Dragon Age: Origins - Test, Rollenspiel, 360, PC, PlayStation3
Das war ein süßer Schmerz. Denn schon mit dem ersten Tropfen Blut mischte sich die Hoffnung auf ein düsteres Epos. Immerhin gibt es nach so vielen Jahren endlich wieder Fantasy von BioWare! Und das, nachdem die Genre-Lady so viele jahre mit so viel Kloppmist vergewaltigt wurde: Dungeon Lords, Dungeon Siege, Dungeon Dreck. Und vor allem gibt es endlich wieder eine Party! Man war in letzter Zeit so oft alleine unterwegs, dass man sich die Zeiten à la Wizardry regelrecht zurückgesehnt hat - lediglich auf dem DS konnte man dem kollektiven Gruppenfetisch u.a. in Etrian Odyssey frönen. Also: Das kann doch nur grandios werden, oder? Okay, eine kleine Warnung für übereifrige Allesbesteller: Den kürzlich erschienenen Roman "Der gestohlene Thron " von David Gaider sollte man möglichst nicht lesen, wenn man sich erzählerisch einstimmen will. Schrecklich, wirklich ganz schrecklich. Er führt zwar in die Vorgeschichte Fereldens sowie die königlichen Hintergründe ein, aber er ist so inkonsequent übersetzt und schlecht geschrieben, dass die "Vergessenen Welten" von R.A. Salvatore dagegen wie Weltliteratur glänzen. Ich wollte eigentlich eine Rezension anbieten, aber unser Format heißt "Buchtipp für Gamer". Dass weitere Bände angekündigt sind, sorgt umgehend für Fluchtreflexe...
Blutrote Hoffnung
Und natürlich ist man auch darüber hinaus ganz en vogue mit Fallout 3 & Co: Satte zwei Jahre will man die Lebenszeit der Welt mit Zusatzinhalten vom Item über Quests und Erweiterungen verlängern. Wenn die Qualität des Hauptspiels stimmt, dann ist dagegen auch nichts einzuwenden. Dazu kann dann auch die Community beitragen, denn es wird einen mächtigen Editor geben, mit dem man à la Neverwinter Nights eigene Abenteuer kreieren kann. Dieses Tool sorgte damals schon für einige erstklassige Module abseits des Hauptspiels und dürfte private Dungeon Master zum fleißigen Basteln animieren.
Die Spannung steigt, die Hoffnung bleibt und alle Welt ist neugierig. Ist das wirklich der geistige Nachfolger von Baldur's Gate, der ohne D&D-Lizenz und mit eigenem Regelwerk punkten kann? Wird das ein hochprozentiger Rollenspielwinter? Da wir aufgrund eines Embargos von Electronic Arts theoretisch erst am kommenden Dienstag den Test plus Wertung anbieten dürften, haben wir uns gedacht, dass wir ihn aufteilen: Heute gibt es den ersten Teil, der sich vor allem auf die PC-Version konzentriert; am Montag den zweiten Teil, der die Unterschiede der Konsolen samt Videovergleichen bespricht; am Dienstag servieren wir schließlich Pros, Kontras, Fazit und natürlich die Wertung. Also hinfort mit Roman, Pen&Paper, Terminkrims und Browserkrams, auf nach Ferelden!
Der süße Schmerz ist wieder da. Diesmal ist es die Qual der Wahl. Wann konnte man das letzte Mal sechs Einstiege spielen? Und dazu welche, die sofort Emotionen wecken - denn egal, für welche Rolle ich mich entscheide: Die Kanadier appellieren von Anfang an sehr geschickt an Gewissen und Moral. Als kastenloser Zwerg wird man damit konfrontiert, dass die eigene Schwester anschaffen gehen soll; als junger Magier damit, dass man nach erfolgloser Prüfung mal eben exekutiert wird. Da macht man sich Gedanken, da beginnt das Rollenspiel, denn es geht dramatisch zur Sache. Ich kann mir aussuchen, wer ich sein will und die Spielwelt reagiert darauf - sehr schön! Weniger Euphorie löst schon in diesen Einstiegen die veraltete Kulisse aus, denn die Figuren agieren vor schwachen Hintergründen, Rüstungen und vor allem Waffen wirken wie LARP-Prügel und damit nicht plastisch genug, man beobachtet hier und da Clippingfehler wie Arme, die plötzlich in Beinen verschwinden. Sind da tatsächlich die Entwickler am Werk, die mit Jade Empire so ein exotisches Gemälde zauberten und mit Mass Effect 2 bisher so überzeugen? Oder kann die Grafik später noch auftrumpfen? Und falls nicht: Reichen die inneren Werte, um das auszugleichen?
Das Rollenspiel beginnt
Adel oder Abschaum
Später löst diese Herkunft genau so viele Reaktionen hervor wie das eigene Geschlecht - ich werde als Elf angepöbelt, als Frau angemacht, als Magier angefeindet. Man wird herum geschubst oder verflucht. Und in einer Szene müssen Zwerge, ich spiel sie ja so gerne die Durins, Dvalins und Regins, besonders stark sein. Da sagt so ein Rotzlöffel von Menschenjunge doch in etwa: "Mama, wer ist das da? Ich erkenne ihn so schlecht..."
