Forza Motorsport 3 - Test, Rennspiel, 360

Forza Motorsport 3
23.10.2009, Michael Krosta

Test: Forza Motorsport 3

Als Forza Motorsport im Jahr 2005 mit Vollgas auf die Xbox raste, hat dem Newcomer niemand zugetraut, dass er es mit Sonys Vorzeigeserie Gran Turismo aufnehmen könnte. Doch selbst die größten Skeptiker mussten erkennen, dass die Entwickler ganze Arbeit geleistet haben. Während es GT-Schöpfer Kazunori Yamauchi bis heute nicht geschafft hat, einen vollwertigen Nachfolger zu Gran Turismo 4 abzuliefern und vermutlich erst Anfang 2010 zur Jungfernfahrt in GT5 einlädt, lässt Dan Greenawalt mit Forza 3 schon zum zweiten Mal auf der Xbox 360 die Motoren röhren. Beugt er sich dem Casual-Wahn oder bleibt er dem Simulationsanspruch treu?

Das Ziel der Entwickler: Autoliebhaber sollen zu Spielern und Spieler zu Autoliebhabern gemacht werden. Genau das hat Dan Greenawalt in Präsentationen immer wieder betont. Doch wie soll das funktionieren? Schließen sich Simulation und Zugänglichkeit nicht automatisch aus? Nein - zumindest nicht im Fall von Forza 3. Hier wird man schon nach dem Intro von einem sehr guten Sprecher gefragt, wie man sich als Fahrer sieht. Gelegenheitsfahrer? Rennfahrer? Oder sogar ehrgeiziger Rennfahrer? Entscheidet man sich für die erste Wahl, bekommt man im Einführungsrennen mit einem PS-starken Audi R8 so ziemlich alle Fahrhilfen zur Seite gestellt,



Gelegenheitsspieler & Sim-Freunde vereint

VIDEO: Forza 3 dreht sich nicht nur ums Rasen. Auch mit dem umfangreichen Setup, dem Drehen von Filmen und dem Erstellen prachtvoller Designs kann man viel Zeit verbringen - und sich einen Namen in der Community machen.die man sich vorstellen kann. Neben den üblichen Verdächtigen wie Traktions- und Stabilitätskontrolle sowie ABS, Automatikgetriebe und der von Forza ursprünglich eingeführten dynamischen Ideallinie geht man hier sogar so weit, dass automatisch vor Kurven gebremst wird. Tatsächlich kann man einzig mit dem Halten des rechten Triggers zum Gasgeben und ein wenig Lenkarbeit vernünftig seine Runden drehen, auch wenn man auf diese Weise niemals auch nur annähernd die Zeiten erreicht, die Profis mit Handschaltung und realistischen Einstellungen in den Asphalt brennen. Trotzdem bemerkenswert, dass man es auch Anfängern ermöglicht, sich wie ein Rennfahrer zu fühlen. Da man die Hilfen in den Optionen nach und nach wieder deaktivieren kann, wird man langsam in die Materie eingeführt und kann sich weiter entwickeln. Damit Fehler nicht ganz so weh tun, hat man die Augen außerdem auf SCAR sowie die letzten Codemasters-Racer gerichtet und die Rückspul-Funktion kopiert: Ein Druck auf die Back-Taste genügt, um alles ungeschehen zu machen - im Gegensatz zu den anderen Titeln darf man sogar beliebig oft auf diese übernatürliche Hilfe zurückgreifen. Profis rümpfen bei solchen Funktionen gerne die Nase, dürfen aber nicht vergessen, dass sie optional eingesetzt werden. Niemand zwingt einen dazu, obwohl die Verführung schon sehr groß ist, nach einem dummen Fehler - und im Grunde genommen sind sie ja alle irgendwie dumm - mal eben schnell die Zeit zurück zu spulen. Von daher wäre es auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad schön gewesen, die Funktion gleich in den Optionen deaktivieren zu können, um im Rennen nicht doch schwach zu werden. Auf der anderen Seite sorgt die kleine Zeitreise für frustfreie Fahrten. Wenn ich mich an Forza 2 zurück erinnere, wo ich mich kurz vor Schluss eines harten Rennens doch noch ins Kiesbett verabschiedet habe oder von der KI abgeschossen wurde, wären mir mit einer Rückspul-Möglichkeit viele Nervenzellen erhalten geblieben...

