NBA 2K10 - Test, Sport, 360, PlayStation2, Wii, PSP, PlayStation3, PC
Die lebendige Karriere
dass ich mir für ein bisschen Street Credibility erstmal den linken Arm voll tätowiert habe - im flexiblen Editor kann man sein kleines Selbst oder einen wuchtigen 2,16-Riesen à la Shaquille O'Neal vom Spitzbart bis zur Sockenlänge entwerfen. Ich wollte als wendiger Point Guard und potenzieller Dreierspezialist im Stile eines Steve Nash oder Jason Kidd durchstarten.
Aber das interessiert meinen Berater nicht, wenn er meine Stärken und Schwächen nach einem Spiel analysiert. Er tritt zwar nur als schnödes Comicbild ohne Animationen auf, aber er kritisiert mich sehr lebendig in voller englischer Sprachausgabe: Ja, ich habe zwei, drei gute Pässe geworfen, aber auch zwei Turnovers verschuldet und meinen Gegenspieler 16 Punkte machen lassen - eine defensive Katastrophe! Will ich mit dieser Mentalität etwa in die NBA kommen?
Und vorne fiel gerade mal einer von sechs Dreiern. Erbärmlich, einfach nur erbärmlich. Ich bin jedoch dankbar für dieses knallharte Feedback. So weiß ich wenigstens, was ich verbessern muss, denn nach jedem Spiel wird meine Leistung eingeordnet und ich baue nebenbei fast eine persönliche Beziehung zu diesem Berater auf, der zwischendurch sogar mal nicht erreichbar ist (ist das ärgerlich, wenn man gerade gut gespielt hat!) oder kleine Anekdoten von Tim Duncan erzählt, um mich aufzubauen - cooler Weise plaudert er immer dann von diesem Fleiß der Stars, wenn man das Karrieremenü verlassen will.
Kleine Bälle backen
Also heißt es: Training, Training, Training. Und zwar sehr lange, denn die eigenen technischen und körperlichen Statistiken sind zu Beginn überaus mager. 2K verlangt einem hier sehr viel Zeit und Geduld ab, denn man muss auch Rückschläge verkraften, kann mehrmals scheitern. Aber man kann nicht nur im Spiel, sondern auch in vielen Situationsübungen Punkte gewinnen oder bei besonders guten Leistungen gar direkt Fähigkeiten steigern. Wer z.B. beim Wurf-, Steal-, Block-, Post-, Korbleger- oder Dribbel-Training mit einem goldenen Stern abschneidet, bekommt in der betreffenden Disziplin sofort ein Plus - das ist sehr motivierend, zumal diese Trainings angenehm fordernd und begrenzt sind. Man kann nur eine bestimmte Anzahl absolvieren und muss sich gut überlegen, wo man sich verbessern will.
Theoretisch kann man seine Punkte dann wie in einem Rollenspiel in alles Mögliche investieren - die Schnelligkeit, die Athletik, die Blocks, das Aufposten, die Nahdistanz, die Steals. Es gibt noch zig andere Werte. Aber wenn ich als Point Guard meine Dunkfähigkeit erhöhe, dann mault mich der Berater an: Hey, was willst du bitte unter dem Korb? Du trainierst an der falschen Stelle! Das ist wirklich lebendiges Feedback, wie man es sich auch in anderen Sportspielen wünschen würde. Hier kann ich mich in meine Rolle reinsteigern, um den Traum vielleicht wahr zu machen. Wie der ausschauen kann, vermitteln auch zu diesem frühen Zeitpunkt nicht nur die Wahlen zum "Man oft he Match", sondern auch die Kamerafahrten: Wer spektakuläre Aktionen zeigt, darf das Ganze noch mal in fernsehreifer Zeitlupe nacherleben - sehr schön!
Jeder Assist zahlt sich aus
Dieses Feedback-System wurde in weiten Teilen also deutlich besser umgesetzt als in FIFA 10 oder NHL 10: Hier muss man je nach Position anders spielen - der Center bekommt andere Grundziele vor einem Spiel als der Point Guard, der z.B. zwei erfolgreiche Dreier landen muss. Hinzu kommen auch Abzüge, wenn man einfach wild Pässe anfordert, obwohl man schlecht steht. Das geht so weit, dass einen die Mitspieler nur noch ungern anspielen und man längere Auszeiten auf der Bank bekommt (von dort kann man das Spiel weiter mit ansehen oder es vorspulen). Außerdem wirken sich Fehlpässe, verschuldete Turnovers, schlechtes Stellungsspiel und Fouls sofort negativ aus. Man muss Basketball hier als Teamsport verstehen und sich einordnen.