Man kann den Bengel übrigens auf verschiedene Arten töten, was ich BioWare ganz hoch anrechne - das dürfte auch in Australien keinen Ärger geben, denn er ist im strengen Sinne kein Zivilist. Auch innerhalb der Gruppe gibt es Reibereien: Zu Beginn ist man noch alleine unterwegs, aber es gesellen sich im Laufe des Abenteuers bis zu neun skurrile Gefährten mit Vorlieben und Abneigungen hinzu, von denen man drei mitnehmen kann. Und diese Gefährten haben es in sich: BioWare hat nicht nur unheimlich gute Biografien erstellt, sondern hervorragende Dialoge - ein Gespräch im Spiel ist schon wesentlich unterhaltsamer als hundert Seiten im oben erwähnten Buch (dann reichen rein mathematisch übrigens fünf Gespräche in Dragon Age, um der gedruckten Literatur von Panini Paroli zu bieten). Ach ja: Wer sich als Waldläufer spezialisiert, kann auch wilde Tiere herbei rufen.
Erwachsene Fantasy
Schon The Witcher hat mich sehr gut unterhalten, weil es sich zwar bekannter Traditionen bediente, aber die Welt erwachsener und kerniger darstellte. Auch in Ferelden herrschen Verrat und Intrigen, es gibt Ghettos und soziale Konflikte, Homos und Heteros, Liebe und Sex, hier rollen Köpfe und vor allen Dingen spritzt Blut. Der rote Lebenssaft fließt wie ein Leitmotiv durch dieses Dragon Age. Was zu Beginn noch etwas aufgesetzt, ja fast albern wirkt, wenn Helden von Kopf bis Fuß besprenkelt werden, sorgt später nach langen Kämpfen für martialische Freude im Abschluss. Wenn drei von vier Gefährten gefallen sind, wenn man zwanzig Feinde bis auf einen unter Nutzung aller Heiltränke, Zauber und Bomben endlich aufgerieben hat, dann denkt man sich nur noch: Zieh deinen Bidenhänder durch, Sten - ich will die Klinge schmatzen hören! Wer die Flecken auf Rüstung und Gesicht nicht mag, kann das ja auch abschalten. Aber dann kann der treue Kampfhund das Blut wiederum nicht ablecken...
Distanzierter Einstieg
Warum? Ich wurde an enger Leine geführt, die Kämpfe waren zu einfach, es gab unsichtbare Grenzen statt freier Welt, die Kulisse enttäuschte selbst in diesen kleinen Bereichen mit ihrer kargen Landschaft und den matschigen Texturen, es gab harte Brüche zwischen konturlosen Waffen und ausdrucksstarker Mimik. Im Auswahlmenü sehen die Gefährten in ihrem Leder, den Kettenrüstungen und Umhängen noch klasse aus, aber in der Spielwelt bewegen sie sich auch später über konturlose Böden und statisches Gras. Wer à la The Elder Scrolls IV: Oblivion in tiefe Wälder oder à la Risen in exotische Landschaften abtauchen will, liegt hier falsch. Das ist keine offene Welt, das ist kein Fantasytourismus mit Sightseeing. Die Technik der Eclipse-Engine ist trotz der modularen Gebiete alles andere als begeisternd und bietet selbst in ihren besten Momenten höchstens so solide Ausblicke wie in einem gewöhnlichen Online-Rollenspiel auf mittleren Details. Ist es komisch oder ein Armutszeugnis, dass die netzgebundenen Guild Wars und Aions deutlich besser aussehen als ihre Offline-Brüder?
Eine spröde Schönheit?
Auch die Kulisse kann mit der Zeit ein paar Punkte aufholen, wenn es in die Räume geht. Die Architektur der Häuser, Tempel und Burgen ist ebenso überzeugend wie das malerische Interieur: Die Grafiker haben sich viel Mühe gegeben, die Kammern und Hallen individuell auszustatten, man sieht Gemälde und Holzschnitzereien, wüste Bücherregale und freut sich über sanftes Licht, das Tunnel erhellt. Es gibt also auch stimmungsvolle Abschnitte; zudem sieht alles etwas idyllischer, fast schon brettspielschön aus, wenn man nicht aus der Schulter-, sondern der entfernten Vogel-Perspektive spielt. Obwohl sich Bilder und Figuren in Innenräumen auch etwas zu oft wiederholen, obwohl man nie in wirkliche belebte Städte kommt, ist es ist letztlich doch die Vielfalt, die die Illusion einer lebendigen Spielwelt aufrecht erhält: Man trifft auf Kinder, Erwachsene und alte Menschen, auf Männer und Frauen, auf Hübsche und Hässliche, die alle sehr natürlich wirken. Ja, es gibt auch Klone unter den Nebenfiguren, aber unterm Strich verhältnismäßig wenige.