Die Befürchtung, dass dieser Schnickschnack den Simulationskern zerstören und die Serie mehr in Richtung Arcade abdriften könnte, ist unbegründet. Schaltet man erstmal alle Fahrhilfen aus, stellt man fest, dass hier trotz der gestiegenen Zugänglichkeit für Anfänger immer noch alles drin steckt, was ambitionierte Piloten von einer anspruchsvollen Simulation erwarten. Die Fahrphysik von Forza 3 ist traumhaft und stellt das Beste dar, was man auf den aktuellen Konsolen findet! Während die Kulissen in flüssigen 60 Bildern pro Sekunde am Auge vorbei flitzen, wird die Physik mit satten 360 Frames pro Sekunde berechnet. Das Ergebnis: Man spürt jede kleine Bodenwelle und vor allem in den speicherbaren und schön inszenierten Replays kann man wunderbar erkennen, wie präzise die Bewegungen des Fahrwerks und das Grip-Niveau der Reifen eingefangen werden. Den ultimativen Kick erlebt man mit dem neuen Porsche 911 Turbo S-Wheel von Fanatec: Im Gegensatz zu Microsofts Wireless Wheel ist hier nicht nur das Force Feedback stärker und intensiver, sondern man darf optional sogar mit Kupplung schalten und dabei entweder auf eine sequenzielle oder die H-Schaltung zurückgreifen. Mehr dazu in unserem Special. Hinter dem Steuer fühlt man regelrecht, wie man die Boliden ans Limit bewegt. Überschreitet man es, kann man die Folgen meist nachvollziehen - nur manchmal wirken die Autos etwas zu leicht und heben zu schnell ab. Wer mit einem Frontantriebler zu schnell unterwegs ist und die Kurve in Angriff nimmt, muss mit Untersteuern rechnen, weil das Fahrzeug über die Vorderachse schiebt und scheinbar nicht mehr lenken will. Umgekehrt bricht

Die Fahrphysik ist traumhaft: Dank einer genauen Berechnung spürt man jede kleine Unebenheit auf der Piste und fühlt, wie man sich immer näher ans Limit bewegt.
bei Heckschleudern schnell mal das Hinterteil weg, wenn man es übertreibt. Wer mit Monstern wie dem Bugatti Veyron oder selbst einer herrlich aus den Boxen dröhnenden Viper mit der Hälfte an Pferdestärken ohne Traktionskontrolle nicht den feinen Umgang mit Gas und Bremse beherrscht, wird sich ebenfalls schnell in der Leitplanke oder dem Kiesbett wiederfinden.

Vorbildliche Fahrphysik

Leider bekommt es auch Turn 10 noch nicht hin, ein wirklich realistisches Schadensmodell für die über 400 enthaltenen Fahrzeuge auf die Beine zu stellen. Zumindest geht man aber einen Schritt weiter als viele Konkurrenten und stellt nicht nur in einer Anzeige dar, welche Komponenten genau in Mitleidenschaft gezogen werden, sondern ermöglicht neben Kratzern auch viele abfallende Teile sowie Defekte bis hin zum Totalschaden. Dabei wirken sich die Schäden nicht nur auf die Fahrphysik, sondern sogar die Geräuschkulisse aus. Insgesamt sind die meist kernigen Motorenklänge genau so fantastisch wie die Soundeffekte bei Kollisionen. Nachdem es gekracht hat, merkt man eine Veränderung: Da knackt plötzlich das Getriebe, da schleift die Karosserie und da quält sich der Motor, überhaupt noch halbwegs rund zu laufen. Man kann die Beschädigungen also nicht nur fühlen und sehen, sondern auch deutlich hören! Neuerdings sind sogar Überschläge möglich, in denen man auch den Unterboden der aufwändig modellierten Flitzer mit ihren traumhaft schönen Spiegelungen bewundern darf. Schafft man es trotzdem noch, irgendwie an die Box zu kriechen, ist die Enttäuschung groß: Eine animierte Crew mit Mechanikern und Tankwart gibt es immer noch nicht - stattdessen deuten nur die Geräusche von Schlagbohrern an, dass an dem Wrack gearbeitet wird. Schade, denn durch den zuschaltbaren Reifenverschleiß und Benzinverbrauch ist ein Pitstop gerade in späteren Ausdauerrennen unumgänglich, auch wenn beides in den ersten Stunden aufgrund der kurzen Events überflüssig erscheint. Trotzdem: Warum diese lieblose Umsetzung? Auch die Tatsache, dass Schaden, Reifen und Benzin in den Optionen nicht wie bisher getrennt, sondern ab sofort unter einem Punkt in den Einstellungen zusammengefasst werden, stößt etwas sauer auf. Was ist z.B. mit Spielern, die zwar mit abbauendem Reifen-Grip kämpfen, aber nach einem Unfall keinen Kratzer an ihrer Nobelkarosse sehen wollen?       

