Muramasa: The Demon Blade - Test, Action-Adventure, Wii, PS_Vita

Muramasa: The Demon Blade
15.12.2009, Paul Kautz

Test: Muramasa: The Demon Blade

Pixelkunst ist eine aussterbende Gattung: Früher mussten sich begabte Grafiker wochen- und monatelang vor Deluxe Paint abrackern, um die heißesten Kunstwerke auf die flimmernden Monitore zu zaubern - heute wird von nicht weniger talentierten Leuten in 3D-Programmen gewerkelt. Gibt es außerhalb von Metal Slug überhaupt noch Spiele, die auf diese ach so veraltete Technik setzen?

Video: Muramasa liefert atemberaubende und technisch perfekte Bilder - in 2D!Eigentlich ist 2D tot. Es gibt nicht mehr viele Künstler, die noch das Handwerkszeug drauf haben, nicht nur einzelne Bilder hervorragend aussehen zu lassen, sondern diese Perfektion auch in Bewegung umzusetzen. Es ist eine Sache, eine wunderschöne Gräserwiese als Standbild hinzubekommen - es ist eine völlig andere, das Ganze auch noch Pixel für Pixel so zu animieren, dass alles harmonisch miteinander funktioniert, sich weich bewegt und derart überzeugen kann, dass man einfach mal stehen bleibt, um sich das Ergebnis mal genauer anzusehen. Und dann wieder. Und dann gleich nochmal. Und sich dabei erwischt, wie die Kinnlade über den Teppich wischt. Stellt euch einfach vor, ihr würdet Bayonetta in 2D spielen. Ja, Muramasa - The Demon Blade liefert genau diese Art von Grafikperfektion, nur eben in zwei Dimensionen!

Oh ja! Und wie!

Obwohl Okami 2D vermutlich der nahe liegendere Vergleich wäre, denn das Szenario geht etwa in dieselbe Richtung. Keine Wolfgöttin weit und breit, dafür aber ein mittelalterliches Japan, in dem zwei Helden, Momohime und Kisuke, eine Mission haben. Jeweils eine Mission, um genau zu sein, denn Muramasa bietet zwei Abenteuer auf einer Disc. Zwar überschneiden sich die beiden Geschichten immer wieder mal, auch traben die beiden zwangsläufig durch die gleichen Szenarien, aber die dahinter liegende Motivation ist für beide unterschiedlich. Momohime, das Mädchen, hat ein Seelenproblem, denn die ihre sowie die eines grimmigen Kriegers streiten sich um den Platz in ihrem Kopf. Kisuke, der Junge, dagegen hat sein Gedächtnis verloren - und wundert sich, dass ihn jeder für einen Verräter hält

Spielerisch ist Muramasa nicht so faszinierend wie optisch: Ein Hack'n'Slay relativ gewöhnlicher Sorte, dessen Kämpfe etwas Abwechslung vertragen könnten.
und ihm an den im Wind wallenden Schal will. Anfangs muss man sich für einen von beiden entscheiden, kann diese Wahl aber jederzeit wieder ändern - die Spielverläufe für beide werden separat gespeichert, was schlussendlich dafür sorgt, dass man Muramasa zwei Mal durchspielen sollte, um beide Enden zu sehen. Spielerisch hat die Wahl allerdings keine so großen Auswirkungen: Beide Figuren steuern sich identisch.