Mythologie braucht Genealogie, Götter, Herkunftslegenden und urtümliche Schlachten. Und Ferelden bekommt eine glaubwürdige Historie dank kleiner Anekdoten, Legenden und Ereignisse. Wer sich die Mühe macht und die vielen Briefe, Gedichte und Lexikoneinträge liest, der wird nicht nur mehr über die Hintergründe erfahren, sondern auch auf versteckte Quests treffen: Man findet einen Fetzen Papier bei einem Toten. Da ist mal von mysteriöser Asche oder dann von einem roten Kästchen die Rede, das sich im Magierturm verbergen und an eine Adresse in die Hauptstadt gebracht werden soll - wenn man dann ankommt, muss man sie einer "dunklen Gestalt" durch einen Schlitz überreichen. Wer das wohl war? Danach hat man jedenfalls ein ungutes Gefühl. Da finden sich schlüpfrige Liebesbriefe, für die sich ein Wirt interessiert, da schnappt man etwas über eine Schatzkiste auf, die sich nur öffnet, wenn man vorher jeweils das Wertloseste aus drei anderen Kisten stiehlt.
Mehr Martin als Tolkien
Erfreulich ist wiederum, dass man sich im weiteren Spielverlauf immer mehr von Tolkien lösen kann. Es ist letztlich viel weniger der Gelehrte aus Oxford, sondern der Schriftsteller aus Santa Fe, dessen Einflüsse innerhalb der Story deutlich werden: Die politischen Konflikte und Intrigen erinnern genau so angenehm an G.R.R. Martins Romanreihe "Das Lied von Feuer und Eis" wie das plötzliche Sterben von Protagonisten - das wird so drastisch inszeniert, dass man regelrecht schockiert ist. Man muss natürlich auf dem Teppich bleiben: Zwar kann die Erzählstruktur in ihrer Komplexität nicht mit den Rosenkriegen oder Ähnlichem mithalten, aber die Verknüpfung von alltäglichen Missionen und hoher Politik ist sehr gelungen. Wenn man mit seinen Gefährten an bestimmte Schlüsselpunkte gelangt, zeigen kleine Filme, was gerade auf der königlichen Bühne geschieht, dass einem Meuchelmörder auf den Hals gehetzt werden oder welche Gebiete die dunkle Brut erobert hat - man hat das angenehme Gefühl, dass sich alles bewegt und zuspitzt, dass man beobachtet und verfolgt wird. Erinnert sich jemand an die Überfälle in Baldur's Gate? Genau das gibt es hier auch. Dragon Age ist also nicht nur eine spröde und spät zündende, sondern auch eine üppige Schönheit mit so vielen inneren Werten, dass eine konturlose Wand hier oder eine Abkupferung da irgendwann als ärgerliche Kleinigkeiten verpuffen. Denn das Spiel selbst ist in einigen anderen Bereichen grandios.
Verloren in Ferelden
Aber das ist leichter gesagt als getan, denn nicht nur innerhalb der menschlichen Fraktionen herrscht Zwist - die Elfen haben Probleme mit Werwölfen, die Zwerge streiten um die Thronfolge und die Magier sind nicht mehr Herr im eigenen Turm. Wohin soll ich als Erstes gehen? Nach Redcliffe, um Arl Eamon zu überzeugen? Zum Turm, wo es angeblich ein Massaker gab? Egal für welche Seite man sich entscheidet: Es wird anspruchsvoll, dramatisch und knifflig. Man gelangt an Wendepunkte, die der Party und dem eigenen Gewissen alles abverlangen. Und man hat das schöne Gefühl, dass man nicht gehetzt wird, sondern im Zweifelsfall erstmal fünf Dämonen gerade sein lassen kann, um sich leichteren Aufgaben wie vermissten Verwandten, marodierenden Söldnern oder lukrativen Drogendeals mit dem magischen Stoff Lyrium zu widmen.
Rüstungs-Sets und Waffenboni
Der Rücken knarzt. Die Familie flucht. Die Texturen sind vergessen. Und dieses Abenteuer saugt weiter so gnadenlos an meiner Lebenszeit, dass mich der goldene Herbst da draußen nicht interessiert. Nur das virtuelle Ferelden zieht mich magisch an, lässt mich immer wieder nachladen, klicken, kämpfen, reden, rauben, retten, rächen, schlichten, sammeln, versprechen, brechen, grübeln. Ich versinke für Tage blass und brütend in wirren Gedanken: Töte ich das Schwein, das mich umbringen sollte? Soll ich das Schwert aus rotem Stahl oder den Zwergenstreithammer benutzen? Ist Sten wirklich ein Massenmörder? Freut sich Morrigan über ein Diadem? Die Geschicklichkeit oder besser die Klugheit aufwerten? Was bringt mir der Hund wohl diesmal zurück, wenn ich ihn suchen lasse? Lieber brachiale Zweihandwaffen trainieren oder den betäubenden Schildeinsatz? Als nächstes nach Redcliffe, in den Brecilianwald, in das Frostgebirge, zum Calenhadsee oder wieder in die Hauptstadt zurück? Ist die Urne mit der heiligen Asche nur eine Legende? Gibt es Drachen? Kann ich die dunkle Brut aufhalten? Wie spät ist es überhaupt?
