Gridrunner Revolution - Test, Arcade-Action, PC, iPhone

Gridrunner Revolution
06.11.2009, Jan Wöbbeking

Test: Gridrunner Revolution

Weltraumschafe, ein psychedelisches Funkenmeer und kratzige Sprachsynthesizer: Diese Mischung klingt ganz nach der Handschrift von Jeff Minter. Seit 1981 sorgt der zottelige Engländer für gepflegtes Chaos auf dem Bildschirm. Sein beliebtestes Werk dürfte Tempest 2000 sein, ein mit stampfenden Techno-Beats unterlegtes Remake eines klassischen Atari-Shooters. Jetzt hat der Indie-Coder einen seiner eigenen Titel neu aufgelegt.

Streng genommen war schon das Original eine leicht modifizierte Kopie von Ataris Arcade-Klassiker Centipede. Doch Minter hat Gridrunner Revolution derart viele Neuerungen verpasst, dass man kaum noch Ähnlichkeiten entdeckt. Eine davon ist das Grundprinzip: Ich steuere immer noch ein kleines



Future Retro

Video: Explosionen sagen mehr als tausend Worte! Epilepsiegefährdete Zocker sollten lieber nicht zu genau hinschauen...Schiffchen durchs zweidimensionale All und ballere auf fast alles, was sich auf den Bildschirm wagt. Manche Widersacher erinnern an Krabbelviecher oder grobpixelige Raumschiffe aus der Urzeit der Videospiele, doch damit enden die Gemeinsamkeiten auch schon.

Gridrunner Revolution ist eben ein Scoreshooter: Statt abwechslungsreicher Kulissen gibt es lediglich glühende Rechtecke und bunt morphende Farbnebel im Hintergrund. Letztere hinterlassen dank Minters Erfahrung mit der Programmierung von Lichsynthesizern trotzdem einen recht hübschen Eindruck. Die rhytmisch blitzenden Gebilde werden von einer weiter entwickelten Variante der Neon-Engine berechnet, welche auch im Music-Player der Xbox 360 integriert ist. Wer den Psychedelic-Soundtrack vom Label Turbo Recordings trotz passend vor sich hin zwitschernder Synthesizer nicht mag, darf den Hintergrund auch mit eigenen Tracks zum Pulsieren bringen.

Derlei Spielereien sind aber nur Nebensache - die Action spielt sich davor ab: In jedem der über 100 kurzen Levels wird der Bildschirm von diversen Gegnerwellen wie leuchtenden 

Je nach gewähltem Shader Model (2.0 oder 3.0) wird das Inferno von unterschiedlichen Effekten in Szene gesetzt.
Neon-Raumschiffen mit geometrischen Schussformationen gestürmt. Schon nach wenigen Sekunden herrscht ein ähnliches Projektil- und Funkenchaos wie in Geometry Wars: Retro Evolved 2 oder Super Stardust HD. Spielerisch besitzt Llamasofts neuer Shooter aber einige Eigenheiten.

Auf ins Funkenchaos

Zunächst einmal sollte man so schnell wie möglich die um sich ballernde »Sonne« in der Mitte des Bildschirms mit Schüssen vollpumpen, bis sie in einer Supernova explodiert und ein schwarzes Loch hinterlässt. Einerseits lebt man dadurch sicherer, andererseits krümmt das entstandene Loch die Bahn meiner Projektile. Minter vergleicht diese Technik mit der Kalligraphie, also der Kunst, Texte besonders stilvoll aufs Papier zu bringen. Je hübscher sich die Schussreihen um das schwarze Loch kringeln, desto höher steigt auch der Punkte-Multiplikator.

                

Der Nachteil ist, dass man nie sicher sein kann, ob und warum der Algorhytmus das Ergebnis als ansehnlich bewertet. Doch wenn mann ein bisschen mit den freigeschalteten Schiffen und den Flugbahnen ihrer Projektile experimentiert, schnellt der Zähler schon bald über die 100 und die Schüssse beginnen zu zischen sowie rot zu leuchten. Besonders clever ist es, ein paar hübsche Projektilschlaufen aufzubauen, dadurch den Multiplikator in die Höhe zu treiben und mit ihnen gleichzeitig die heran rauschenden Widersacher zu zerbröseln.

Määäh!

Jetzt geht's rund: Kringelt man die eigenen Schüsse geschickt um das Gravitationsfeld eines schwarzen Lochs, schnellt der Multiplikator in die Höhe. 
Wie in anderen Llamasoft-Titeln spielen auch diesmal Schafe eine große Rolle. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie die Biester ins All gelangt sind. Wichtig ist nur: Sie kämpfen auf meiner Seite. Sammle ich ein Exemplar ein, bekomme ich zur Belohnung z.B. eine bessere Bewaffnung und Boni. Außerdem krümmen sich meine Projektile stärker, wodurch ich meinen Multiplikator erhöhen kann. Doch kaum verpasse ich ein Exemplar, verlässt es eingeschnappt blökend den Bildschirm und zur Strafe fliegen meine Kugeln beinahe wieder schnurgerade aus der Kanone. Doch bisweilen spielen die flauschigen Tierchen auch den Retter in Not: Kollidiert man mit einem Gegner oder Projektil, kann man das havarierte Schiff noch wie eine trudelnde Flipperkugel von Gegner zu Gegner schleudern. Erreicht man ein Schaf, bevor das Wrack die untere Bildschirmkante erreicht, gelangt man ohne Lebensverlust wieder ins Spiel. Dank diesem "Sheepie Save" birgt das Spiel deutlich weniger Frustpotential als die Konkurrenz.