Muramasa ist kein besonders tiefschürfendes Spiel: Man trabt durch die wunderschönen, abwechslungsreichen Levels, bis ein dickes Ausrufezeichen ins Bild springt und das Weiterrennen unmöglich macht - es ist Kampfzeit! Aus allen Richtungen springen Ninjas, Geister-Samurai, schwebende Dämonen, Bombenschmeißer, Riesenfrösche oder merkwürdige Höhlenbewohner ins Bild, die Wesen für Wesen zerschnetzelt werden müssen - erst wenn die letzte Gegnerseele aufgesaugt wurde, darf es weiter gehen. Der Kampf gegen die meisten Widersacher gestaltet sich auch entsprechend einfach: Egal ob Wiimote/Nunchuck, Classic oder GameCube-Controller, es gibt immer nur einen Angriffsknopf, der in Kombination mit einigen wenigen Richtungsangaben unterschiedliche Manöver startet - theoretisch kann man Ausweichrollen, Kombos, Paraden oder Luftangriffe machen. Muss man aber nicht, denn die meisten Scharmützel sind durch reines Buttonmashing, das automatisch Kombos hervorruft, problemlos zu gewinnen - selbst auf dem höheren der beiden Schwierigkeitsgrade, wobei hier eine spezielle Spieleigenschaft stärker in den Vordergrund tritt: Die zerbrechenden Schwerter. Man hat immer drei Säbel dabei, die sich mit der Zeit abnutzen. Wenn man blockt oder Spezialangriffe einsetzt, wird die »Schwertseele« verringert; ist sie bei Null, bricht die Klinge - mit der kann man nicht mehr blocken oder Speziallattacken nutzen. Dann muss sie für kurze Zeit zurück in ihre Scheide, um sich automatisch zu reparieren - währenddessen greift man zu einer der beiden anderen, wobei der Wechsel der Klinge den Bildschirm wie eine Art Smartbomb kurz von Feinden reinigt.

Ich liebe Schwerter!

Die Liebe zum Pixeldetail ist höchst beeindruckend; alles ist weich animiert und präsentiert sich in satten Farben.
Die Wahl der Waffe ist mehr als nur Makulatur, denn jedes der insgesamt 108 Schwerter hat unterschiedliche Eigenschaften - mehr Angriffsschaden, höhere Geschwindigkeit oder zusätzliche Verbesserungen wie Feuer. Neues Schneidwerkzeug gibt es auf zwei Arten: Entweder von gefallenen Bossgegnern; diese Schwerter sind die wichtigsten, sorgen sie doch dafür, dass man mit ihnen vorher undurchdringliche Barrieren durchbrechen und somit neue Spielbereiche erkunden kann - eine leichte Verbeugung vor dem Metroid-Spielprinzip. Die andere Art an neue Säbel zu kommen nennt sich »Schmiede«: Bereits nach kurzer Spielzeit hat man Zugriff darauf, so dass man seine eigenen Schwerter zimmern kann. Das klingt allerdings freier als es ist, denn gleich mehrere Dinge stehen dem kommenden Schwertmeister im Weg: Zum einen braucht es für die meisten Klingen bestimmte Stärkegrade, um sie tragen zu können - die kommen im Laufe des Spiels aber automatisch, da man mit jedem Kampf an Erfahrung gewinnt und damit über kurz oder lang im Rang aufsteigt. Außerdem braucht jede Waffe eine Mindestzahl an Seelen und Geistern, die man Sammeln muss - Seelen liegen überall grün schimmernd herum, Geister gibt es u.a. durch Nahrungsaufnahme.  Zum anderen kann man keineswegs einfach so sein Lieblingsschwert basteln, sondern einfach nur nach und nach fertige Säbel freischalten, von denen man sich dann drei ins Inventar packt. Diese Schwerter sind die einzige Art von frischen »Skills«, die man dazu gewinnt - ansonsten bleiben die Fähigkeiten von Momohime und Kisuke das ganze Spiel lang unverändert. Dazu zählt leider auch, dass die beiden lediglich per Druck auf die Nach Oben-Taste springen (bzw. doppelspringen und gleiten) können, diese Funktion darf nicht auf einen Button gelegt werden, was sehr ärgerlich ist. Zwar gewöhnt man sich irgendwann daran, aber in einem schnellen Actionspiel hat dieser Zwang trotzdem nichts verloren.         