Schwächen im System
Das Feedback-System hat zudem ärgerliche Fehler, die dazu führen, dass man zu oft zu harsch bewertet wird - oder andersherum: Selbst bei gutem Spiel kann man sehr schnell Punkte verlieren. Taktische Fouls, die einfache Körbe verhindern sollen, werden genau so wenig als gute Aktion gewertet wie Würfe aus der eigenen Hälfte in letzter Sekunde mit "schlechte Wurfposition" abgestraft werden. Was soll das? Man vermisst auch schmerzlich Boni für "einfache" Wurferfolge! Egal ob Korbleger, Dunk oder Dreier - wer trifft, wird zu Beginn seiner Karriere seltsamerweise nicht belohnt; erst in der NBA wird der Sieg wertvoller. Das ist trotz des Teamgedankens unverständlich, denn es wird ja auch fleißig in der Statistik abgezogen, wenn der eigene Gegenspieler trifft. Manchmal ist es auch ein Ziel, diesen auf eine Erfolgsquote von 42% zu drücken oder keinen Dreier von ihm gegen das eigene Team zuzulassen. Warum wird dann mein Erfolg gegen ihn nicht positiv berücksichtigt? Man hat leider das Gefühl, dass man hier künstlich klein gehalten wird und das nagt an der Geduld.
Schön ist, dass die KI der eigenen Leute in der Offensive sehr aufmerksam meine Laufwege beobachtet: Das heißt, dass man auch clevere Doppelpässe einleiten oder sich in den Rückraum oder an die Seitenlinie schleichen kann, um einen Dreier einzuleiten - auch gutes Positionsspiel wird ja belohnt. Schlecht ist, dass die Gegner-KI so viele peinliche Aussetzer hat, denn sie joggen manchmal einen Meter außerhalb des Spielfeldes und verursachen zu oft unrealistische Turnovers, indem sie ohne gegnerisches Pressing dilettantisch über die Mittellinie zurück laufen. Und zwar zwei, drei mal in einem Spiel! Außerdem lassen sie die Uhr oft ungenutzt ohne Wurf ablaufen oder es werden Auszeiten genommen, die keinen Bezug zum Spiel haben. Diese Kleinigkeiten trüben der Spaß zwar nicht empfindlich, aber sie nagen an der Illusion.
Fehler im Figurenverhalten
Trotz dieser Schwächen ist der Karriere-Modus momentan nicht nur das frische Aushängeschild der diesjährigen Basketballauflage, sondern ein wichtiger kreativer Schritt im Sportspielbereich, was Feedback angeht. Denn spätestens, wenn man endlich von einem NBA-Team eingeladen wird und erstmals vor voller Hütte in Dallas, Los Angeles oder Boston aufläuft und zum ersten Mal einnetzt, bekommt man eine Gänsehaut und weiß, was man vorher geleistet hat. Und ab diesem Zeitpunkt beginnt ja erst die Karriere innerhalb der Liga. Aber nach diesem magischen Moment oder auch in regulären Freundschafts- oder Ligaspielen zeigen sich auch Schwächen in einer Spielmechanik, die auf den ersten Blick ein Zwilling des Vorjahres ist - wer NBA 2K9 kennt, der kennt NBA 2K10.
Die knifflige Defensive
Apropos Dribblings: Hier gibt es eine Vielzahl an eleganten Bewegungen, die man per gedrückter L2 und/oder R2-Taste über den linken Analogstick abrufen kann - egal ob Crossover, Spin, Half-Spin oder Hesitation Cross. Man kann die Ballhand wechseln, hinter den Rücken spielen, 180-Grad-Drehungen zeigen, antäuschen, verzögern und je nach Star noch individuelle Manöver zeigen. Das kleine Problem ist hier, dass die Steuerung das punktgenaue Bewegen des Analogsticks bedingt, der allerdings so vieles auslösen kann, dass sich Bewegungen überlagern oder falsch abgerufen werden.
Hinzu kommt, dass schon das einfache Positionieren des Ball führenden Spielers ohne Dribbling, viel zu schwammig ist: Wer seinen Point Guard in die schmale Dreierzone an der Seite manövrieren will, ohne ins Aus zu geraten, muss sehr viel Geduld aufbringen, denn die Spielfiguren neigen zu kleinen Automatismen - hier hätte man eine größere Toleranz einbauen sollen, damit man sich punktgenauer bewegen kann. Das gilt auch für einfache manuelle Pässe, die trotz deutlicher Analogstickvorgabe in komplett anderen Richtungen und damit im Turnover enden; gut, dass man hier das Icon-Passing über R1 nutzen kann.
Die Defensivproblematik wirkt sich nicht nur in Spielen gegen die KI aus, sondern noch stärker online: Selbst wenn man die Aggressivität in der Defense hoch schraubt und defensive Taktiken fährt, kann man diese unrealistisch einfachen Soli kaum verhindern. Man stellt die Wurfzone extra zu, aber die Power Forwards stürmen einfach rein. Manchmal kann man sie stellen und ein Offensiv-Foul über B provozieren, aber das gelingt zu selten. Vor allem die L2-Deckung erweist sich als zu zahm - es dauert viel zu lange, bis man den Ball führenden Spieler im Visier hat. Es gibt Online-Spieler, die mit einem einzigen schnellen Profi 90% ihrer Punkte machen - und das nervt, denn Basketball ist bei aller individueller Klasse ein taktischer Teamsport.
Online alles in Butter?