Der Geist von Baldur's Gate
Was mich sofort an ihren Klassiker erinnert hat, ist auch die lebendige Geräuschkulisse in den Siedlungen: Man hört Gesprächsfetzen und das Hallen von Alltagsarbeit. Meist ist es so, dass man dann nur mit den Leuten sprechen kann, die als Hauptfiguren mit einem Namen gekennzeichnet sind und Quests anbieten. Aber BioWare überrascht auch hier: Selbst
Nebenfiguren, die z.B. nur als "Flüchtling" oder "Minenarbeiter" auftauchen, geben erstens immer individuelle Kommentare ab, wenn man sie anklickt, und zweitens können auch sie sich, wenn auch nur selten, als Questgeber entpuppen. Das sorgt dafür, dass man diese Leute nicht einfach umgeht, sondern dass sie als Teil der Spielwelt wahrgenommen und beachtet werden.Und sie setzen hinsichtlich der Partyinteraktion sogar noch eins drauf, denn nicht nur die hervorragenden deutschen (!) Dialoge, die fast durch die Bank mit emotionalen Sprechern glänzen, gehören zu den Highlights des Spiels: Es gibt eine Szene (hier im Video), in der ein von einem Dämon besessener Junge vor den Gefährten spricht, die schauspielerisch hervorragend inszeniert wird - da passen Mimik und vor allem die Stimmlage zu jeder Textzeile; das ist ein großer Moment. Wenn die skrupellose Hexe Morrigan auf die gutmütige Magierin Wynne trifft, dann rappelt es auch im kleinen moralischen Karton - Egoismus gegen Aufopferung, Darwinismus gegen Nächstenliebe. In seiner Ansprache ist dieses Dragon Age wesentlich vielfältiger als seine Ahnen. Es geht je nach Herkunft und Charakter des Gesprächspartners mal pathetisch, naiv, arrogant oder derb zur Sache: "Muss ich dir auch sagen, dass du dir nach dem Scheißen den Arsch abwischen musst?" Es gibt Angeber und Aufschneider, Träumer und Tyrannen. Ist das also doch der große Wurf des Rollenspielgenres?
Die wertvollen Beziehungen
Je nachdem, wie ich mich in Gesprächen verhalte und was ich in der Spielwelt tue, gewinne oder verliere ich ihre Sympathie - symbolisiert in einer Leiste, auf der nach jeder relevanten Aktion numerisch abgerechnet wird: Ich helfe einem kleinen Schmied, die Tochter zu suchen, obwohl ich als Grauer Wächter eigentlich Wichtigeres zu tun habe? Zehn Punkte Abzug beim zielstrebigen Sten und der misanthropischen Morrigan, fünf Punkte dazu bei der sorgenvollen Wynne! Ich lasse einen ketzerischen Blutmagier am Leben, obwohl er einen Mordversuch gestartet hat? Zehn Punkte Abzug beim exorzierenden Templer Alistair! Sehr amüsant sind die automatischen oder situationsabhängigen Gespräche, die für Leben in der Gruppe sorgen. Die Anzahl und Qualität dieser kleinen Verbalschlachten ist ausgezeichnet: Es kann passieren, dass sich Morrigan über die aufgesetzte Männlichkeit Alistairs lustig macht. Es kann passieren, dass der schweigsame Zweimeterriese Sten plötzlich mit einem Hund redet und sich zu einem Stöckchenwurf hinreißen lässt. Man schmunzelt, lacht und wundert sich. Allerdings auch darüber, dass es manchmal trotz einer wichtigen Entscheidung oder fragwürdigen Tat gar keine Reaktion von den Gefährten gibt, die vieles auch schweigend in Kauf nehmen - dazu später mehr.
Geschenke machen Freunde
Erst wenn man jemanden auf seine Seite gezogen hat, wird er sich vielleicht anbieten, andere Gefährten in Spezialisierungen wie Verwandlung oder Meuchelmord zu unterrichten. Vielleicht verliebt er sich auch oder offenbart eine geheime Quest. Auf der anderen Seite drohen wortkarge Dialoge, grimmige Kommentare, das Verlassen der Gruppe oder sogar der offene Kampf zwischen den Gefährten. Die Stimmung in der Party ist also in einem ständigen Fluss.
Die Relativität der Moral
Das erste Problem: Wenn die dunkle Brut das Heilmittel in die Finger kriegt, könnte das fatale Folgen für das ganze Reich haben. Das zweite Problem: Der Priester will sich nicht überreden lassen, den Ort zu verlassen. Die mögliche Lösung: Man bringt den Priester und damit den einzigen Zeugen um. Damit bewahrt man den Ort vor der Invasion der dunklen Brut und man könnte die Urne sogar vernichten. Gesagt, getan und eine Zwischensequenz unterstreicht die Gnadenlosigkeit dieser Situation: Mein Messer kracht nach kurzem Flug mit Schmackes in den Hinterkopf des Priesters, der wie ein nasser Sack zu Boden fällt, der quasi feige von hinten ermordet wurde. Natürlich werden sich vor allem die Gutmenschen innerhalb der
eigenen Gruppe aufregen. Es kann sogar zum offenen Kampf kommen, wenn man die gläubige Wynne dabei hat. Aber so kann man Dragon Age spielen.Natürlich kann man den Tempel auch ganz anders betreten, mit religiösem Respekt und man kann sogar halbnackt durch das schützende Feuer schreiten, um die Gunst der Götter zu gewinnen - wer das tut, wird sogar vom Wächter es Ortes gesalbt. Moral ist hier relativ, zumal es in der Story um das Schicksal der Welt geht. BioWare nennt sein System der Entscheidungen flapsig "Choice 2.0" und betonte, dass man seine Rolle ganz individuell ausleben soll. Und das ist herrlich. Es gibt also keine Fantasy-Correctness in diesem Abenteuer, es geht hart und brutal zur Sache - im Kampf und in den Konsequenzen.