Schadensmodell mit Tücken

Neben den beiden Außen-, einer Motorhauben- und Stoßstangenansicht hat man Forza zum ersten Mal auch eine Cockpitansicht spendiert. Dabei rückt man allerdings sehr nah an die Frontscheibe heran, was den Vorteil hat, dass man trotz modelliertem Innenraum noch sehr viel von der Strecke sieht. Der Nachteil ist jedoch, dass bei vielen Boliden wie etwa dem Audi R8 die Außenspiegel nicht mehr im Bildausschnitt sind und auch der Innenspiegel halb verdeckt wird. Zwar kann man sich mit dem rechten Analogstick umsehen, doch bleibt dafür im hektischen Renngeschehen meist nur wenig Zeit. Wer mit einem Lenkrad ausgestattet ist, muss auf diese Funktion sogar ganz verzichten. Obwohl die Cockpitansicht insgesamt gelungen ist und mit vielen Details in den Armaturen glänzt, kommt sie nicht an das Mittendrin-Gefühl von Need for Speed: Shift heran. Was fehlt, ist nicht unbedingt der Tunnelblick, sondern die Kopfbewegung des Fahrers auf die einwirkenden Kräfte. Außerdem scheinen auch die Autos etwas zu ruhig auf der Straße zu liegen, da sich Vibrationen und Bewegungen der Karosserie kaum bemerkbar machen. Folglich wirkt die Cockpit-Ansicht teilweise etwas zu ruhig und ich hätte mir manchmal etwas mehr Wackel-Einlagen gewünscht. Im Idealfall wäre es auch von Vorteil gewesen, die Sitzposition selbst bestimmen zu können, wie es bei den meisten PC-Simulationen der Fall ist. So hätte man selbst entscheiden können, wie wichtig einem der Blick auf die Spiegel innerhalb des Cockpits ist. Etwas ärgerlich ist, dass man bei vielen Automodellen die britische Version mit einem Rechtslenker vor die Nase gesetzt bekommt - und das sogar bei Herstellern, bei denen

Endlich verfügt auch die Forza-Serie über modellierte Innenräume und eine Cockpitperspektive!
man es nicht erwartet. Warum muss ich z.B. beim neuen VW Scirocco als Fahrer rechts Platz nehmen? Das erwartet mich u.a. auch in einem Ford Fiesta... Was soll das und warum kann ich mich nicht einfach selbst entscheiden, welches Modell ich bevorzuge?

Ab ins Cockpit

Davon abgesehen kann der Fuhrpark aber auf ganzer Linie überzeugen: Namhafte Hersteller aus der ganzen Welt wie Audi, Subaru, BMW, Ferrari, Porsche, Maserati, Mercedes, Toyota und Chevrolet bieten eine breite Palette an Modellen an, die vom einfachen Serienwagen wie dem Peugeot 207 bis hin zu Rennmaschinen wie dem Toyota GT-One reichen. Außerdem ist es immer wieder schön zu sehen, dass Turn 10 sowohl Exoten wie etwa den VW Corrado VR6 als auch Oldtimer wie den Jaguar E-Type aus dem Jahr 1961 berücksichtigt. Schade ist, dass sich zwar Offroad-taugliche Boliden wie der BMW X5 oder Mercedes ML 63 im Sortiment befinden, aber sich die Fahrbahnen ausschließlich auf Asphalt-Pisten beschränken. Warum nicht mal ein kleiner Abstecher ins schroffe Gelände, wie es auch Gran Turismo 5 mit seiner WRC-Lizenz bieten wird? Wie aus den Vorgängern bekannt, werden die Fahrzeuge auch hier in Klassen von F bis R1 eingeteilt und mit einem so genannten Leistungsindex versehen, um auch Unterschiede innerhalb einer Klasse zu verdeutlichen.

