über den Wolken in Grenzen hält: Teilweise fühlt man sich bei den stetig nachkommenden Gegnermassen an Serious Sam im Himmel erinnert, außerdem ist das Design der Hauptaufträge sehr gewöhnlich. Unterm Strich bleibt ein Spiel, das zwar nicht ganz den Hardcore-Anspruch des glorreichen Namens erfüllen kann, diesem Ideal aber so nahe kommt, wie es mit dem Gamepad in der Hand eben möglich ist. Gleichzeitig schafft es den Spagat, auch für Flugneulinge geeignet zu sein - eine sehr gelungene Gratwanderung!

Pro

  • wunderschöne Landschaftsgrafik
  • lange Solo-Kampagne
  • variabler Schwierigkeits- und Realismusgrad
  • grundsätzlich einfache Steuerung...
  • brachiale Soundkulisse

Kontra

  • teilweise sehr ruckelig
  • gelegentlich zu lang gestreckte Missionen
  • teilweise sehr schlecht erkennbare Bodenziele
  • ...die auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad sehr anspruchsvoll wird

Wertung

360

Eine gelungene Gratwanderung zwischen Simulation und Arcade-Flieger, verpackt in höchst beeindruckender Grafik.

PlayStation3

Eine gelungene Gratwanderung zwischen Simulation und Arcade-Flieger, verpackt in höchst beeindruckender Grafik.