Ohne Taktik kein Sieg
Wer den eigenen Magier nicht hinten platziert und bewacht oder den Schurken wie einen Krieger nach vorne hetzt, wird sehr schnell aufgerieben. Die Auswahl der richtigen Aktion und richtigen Leute zur richtigen Zeit entscheidet oftmals über den Sieg. Das Schöne ist, dass man sehr viel Auswahl bei der Zusammenstellung der Gruppe hat, denn im Lager warten irgendwann Schleicher, Heiler, Berserker, Formwandler, Templer, Kampfhunde - BioWare hat das Angebot an Gefährten sehr gut ausbalanciert. Es gibt Experten für riesige Zweihandwaffen, defensive Schildmanöver oder Bogenkunst, arkane Unterstützer, Beeinflusser oder Vernichter. Und es lohnt sich, früh genug zu experimentieren: Mal ist es besser mit drei Kriegern loszuziehen, mal mit drei Schurken oder eben mit voller Heilkraft im Hintergrund. Es gibt unendlich viele aktive und passive Aktionen: Krieger können eine provokante Haltung annehmen und die Gegner auf sich ziehen, Schurken können die Schwächen der Feinde für alle sichtbar markieren, im Schatten verschwinden oder sich Tod stellen, Magier können jemanden gezielt schwächen oder sich in Spinnen, Bären oder gar Schwärme mit Streuschaden verwandeln.
Taktisch wertvoll sind die effizienten Kombinationen: Wenn der Schurke seinen Gegner erfolgreich betäubt oder der Krieger das mit einem gezielten Knaufschlag für ihn erledigt, kann er sich hinter seinen Rücken bewegen und ihn mit viel mehr Schaden attackieren. Wenn der Magier einen Feind vereist und der Krieger danach einen mächtigen Hieb landet, dann zerbirst er auf Anhieb. Wenn der Magier seinen Feind zuerst mit einem Zauber erfolgreich schwächt, entzieht er ihm danach wesentlich mehr Lebensenergie. Wenn der Schurke eine Schmierfalle platziert, die mehrere Feinde bindet und der Magier einen Feuerball hinein jagt, explodiert das Ganze mit verheerender Wirkung - hot, very hot.
Tödliche Kettenreaktionen
Dafür sind andere Dinge angenehm realistisch: Wölfe haben in der Überzahl z.B. die Fähigkeit, ihre Beute zu überwältigen. Wenn man mit seiner Gruppe gegen ein Rudel kämpft und jemand isoliert umzingelt wird, dann fällt er zu Boden und die Raubtiere stürzen sich zu dritt oder viert auf ihn, man hört nur noch ein wildes Knurren und sieht das Blut spritzen, während ein graues Knäuel aus Fell und Reißzähnen über dem Abenteurer wütet. Um das zu verhindern, können Krieger z.B. vorher eine standfeste Position einnehmen. Oder man bekämpft die Wölfe in kleinen Gruppen, indem man sie heraus lockt.
Man kann das alles zu jeder Zeit selbst bestimmen und das totale Babysitting betreiben. Allerdings kann man ihnen im Taktikmenü auch Befehlsketten mit speziellen Wenn-dann-Verknüpfungen zuweisen und so regelrechte Kampfmakros
bauen: Wähle bei Feindkontakt deine Fernkampfwaffe, nimm nach 50% Lebenspunkteverlust einen Heiltrank, schütze den Heiler, konzentriere dich beim Beschuss auf Magieanwender. BioWare hat hier genug Verhaltensmuster von "aggressiv" bis "defensiv" in petto, die man sehr komfortabel anpassen kann. Schade ist allerdings, dass BioWare keine Finessen wie etwa Trefferzonen mit unterschiedlichen Verletzungen oder Flucht bei Moralverlust anbietet - das hätte das Kampfsystem enorm aufgewertet.Ein Game Over gibt es erst, wenn alle tot sind: Falls noch ein Charakter überlebt, erwachen die anderen wieder zum Leben. Sie tragen allerdings einen bleibenden Schaden wie etwa "verletzte Schlagader" davon. Dieser Malus sorgt dann für einen Abzug in der Konstitution, wenn man ihn nicht behandelt - eine gute Idee, denn die Behandlung kostet Geld und man kann sich nicht einfach so ohne Vorbereitung durch die Dungeons pflügen.
Blutige Kampf-Choreografie
Auch die wuchtige Musik, die mit der Frauenarie im Hauptmenü noch verdächtig nach Two Worlds klingt, und die Soundeffekte tragen ihren Teil dazu bei, dass die Gefechte kernig wirken: Bären richten sich auf und knurren bedrohlich, Untote stöhnen schlurfend und wenn ein Krieger voll mit der Rückhand seiner Klinge durchzieht, dann schmatzt es regelrecht, wenn Stahl auf Fleisch trifft. Die Animationen sehen nicht nur sehr gut aus, sie sind auch je nach Gegner- und Waffentyp sehr individuell. Da wird mit einem weit ausholenden Rundumhieb mal eben glatt geköpft, da wird die Klinge beim Todeshieb elegant und gezielt in eine bestimmte Stelle gestochen und wer mit dem Bogen das genaue Zielen aktiviert, steht ein paar Sekunden länger mit gespannter, aber nicht sichtbarer Sehne da.