Riesiger Fuhrpark

Aufstiegsmöglichkeiten gibt es immer, denn spendiert man seinem fahrbaren Untersatz erst mal ein paar Upgrades, wird aus der lahmen F-Gurke schon mal ein flotter S-Flitzer, wenn man das nötige Kleingeld hat. Es ist schon ein tolles Gefühl zu sehen, wie in einem aufgepimpten Einser Golf GTI die Porsches und Ferraris im Rückspiegel immer kleiner werden. Dabei bietet Forza wie schon in der Vergangenheit alle erdenklichen Möglichkeiten, um Tuner-Träume wahr werden zu lassen: Angefangen bei Teilen für den Motor wie Nockenwellen, Turbolader, Luftfilter oder Kompressor über diverse Fahrwerks- und Getriebeoptimierungen bis hin zur Gewichtsreduzierung, besseren Reifen und einer starken Bremsanlage bleiben für den Autonarr keine Wünsche offen. Der Umbau-Wahnsinn geht sogar so weit, dass man komplette

Gerade bei den späteren PS-Monstern ist das richtige Setup und viel Feingefühl Gold wert, wenn man bei der enormen Leistung unter der Haube nicht die Kontrolle verlieren will.
Motoren oder den Antrieb auswechseln kann. So wird aus dem Serien-Herz einfach mal ein V6 und der Fronantrieb zum Allrad. Dazu gesellen sich auch Dinge wie ein Überrollkäfig zur Versteifung der Karosserie sowie eine ordentliche Auspuffanlage, Hubraumvergrößerungen oder Sport- und Renn-Aufrüstungen für Kupplung und Schwungscheibe. Doch was machen diejenigen, die keinen Plan davon haben, wie man ein Auto sinnvoll aufrüstet? Die ganze Kohle nur in Leistung zu investieren ist z.B. nicht gerade die beste Idee, wenn man dafür am Fahrwerk spart und sich die Karre dadurch kaum noch kontrollieren lässt. Wer trotz guter Texterklärungen etwas hilflos vor der riesigen Auswahl an Tuningteilen steht, bekommt Unterstützung in Form einer neuen Auto-Tuning-Funktion. Dabei werden automatisch die idealen Teile zusammen gestellt, die dem aktuellen Budget oder den Anforderungen der Veranstaltung entsprechen. Alternativ wählt man eine Wunschklasse und das Programm prüft automatisch, was machbar ist. So spart man eine Menge Zeit und bekommt trotzdem einen ordentlichen Leistungsschub. Beim Setup ist man dagegen wieder ganz auf sich alleine gestellt und muss selbst entscheiden, wie hoch z.B. der Reifendruck oder wie die Getriebeübersetzung, der Abtrieb oder das Differenzial eingestellt sein soll. Auch beim Fahrwerk spielen die optimalen Werte für Federn, Stoßdämpfer oder den Radsturz eine entscheidende Rolle. Da die Einstellungen in kleinen Schritten erfolgen, sind feine Nuancen beim Setup möglich. Die Folgen des Rumschraubens können sowohl in Testfahrten ausprobiert als auch auf dem Prüfstand berechnet werden. Auf Knopfdruck lässt sich außerdem jederzeit im Rennen eine Echtzeit-Telemetrie hinzu schalten, bei der man u.a. sieht, wie die Kräfte auf die Reifen wirken. Selbstverständlich lassen sich mehrere Einstellungen speichern und neuerdings sogar mit anderen Usern über Xbox Live tauschen bzw. gegen Credits verkaufen.     