Trotz aller Hektik lässt sich mein Raumgleiter ähnlich präzise navigieren wie in Big Bang Mini. Mit der Maus bewege ich das Schiffchen in Sekundenbruchteilen durch den kompletten Level. Die Schussrichtung lässt sich allerdings nicht wie in Zweistickshootern direkt bestimmen.

Als Bonus liegt das nach heutigen Maßstäben extrem monotone Original-Gridrunner bei.
Stattdessen sind die Kanonen wie im Klassiker Asteroids und in den ersten Stardust-Teilen fest an der Spitze des Schiffs installiert und ballern immer nach vorne. Der Gleiter selbst lässt sich mit der linken und rechten Maustaste langsam drehen. Dank der teilweise stark streuenden Schüsse und der Ablenkung durch Gravitation ist blitzschnelles, punktgenaues Zielen aber auch bei weitem nicht so wichtig wie z.B. In Super Stardust HD. Wer möchte, kann auch einen Xbox-360-Controller anschließen und die Steuerung von Maus, Tastatur und Pad frei konfigureiern. Besser und intuitiver spielt es sich aber direkt mit dem schnellen Nager.

Ein-Maus-Shooter

Wenn man sich nach ein paar Stündchen durch alle Spielstufen gearbeitet hat, warten noch ein Endlos-Modus und eine Thrust-Variation im Hauptmenü. In Letzterer fliegt das Schiff immer genau an den angeklickten Punkt. Oder man wedelt mit gedrückter Maustaste herum und schleudert es wie einen Enterhaken durchs All. Besitzer von Vista 64 müssen hier allerdings mit Problemen rechnen: Da das Spiel nicht ausgiebig auf 64-Bit-Betriebssystemen getestet wurde, verschwinden hier mitunter die Anzeigen vom Bildschirm. Als weiteres Extra liegt das Original-Gridrunner in den Fassungen für Vic-20 und C64 bei. Momentan ist übrigens eine iPhone-Umsetzung von Gridrunner Revolution in Arbeit - ob der Titel auch den Sprung auf andere Konsolen schafft, ist noch nicht sicher. PC-Besitzer können das 66 MB große Spiel bisher nur direkt von der Llamasoft-Homepage für 20 $ herunterladen. Für fünf Dollar mehr gibt es auch ein Bundle mit dem letzten Llamasoft-Titel Space Giraffe.        

Fazit

Gridrunner Revolution ist ein Paradoxon: Obwohl der Funken-Overkill kaum hektischer sein könnte, wirkt der Arcade-Shooter unheimlich entspannend auf mich. Vielleicht liegt es daran, weil in diesem Spiel noch mehr als üblich das Unterbewusstsein die Kontrolle übernimmt: Dank der schnellen Maus-Bedienung läuft die Navigation des Schiffchens ähnlich intuitiv ab, als würde ich einen Fuß vor den anderen setzen. Auch die rettenden Schäfchen vom »Sheepie Save« nehmen eine Menge Frustpotential aus brenzligen Situationen. Vielleicht haben mich auch der hypnotische Soundtrack und das farbige Funkenmeer in einen sanftmütigen Neon-Hippie verwandelt. Wie auch immer: In der gesamten Spielzeit musste ich nur zwei mal (!) lautstark meinen Frust heraus schreien - bei Geometry Wars oder Super Stardust HD wäre so etwas undenkbar. Trotz aller Unübersichtlichkeit fällt das Spiel außerdem etwas einsteigerfreundlicher aus als Space Giraffe aus gleichem Hause. Trotzdem hat es ein paar Stunden gedauert, bis ich den Großteil der Spielmechanik durchschaut hatte. Am besten liest man vor dem Spiel aufmerksam Jeff Minters kleinen Internet-Guide - das Tutorial und die mitgelieferte Anleitung lassen nämlich zu viele Fragen offen. Auch der experimentelle Gravitations-Multiplikator und die leuchtenden Projektil-Schleifen machen den Titel interessant. Schade allerdings, dass es keine weltweiten Leaderboards gibt. Wer einen PC und ein Faible für überdrehte Arcade-Shooter besitzt, sollte sich diesen Trip aber nicht entgehen lassen.

Pro

  • <P>
  • hektischer und trotzdem entspannender Arcade-Shooter
  • interessantes Punkte-Multiplikator-Konzept
  • hübsches Cyber-Design
  • knallbunter Partikel-Overkill
  • treibender Trance-Soundtrack
  • geisteskrankes Huftier-Geblöke
  • blitzschnelle und komfortable Maussteuerung
  • »Sheepie Save« verringert Frust-Momente</P>

Kontra

  • <P>
  • zu Beginn schwer zu durchschauen
  • Anleitung zu knapp geraten
  • Internet-Highscorelisten fehlen
  • kein Multiplayer
  • Anzeigen-Bugs unter Vista 64
  • relativ wenig Abwechslung</P>

Wertung

PC

Extrem hektisches und trotzdem ungemein entspannendes Funken-Chaos mit experimentellem Gravitations-Multiplikator.