Mit einigen NPCs lässt sich ein Schwätzchen führen, allerdings ist die Story für beide Figuren wenig gehaltvoll. Ein großes Problem des Spiels ist außerdem das dauernde Gerenne durch bereits bekannte Umgebungen.
Wie gesagt laufen die Kämpfe meist gleich ab; manche Gegner erfordern insofern etwas Taktik, als dass man ihre Schwerter per Spezialangriff zerstören sollte, damit sie nicht alles wegblocken. Etwas anspruchsvoller sind da schon die regelmäßig die Wege kreuzenden Bossgegner - etwas, aber nicht sehr. Denn bei den meisten reicht es auch hier, möglichst ausdauernd die Angriffstaste zu behämmern, um zum Ziel zu gelangen. Allerdings sollten die Angriffsmuster der Bosse studiert werden, wenn man die Klingen nicht ständig zerbrechen und die Lebensenergie rasant in den Keller rasseln sehen möchte. Wenn Letzteres passiert, kann man im Inventar befindliche Lebensmittel durchschalten und für eine schnelle Erholung zu sich nehmen. Allerdings geht das nicht pausenlos, denn jedes Gericht hat eine gewisse »Sättigungszeit«, in der man nichts weiter essen kann. Außerhalb der Kämpfe gibt es mehrere Möglichkeiten, die Lebensenergie wieder aufzufrischen: Man kämpft bis zum nächsten Levelaufstieg, wodurch man automatisch geheilt wird. Man sucht einen herumstehenden Waldaffen, der einen zum nächstgelegenen Onsen (eine heiße Quelle) führt, in dem man volle Lebensenergie und Schwertseelen bekommt. Man besucht ein Restaurant in einer Stadt oder einem Dorf, in dem man unter mehreren Gerichten wählen kann, die dann visuell ausführlich und mit entsprechend lobenden Kommentaren verputzt werden. Oder man kocht sich einfach sein eigenes Essen: Mit der Zeit findet oder kauft man immer mehr Zutaten sowie Kochrezepte, die man jederzeit (außerhalb von Kämpfen) und ebenfalls sehr ansehnlich dargestellt zubereiten kann.

Au, meine Füße!

Das große Problem von Muramasa ist die ständige Wiederholung. Damit sind nicht nur die immergleichen Kämpfe gemeint, sondern vor allem die Eigenschaft, den Spieler ständig durch bereits mehrfach durchquerte Gegenden zu schicken. Dass diese prächtig dargestellt

Zwei Figuren, Momohime und Kisuke, stehen zur Wahl. Beide spielen sich zwar gleich, bieten aber unterschiedliche Geschichten.
sind, wurde ja bereits erwähnt - das ändert aber nichts daran, dass man so manche Stadt, so manchen Bambuswald und so manchen Kirschgarten drei, vier, fünf Mal zu sehen bekommt, während man von Missionsziel zu Missionsziel trabt. Und zwar wohlgemerkt ohne, dass dabei etwas passieren würde, denn bereits von Feinden »bereinigte« Gegenden bleiben auch befriedet. So rennt man von einem Bildschirm zum nächsten, immer geradeaus, mal hoch, mal runter, aber immer dem Pfeil folgend, der zum Ziel zeigt - das man sich auch auf der jederzeit einblendbaren Übersichtskarte anzeigen lassen kann.

Hin und wieder bleibt einem diese Fußarbeit erspart, wenn man etwa die Dienste von Sänftenträgern in Anspruch nehmen kann - aber meist muss man doch selbst laufen. Eine der wenigen Ablenkungen von dieser Monotonie sind die Herausforderungslevels, die man erstmal finden muss. Bevor man sie betritt, warnt Muramasa einen, dass es gleich schwer wird - und empfiehlt auch gleich noch einen Spielerrang, damit man überhaupt eine Chance gegen die wartenden Gegner hat. Außerdem kann man mit gelegentlich in der Gegend herumstehenden Figuren ein kurzes Schwätzchen halten - das aber nur selten ergiebig ist. Diese Fließbandrennerei ist auch der Grund für die lange Spielzeit von etwa zehn bis zwölf Stunden für ein Durchspielen. Mit beiden Figuren, mit der Suche nach allen Herausforderungen und dem Grinden für alle Schwerter wird's logischerweise noch mehr. Darüber hinaus ist ärgerlich, dass der Spielstand nicht frei gesichert werden darf. Teilweise liegt eine halbe Spielstunde zwischen den blau leuchtenden Stationen, die sich immerhin zuverlässig vor den teilweise brillant inszenierten Bosskämpfen finden.