Ein Traum für Tuner

Mit dem reinen Leistungs-Tuning ist das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, denn wie in der Vergangenheit darf auch das Aussehen der Wagen ordentlich aufpoliert werden. Dazu stehen im Shop neben Bodykits, Spoilern und Seitenschwellern auch massig lizenzierte Felgen von BBS & Co zur Auswahl. Die meiste Zeit werden Kreative aber sicher wieder im Vinyl-Editor verbringen, in dem man bis zu 1000 Schichten auf der Karosserie anbringen und so kleine Kunstwerke erschaffen kann. Daneben steht bereits eine Vielzahl an vorgefertigten Logos, Mustern und Aufklebern zur Verfügung, mit der man sich auch ohne viel Arbeit schicke Motive zusammenstellen kann. Wie gehabt kann man seine Designs entweder separat oder gleich mit dem Auto im Shop zum Verkauf anbieten und dabei den Preis selbst bestimmen. Alternativ hat auch das Auktionshaus wieder geöffnet, in dem man seine veredelten Boliden nach eBay-Vorbild versteigert. Gezahlt wird auch hier ausschließlich mit der Spielwährung - eine optionale Abzocke im Stil von Need for Speed gegen echtes Geld gibt es hier (noch) nicht. Neu ist die Möglichkeit, sich auch als Regisseur zu versuchen: Zwar darf man ohnehin sämtliche Replays speichern und neben Fotos online stellen, doch jetzt sind auch eigene Choreographien erlaubt, mit denen man die Rennen quasi inszenieren kann. Eine schöne Erweiterung, die den Community-Ansatz noch weiter ausbaut, zumal man sämtliche Inhalte vom Setup bis zum Design bewerten darf. Durch Sortierungs-Optionen findet man dadurch leicht die Höhepunkte in der Masse an verfügbaren Downloads.

Künstler gesucht

Der Karrieremodus von Forza war bisher relativ trocken. Eine Aneinanderreihung von Veranstaltungen, die man z.T. erst in Angriff nehmen durfte, wenn man einen bestimmten Fahrerrang erreicht hat, im Besitz eines bestimmten Autos oder einer Wagenklasse war. Wer es vorzieht, kann immer noch nach diesem alten System vorgehen und sich auf einen Blick alle Events zeigen lassen, die das Spiel zu bieten hat. Wer die Karriere etwas anders und für mein Empfinden komfortabler angehen will, sollte dagegen den neuen Saisonmodus ausprobieren. Neben einer Serie, die sich über mehrere Wochenenden zieht, bekommt man zwischendurch immer drei Wettbewerbe zur Auswahl. Einer davon wird in Bezug auf den aktuellen Wagen ausgewählt. Die beiden anderen beinhalten entweder eine neue Strecke oder setzen einen Wechsel in ein anderes Auto voraus, das sich allerdings schon im eigenen Fuhrpark befindet. Man bekommt also automatisch eine schöne Auswahl präsentiert, ohne sich lange durch die etwas unüberschaubare Liste an Veranstaltungen

Die KI ist zwar immer noch fordernd, aber nicht mehr ganz so stark wie im Vorgänger.
wühlen zu müssen. Am Aufstiegs- und Rangsystem von Fahrer und Wagen hat sich nichts geändert: Je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad und Fahrhilfen steigt man mehr oder weniger schnell in bis zu 50 Rängen auf und bekommt dadurch nicht nur nette Geschenke in Form neuer Autos, sondern schaltet auch weitere Wettbewerbe frei. Daneben kann jeder einzelne Bolide bis zu fünf Stufen erreichen, wenn man oft genug mit ihm unterwegs ist. Hier winken vor allem Rabatte beim Zubehör- und Autokauf. Insgesamt wird die Karriere mit dem Saisonmodus und neuen Events wie dem Drag-Racing auf einer langen Gerade merklich aufgelockert, ist aber dennoch relativ spröde und beschränkt sich gerade am Anfang auf ein kurzes Rennen nach dem anderen. Siegerehrungen vermisst man genau so wie die Möglichkeit, auch mal ein komplettes Wochenende mit Trainings- und Qualifying-Sessions in Angriff zu nehmen. Leider ist das auch im Modus "Freies Spiel" nicht möglich, der seinem Namen keine Ehre macht, denn es gibt Beschränkungen, so weit das Auge reicht: Man darf hier weder die Anzahl der Runden, noch die KI-Schwierigkeit oder das volle Schadensmodell einstellen. Somit ist es nicht mehr als das, was im Vorgänger der Arcade-Modus war. Daneben stehen auch Zeitrennen zur Verfügung, in denen man an seiner Rundenzeit feilt. Doch was macht man, wenn man ein Rennen außerhalb der Karriere mit eigenen Regeln und vollem Schadensmodell aufsetzen will? Hier hilft wie schon beim Vorgänger nur eines: Der Umweg über den Mehrspielermodus!   