Es gibt aber auch größere Probleme, die an der Glaubwürdigkeit der Spielwelt nagen. Zum einen das leidliche Thema Diebstahl (hier im Video), mit dem BioWare schon immer Probleme hatte: Wieso kann ich in die Küche einer Taverne marschieren und dort einfach so die Kisten plündern, obwohl mich die dort schuftende Frau samt ihrer Knechte schon beim Eintreten anpflaumt, dass ich ja nichts schmutzig machen soll? Noch schlimmer: Wieso kann ich trotz knurriger Warnung einfach so an
einer Zwergenwache vorbei in fürstliche (!) Gemächer schlendern und dort alles vor Zeugen plündern? Das ist schlechtes Figurenverhalten! In diesem Bereich wirkt Risen trotz anderer Defizite wesentlich lebendiger.Keine Konsequenzen für Langfinger
Auf diese unrealistische Weise kann ich mich jedenfalls in vielen Privaträumen bedienen. Wenn das nur ab und zu möglich wäre und wenn es keine Schurken-Klasse gäbe, wäre das nicht so schlimm. Aber BioWare bietet eine komplette Karriere für Langfinger mit allen Möglichkeiten an - dann muss man das auch überzeugend inszenieren. Es gibt lediglich bestimmte Plot-Kisten, die realistisch als Eigentum bewacht werden: Wer sich daran vergreift, muss danach die Waffen zücken oder wird streng ermahnt. Ähnlich wie in Risen stehen auch hier einfach mal herrenlose Truhen in der Wildnis oder dem Dorf rum, in denen man dann eine Kostbarkeit wie einen Schuppenpanzer finden kann. Aber warum hat BioWare kein Straf- oder Wachsystem für Privaträume eingebaut, wenn man doch als Klasse einen Schurken anbietet und sowohl das Schlösser knacken als auch den Taschendiebstahl ermöglicht?
Damit sind wir beim nächsten Fauxpas: Es gibt ähnlich wie in Drakensang keine Konsequenzen bei einem gescheiterten Diebstahl. Sprich: Ich visiere als Schurke mein Opfer mit einem Fadenkreuz an und wenn es nicht klimpert, dann schaut sich der Betreffende höchstens mal irritiert um - aber er ruft weder die Stadtwache noch zückt er die Waffe. Ich kann auf diese billige Weise nicht nur alle (!) Passanten einer Stadt abklappern, sondern auch Fürsten ohne Konsequenzen betatschen. Warum hat BioWare hier keine lebendigen Reaktionen eingebaut? Warum gibt es nicht wenigstens nach erfolglosem Klau eine Strafe? Auch die eigenen Gefährten hätten darauf reagieren müssen: Immerhin betreibt man hier als Grauer Wächter und Anführer unehrenhaften Diebstahl! So lebendig und konsequent das Spiel manchmal ist, so steril und inkonsequent ist es hier.
Apropos Stadt: Die Spielwelt ist ja nicht offen, sondern modular aufgebaut. Man reist von einem Punkt auf der Karte zum
nächsten, inklusive diverser Zufallsereignisse wie Überfälle oder Händler. Das ist im Rahmen eines großen Kontinents auch akzepatbel und verständlich. Aber dieses System wird, abgesehen von Orzammar, auch in der einzigen großen Metropole Denerim angewendet - und das ist ernüchternd. Denn wenn man das erste Mal die Stadtkarte sieht, denkt man sich noch: Wow, das kann ich alles erforschen? Aber praktisch kann man nicht einfach so von Viertel zu Viertel ziehen, sondern muss diese auf der Stadtkarte anklicken und dann dorthin - auch inkl. der oben erwähnten Zufallsereignisse. Spätestens hier wirkt das System antiquiert, denn obwohl die Karte eine gewisse Größe mit vielen Gassen und Straßen suggeriert, in die man gerne abtauchen würde, muss man sich mit sehr kleinen Gebieten oder gar einzelnen (!) Gebäuden zufrieden geben; ein Kartenpunkt ist z.B. ein Bordell, dessen Umgebung man nicht erkunden kann.Modulare Metropole
Hier fragt man sich dann wieder: Wenn man schon dermaßen kleine Areale anbietet, warum kann man die dann nicht wenigstens hervorragend visualisieren und mit Überraschungen garnieren? Schade ist nämlich auch, dass man in den relativ kleinen Orten kaum mit der Umgebung interagieren oder abseits von Quests Verstecktes entdecken konnte: Hier mal einen