Versinken und staunen

Die (meisten) Bosskämpfe sind ein Highlight des Spiels, auch wenn sie selten herausfordernd sind. Die Präsentation der teils gigantischen Gegner ist einfach umwerfend!
Man muss mittlerweile entweder ein bestimmtes Alter erreicht oder ein grundsätzliches Faible für gemalte Kunst haben, um 2D-Grafik bewundern zu können. Muramasa dürfte eine Ausnahme sein, denn niemand kann ernsthaft abstreiten, dass hier verdammt großes, wirklich verdammt großes Talent auf dem Bildschirm ausgebreitet wird! Die Hintergründe, das Dutzend Scrollebenen, das Figurendesign, die Animationen, all der schwirrende Kleinkram wie Libellen, Blätter, Kirschblüten oder Pollen, die weich im Wind wiegenden Gräser, die vielen Farben, die das Herbstlaub auf den knorrigen Bäumen zeigt - Muramasa ist prachtvoll, einfach nur prachtvoll! Ein wunderschönes, liebevolles, hinreißendes Meisterwerk, dessen Grafikern man einfach nur stehend applaudieren möchte, stundenlang. Manche Levels scrollen nicht geradeaus, sondern rollen wie eine Kugel unter dem Spieler herum, manche sehen wie durch eine Glaskugel betrachtet aus, jeder einzelne davon ist einen eigenen Bildband wert. Einen deutsch untertitelten, wohlgemerkt, denn die Sprachausgabe ist komplett japanisch; für Fans eine gut betonte Wonne! Schade allerdings, dass es die deutschen Texte an Sorgfalt vermissen lassen: Es gibt gehäufte Schreibfehler, mein persönlicher Favorit ist die »Erhohlungspille«.     

Fazit

Ich finde es gut, dass sich die Wii langsam zur Pixelkunst-Konsole mausert. Im 3D-Bereich kann sie halt nicht mit 360 & Co. mithalten, einen gigantischen Polygoncount werden wir hier nie zu sehen bekommen - dafür aber detailverliebte 2D-Handarbeit in Perfektion! Zuletzt verzückte mich A Boy and His Blob mit irrer Niedlichkeit, jetzt haut mich Muramasa mit einigen der schönsten Levels aus den Socken, die ich je in einem 2D-Spiel zu sehen bekam. Doch die traumhafte Kulisse kann nicht darüber hinweg täuschen, dass es Vanillaware einmal mehr nicht geschafft hat, ein ähnlich gutes Spieldesign drum herum zu stricken: Die simplen Kämpfe steuern sich immer gleich, auch neue Schwerter bringen keinen frischen Wind in das Buttonmashing. Die Story ist für beide Figuren belanglos, das ständige Hin- und Herrennen durch bereits mehrfach durchquerte Gebiete ein künstlicher Spieldauerstrecker. Idealerweise habt ihr neben Pixelliebe im Blut auch kein Problem damit, quasi ein zweidimensionales Ninja Gaiden zu zocken - denn dann ist Muramasa: The Demon Blade genau euer Spiel!

Pro

  • traumhafte 2D-Grafik
  • simple Steuerung
  • unkompliziertes Kampfsystem
  • unterschiedlicher Spielverlauf für beide Figuren

Kontra

  • abwechslungsarme Kämpfe
  • belanglose Story
  • viele lange Laufwege

Wertung

Wii

Optisch ist Muramasa das zur Zeit beeindruckendste 2D-Spiel - spielerisch hingegen nur ein gutes, auf Dauer abwechslungsarmes Japano-Hack-n-Slay.