Saisonbetrieb

Denn hier lassen sich Rundenanzahl, Schaden, KI-Level und Beschränkungen hinsichtlich Wagenklassen und Fahrhilfen nach Belieben festlegen. Will man nicht online rasen, legt man einfach ein privates Spiel an und füllt das Feld von bis zu acht Teilnehmern einfach mit KI-Fahrern auf. Die Rückspulfunktion steht hier allerdings nicht zur Verfügung, doch diesen Verlust kann man verschmerzen. Dafür hat man die Wahl zwischen vielen Rennvariationen, die z.T. nur hier zur Verfügung stehen. Da wären z.B. Drift-Rennen, in denen das stilvolle Rutschen durch die Kurven der Schlüssel zum Sieg ist. Oder die Ausscheidungs-Events, in denen die Letztplatzierten nach und nach rausgeworfen werden. Auch mit dabei: Katz und Maus, das man schon von der PGR-Serie kennt. Im Mittelpunkt steht aber nach wie vor das normale Rennen, das über Xbox Live aber schon bei nur einem Gegner teilweise mit üblen Lags zu kämpfen hat. Ungewöhnlich, da der Vorgänger über einen besseren Netzcode verfügt hat. Ein Unding ist zudem das Lobby-System: Während man im Vorgänger noch aus einer Liste an öffentlichen Sessions auswählen konnte, wird man hier einfach automatisch einem offenen Spiel zugeteilt - oder muss selbst eine Partie aufsetzen. Dabei werden Strecken, Rundenzahl und sogar die Fahrzeugklasse vorgegeben und können nicht mehr geändert werden. Zumindest gibt es die Möglichkeit, darüber abzustimmen, ob der aktuelle Kurs übersprungen werden soll. Trotzdem würde ich Turn 10 am liebsten die schwarze Flagge aufgrund der wenigen Einflussmöglichkeiten bei der Erstellung öffentlicher Lobbys zeigen. Die bekommt man erst, wenn man ein privates Spiel anlegt. Hier geht man sogar so weit, z.B. die Cockpitansicht oder eine manuelle Schaltung zu erzwingen oder die Fahrzeuge bis auf bestimmtes Modell oder einen Hersteller einzuschränken. Problem: Private Spiele sind tatsächlich privat und stehen lediglich Freunden offen oder Spielern, die man persönlich einlädt. Warum hat man nicht einfach eine Option eingebaut, mit der man die Session als öffentlich oder privat markiert?