Hebel bedienen, da mal eine Ballista abfeuern oder ein Kraut pflücken; ansonsten bleiben die Räume und Gebiete relativ interaktionslos. Und wenn etwas möglich war, wie etwa das spektakuläre Zerstören einer Tür, dann nur an speziellen Stellen. Immerhin hat BioWare die Dungeons üppiger gestaltet: Dort geht es dann schon mal verschachtelt und umfangreicher in die Tiefe, hier muss man auf einfache Fallen achten, diese per Klick entschärfen und seine Party geschickt positionieren - manchmal bietet sich auch das Kundschaften an: Den Schurken verdeckt um eine Ecke schicken, um den Feind auszuspähen. Allerdings wird das Labyrinthdesign im großen Ganzen keinen Fantasy-Veteranen von den Socken hauen, denn auch unter Tage vermisst man physikalische oder magische Fallen, die clevere Gegenmaßnahmen (Eis durch Feuer schmelzen etc.) verlangen, oder Überraschungen wie einstürzende Böden oder geflutete Gänge - schade, dass man nicht öfter so kreativ gefordert wird wie in der Parallelwelt des Nichts, wo man sich z.B. verwandeln muss, um vorwärts zu kommen. Es ist letztlich das große Drama auf der Bühne der Politik und der Persönlichkeiten das fasziniert, es sind die Dialoge, die dynamischen Beziehungen und die Konsequenzen, die gerade im Vergleich zur schwachen Rollenspielkonkurrenz hervorragend wirken - auf der Ebene des Spieldesigns und der Technik hätte man sich auch öfter diese Superlative gewünscht.Xbox 360 und PlayStation 3
Aber auf den zweiten Blick ergeben sich einige grafische und steuerungstechnische Unterschiede, die das Spielerlebnis auf den Konsolen deutlich trüben. Zum einen hat die schon auf dem Rechner schwache Kulisse auf Xbox 360 und PlayStation 3 zusätzlich mit bösen Pop-Ups zu kämpfen: Wenn man einen Waldweg hinunter läuft (hier im Video), rollen sich landschaftliche Details wie Gräser, Büsche oder Felsen regelrecht wie ein Teppich auf - und das schon in gefühlten 50 Metern Entfernung. Das sieht im direkten Vergleich mit den sanften Übergängen am PC nicht nur richtig schlecht aus, zumal es sich um kleine Areale und nicht um eine offene Welt handelt, das ist im Jahr 2009 auch vollkommen unverständlich: Beide
Konsolen haben technisch mehr drauf. Wer ein Fable II auf der Xbox 360 oder selbst einen PS3-Starttitel wie Folklore einschmeißt, wird in stimmungsvollere Kulissen abtauchen.Zwar teilen alle drei Plattformen die matschigen Texturen an Wänden und Böden, aber auf den Konsolen sind die wenigen Konturen, Maserungen oder Risse nicht so markant. Vor allem bei den Rüstungs- und Kleidungsoberflächen hat der PC die Nase vorn: Ketten, Leder oder Stoffe wirken dort plastischer und körniger. Allerdings ist der Unterschied in der Qualität nicht so stark spürbar wie bei Two Worlds, Divinity II oder Risen - hier sieht man im Video, dass beide Versionen etwa auf par sind. Es gibt weder Tearing noch Ruckler, außerdem verlieren die Texturen von z.B. Felsen oder Baumrinde nicht so stark an Qualität gegenüber dem PC - aber das auch nur, weil sie da schon schwach sind.
Ein größeres Manko als die visuelle Unterlegenheit ist aber die Steuerung. Ich kann auf den Konsolen nicht in eine taktische Vogelperspektive heraus zoomen: Diese sorgt ja erstens für mehr Übersicht in größeren Kämpfen und zweitens für ein edles Brettspielflair sowie Baldur's Gate-Nostalgie, wenn man quasi von oben auf den Spielplan blickt - so sieht Dragon Age ja auch nochmal einen Tick charmanter aus. Auf den Konsolen bleibt es immer bei einer erhöhten Schulterperspektive, so dass man die schwache Kulisse auch noch direkt vor Augen hat.
Manko: Keine Vogelperspektive
Das ist zwar kampfmechanisch genau dasselbe System, man kann Befehlsketten und Makros anlegen und man hat theoretisch Zugriff auf alles, was auch auf dem PC möglich ist, aber praktisch muss man bei der Steuerung weitere Abstriche machen: Das Wechseln des Waffensets erfordert z.B. einen Klick mehr und man kann lediglich sechs Spezialangriffe oder Zauber in einem Menü mit doppelter Dreiersortierung archivieren, um sie auf Knopfdruck schnell auszulösen - auf dem PC hat man eine Befehlsleiste mit knapp 30 Slots, da kann man alles wesentlich bequemer aktivieren.
Das Menüdesign ist auch auf den Konsolen über alle Zweifel erhaben, edel und interaktiv. Und obwohl es aufgrund des modularen Aufbaus viele Ladephasen (PS3 und Xbox 360 liegen etwa auf par, obwohl Letztere etwas zügiger war) gibt, werden diese auch hier mit hilfreichen Zusammenfassungen des kürzlich Erlebten garniert. Allerdings fehlt es auch hier an Komfort, wenn es um die Beziehungen geht: Auf dem PC bekomme ich numerisches und geschriebenes Feedback, wenn ich mit der Maus über die Leiste unter dem Charakter fahre - z.B. +10 (neutral) oder +24 (zugeneigt). Auf den Konsolen bleibt es bei einer farblichen Leiste, die ich nicht manuell anklicken kann, um mehr Details zu erfahren - schade.