Schade ist auch, dass der Spielfluss offline nicht ganz sauber ist: Es kommt ab und zu kleineren Rucklern, die zwar nicht fatal sind, aber wahrnehmbar. Und das wirkt sich auch online aus, denn der solide Netzcode kann nicht verhindern, dass feine Manöver wie etwa Pump Fakes gar nicht mehr in Echtzeit aktiviert werden - das Antäuschen des Wurfes, das offline ohne Probleme über das Antippen der Wurftaste oder des Sticks eingeleitete wird, geht online komplett unter. Auch Pass-Finessen lassen sich aufgrund der leichten Verzögerung nicht so einfach umsetzen, so dass man sich online auf das Wesentliche und das Sichere konzentriert. Und das führt online zu reinem Sprint-Dunk-Basketball.
Eher spektakulär als taktisch
Sobald man ein Spiel startet, fühlt man sich in den NBA-Zirkus versetzt. Dazu tragen auch die individuellen Animationen der Stars bei, die sich vor allem bei den Dribblings, den Dunks und dem Aufposten zeigen. Gerade Letzteres bietet für den offensiven Mann, der sich in den Gegner reinlehnt, viele Möglichkeiten: Man kann seinen Wurf mit der rechten oder linken Schulter antäuschen, sich schnell drehen, kann ihn unterbrechen und je nach Situation einen distanzierten Hakenwurf wagen oder links oder rechts am Center vorbei zum Korb ziehen. Man kann nach einem Pump Fake auch direkt in einen Sprungschritt samt Drehung übergehen. Sehr schön ist, dass sich die Statur hier spürbar auswirkt - Leichtgewichte werden einfach mal weggeschoben. Hier klappt das Zusammenspiel aus offensiven und defensiven Möglichkeiten!
Der Soundtrack ist übrigens sehr gut, man kann zahlreiche Trainings absolvieren und wie jedes Jahr auch den Manager-Modus "The Association", NBA Blacktop, die separaten Play-Offs, eine Saison oder einzelne Situationen spielen. NBA-Fans dürfen sich zudem über aktuelle Spielergebnisse mit Statistiken sowie einen Live-Kader freuen, der ähnlich wie in FIFA 10 ständig aktualisiert wird - egal ob Werte, Verletzungen oder Transfers. Es fallen nur kleinere Macken in der Präsentation negativ auf: Manchmal verschwinden die Hosen der Profis, Zuschauerköpfe werden seltsam verunstaltet und manche Drehungen wirken in den Wiederholungen oder in der totalen Kamera vor Freiwürfen zu hölzern.
Fazit
Das ist die unterhaltsamste Karriere, die ich bisher in einem Sportspiel erlebt habe! Warum? Weil mir 2K Sports nicht nur das Gefühl gibt, dass ich mich als Nobody nach oben kämpfen kann, sondern weil sie mir auf dem Weg in die NBA reichlich Feedback geben - nicht nur direkte Plus- und Minus-Punkte je nach Pass, Position oder Lauf, sondern auch knallharte Kritik in Sprachausgabe nach jedem Match! Hier muss man Basketball als Teamsport verinnerlichen und seinen Profi wie in einem Rollenspiel aufwerten. Schade nur, dass man den Berater als schnöde Comicfigur darstellt und dass man die Feedback-Logik durch den Verzicht auf Belohnungen für erfolgreiche Körbe konterkariert - dadurch wird das Ganze unheimlich zäh. Abseits der neuen Karriere gibt es viel Licht, was die Animationen, die Online-Modi für alle Systeme sowie die lebendige Präsentation samt NBA-News angeht, aber auch Schatten. Obwohl alles elegant wie immer aussieht, gibt es sowohl auf PC als auch PS3 und 360 kleine Grafikbugs und Probleme mit der Bildwiederholrate - nichts Ernstes, aber spürbar. Schwerer wiegt, dass die defensiven Manöver vergleichsweise schwach sind, so dass die meisten Spiele zwar spektakuläre Sprint-und Dunk-Aktionen bieten, aber leider zu wenig Taktik im Aufbauspiel verlangen. Dieses Fehlen an Simulation im Spielaufbau ist auch online spürbar, wo der solide, aber nicht ganz saubere Netzcode einige Finessen verschluckt und zu ganz einfachen Sprint-Dunk-Zügen animiert. Unterm Strich bleibt ein ansehnliches, in der Karriere angenehm kreatives und gutes Offensiv-Basketballspiel!
Pro
- fernsehreife Präsentation mit NBA-Flair
- sehr guter Karrieremodus mit lebendigem Feedback
- gute Spielanalysen
- spektakuläre Offensivmanöver
- elegante Dribblings
- umfangreiche Steuerung
- klasse Möglichkeiten beim Aufposten
- Online-Modi für alle Plattformen
Kontra
- zähe Karriere mit Logikmacken
- zu schwache Defensiv-Manöver
- schwammige Positionierungen
- überfrachtete Analogstick-Steuerung
- wenig Aufbautaktik nötig
- einige ärgerliche KI-Fehler