Online-Probleme

Leider gibt es weder in der Karriere noch in Onlinerennen ein effektives Strafsystem, so dass unfaire Rempelattacken ohne Folgen bleiben und folglich meist auf der Tagesordnung stehen. Selbst Abkürzen ist möglich, doch wird man zumindest relativ schnell ausgebremst, wenn es zu weit neben die Strecke geht. Dabei erweisen sich nicht nur Online-Fahrer, sondern ab und zu auch die KI-Konkurrenten als Pistensäue. Insgesamt haben sie jedoch im Vergleich zum Vorgänger etwas an Biss verloren und es wirkt manchmal so, als würde selbst auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad noch ein leichter Gummiband-Effekt greifen, durch den man nie den Anschluss ans Feld verliert. Vielleicht wäre es angebracht gewesen, mehr als nur drei KI-Stufen anzubieten. Auf jeden Fall waren die Duelle im Vorgänger fordernder und dadurch auch etwas spannender als hier. Zum Glück ist man aber nicht nur auf die Internetleitung oder Solo-Events angewiesen, sondern darf auch im Splitscreen mit einem Kumpel um die Wette rasen. Wer sich allerdings auf System Link-Rennen freut, wird enttäuscht, denn im Gegensatz zum Vorgänger wurde diese Option unverständlicherweise gestrichen. Auch die Auto-Clubs des ersten Teils, mit denen man schnell eigene Automobil-Clans gründen konnte, fehlen erneut. Ohne die Möglichkeit zur System Link-Verbindung wird die Xbox Live-Goldmitgliedschaft Pflicht, wenn man gegen mehr als einen menschlichen Gegner antreten will. Zumindest reicht Silber, wenn man sich noch einige Bonus-Autos und Strecken sichern will, die man sich einmalig über den enthaltenen Download-Code auf die Festplatte ziehen kann. Dort sollte man auch besser das komplette Spiel installieren, um die sonst nervigen Ladezeiten vor jedem Rennen merklich zu verkürzen. So lädt die Strecke Le Mans ohne Installation etwa 50 Sekunden. Sind die Daten auf der Festplatte, verkürzt sich die Wartezeit auf ca. 32 Sekunden, was immer noch relativ lang ist. Wer das volle Spiel genießen will, kommt um eine kleine Installation ohnehin nicht rum: Scheinbar war die DVD so voll, dass man einige Strecken und Fahrzeuge noch auf eine zweite Disk auslagern musste - darunter befindet sich u.a. die Nordschleife des Nürburgrings.

Die deutschen Autobauer sind mit vielen Modellen von BMW, Audi, VW, Mercedes, Opel und Porsche sehr gut vertreten.
Zwar kann man die Karriere auch ohne diese Installation angehen, aber die zwei Gigabyte sollten es einem schon allein deshalb wert sein, um durch die grüne Hölle zu preschen. Bleibt nur die Frage, was Besitzer einer Arcade-Konsole ohne Festplatte machen...



Keine Strafzettel

Dabei sehen die Kulissen dank der neuen Grafikengine deutlich besser aus als noch im Vorgänger und bieten mehr Details sowie aufgepeppte Licht- und Wassereffekte. Ein paar Kratzer bekommt das Bild allerdings aufgrund der deutlichen Kantenbildung, die selbst unter 1080p noch vornehmlich an Leitplanken aber auch an den schick modellierten Autos zum Vorschein kommt. Außerdem hat man es immer noch nicht geschafft, unterschiedliche Witterungsbedingungen oder Tageszeiten zu integrieren. Da steht neben Klassikern wie Suzuka, Mugello, Sebring, Road America und einigen fiktiven Kursen auch Le Mans zur Auswahl - und es gibt keine Möglichkeit, das berühmte 24h-Rennen mit einem dynamischen Tag-/Nachtwechsel zu fahren - schade. Hier ist man am PC immer noch deutlich weiter! Hinzu kommt, dass man viele Pisten schon aus den beiden Vorgängern kennt, doch durch die optische Aufwertung und viele weitere Strecken fällt das Recycling nicht so schwer ins Gewicht. Wer zuletzt NfS Shift oder Colin McRae: Dirt 2 in Aktion gesehen hat, wird beim Anblick von Forza 3 allerdings nicht vom Hocker fallen, denn dafür wirken die Kulissen über weite Strecken noch zu steril. Der Fortschritt im direkten Vergleich zum Vorgänger springt jedoch sofort ins Auge.         