Menüdesign & Interaktivität
BioWare geht hinsichtlich der Belohnungen auf allen drei Systemen mit der Zeit: Man kann 87 Erfolge à la "Taschendiebstahl durchgeführt", "Besiege 50 Gegner mit dem Folterer-Talent" oder "Eine Herkunftsgeschichte gemeistert, ohne dass der Charakter im Kampf gefallen ist" sammeln. Für jeden gibt es eine grafische Medaille und eine Punktzahl; all das lässt sich per Klick auf die BioWare-Server laden. Außerdem werden automatisch Screenshots zu den wichtigsten Ereignissen angelegt und mit einem Text versehen, der die Lage beschreibt - man kann quasi immer auf diese Bildergeschichte zugreifen.
Fazit
Wenn man heutzutage "Der Herr der Ringe" in der Originalausgabe liest, muss man tapfer sein: Die Sprache wirkt gerade auf den ersten Seiten spröde, der Einstieg ist alles andere als spannend und wer über das Auenland hinaus kommen will, braucht viel Geduld. Dragon Age wirkt auf den ersten Blick genau so veraltet wie diese ferne Literatur - man wandert durch relativ kleine Gebiete, vermisst schöne Landschaften und erlebt angestaubte Inkonsequenzen im Figurenverhalten. Und vor allem auf den Konsolen serviert BioWare hinsichtlich der Technik und Steuerung keine optimale 1:1-Umsetzung - da war viel mehr drin. An dieser Stelle hätte kein gewöhnliches Spiel überhaupt die Chance auf einen Award. Aber wer sich vom äußeren Schein trügen lässt, wird ein ungewöhnliches Spiel verpassen. Dragon Age ist ein Spätzünder, der mit der Öffnung der Weltkarte das erste Kribbeln auslöst, mit den Beziehungen unter den Gefährten das erste innovative Zeichen setzt und mit seinen gnadenlosen Konsequenzen ohne christliche Gut-Böse-Moral schließlich Jubel aufbrausen lässt. Freut euch auf ein erwachsenes Abenteuer mit skurrilen Gefährten, taktischen Kämpfen, offener Queststruktur, politischen Intrigen und tödlichem Verrat. Nach dem Einstieg beginnt eine Lunte zu glimmen, die tatsächlich das Feuer alter Rollenspielzeiten und damit den Geist von Baldur's Gate weckt. Und BioWare befriedigt nicht nur nostalgische Party- oder blutige Kampf-Gelüste. Man demonstriert, wozu Spiele erzählerisch in der Lage sind, wenn man talentierte Autoren engagiert und vor allem die Dramaturgie ernst nimmt: Ich habe selten so gute Dialoge und markante Charaktere erlebt. Ich habe selten so lange mit meinen Entscheidungen gehadert. Ich habe mich dabei ertappt, wie ich spät in der Nacht gegrübelt, den Alltag und die Zeit vergessen hatte. Und das ist angesichts der 08/15-Kloppmistflut eine enorme Leistung. Und selbst wenn die Kanadier letztlich kein virtuelles Meisterwerk geschaffen haben, weil sie die Farbe für ihr Fantasy-Gemälde schlampig auftragen: Sie begeistern mit einem epischen Schauspiel auf Theaterniveau, das Emotionen weckt und damit die Hoffnung auf die Spielezukunft schürt.
Zum Dragon Age-Video-Fazit
Pro
- erwachsene Fantasy-Story
- klasse Dialoge & Schauspiel auf Theaterniveau
- markante Charaktere mit Eigenleben
- sechs (!) Einstiege spielbar
- Rollenspiel mit vierköpfiger Party
- der Geist von Baldur's Gate ist spürbar
- soziale, politische & religiöse Konflikte+ drei Völker, drei Klassen
- Moralsystem ohne Gut-Böse-Kitsch
- Weltkarte mit Zufallsereignissen
- freies Spielgefühl dank offener Queststruktur
- gute Verzahnung von Haupt- & Nebenquests
- sehr detailliert ausgearbeitete Hintergrundwelt
- dynamische Beziehungen & amüsante Zickereien in der Party
- viele interessante Quests durch Gespräche
- komfortable Lagerfunktion als Ruhepol
- gutes Charakterentwicklungssystem
- taktisch anspruchsvolles Kampfsystem
- elegante & martialische Kampfchoreografie
- Entscheidungen mit Konsequenzen
- üppiges Magiesystem mit effizienten Kombinationen
- malerische Burgen & Innenräume
- sehr gute deutsche Sprecher
- lebendige Mimik & Gestik
- vorbildliche Benutzeroberfläche
- Hindernisse blockieren Distanzangriffe
- taktische Verhaltensmakros anlegen
- spürbare Abzüge nach tödlichen Kämpfen
Kontra
- Kisten öffnen/Taschendiebstahl ohne Konsequenzen
- Wachen/Passanten reagieren nicht auf Kämpfe
- schwache Landschaft und matschige Texturen
- recht kleine Gebiete mit künstlichen Grenzen
- teilweise grobe Clippingfehler
- keine Vogelperspektive & hektischere Kämpfe (360, PS3)
- böse Pop-ups, weniger Details (360, PS3)