Aufgepeppte Engine

Fazit

Mit Forza 3 wollte Turn 10 nach eigenen Aussagen das ultimative Rennspiel dieser Generation erschaffen - und das systemübergreifend! Hätte man dabei den PC außen vor gelassen, würde ich sofort zustimmen: Forza 3 ist die beste Rennsimulation, die man derzeit auf einer Konsole finden kann! Das Fahrgefühl ist vor allem mit dem Fanatec-Lenkrad fantastisch und stellt alles in den Schatten, was man bisher erlebt hat. Der Umfang? Überwältigend! Mit einer derart großen Auswahl an aufwändig nachmodellierten Boliden und zig Strecken kommt trotz des etwas drögen, aber verbesserten Karrieremodus so schnell keine Langeweile auf. Nicht zu vergessen die umfangreichen Tuning- und Setupfunktionen sowie Community-Features, die kaum Wünsche offen lassen. Doch gerade im Vergleich zu PC-Simulationen vom Schlag eines GTR2 merkt man, dass bis zur perfekten Rennsimulation noch Luft nach oben ist. Neben unterschiedlichen Witterungsbedingungen sowie Nachtfahrten will ich auch ein komplettes Rennwochenende mit Training und Qualifying - wie es sich gehört! Und Boxenstopps ohne Crew? Das geht heutzutage gar nicht mehr! Dafür schafft Forza 3 einen Spagat, der PC-Simulationen meist nicht gelingt: Es ist mit zig Fahrhilfen und Rückspulfunktion auf der einen Seite enorm zugänglich, gleichzeitig aber auch eine anspruchsvolle Simulation für Profis, obwohl die KI im Vergleich zum Vorgänger etwas nachgelassen hat. Unverständlich ist für mich, warum der Netzcode nicht mehr so stabil läuft und es deshalb zu starken Lags kommt, die mir momentan den Spaß an Onlinerennen neben straffreien Rempeleien der Pisten-Rambos und dem grenzwertigen Lobbysystem noch vermiesen. Trotzdem: Forza 3 ist momentan das Maß der Dinge im Konsolen-Motorsport! Bleibt abzuwarten, wie Yamauchi-san im nächsten Jahr mit Gran Turismo 5 antworten wird...


Zum Porsche 911-Lenkrad-Test

Zum Interview mit Game Director Dan Greenawalt

Pro

  • hervorragende Fahrphysik
  • großer Lizenz-Fuhrpark
  • viele Strecken (lizenziert & fiktiv)
  • (optionaler) Reifenverschleiß
  • (optionaler) Benzinverbrauch
  • volles Schadensmodell...
  • Cockpitansicht...
  • massig zuschaltbare Fahrhilfen
  • überzeugendes Force Feedback
  • flüssige Darstellung (60 Bilder/Sekunde)
  • viele Tuning-Upgrades
  • optionale Hilfe beim Aufmotzen
  • viele Setup-Möglichkeiten
  • Fein-Einstellungen für Steuerung
  • Online-Auktionen
  • Tauschen / Verkaufen von Setups & Wagen
  • neuer Karrieremodus (Saison)
  • Erstellen & Teilen eigener Designs möglich
  • Erstellen & Teilen eigener Filme
  • sehr viele Veranstaltungen
  • insgesamt gute KI
  • One Button-Driving für Anfänger
  • Splitscreen-Modus
  • viele Einstellungen für Online-Lobby
  • kernige Motorenklänge und Soundeffekte
  • (optionale) Rückspulfunktion
  • Kupplung & H-Schaltung (6 Gänge) wird unterstützt
  • (gewertete) Onlinerennen für bis zu acht Fahrer
  • starke Community-Features
  • Echtzeit-Telemetrie zuschaltbar
  • diverse Online-Spielmodi (Drift, Ausscheidung etc.)

Kontra

  • keine verschiedenen Witterungsbedingungen
  • keine Nachtrennen
  • viele Einschränkungen bei "Freies Spiel"
  • kein komplettes Rennwochenende (Training, Quali)
  • lange Ladezeiten (ohne Installation)
  • ...das aber immer noch nicht realistisch ist
  • ...mit Spiegelproblemen
  • Reifen, Benzin und Schaden nicht mehr getrennt einstellbar
  • zu viele japanische / britische Modellausführungen (Lenkrad rechts)
  • KI nicht mehr ganz so bissig wie im Vorgänger
  • relativ sterile Kulissen
  • kein Strafsystem
  • z.T. krasse Online-Lags
  • kein System Link
  • keine öffentliche Lobby-Liste

Wertung

360

Forza 3 ist die beste Rennsimulation, die man derzeit auf einer Konsole finden kann!